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Klaus Holzkamp

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Mehr als "peanuts" für Frauen

01.10.2001: Breites Frauen-Aktionsbündnis aus Wissenschaft, Recht, Kultur, Gewerkschaften und Kirchen fordert von Rot-Grün effektives Gleichberechtigungsgesetz für die Wirtschaft

OFFENER BRIEF an

  • den Bundeskanzler Herrn Gerhard Schröder
  • die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Frau Dr. Christine Bergmann
  • die Fraktionen von SPD und Bündnis 90/ Die Grünen im Deutschen Bundestag

Sehr geehrte Damen und Herren,

Frauen sind heute selbstbewußt, gut ausgebildet und hoch qualifiziert. Sie merken jedoch, daß die Realität, die sie im Erwerbsleben vorfinden, weder ihren Wünschen und Bedürfnissen, noch den verfassungs- und EU-rechtlichen Garantien auf Gleichstellung von Frauen und Männern entspricht: Sie werden bei Einstellungen, Beförderungen und Kündigungen benachteiligt. Der Arbeitsmarkt ist geschlechtsspezifisch gespalten: Frauen sind kaum in Führungspositionen, aber zu einem hohen Anteil in den unteren Betriebsebenen vertreten, verdienen im Durchschnitt 25% weniger als Männer und sind stärker von Erwerbslosigkeit betroffen.

Die Durchsetzung der Chancengleichheit in der Privatwirtschaft wurde in der Bundesrepublik bislang einzig der freiwilligen Initiative der Unternehmen und der Tarif- und Betriebsparteien überlassen. Dieses politische Prinzip hat jedoch nicht zum Ziel geführt.

Da es kein Gleichberechtigungsgesetz für die Privatwirtschaft gibt, sind mehr als 12 Millionen Frauen von verbindlichen Gleichstellungsmaßnahmen ausgeschlossen - das sind rund dreiviertel aller erwerbstätigen Frauen. Die Bundesrepublik ist noch immer ein gleichstellungspolitisches "Entwicklungsland" und hinkt den internationalen Entwicklungen hinterher: In Österreich wurde eine Gleichstellungskommission auf Bundesebene eingerichtet, im Schweizer Antidiskriminierungsgesetz haben Frauenverbände eine Verbandsklagemöglichkeit, in den USA kontrollieren staatliche Stellen die Umsetzung der Gleichstellungspläne in Unternehmen.

SPD und Grüne kündigten 1998 im Koalitionsvertrag ein effektives Gleichstellungsgesetz mit verbindlichen Regelungen für die Privatwirtschaft an. Weder die Bundesregierung noch die Regierungsfraktionen haben bis heute einen Gesetzentwurf in die öffentliche Debatte gebracht, obwohl von ihnen in der Opposition bereits weitgehende Initiativen zur Gleichstellung in den Unternehmen erarbeitet wurden.

Nun haben sich die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft in einer rechtlich völlig unverbindlichen Vereinbarung mit der Bundesregierung bereit erklärt, den Unternehmen Gleichstellungsmaßnahmen zu "empfehlen". Das bedeutet die Beibehaltung des Status Quo. Es geht jedoch nicht an, daß die Bundesregierung sich ihres politischen Gestaltungsauftrags entledigt und die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen an Arbeit und Einkommen weiterhin vom "goodwill" der Arbeitgeber abhängig macht. Die Durchsetzung eines demokratischen Grundrechts läßt sich nicht an einen Interessenverband delegieren.

Auch ein "weichgespültes" Gesetz kann nicht zum Erfolg führen: Fehlen klare rechtliche Vorgaben für die betriebliche Praxis und betriebliche Instanzen, die Gleichstellungsmaßnahmen initiieren, fehlen wirksame Sanktionen, ist das Gesetz nicht mehr als symbolische Politik. Ein Gleichberechtigungsgesetz, das über mehrere Jahre nur allgemeine Ziele ohne konkrete rechtliche und überprüfbare Vorgaben für die betriebliche Praxis formuliert, überläßt die Inhalte gleichstellungspolitischer Regelungen gänzlich dem jeweiligen Aushandlungsprozeß auf Tarif- oder Betriebsebene. Damit verschwinden sie de facto wieder von der Tagesordnung.

