Forum Wissenschaft 1/2023

16.03.2023: Studentischer Protest

	Forum Wissenschaft 1/2023; Foto: Artemas Liu, CC BY 2.0 via Wikimedia Commons

Am 18. Februar 1943 wurden Hans und Sophie Scholl beim Verteilen von antifaschistischen Flugblättern in der Münchener Universität verhaftet. Schon wenige Tage später wurden sie und weitere Mitglieder der "Weißen Rose" von der Nazi-Justiz zum Tode verurteilt und hingerichtet.

Die mutigen Aktionen jährten sich nun zum 80. Mal. Für Forum Wissenschaft ist dieses Jubiläum Anlass, die Tätigkeit der "Weißen Rose" zu würdigen, war sie doch auch Ausdruck eines seinerzeit extrem ungewöhnlichen Protests gegen Nationalsozialismus und Krieg aus einem studentischen Milieu. Unter Studierenden an deutschen Hochschulen fand sich ansonsten nur wenig Widerstandspotenzial, die überwiegende Mehrheit der akademischen Jugend stand politisch weit rechts. Große Teile waren schon vor 1933 eindeutig pronazistisch.

Im deutlichen Kontrast dazu steht die Wahrnehmung von Studierenden als überdurchschnittlich links. Kann dieser Eindruck - jenseits der Jahre um 1968 - tatsächlich Bestand haben? Wie fällt eine Bestandsaufnahme der Geschichte deutscher studentischer Bewegungen in dieser Hinsicht aus? Und welchen gesellschaftlichen Einfluss haben studentische Bewegungen in Vergangenheit und Gegenwart entfaltet? Der letzte nennenswerte Erfolg war die Verhinderung regulärer Studiengebühren in Deutschland. Und darüber hinaus?

Bedeutsame studentische Protestaktionen finden gegenwärtig vor allem in anderen Ländern statt - oft auch unter hohen persönlichen Risiken. Seit langem schon toben immer wieder Auseinandersetzungen an Hochschulen in der Türkei. Besonders im Blickpunkt steht dabei die Bogazici-Universität in Istanbul.

Große internationale Aufmerksamkeit bekommt besonders der Aufstand im Iran. Die Aktionen der Jin-Jiyan-Azadi-Revolution haben breite Teile der Bevölkerung erfasst. Auch Schüler*innen, Studierende und Lehrkräfte fordern mutig ihre Rechte ein und kämpfen für eine gesellschaftliche Veränderung. Sie verdienen unsere Sympathie und Solidarität, erst recht in Anbetracht der massiven blutigen Repressionsmaßnahmen des iranischen Regimes.

Die Beiträge dieses Heftes dienen auch der Ermutigung und Unterstützung von protestierenden Wissenschaftler*innen und Studierenden - überall auf der Welt.

Aus dem Inhalt:

Studentischer Protest

• Studentische Protestbewegungen
  
Julian Schenke referiert historische Beispiele deutscher studentischer Bewegungen

• Kämpfe im Bildungssektor
  
Bahar Oghalai zeichnet eine Geschichte der Bildungsproteste im Iran nach

• #StudentsAcrossBorders
  
Die aktuelle Situation an Hochschulen in der Türkei resümiert Asli Telli

• Die "Weiße Rose" - studentischer Widerstand
  
Ulrich Schneider beschreibt den Kontext, in dem die Aktionen der "Weißen Rose" stattfanden

• "Einzelgänger,Urchristen und Influencer"
  
Die Erinnerungsgeschichte an die "Weiße Rose" skizziert Michael Greinwald

Bildung und Wissenschaft

• Zwanzig Jahre Widerstand - und ein Teilerfolg
  
An die Auseinandersetzungen um Studiengebühren erinnert Torsten Bultmann

• Evidenzbasierte Medizin
  
Im zweiten Teil seines Beitrags konzentriert sich Udo Endruscheit auf eine kritische Betrachtung

• Volkswirtschaftslehre
  
Mit der Dominanz der neoklassischen Theorie setzt sich Alexander B. Voegele auseinander

Herbstakademie

• Die sozial-ökologische Transformation
  
Stefan Krull diskutiert Fragen der Transformation aus gewerkschaftlicher Perspektive

Kunst und Kultur

• Kreative Inszenierungen von Wissenschaft
  
Martina Sitt und Leonie Kortmann berichten über eine Ausstellung zum 50. Gründungsjubiläum der Universität Kassel

• Chinesische Gegenwartskunst
  
Yan Xu-Lackner beleuchtet Aspekte chinesischer Gegenwartskunst im Spannungsfeld zwischen westlicher Gegenwartskunst und eigenkultureller Reflexion

• Gleichrangige Zwillinge
  
Die Parallelen von Wissenschafts- und Kunstfreiheit analysiert Lukas C. Gundling

• Das Geheimnis eines glücklichen Lebens
  
Jos Schnurer hat sich auf die Suche nach dem Glück begeben

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