Forum Wissenschaft 3/2015
09.09.2015: Entsicherung als Normalität. Prekarisierung in Bildung und Wissenschaft
Forum Wissenschaft 3/2015; Foto: Torbz – fotolia.com |
Editorial
Der neoliberale Umbau (fast) aller gesellschaftlichen Bereiche führt zu einer massiven Deregulierung einstmals als relativ stabil empfundener Arbeits- und Lebensverhältnisse. "Prekär" ist für diese Entwicklung zu einem Schlagwort geworden. Laut Duden bezeichnet das eine Situation, "die es äußerst schwer macht, die richtigen Maßnahmen, Entscheidungen zu treffen, aus einer schwierigen Lage herauszukommen". Prekäre Arbeits- und Lebensverhältnisse sind also von erheblichen Unsicherheiten gekennzeichnet und von - drohendem oder bereits erfolgtem - sozialem Abstieg begleitet.
Die in den vergangenen Jahrzehnten vorangetriebene Flexibilisierung des Arbeitsmarktes hat zu einer massiven Ausbreitung unsicherer Beschäftigungssituationen geführt. Das existenzsichernde sogenannte "Normalarbeitsverhältnis " ist längst nicht mehr der Standard. Stattdessen hat sich eine Vielfalt atypischer Beschäftigungsverhältnisse etabliert. Dies gilt auch für den Bildungs- und Hochschulbereich.
Im Schwerpunkt des vorliegenden Heftes widmen wir uns den Tendenzen der Prekarisierung in Hochschule, Wissenschaft, Bildung und Forschung. Dabei betrachten wir die Entwicklung der Arbeitsbedingungen im Hochschulbereich (insbesondere bei den Lehrbeauftragten) ebenso wie die Situation im Bildungs- und Sozialwesen und schauen auch auf internationale Tendenzen. Neben der Entwicklung der Arbeitsbedingungen richtet sich unser Fokus aber auch auf Anforderungen des Protestes gegen solche Bedingungen sowie daraus erwachsende Organisierungsformen und die Perspektiven sozialer Kämpfe.
Beispielhaft dafür stehen die jüngsten Streikaktionen in Kitas oder Organisierungsbestrebungen von Lehrbeauftragten. Einen ersten Erfolg ihrer jahrelangen Kämpfe um bessere Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft kann die GEW verbuchen: Immerhin plant die Bundesregierung eine Änderung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes.
Doch die Entfristung von Beschäftigungsverhältnissen reicht sicher nicht aus. Prekarisierung betrifft schließlich die Gesamtheit der Lebensverhältnisse und kann nicht auf den Bereich der Erwerbsarbeit begrenzt werden.
Es geht auch um strategische Perspektiven und die Verständigung über Zielsetzungen für erfolgreiche Kämpfe. Dafür wollen wir Diskussionsangebote machen und freuen uns über angeregte Rückmeldungen.
Für die Mitarbeit an diesem Themenschwerpunkt danken wir allen Autor_innen.
Die nächste Ausgabe von Forum Wissenschaft erscheint im Dezember. Unser Schwerpunkthema dreht sich dann um den Themenkomplex "Wissenschaft und Demokratie". Artikelvorschläge und -angebote nehmen wir gern entgegen. Redaktionsschluss ist der 5. November.
Prekarisierung in Bildung und Wissenschaft
Miriam Pieschke: Sind wir alle das Prekariat?
Peter Sopp / Alexandra Wagner: Atypische und prekäre Arbeitsverhältnisse
Andreas Keller: Durchbruch beim Befristungsunwesen?
Meike Grams: Willkommen an Bord des Kapitalismus
Michael Klundt: Zwischen Akademisierung und Prekarisierung
Linda Guzzetti: Kostengünstiges Instrument
Regina Schleicher: Prekäre Welten
Marc Kaulisch: Wissenschaftliche Karrieren
Peter Grottian: Von wegen Mindestlohn
Bildung und Wissenschaft
Marcel Eilenstein / Hatto Frydryszek / Marie-Theres Piening: Reaktionär von Anfang an?
Rechtsextremismus
Frieder Otto Wolf: Das Phänomen PEGIDA
Joachim Hösler: Kühnl versus Opitz?
Globalisierung
Georg Auernheimer: Mehr als ein modisches Schlagwort?
Menschenrechte
Michael Klundt: Menschenrechte bilden
Vermischtes
Georg Fülberth: Kolumne
Nachrichten aus Wissenschafts- und Hochschulentwicklung
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