Forum Wissenschaft 4/2018
11.12.2018: Emanzipation statt Kompetenzen. Bildungsbegriffe(e) in der Diskussion
"Bildung, Wissenschaft und Forschung sind die Schlüsselthemen für Deutschlands Zukunft" heißt es im Koalitionsvertrag der aktuellen Bundesregierung. Folgerichtig wird verkündet, in Bildung zu investieren, um gerechte Bildungschancen für alle zu schaffen. Solcherart unverbindliche Absichtserklärungen zu Förderung und Ausbau des Bildungssystems gehören freilich schon seit langem zur politischen Rhetorik regierender und oppositioneller Parteien.
Wirklich investiert wird jedoch kaum und eine breite gesellschaftliche Debatte über Bildungsinhalte, -konzepte und -strukturen findet nicht statt. Das Humboldtsche Bildungsideal mit einer umfassenden humanistisch fundierten Allgemeinbildung ist längst ökonomischen Verwertbarkeitsinteressen gewichen, weshalb der Erwerb von zweckorientierten "Kompetenzen" zum Leitmotiv zeitgenössischer Bildungskonzepte geworden ist.
Ein Bildungsverständnis, nach dem (wissenschaftliche) Bildung in eine emanzipatorische Praxis in und - vor allem - außerhalb der Hochschule münden sollte (wie es etwa für den BdWi essentiell ist), hat gegen diesen neoliberalen Mainstream wenig Spielraum. Bildung sollte aber dazu befähigen, die Zusammenhänge der Welt zu erkennen, um sie gemäß der eigenen Bedürfnisse und Interessen zu verändern. Die herrschende Bildungspolitik in der oben skizzierten Richtung zu verändern, bedarf harter Kämpfe und umfassender Diskussion.
Mit dem Themenschwerpunkt dieses Heftes wollen wir die Debatte über emanzipatorische Bildungsbegriffe anregen. Welche Rolle kommen Selbstbestimmung und Autonomie im Schulalltag zu? Welche Chancen und Risiken verbinden sich mit der Digitalisierung des Bildungssystems? Was steckt hinter dem populären Schlagwort des "lebenslangen Lernens"? Wie sollte sich das Verhältnis zwischen akademischer und beruflicher Bildung entwickeln?
Inhalt:
Bildungsbegriff
Ulrich Steuten: Restgröße Bildung
Sonja Staack: Keine gute Theorie ohne Praxis
Jochen Krautz: Kompetenzen machen unmündig
Ulf Banscherus: Lebenslanges Lernen - ein ambivalentes Reformkonzept
Torsten Bultmann: Lebenslanges Lernen - lieber nicht! Oder doch?
Regina Schleicher: Subjektivitäten im Fremdsprachenunterricht
Markus Deimann: Bildung und Netz
Florian und Wolfram Grams: Genese der Bildung und ihre tödliche Krankheit
Bildung und Wissenschaft
Torsten Bultmann: Trotz Wachstum der Drittmittel: Aktueller Förderatlas der DFG
Populismus
Kai Mosebach: Ein unvollendetes Projekt
Ulrich Brinkmann, Dirk Jörke und Tanja Paulitz: "Aufstehn!" Raus aus der neoliberalen Umarmung
Richard Lauenstein: Aufstehn. Beobachtungen zur neuen Sammlungsbewegung
Gesellschaft
Frank Graf: Merkels Humanismus - greek style
Richard Albrecht: In einem Jahr mit 13 Monden
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