Lautstark gegen Studiengebühren
22.11.2006: BdWi unterstützt ÖH-Kampagne
Die Österreichische HochschülerInnenschaft / ÖH fordert von der SPÖ, nicht von ihrem Wahlversprechen abzuweichen und die ersatzlose Streichung der Studiengebühren umzusetzen.
Nur so könnte das bildungspolitische Ziel umgesetzt werden, mehr Studierende aus bildungsfernen Schichten an die Hochschulen zu bringen und die Drop-Out Quote zu senken.
Dazu gab Torsten Bultmann für den BdWi die nachfolgende Stellungnahme ab:
Mittlerweile hat die ca. die Hälfte der deutschen Bundesländer die Einführung von Studiengebühren in einer durchschnittlichen Höhe von 500,- € pro Semester beschlossen - und prompt scheinen sich die negativen Erfahrungen, die bereits in Österreich beobachtet werden konnten, auch hierzulande zu bestätigen. So ging etwa in Nordrhein-Westfalen, dem Land mit der größten Hochschuldichte, im laufenden Wintersemester, in welchem erstmalig Gebühren für Erstsemester erhoben wurden, die Zahl der Neueinschreibungen um 5% zurück! Dies sollte ein Anlass sein, in der öffentlichen Debatte die Einwände gegen Studiengebühren stärker zu machen. Diese Debatte spitzt sich auf zwei zentrale Contra-Argumente zu:1. Studiengebühren befestigen soziale Bildungsungleichheit! Vor ähnlichen historischen und kulturellen Hintergründen sind die Bildungssysteme insgesamt in Deutschland und Österreich vergleichbar sozial selektiv. Sie bewirken, dass nur eine Minderheit an die Universitäten gelangt, die überwiegend der (Re-) Produktion bildungsbürgerlicher Schichten dienen. Dieser Effekt wird durch Studiengebühren bekräftigt. Die deutschen Bundesländer stellen für einkommensschwächere Studieninteressenten eine vorgeblich günstige Kreditfinanzierung zur Verfügung. Aber selbst wenn vor diesem Hintergrund die Studierendenzahlen mittelfristig wieder ansteigen - wovon ich ausgehe - hat dies mit Gerechtigkeit nichts zu tun. In Abhängigkeit von Zinshöhe und Laufzeit können sich die effektiven Studienkosten für diejenigen, die auf solche Kredite mangels Familienvermögen angewiesen sind, schon mal leicht verdoppeln! In anderen Worten: Personen aus den "niedrigeren sozialen Herkunftsgruppen" (Amtsdeutsch) starten mit einer wesentlich größeren Hypothek und finanziellen Belastung ins berufliche Leben - Ungleichheit setzt sich im biographischen Verlauf fort!
2. Studiengebühren schränken tendenziell des gesellschaftlichen Nutzen von Bildung und Wissenschaft ein! Gemäß den gängigen "Humankapital"-Theorien erzeugen Studiengebühren, verstanden als "Investition", ein ziel- und zweckorientierteres Bildungsverhalten, da sie in Erwartung einer künftigen Bildungsrendite ("Return of Investment") in Gestalt eines Markteinkommens gezahlt bzw. als Kredit in Anspruch genommen würden. Die Kehrseite davon: in den Köpfen findet bereits während des Studiums tendenziell eine Art Vor-Selektion statt: gesellschaftliche Fragestellungen und Probleme werden nicht mehr unvoreingenommen betrachtet und wissenschaftlich-intellektuell frei bearbeitet, sondern auf ihre künftige Vermarktungsfähigkeit hin identifiziert. Der Markt definiert in den neoliberalen Modellen aber zugleich den "Erfolg" der gesamten Hochschulorganisation. "Gute" Lehre zieht dementsprechend viele Studierende an - die Gebühreneinnahmen der jeweiligen Hochschuleinrichtungen steigen usf. Manche Modelle wollen diesen Effekt verstärken, indem sie auch die staatliche Grundfinanzierung der Hochschulen - und damit etwa den Einsatz des wissenschaftlichen Personals - stärker an der sog. studentischen "Nachfrage" nach Studienangeboten ausrichten. Stark nachgefragt in diesem Sinne ist aber vor allem das, was vorher schon erfolgreich war: etwa auf dem Arbeitsmarkt! Dies bewirkt einen inhaltlichen Konzentrationseffekt auf den Mainstream. Wirkliche wissenschaftliche Innovation funktioniert aber genau andersherum, nämlich im Bruch mit etablierten Anschauungen und Erfolgsprognosen.
Fazit: Es ist sinnvoll, möglichst zeitnah zur Einführung von Studiengebühren politisch auf ihre (Wieder-) Abschaffung zu drängen, bevor ein gesellschaftlicher Gewöhnungs- oder Resignationseffekt dies schwieriger macht! Viel Erfolg dabei!
Torsten Bultmann
BdWi-Geschäftsführer
Bonn
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