Forum Wissenschaft 2/2025
10.06.2025: Agrarpolitik und Landwirtschaft
Forum Wissenschaft 2/2025; Foto: Filmbildfabrik / shutterstock.com |
Von Bauernkriegen bis Treckerblockaden
Am 15. Mai 1525 wurde das Heer der aufständischen Thüringer Bauern in der Schlacht bei Frankenhausen von einem Fürstenheer vernichtend geschlagen. Ihr Anführer, der radikale protestantische Prediger Thomas Müntzer, wurde gefangengenommen und am 27. Mai in Mühlhausen hingerichtet. Er teilte damit das Schicksal von Tausenden seiner Mitkämpfer, die dem Blutbad der fürstlichen Söldner - angeführt von Landgraf Philipp von Hessen, der zwei Jahre später die noch heute nach ihm ("dem Großmütigen") benannte Universität in Marburg gründete - zum Opfer fielen. Damit war die bäuerliche Aufstandsbewegung in Thüringen niedergeschlagen. Auch wenn andernorts - vor allem im süddeutschen Raum - die Kämpfe noch weitergingen, zeichnete sich die endgültige Niederlage nun ab. Schätzungen gehen von rund 100.000 getöteten Bauern aus, häufig erst nach Ende der eigentlichen Kampfhandlungen. Ihre politischen Ziele konnten die Aufständischen nirgendwo durchsetzen. Die drückenden Abgaben wurden vielerorts noch einmal erhöht, die Hörigkeitsverhältnisse und Schollenbindung verschärft, das bäuerliche Gemeineigentum weiter zurückgedrängt. Städte, die sich der Bauernbewegung angeschlossen hatten, wurden mit hohen Kontributionen belegt und verloren ihre alten Rechte und Freiheiten.
500 Jahre später sorgen bäuerliche Unruhen wieder für Schlagzeilen. Treckerblockaden und stilisierte Galgen mit aufgehängten Strohpuppen sorgen für spektakuläre Nachrichtenbilder. Bäuerinnen und Bauern - so scheint es - sind ohnehin schon in einer wirtschaftlich schwierigen Lage, nun bedroht der Abbau der Dieselsubventionen vollends ihre Existenz. Doch stimmt dieses apokalyptische Bild? Welche wirtschaftlichen Risiken und Probleme lasten tatsächlich auf den Landwirt*innen? Welche Wechselwirkungen bestehen zwischen Landwirtschaft und Klimakrise? In diesem Heft wollen wir den Bauernkrieg vor 500 Jahren würdigen, die epochale Bedeutung der "12 Artikel", deren Forderungen zum Teil an einen modernen Menschenrechtskatalog erinnern, und einen Bogen schlagen zum bäuerlichen Unmut der Gegenwart. Immerhin sind Landwirt*innen heute keine entrechtete Bevölkerungsgruppe, wohl aber - anders als damals - eine kleine gesellschaftliche Minderheit, die sich unter agrarkapitalistischen Verhältnissen behaupten muss und dafür politische Rahmenbedingungen einfordert. Insofern sind differenzierte Betrachtungen und Analysen der Hintergründe dringend geboten.
Wir danken allen Autor*innen dieser Ausgabe für ihre Mitarbeit.
Unsere nächste Ausgabe erscheint im September 2025, dann mit einem thematischen Schwerpunkt zu Tourismus und Mobilität. Redaktionsschluss ist der 3. August 2025.
Aus dem Inhalt:
Landwirtschaft und Agrarpolitik
1525: Bauernkrieg
Den Verlauf der Aufstände 1524/25 schildert Gert Meyer
Theologie und Revolution
Sophie Schulz stellt Ernst Blochs Betrachtungen über Thomas Müntzer vor
Märchen, Mythen, Mutationen
Die Rezeption Müntzers durch die SED war widersprüchlich und schwankend, erläutert Karsten Krampitz
Kaum sichtbar, aber wirksam
Horst Luley blickt auf Veränderungsprozesse in der Landwirtschaft
Landwirtschaft zwischen Protest und Politik
Das Spannungsfeld zwischen EU-Politik und landwirtschaftlicher Existenzsicherung beleuchtet Martin Häusling
AfD und Landwirtschaft: Agitation und Unbehagen
Das Landwirtschaftsprogramm der AfD kommentieren Timeo Schneider und Andreas Braun
Die Landvolkbewegung und der Aufstieg der NSDAP
Den Aufstieg des Faschismus im ländlichen Raum skizziert Henning K. Müller
Zeiten der Krise
Jakob Graf schildert die Situation der kleinbäuerlichen Landwirtschaft im globalen Süden
Waldbau als historisches Erbe und Missverständnis
Pierre Ibisch fragt: Kann man das Ökosystem Wald überhaupt bauen?
Bildung und Wissenschaft
Berühmte Kontroverse
Lothar Peter diskutiert ein Buch über die westdeutsche Soziologie der Nachkriegszeit
Gesellschaft
Kommunikation ist Verständigung
Kommunikation fördert Erkenntnisgewinne, erfordert aber auch bestimmte Fähigkeiten, findet Jos Schnurer