Forum Wissenschaft 4/2025
15.12.2025: Leben mit dem Tod
|
Forum Wissenschaft 4/2025; Foto: youngdae kim / pexels.com |
Zur politischen Gegenwart der Sepulkralkultur
Der November, also der Monat, in welchem wir diese Ausgabe von Forum Wissenschaft finalisierten, steht aus einer sozial- und kulturwissenschaftlichen Perspektive heraus seit jeher im Zeichen des Gedenkens an Sterben und Tod. Praktiken und Rituale des Gedenkens wandeln sich jedoch über Zeit und Kontext hinweg. Der Schwerpunkt dieser Ausgabe widmet sich dem gesellschaftlichen Umgang mit der Thematik.
Sterben und Tod sind nämlich keineswegs bloß individuelle Erfahrungen. Sie werden politisch reguliert, räumlich organisiert, sozial ungleich verteilt und zunehmend technologisch vermittelt. Die Beiträge dieses Heftes zeigen dabei, dass sich der Umgang mit dem Tod nicht auf Friedhöfe, Bestattungen oder Trauerpsychologie beschränken lässt. Er reicht in Fragen der Stadtplanung und Migration, in Datenethik und KI-Entwicklung, in ökologische Debatten ebenso wie in Alltagspraktiken und öffentliche Erinnerungskulturen. Deutlich wird das etwa im Gespräch mit Dirk Pörschmann, das die aktuelle Pluralisierung der Bestattungs- und Trauerkultur in Deutschland beleuchtet: Von muslimischen Grabfeldern über Friedwälder bis hin zu Kontroversen um Friedhofszwang wird sichtbar, dass Trauerarbeit längst auch integrations- und gesellschaftspolitische Dimensionen hat.
Alle Beiträge verweisen darauf, dass der Tod weder Randthema noch Ausnahmefall ist. Er strukturiert soziale Beziehungen, staatliche Praktiken, ökonomische Interessen und technische Innovationen. Der gesellschaftliche Umgang mit Sterben und Trauer ist damit immer auch eine Auseinandersetzung mit unseren Vorstellungen von Gemeinschaft, Gerechtigkeit und Leben.
Diese Ausgabe lädt dazu ein, diesen Umgang kritisch, interdisziplinär und zukunftsorientiert zu betrachten. Wir wollen das Sterben und den Tod um seine kulturelle, soziale und politische Bedeutung ernst nehmen. Wie wir sterben, trauern und erinnern, sagt immer auch etwas darüber aus, wie wir leben.
Aus dem Inhalt:
Sterben und Tod
Sozialwissenschaftliche Perspektive
Warum Sterben immer eine gesellschaftliche Aufgabe ist beschreibt Stephanie Stadelbacher
Bestattungsformen und Trauerrituale
Ein Gespräch über Entwicklungen und Herausforderungen der Sepulkralkultur mit Dirk Pörschmann
Nekropolis und Biopolis
Johanna Hoerning und Lucas Pohl befassen sich mit dem Sterben als Bestandteil städtischen Lebens
Which Side Are You On?
Meike Gerber und Robin Iltzsche diskutieren zwei dominante, aber widersprüchliche linke Positionen zur Sterbehilfe
Perimortale Medien
Patrick Nehls nähert sich an das Verhältnis von Tod und KI an
"Eine Leiche verlangt nichts, …"
Ein Gespräch über die Disziplin der Kriminalbiologie mit Mark Benecke
Humanität und Schrecken
Ben Seel betrachtet die Ambivalenz der Guillotine und den Folgen für das moderne Strafrecht
Heldentod und Massenmord
Gisela Notz untersucht die Geschichte des Sterbens im Krieg am Beispiel des Ersten Weltkriegs
Mehr Fokus auf Interessen und Gefühle!
Bernhelm Booß-Bavnbek und Ali Hansen fordern: Analysiert Interessen und Gefühle im Kampf für den Frieden!
Bildung und Wissenschaft
Die Rolle von Hochschulen in autoritären Zeiten
Die Entwicklung der deutschen Hochschulen im 20. Jahrhundert beobachten Christoph Haker und Lukas Otterspeer
Gesellschaft
Technik als Problemlöser der multiplen Krise?
Wolfgang Neef kritisiert den säkularen Wunderglauben an technologische Zukunftslösungen
Forschen für welche Welt?
Eine Literaturumschau von Johannes Klotz zur Entwicklung der geostrategischen Machtverhältnisse
Gilberto Bosques
An den mexikanischen Diplomaten erinnert Karlheinz Lipp
Bestellmöglichkeit (auch als pdf): www.bdwi.de/orderlist/#99417

