"Unternehmen Hochschule" in Bayern? Nein danke!
06.11.2020: Der BdWi unterstützt die Initiative Geistes- und Sozialwissenschaften
Die bayerische Staatsregierung plant in einem intransparenten Hauruckverfahren einen weitreichenden Umbau des bayerischen Hochschulwesens ganz unter dem Motto der "unternehmerischen Hochschule". Bayerns Hochschulen erhalten künftig die Option, von der bisherigen teilstaatlichen Organisationsform in eine reine Personalkörperschaft des öffentlichen Rechts zu wechseln und infolgedessen die Dienstherrnfähigkeit übertragen zu bekommen und frei über einen eigenen Globalhaushalt sowie ein Gesamtlehrdeputat verfügen zu können. Flexibilisierungen im Arbeitsrecht sollen Professor_innen zudem ermutigen, unternehmerisch tätig zu werden. Mit der vollständigen Freigabe der internen Governance-Strukturen ist zudem eine weitere Schwächung hochschuldemokratischer Mitbestimmungsmöglichkeiten zu befürchten, wenn Entscheidungskompetenzen künftig noch stärker in den Hochschulpräsiden als "Unternehmensspitze" gebündelt werden. In Zeiten chronischer Unterfinanzierung von Hochschulen droht damit nicht nur eine weitere Untergrabung der vielbeschworenen zweckfreien Forschung und Hochschulautonomie, wenn die Grenze zwischen gemeinwohlorientierter Wissenschaft und gewinnorientierten Unternehmertum weiter demontiert wird. Es ist auch mit einer weiteren Verschärfung der bereits jetzt zu beobachtenden inneruniversitären Verteilungskämpfe zu rechnen, die vor allem zuungunsten von wenig drittmittelaffinen oder kleinen Fächer sowie zulasten langfristig angelegte Grundlagenforschung und der Lehrer_innenbildung verlaufen werden. Auch aus studentischer Sicht bringt das neue BayHSchG wenig Erfreuliches mit sich: Für Nicht-EU-Studierende könnten Unis künftig wieder Studiengebühren erheben. Und statt der seit langem von Studierendenvertretungen geforderten Wiedereinführung der Verfassten Studierendenschaft wird als schwaches Surrogat ein Landesstudierendenbeirat eingeführt, der explizit keine eigene Rechtspersönlichkeit und kein allgemeinpolitisches Mandat erhält. Widerstand gegen die Stoßrichtung der Hochschulreform kommt u.a. von der Initiative Geistes- und Sozialwissenschaften (GuS), die in einer Online-Petition und mehreren Kundgebungen für den Erhalt und die Stärkung der Geistes- und Sozialwissenschaften eintritt. Der BdWi unterstützt die Petition der GuS-Initiative für den Erhalt und die Stärkung der Geistes- und Sozialwissenschaften. Wir sind der Ansicht, dass es eines grundlegenden Paradigmenwechsels in der gegenwärtigen Wissenschafts- und Hochschulpolitik bedarf. Wir brauchen keine (weiteren) Exzellenzinitiativen, "Leuchtturm-Projekte" oder sonstige Wettbewerbselemente im Hochschulwesen. Vielmehr benötigen wir eine umfassende staatliche Grundfinanzierung als Fundament für eine kritische und unabhängige Wissenschaft. Dazu gehört auch die Schaffung von Dauerstellen für Daueraufgaben: Diese bieten nicht nur Wissenschaftler_innen eine langfristige Perspektive für ihre Forschung, sondern sie sind auch eine wesentliche Voraussetzung für eine nachhaltige Verbesserung der Lehre und der Betreuungssituation an Hochschulen. Neben den angesprochenen Kritikpunkten ist es uns darüber hinaus wichtig zu verdeutlichen, dass wir die von der GuS-Initiative bemängelten Tendenzen nicht nur in kleineren Fächern, sondern auch bei höher frequentierten Fächern der Gesellschafts- und Geisteswissenschaften beobachten und scharf kritisieren. Insbesondere dort sind die Betreuungsschlüssel nicht ausreichend und die Qualität von Forschung und Lehre darf auch hier nicht durch das neue Bayerische Hochschulgesetz zusätzlich leiden. Gerade auch in Bezug auf die Lehramtsausbildung gilt es hier genau hinzuschauen.
Unterzeichnet werden kann die Petition hier: www.openpetition.de/initiativegus