Kein Maulkorb für Kritische Wissenschaft!
13.06.2024: BdWi verurteilt Bestrebungen zum Entzug von Fördergeldern für kritische Wissenschaftler*innen durch das BMBF
Erklärung des BdWi
Wie der NDR Anfang dieser Woche berichtete, ließ das von Bettina Stark-Watzinger (FDP) geführte Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hausintern prüfen, ob kritischen Hochschullehrenden Fördermittel des BMBF gestrichen werden können.
Anlass der Prüfung war ein offener Brief von Wissenschaftler*innen, die sich kritisch zur polizeilichen Räumung des propalästinensischen Protestcamps an der FU Berlin vor einigen Wochen äußerten. Das Statement wurde von rund 400 Dozent*innen von Berliner Hochschulen sowie von über 1000 Wissenschaftler*innen verschiedener deutscher und internationaler Hochschul- und Wissenschaftseinrichtungen unterzeichnet.
Unabhängig davon, wie man zum Inhalt des offenen Briefs steht, zeugt der Prüfauftrag des BMBF von einem äußerst zweifelhaften Verständnis der grundgesetzlich verankerten Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit. Der Bund demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler (BdWi) verurteiltdas Vorgehen des Bundesforschungsministeriums aufs Schärfste. Das Signal, dass das Ministerium damit in Richtung (kritischer) Wissenschaftler*innen sendet, ist unmissverständlich: Wer sich (zu) staatskritisch oder politisch unliebsam äußert, muss mit (finanziellen) Sanktionen rechnen. Hochschulen müssen aber als Orte der freien und offenen Auseinandersetzung erhalten bleiben.
Zugleich verweist der Vorfall auf einen weiteren Missstand im deutschen Hochschulsystem, vor dem wir als BdWi schon seit langem warnen: Seit der neoliberalen Wende in der Hochschul- und Wissenschaftspolitik in den Neunzigerjahren verschiebt sich der Anteil von Grund- und Drittmittelfinanzierung in der Wissenschaft zunehmend in Richtung der Drittmittel. Nach einer Berechnung des Wissenschaftsrats speisen sich die Forschungsbudgets der Hochschulen inzwischen zu fast 46 Prozent aus "Drittmitteln". Der Umfang der Grundfinanzierung reicht schon lange nicht mehr aus, um die Grundbedarfe deutscher Hochschulen in Forschung und Lehre zu decken. Damit steigt der Druck auf Hochschulen, Drittmittel einzuwerben. Dies führt zu einer zunehmenden Abhängigkeit der Wissenschaftler*innen von ihren Drittmittelgebern - mit einer Vielzahl negativer Auswirkungen wie beispielsweise zunehmenden inhaltlichen Konformismus.
Wissenschaftler*innen werden sich nach Bekanntwerden des BMBF-Skandals in Zukunft verstärkt fragen, in welchem Maße sich sie kritisch äußern können, ohne Gefahr zu laufen, dass ihnen anschließend Forschungsgelder entzogen werden.
Marburg, 13. Juni 2024