Abschied vom Unzeitgemäßen?
978-3-939864-25-7; Umschlaggestaltung unter Verwendung einer Grafik von Pjotr Obuchoff |
Philipp Mattern / Timo Pongrac / Tilman Vogt / Dennis Wutzke (Hg.)
Abschied vom Unzeitgemäßen?Politische Ideengeschichte im Widerstreit
Festschrift für Klaus Roth
Reihe Hochschule, Band 11
ISBN 978-3-939864-25-7, Februar 2019, 242 Seiten, 12,00 EUR
Hier kann der Band bestellt werden.
Politische Ideengeschichte ist gefährlich. Denn sie macht unzufrieden, nötigt zum Streit und zahlt sich selten aus. Sie macht unzufrieden mit dem, wie es ist, erinnert sie doch daran, dass gesellschaftliche Verhältnisse auch anders hätten werden können. Sie ist widerborstig gegen den Optimierungssog der akademischen Betriebsamkeit, reizt darum ihre Verächter*innen zum universitären Verteilungskampf, gewöhnt ihre Verteidiger*innen an den Streit. Und sie ist Magnet für jene Studierenden und Dozierenden, die noch jeden Karrierecoach in den Wahnsinn treiben können. Alle diese Gefährdungen verdichten sich im akademischen Wirken Klaus Roths. Ihm ist dieses Buch zu seiner Verabschiedung von der Freien Universität Berlin gewidmet. An Roth und seiner prekären Stellensituation entzündete sich ein jahrelanger Konflikt um den Erhalt der politischen Ideengeschichte, die er am dortigen Otto-Suhr-Institut lehrte. Die Autor*innen des Bandes - Weggefährt*innen, Schüler*innen, geistige Kompliz*innen - blicken zurück auf diesen Konflikt, denken nach über die veränderten Produktionsbedingungen politischen Denkens an der Universität und das Diktat des "Zeitgemäßen". Und sie zeigen, dass das Gefährliche der politischen Ideengeschichte in Wahrheit doch der beste Grund ist, sich ihr mit Leidenschaft zu verschreiben.
Inhalt
Alt geworden? Zur Einleitung
Universität im Handgemenge
Arnhelm Neusüss: Kommunikatives Verhandeln. Postmoderne Gespräche mit Klaus Roth
Volker Strähle: Erfolgreich gekämpft und trotzdem verloren? Studieren in Zeiten des Konflikts um die Ideengeschichte
Maria Berschadski: "Wie isser denn so?" Über Klaus Roth, den Chef
Inga Nüthen: Was gehört zum Kern des Fachs? Kämpfe um die Institutionalisierung feministischer Politikwissenschaft am OSI (und was wir daraus lernen können)
Julia Dupont: Die fetten Jahre sind vorbei. Klappe, die nächste. Eine nachträgliche Betrachtung der produktiven Widersprüche meiner Studienzeit
Theorie und Betrieb
Gerhard Göhler: "Je mehr ich darüber nachdenke, desto skeptischer werde ich". Ein Gespräch über die Funktion der politischen Theorie und die Professionalisierung der Politikwissenschaft
Philipp Mattern: "Die Bibliothek aus der Sicht eines Benutzers" - eine Aktualisierung
Dennis Wutzke: Die Nachtseite der Norm. Universitätsbetriebliches Hegel-Lesen und das böse Rechtbehalten der revidierten Kritischen Theorie
Gerd Harders: School’s out! - Vom Ende der akademischen Schulen
Stefanie Mockert: Souveräner Verzicht. Überlegungen zum Ideologiegehalt biographischer Selbstdeutung bei prekären Sozialwissenschaftlerinnen und Sozialwissenschaftlern
Konstantinos Kavafis: In Erwartung der Barbaren (Übersetzt von Rosa Koumari)
Kritik der Ideengeschichte
Timo Pongrac: Wozu politische Ideengeschichte?
Bernd Ladwig: Kant versus Hegel revisited. Warum ich den politischen Liberalismus inzwischen für die bessere kritische Theorie halte
Tilman Vogt: Ideengeschichte als Sinnsuche. Ein geschichtsphilosophischer Versuch über ihre Formen
Martin Fries: Ideengeschichte als die Geschichte der Ideen europäischer Männer über sich selbst
Wolfgang Heuer: "Warum?" - "Weil …", oder: "Um zu …". Einige Überlegungen zum Verhältnis von Vernunft und Emotionen in der Politik und von Intuition und Rechtfertigung beim Gebrauch von Ideologien
Fabian Bennewitz: Anstelle eines Schlussworts. Eine studentische Perspektive auf das heutige OSI und seine "Ideengeschichte"
Autor*innen-Verzeichnis
Rezensionen
"Die "Festschrift" trägt nicht den Charakter einer Hagiographie. Die Herausgeber haben einen im besten Sinne konstruktiven Schlusspunkt an das Ende der langjährigen Kämpfe gegen eine sich kritisch und emanzipatorisch verstehenden Ideengeschichte gesetzt. Sie skizzieren eine Programmatik für die zukünftige Ausgestaltung ideengeschichtlicher Forschung, deren Fortexistenz am größten politikwissenschaftlichen Institut der Bundesrepublik ungewiss ist." (Dominique Miething in: Das Argument, Nr. 333)
"Dem Band gelingt für eine Festschrift Ungewöhnliches: Er wird zum kritischen Einspruch gegen den herrschenden universitären Betrieb (der doch gewöhnlich in solchen Bänden affirmiert wird) und zu einem Zeitdokument, das erlaubt, den Prozess der neoliberal bornierten Abwicklung einer für die demokratische Orientierung von Studierenden bedeutenden Teildisziplin der Politikwissenschaft kritisch zu reflektieren." (Michael Rahlwes in: kritisch-lesen.de Ausgabe 54)