BdWi - Bund demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler

»Wissenschaft ist also ein prinzipielles Gegen-den-Strom-Schwimmen.«

Klaus Holzkamp

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Erinnerung an Helga Koppel (1924 - 1982)

Nach der Wiederbelebung des BdWi im Sommer 1972 erwuchs durch das schnelle Wachstum des Verbandes auch Bedarf nach einer verbindlicheren organisatorischen Struktur. Die Leitung der neu geschaffenen Geschäftsstelle übernahm von 1975 bis 1982 Helga Koppel. Am 27. August jährte sich ihr Geburtstag zum 100. Mal. Aus diesem Anlass erinnert Georg Fülberth an die BdWi-Geschäftsführerin.[1]1

Während in der Öffentlichkeit der BdWi sich bemüht, sicht- und hörbare Politik zu machen, muss zugleich möglichst geräuschlos dafür gesorgt werden, dass der Laden läuft. Dies ist Aufgabe seiner Geschäftsführung. In der Zeit des Vorsitzenden Werner Hofmann besorgte das ein "Sekretär": Herbert Claas, ehrenamtlich. Er war vorher im Marburger AStA gewesen, jetzt Assistent im Institut für Soziologie.

Der schnelle Mitgliederzustrom 1972 machte eine hauptamtliche Geschäftsführung nötig. Mit großer Selbstausbeutung und für kleines Geld besorgte dies Jutta von Freyberg. Diese Tätigkeitsmerkmale blieben typisch auch für alle ihre Nachfolger(innen) bis heute. Am Anfang gab es nicht einmal eine besondere Schreibkraft, Jutta von Freyberg hatte das auch noch zu erledigen. Immerhin verfügte der BdWi jetzt wenigstens - anders als zu Werner Hofmanns Zeiten - über ein eigenes Büro mit der statusangemessenen Adresse "Universitätsstraße 62".

Jutta von Freyberg wechselte 1974 in die Redaktion einer Tageszeitung. Ihre Nachfolgerin wurde Helga Koppel. Geboren 1924 als Tochter eines jüdischen Vaters, konnte sie nicht studieren und kam nur mühsam über die Jahre bis 1945. Nacheinander verheiratet mit den Filmproduzenten Gyula Trebitsch und Walter Koppel (mit dem sie zwei Töchter hatte), tat sie von 1947 in der von diesen gegründeten und zunächst sehr erfolgreichen "Real-Film GmbH" (u. a. Der Hauptmann von Köpenick, 1956) das, was sie auch später für den BdWi tat: Unmögliches möglich zu machen, Auseinanderstrebendes zusammenzuhalten, zu Ergebnissen zu kommen.

In den sechziger Jahren lebte sie lange in Italien und arbeitete als Publizistin. 1961 veröffentlichte sie zusammen mit Robert Neumann bei Desch in München: Hitler. Aufstieg und Untergang des Dritten Reiches. Ein Dokument in Bildern. 1966 kam ihr Buch Sophia Loren. Porträt einer Schauspielerin heraus, 1970 Film in Italien: Italien im Film.

Spät begann sie zu studieren: 1970 bei Wolfgang Abendroth. 1974 schloss sie ihre Dissertation über den Aufstieg der Italienischen Kommunistischen Partei im und nach dem Widerstand gegen den Faschismus ab. Dieser Glanz kam nun im gleichen Jahr in die Hütte des BdWi, die sich bald nicht mehr in der Universitätsstraße 62, sondern in der Gisselberger Straße 7 befand.

Zunächst waren personelle Umbrüche im Vorstand zu bewältigen: Nach dem Ausscheiden von Helmut Ridder 1974 und Walter Jens 1976 hielt Helga Koppel Kontakt zu ihnen und erreichte, dass sie weiterhin ihre Arbeitskraft immer wieder dem BdWi zur Verfügung stellten. Das ungeschickte Lavieren des Verbandes in der Biermann-Angelegenheit bekümmerte sie - ebenso wie die Sache selbst - tief. Durch ihren persönlichen Einsatz versuchte sie den Schaden zu mindern. Ihr ist zu verdanken, dass mit Hilfe von Walter Jens 1978 anlässlich des Bahro-Debakels sich nicht Gleiches wiederholte. In Helga Koppel fanden diejenigen Mitglieder eine Mitstreiterin, für die der BdWi nicht nur ein Kampfverband gegen die Berufsverbote und für Hochschulreform sein sollte, sondern sich auch um die inhaltlichen Aspekte von Wissenschaft zu kümmern hatte. Zu den ersten Resultaten gehörten eine Umwelttagung 1976 und kontinuierliche Auseinandersetzung mit dem Verhältnis von Forschung und Rüstung in der nun einsetzenden neuen Runde des Kalten Kriegs.

Hinzu kam der stets zunehmende und unvermeidliche Bürokram. Die Menschenfischerin fand die richtigen Mitarbeiterinnen für die Verwaltungsarbeit: erst Margit Kauffmann, dann Silvia Wagner.

Zuletzt wurde es zu viel. Im Oktober 1982 brach Helga Koppel im BdWi-Büro nach einem Asthma-Anfall zusammen und starb noch am selben Tag, erst 58 Jahre alt. Ein Nachruf des Bundes demokratischer Wissenschaftler endete mit dem Satz: "Sie hinterlässt uns ratlos."

Georg Fülberth, , Professor für Politikwissenschaft in Marburg 1972 - 2004. Mitglied des BdWi-Bundesvorstands 1972 - 1979 und 1982 - 1991.


[1] Dieser Beitrag erschien erstmals in der Broschüre zum 50. Jahrestag der Gründung des BdWi: Gegen den Strom schwimmen - 50 Jahre BdWi, Marburg 2018. ^

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