Forum Wissenschaft 3/2018
11.09.2018: Queerness und Wissenschaft. Zwischen Diskriminierung und Emanzipation
Forum Wissenschaft 3/2018; Foto: Lemon Tree Images / shutterstock.com |
Im Frühjahr 2009 entstand in Marburg ein breites politisches Bündnis, um gemeinsam gegen den Kongress der evangelikalen Akademie für Psychotherapie und Seelsorge zu protestieren.
Diese Akademie fördert seit der Jahrtausendwende "Begegnungen zwischen Psychotherapie und christlicher Seelsorge in Wissenschaft und Praxis" und veranstaltet dazu regelmäßig Tagungen und Kongresse. Gemeinsamer Nenner der dort aktiven Akademiker*innen (aus vielen Wissenschaftsdisziplinen, besonders aber Mediziner*innen und Psycholog*innen) ist ein fundamental christliches Welt- und Menschenbild. Dazu gehört die heterosexuelle Ehe als einzig akzeptables Lebensmodell. Abweichungen davon sind nicht zu akzeptieren, sondern gelten als krankhaft. Somit gehören Referent*innen, die "Umpolungstherapien" für Homosexuelle anbieten zum selbstverständlichen Bestandteil derartiger Veranstaltungen.
An dieser Verbindung von Homophobie und religiösem Fundamentalismus unter dem Deckmantel der Wissenschaftlichkeit entzündete sich der Protest. Ein knappes Jahrzehnt später sind die Auseinandersetzungen um Fragen von Emanzipation und gleichberechtigter Akzeptanz unterschiedlicher Lebens- und Liebesweisen nicht beendet. Zwar ist Homosexualität längst entkriminalisiert, wird die binäre Geschlechterzuordnung wissenschaftlich, politisch und rechtlich in Frage gestellt und gilt seit 2017 die "Ehe für alle". Zugleich stoßen diese zivilisatorischen Fortschritte aber auf massiven Widerstand konservativer, oft religiös motivierter Bevölkerungsteile. Mit der parlamentarischen Etablierung der AfD hat ihre öffentliche Präsenz erheblich zugenommen. So manifestiert sich der Widerstand gegen gesellschaftliche Gleichberechtigung nicht mehr nur in Form von Märschen "für das Leben" oder organisierten Kampagnen gegen die Erziehung zu sexueller und geschlechtlicher Vielfalt im Schulunterricht, sondern auch in Hörsälen und Parlamenten.
Mit dem Themenschwerpunkt dieses Heftes "Queerness und Wissenschaft" wollen wir den Kampf für Gleichberechtigung und Vielfalt unterstützen und freuen uns auf produktive Kritik und weitere Diskussionsbeiträge. Wir danken allen Autor*innen herzlich für ihre Mitarbeit.
Die nächste Ausgabe von Forum Wissenschaft erscheint im Dezember 2018. Im Themenschwerpunkt wollen wir dann über Bildungsbegriffe diskutieren. Artikelvorschläge und -angebote nehmen wir gern entgegen. Redaktionsschluss ist der 5. November.
Queerness und Wissenschaft
Florian Grams: Die die Liebe verbieten
Rüdiger Lautmann: Queerness
Heinz-Jürgen Voß: Sexualwissenschaft und rassistische Stereotype
Annika Spahn und Rebecca Gustke: "Akzeptanz für Vielfalt" macht Schule
Christiane Fuchs: Queerfeindlichkeit in der Wissenschaft
Alexander Klock: Kein Raumfür ›Homo-Heiler‹!
Bildung und Wissenschaft
Franziska Conrad: Fragmentarisierung und Bewertungsmarathon
Lina Franken: Zur Rolle von Lehrer*innen im Schulunterricht
Gesellschaft
Paul Oehlke: Kontroversen um Prostitution
Wolfgang Kromer: Verirrungen in der Bioethik
Joachim Hösler: Nationalismus und Patriotismus - wozu?
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