Für ein modernes und effektives Gleichberechtigungsgesetz fordern wir daher

  • klare Vorgaben zur Förderung der Chancengleichheit durch effektive Zielvorgaben für die Vergabe von Arbeits- und Ausbildungsplätzen sowie verbindliche Gleichstellungspläne in Betrieben,
  • Gleichstellungsbeauftragte mit effektiven Rechten und Kompetenzen, die Maßnahmen zur Gleichstellung von Frauen initiieren und kontrollieren,
  • bessere Rechte bei konkreten Benachteiligungen, wie z.B. ein diskriminierungsfreies Auswahlverfahren bei Einstellungen und Beförderungen,
  • wirksame Sanktionen durch ein Verbandsklagerecht für Frauenverbände und Gewerkschaften sowie Sanktionen bei Verstößen gegen vereinbarte Gleichstellungsziele,
  • die Bindung der öffentlichen Auftragsvergabe an Maßnahmen zur Chancengleichheit,
  • eine Gleichstellungskommission auf Bundesebene in Anlehnung an internationale Vorbilder,
  • effektive Regelungen zur Beseitigung von Lohndiskriminierung und zum Schutz vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz.

Die rot-grüne Bundesregierung will - laut Koalitionsvertrag - die Gleichstellung von Frau und Mann zu einem "großen gesellschaftlichen Reformprojekt" machen. Damit dies nicht zum leeren Gerede wird, fordern wir Sie auf, das Koalitionsversprechen umzusetzen und ein effektives Gleichberechtigungsgesetz für die Privatwirtschaft zu verabschieden. Es steht nichts weniger auf dem Spiel als die Demokratiefrage zwischen den Geschlechtern.

