Forum Wissenschaft 4/2024
06.12.2024: Gute Arbeit in der Wissenschaft?
Forum Wissenschaft 4/2024; Foto: PeopleImages.com – Yuri A / shutterstock.com |
Kämpfe gegen Befristung und Prekarität
An den Hochschulen ist - wieder mal - Unruhe und Bewegung. Doch während es traditionell eher die Studierenden sind, die ihren Unmut und Protest periodisch artikulieren, sind es neuerdings die Hochschulbeschäftigten, die ihre Unzufriedenheit äußern und sich auch in Netzwerken politisch zusammenschließen. Vor allem aus dem akademischen Mittelbau werden vernehmbar Forderungen nach besseren Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft erhoben.
Im Mittelpunkt der Kritik stehen vor allem die prekären Beschäftigungsverhältnisse mit oft kurz befristeten Laufzeiten bei hoher Arbeitsbelastung. Karriereperspektiven für eine akademische Laufbahn sind versperrt oder mindestens unsicher. Von einem "Traumjob Wissenschaft" kann meist keine Rede sein. Die wachsende Abhängigkeit der Hochschulen von projektbezogenen Drittmitteln verschärft die Lage zusätzlich.
Schon lange gibt es Aktivitäten, um eine Verbesserung der Arbeitsverhältnisse zu erreichen: 2010 verabschiedete die GEW in ihrem "Templiner Manifest" Forderungen für eine Reform von Personalstruktur und Berufswegen in der Wissenschaft, 2017 schlossen sich lokale Mittelbauinitiativen zum "Netzwerk für Gute Arbeit in der Wissenschaft" zusammen und mit der Twitter-Kampagne #IchBinHanna entstand ab 2021 eine ganz neue Dynamik in der wissenschaftspolitischen Auseinandersetzung. Für den BdWi ist die Frage der Arbeitsbedingungen untrennbar mit der Demokratisierung der Wissenschaft verbunden.
In diesem Sinne widmen wir uns in diesem Heft den gegenwärtigen Arbeitskämpfen in der Wissenschaft. Besondere Aktualität gewinnt die Thematik durch den Streit um die geplante Novellierung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes (WissZeitVG). Nach dem Ende der "Ampel"-Regierung ist eine Verabschiedung der Novellierung im gegenwärtigen Bundestag wenig wahrscheinlich - das umstrittene Gesetz bleibt eine Baustelle auch nach den anstehenden Neuwahlen. Eine kritische Bestandsaufnahme der Beschäftigungsverhältnisse ist folglich auch ein Beitrag für die Debatten des aktuellen Wahlkampfes.
Wir wollen dabei nicht nur auf die prekäre Situation des wissenschaftlichen Mittelbaus an Hochschulen schauen. Vielmehr geht es auch um Arbeitsbedingungen in außeruniversitären Forschungseinrichtungen und die Kämpfe studentischer Beschäftigter um tarifvertragliche Absicherung. Und wir widmen uns dem wissenschaftsunterstützenden Personal. Viel zu selten rücken die Beschäftigten in Technik, Verwaltung oder Service in den Fokus. "Gute Arbeit in der Wissenschaft" gilt aber auch für die hier tätigen Kolleg*innen.
Wir danken allen Autor*innen dieser Ausgabe für ihre Mitarbeit.
Die nächste Ausgabe von Forum Wissenschaft erscheint im März 2025, dann mit einem thematischen Schwerpunkt zu Gedenk- und Erinnerungspolitik. Redaktionsschluss ist der 1. Februar 2025.
Aus dem Inhalt:
Arbeitskämpfe an Hochschulen
Die Erfolge von #IchBinHanna
Amrei Bahr, Kristin Eichhorn und Sebastian Kubon erläutern, warum der Kampf trotzdem weitergeht
Der blinde Fleck
Mehr Aufmerksamkeit für das wissenschaftsunterstützende Personal fordert Sonja Staack
Quo vadis,WissZeitVG?
Andreas Keller gibt Antworten auf sieben Fragen zur laufenden Gesetzesnovellierung
Eine Alternative?
Die Arbeitsbedigungen in der außeruniversitären Forschung analysieren Eduard Meusel und Martin Scheuch
Billig, flexibel und abhängig
Eine Bestandsaufnahme studentischer Beschäftigungsverhältnisse von Nadine Theisen, Tim Skroblien und Florian Scheibner
Hessen als Vorbild?
Simone Claar und Mathis Heinrich berichten von ersten Erfolgen im Kampf gegen das Befristungsunwesen
Bildung und Wissenschaft
Neural Decoding
Wolfgang Kromer kritisiert fantasiereiches Clickbaiting beim Nachrichtenmagazin Der Spiegel
Für Demokratie und Wissenschaft
Der AK "Wissenschft gegen rechts" fordert, aus den Debatten zur Wiedergründung des BdWi zu lernen
Gesellschaft
75 Jahre Grundgesetz - 75 Jahre NATO
Gerhard Schäfer unternimmt eine kritische Zeitreise
Das ist pragmatisch
Jos Schnurer sucht nach Sinn und Hintergründen pragmatischen Denkens und Handelns
Freidenker - penseur libre
Wilma Ruth Albrecht stellt Publikationen zur Geschichte der freidenkerischen Bewegung vor
Die Printversion kann ebenso wie eine pdf-Fassung hier bestellt werden.