Mit freundlichen Grüßen

ERSTUNTERZEICHNERINNEN

Sr. Dr. Lea Ackermann, Vorsitzende der Vereine Solwodi NRW u.a.
Susanne Ahlers, Frauenbeauftragte der Stadt Wiesbaden
Irmela Amelung, Rechtsanwältin, Bonn
Dörte Ahrens, Leitende Angestellte, Wiesbaden
Dr. Beate Bänsch-Baltruschat, Unternehmerin/Umweltberatung, Bonn
Jutta Bahr-Jendges, Rechtsanwältin, Bremen
Prof. Dr. Regina Becker-Schmidt, Frauenforschung, Universität Hannover,
Dr. Iris Bednarz-Braun, Soziologin, München
Christiane Begerau, Referentin beim Evang. Kirchentag, Fulda
Dr. habil. Hanna Behrend, Literaturwissenschaftlerin, Berlin
Editha Beier, Frauenbeauftragte der Stadt Magdeburg
Sabine Berger, Kontaktstelle Frau und Beruf, Mannheim
PD Dr. Sabine Berghahn, Politikwissenschaftlerin, Freie Universität Berlin
Annegret Bergmann, Frauenbeauftragte der Stadt Kiel
Dr. Kirsten Beuth, Studienleiterin/ EKD, Gelnhausen
Marion Birnfeld, Städt. Rechtsdirektorin, Velbert
Malin Bode, Rechtsanwältin, Bochum
Dr. Barbara Böttger, Soziologin, Köln
Prof. Dr. Christina von Braun, Kulturwissenschaftlerin, Humboldt-Universität Berlin
Ilka Briest-Gross, Gewerkschaftssekretärin, ver.di Hessen
Dr. Andrea D. Bührmann, Soziologin, Universität Münster
Dr. Barbara Degen, Feministisches Rechtsinstitut e.V., Bonn
Dr. Karin Derichs-Kunstmann, Bildungsforscherin, Recklinghausen
Prof. Dr. Heike Dieball, Professorin für Arbeits- und Zivilrecht, Hannover
Brigitte Doll, Fachanwältin für Familienrecht, Bonn
Prof. Dr. Irene Dölling, Soziologin, Universität Potsdam
Marita Eilrich, DGB Hessen
Dr. Helga-Maria Engel, Frauenbeauftragte, Berlin
Margarete Fabricius-Brand, Fachanwältin für Familienrecht, Hannover
Prof. Dr. Irmtraud Fischer, Theologische Frauenforschung, Universität Bonn
Prof. Dr. jur. Sibylla Flügge, Frankfurt/Main
Dr. Kaj Foelster, Arbeitsmarktforscherin, Darmstadt
Dr. Helga Foster, Berufsbildungsexpertin, Bonn
Antonia Freytag, Autorin, Köln
Nancy Gage-Lindner, Juristin, Wiesbaden
Dr. Beatrix Geisel, wiss. Mitarbeiterin, Mannheim
Prof. Dr. Birgit Geissler, Soziologin, Universität Bielefeld
Heike Geisweid, Rechtsanwältin, Bochum
Prof. Dr. Ute Gerhard, Soziologin, Universität Frankfurt/M.
Gabriele Gröschl-Bahr, ver.di, Landesbüro Nord
Heike Gumpert, Landesfrauensekretärin, ver.di Hessen
Ulrike Hauffe, Gleichstellungsbeauftragte, Bremen
Sabine Heinke, Richterin, Bremen
Jutta Heinrich, Schriftstellerin, Hamburg
Gabriele Hertel, Rechtsanwältin, Bonn
Dr. Florence Hèrve, Autorin, Düsseldorf
Dr. Hella Hertzfeldt, Politikwissenschaftlerin, Berlin
Marlies Hesse, Journalistin, Köln
Prof. Dr. Barbara Holland-Cunz, Politikwissenschaftlerin, Universität Gießen
Ulrike Holler, Journalistin, Frankfurt/Main
Dr. Elke Holst, Ökonomin, Berlin
Maybritt Hugo, Frauenbeauftragte der Stadt Braunschweig, Sprecherin der Bundesarbeitsgemeinschaft der kommunalen Gleichstellungsstellen (BAG)
Mechthild Jansen, Publizistin, Köln
Maria Jepsen, Bischöfin für Hamburg
Marion Kamphans, Journalistin, Dortmund
Dr. Ellen Kirner, Ökonomin, Berlin
Dr. Renate Klees-Möller, Erziehungswissenschaftlerin, Universität/ GH Essen
Angela Klein, Redakteurin, Köln
Traudel Klitzke, Psychologin, Braunschweig
Prof. Dr. Gudrun-Axeli Knapp, Geschlechterforschung, Universität Hannover
Ursula Knöpfle, Frauenbeauftragte der Stadt Freiburg/ BAG-Sprecherin
Angelika Koch, Politikwissenschaftlerin, Universität Bonn
Ursula Konitzer, Mitglied des Wirtschafts- und Sozialausschusses der EU
Prof. Dr. jur. Cornelia Kopper-Reifenberg, Kath. Fachhochschule Mainz
Dr. Marianne Krüll, Schriftstellerin, Bonn
Prof. Dr. Annette Kuhn, Historikerin, Bonn
Dr. Lilli Kurowski, Münchener Frauenrechtsschule
Prof. Dr. Ingrid Kurz-Scherf, Politikwissenschaftlerin, Universität Marburg
PD Dr. Hilge Landweer, Philosophin, Freie Universität Berlin
Prof. Dr. Ulrike Liebert, Politikwissenschaftlerin, Universität Bremen
Dr. Christa Lippmann, Wirtschaftspsychologin, München
Prof. Dr. Doris Lucke, Soziologin, Universität Bonn
Marina Lucyga, Vorsitzende des Vereins 'Frauen helfen Frauen e.V., Velbert
Johanna Ludwig, Vorsitzende der Louise-Otto-Peters-Gesellschaft e.V., Leipzig
PD Dr. Helma Lutz, Erziehungswissenschaftlerin, Universität Münster
Prof. Dr. Friederike Maier, Fachhochschule für Wirtschaft, Berlin
Magrit Meier, Journalistin, Köln
Prof. Dr. Sigrid Metz-Göckel, Soziologin, Universität Dortmund
Prof. Dr. Birgit Meyer, Politikwissenschaftlerin, Esslingen
Imke Meyer, Sprecherin der LAG hess. Frauenbüros
Uta Mies-Weber, Frauenbeauftragte der Deutschen Welle, Köln
Dr. Carola Möller, Sozialwissenschaftlerin, Köln
Elke Möller, Frauenbeauftragte der Stadtverwaltung Rüsselsheim
Margret Mönig-Raane, stellv.Vorsitzende, ver.di, Berlin
Beatrix Müller, stellv. Landesbezirksvorsitzende, ver.di Hessen
Petra Müller, Volkswirtin, Braunschweig
Prof. Dr. Ilse Nagelschmidt, Gleichstellungsbeauftragte, Universität Leipzig
Prof. Dr. Hildegard Maria Nickel, Soziologin, Humboldt-Universität Berlin
Dr. Gisela Notz, Sozialwissenschaftlerin, Bonn
Heike Notz, Zimmermeisterin, Bodenwerder
Jutta Oesterle-Schwerin, Innenarchitektin, Berlin
Ulrike Oestreich, stellv. Bundesfrauensekretärin, ver.di, Berlin
Claudia Pinl, Publizistin, Köln
Dr. Konstanze Plett, LL.M., wiss. Referentin, Bremen
Elke Plöger, Staatssekretärin a.D., Magdeburg
Dr. Sibille Plogstedt, Autorin, Bonn
Prof. Dr. Marianne Potratz-Krüger, Erziehungswissenschaftlerin, Universität Münster
Präsidium des Bundesfrauenrates Bündnis 90/Die Grünen
Else-Maria Prütting, Vorstandsmitglied im Verein der Hess. Frauenbeauftragten
Prof. Dr. Luise Pusch, Sprachwissenschaftlerin, Hannover
Jutta Redmann, Journalistin, Bonn
Hilde Reingen, Rechtsanwältin, Bonn
Ute Remus, Redakteurin, Brühl
Heidi Riedel-Ciesla, Personalleiterin, ver.di Hessen
Heide von Ritz-Lichtenow, Frauenbeauftragte des Landkreises Osterholz/ BAG-Sprecherin
Elke Ronefeld, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Stralsund/ BAG-Sprecherin
Prof. Dr. jur. Ute Sacksofsky, Universität Frankfurt/Main
Dr. Dorothea Schemme, Berufsbildungsexpertin, Bonn
Anne Schilling, Geschäftsführerin/ Deutsches Müttergenesungswerk, Stein
Gudrun Schmidt, Fachbereichsleiterin Finanzleistungen, ver.di Hessen
Dr. Birgit Schmidt am Busch, Juristin, München
Karin Schüler, Fachreferentin AWO-Bundesverband, Bonn
Ilona Schulz-Müller, Genderbeauftragte ver.di, Berlin
Prof. Dr. Susanne Schunter-Kleemann, Politikwissenschaftlerin, Hochschule Bremen
Edith Schwab, Bundesvorsitzende des Verbands alleinerziehender Mütter und Väter, Bonn
Beate Schwittay, Bundesgeschäftsführerin/ Kath. Deutscher Frauenbund e.V.
Irene Seifert, Vorsitzende der Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen (VDJ), Meißen
Meike Spitzner, Projektleiterin, Institut für Klima, Umwelt und Energie, Wuppertal
Die Sprecherinnen der LAG kommunaler Frauenbüros/Gleichstellungsstellen NRW
Prof. Dr. theol. Hanneliese Steichele, Präsidentin des Kath. Deutschen Frauenbundes, Mainz
Margarete Steinrücke, Arbeitssoziologin, Bremen
Christel Steylaers, Frauenbeauftragte der Stadt Remscheid, BAG-Sprecherin
Dr. Elisabeth Stiefel, feministische Ökonomin, Köln
Dr. Barbara Stiegler, Frauenforscherin/ Friedrich-Ebert-Stiftung, Bonn
Prof. Dr. Brigitte Stolz-Willig, Sozialwissenschaftlerin, FH für Sozialarbeit Frankfurt
Daniela Suttner, Jugendbildungsreferentin, ver.di Hessen
Silke Tamm-Kanj, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Würselen/ BAG-Sprecherin
Ilse Thomas, Frauenbeauftragte, Mannheim
Dr. Bettina Völter, Soziologin, Universität Kassel
Dr. Marion Vogel, Gleichstellungsbeauftragte des Landkreises Rügen/ BAG-Sprecherin
Uta Wagner, Rechtsanwältin, Stuttgart
Christine Weinbörner, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Krefeld
Christine Weiß, Geschäftsführerin der Bundesarbeitsgemeinschaft kommunaler Frauenbüros und Gleichstellungsstellen, Berlin
Ingeborg Wick, wissenschaftl. Mitarbeiterin/ Südwind-Institut, Siegburg
Dr. Christa Wichterich, Autorin, Bonn
Dr. Barbelies Wiegmann, Rechtsanwältin, Bonn
Bärbel Wilgermein, WEIBSbildung e.V., Bildungsinitiative für Frauen und Mädchen, Lüchow-Dannenberg
Elke Vogel, Psychologin, Bonn
Petra Woocker, Fachanwältin für Arbeitsrecht, Bonn
Uta Würfel, Verein "Haus der Frauengeschichte", Bonn
Renate Wurms, Kommunale Frauenbeauftragte, Dortmund

sowie im Namen des Erweiterten Bundesvorstands des BdWi: Barbara Nohr

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