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Klaus Holzkamp

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"Studenten stehen auf"

20.06.2022: Extreme Rechte und studentischer Protest gegen die Corona-Schutzmaßnahmen

  
 

Forum Wissenschaft 2/2022; Foto: M.Pakats / shutterstock.com

Der Protest gegen die Corona-Schutzmaßnahmen ist in allen Bevölkerungsgruppen angekommen, auch bei Studierenden. Sie organisieren sich seit Beginn der Pandemie im Netzwerk "Studenten stehen auf" und sind inhaltlich wie strukturell eng mit der Querdenken-Bewegung, sowie der Partei dieBasis verbunden. Rechte Aktivist*innen scheinen das studentische Netzwerk für sich entdeckt zu haben. Das politische Potenzial dieses Netzwerks untersucht Karoline Lange.

Das Netzwerk ist nach eigenen Angaben eine Bewegung aus dezentral organisierten Ortsgruppen, die die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie und den gesellschaftlichen Umgang "kritisch hinterfragen". Angesprochen werden nicht nur Studierende, sondern alle Jugendlichen und jungen Erwachsenen, explizit auch Schüler*innen, Auszubildende und junge Berufstätige, mit dem Ziel, den Protest von jungen Menschen sichtbar zu machen. In Deutschland decken die Telegram-Ortsgruppen über 100 Städte ab, wobei die Größe der Gruppen sowie deren Organisationgrad stark variieren. Bei großen Demonstrationen, die aus dem Querdenken-Umfeld organisiert werden, treten Studenten stehen auf als Mitorganisator*innen auf und stellen eigene Blöcke im Demonstrationszug. Ebenso rufen die Admins der Telegramgruppen regelmäßig zu den Montagsspaziergängen auf, die im Kontext von Querdenken entstanden sind. Des Weiteren beteiligen sich auch Querdenken-Aktivist*innen als Redner*innen bei Studenten stehen auf-Demonstrationen.

Darüber hinaus gibt es Verbindungen zur Partei dieBasis. Diese hat sich aus den Protesten gegen die Corona-Maßnahmen entwickelt und gilt als parlamentarischer Arm der Querdenken-Bewegung. Anhänger*innen der Partei nehmen regelmäßig an Protesten gegen die Corona-Maßnahmen teil, die die Existenz des Virus leugnen. dieBasis wird von Wissenschaftler*innen als diffuses Sammelbecken zahlreicher Akteur*innen bezeichnet, so z.B. Impfgegner*innen, Rechtspopulist*innen, Esoteriker*innen und Verschwörungsideolog*innen.1 Die Verbindung zwischen der Partei und den studentischen Protesten lässt sich beispielweise an den "Ringvorlesungen" festmachen, die auf dem YouTube-Kanal des Netzwerks veröffentlicht sind, denn zwei der Vortragenden sind Aktivisten der Partei dieBasis.

Inhaltliche Positionen

Das Netzwerk Studenten stehen auf erhebt bundesweite die gleichen Forderungen und teilt die gleichen Werte.2 Alle Ortsgruppen verweisen darauf, so dass das Netzwerk über einen gemeinsamen übergeordneten Konsens verfügt. Studenten stehen auf behauptet in seiner Programmatik, dass die Freiheit der Wissenschaft eingeschränkt werde, da Wissenschaftlichkeit zu sehr mit wirtschaftlichen Interessen einhergehe und fordert "unabhängige Studienergebnisse". Weiterhin fordert das Netzwerk eine Dezentralisierung von politischen Strukturen, proklamiert das Volk als Souverän und wünscht sich mehr "Selbstbestimmung" und "Eigenverantwortung" in dezentralen Strukturen. Schließlich wird die Einschränkung von Grund- und Freiheitsrechten, die fortschreitende "Diskriminierung von Ungeimpften" sowie die Trennung nach Merkmalen wie z.B. dem Impfstatus thematisiert, gefordert wird die Aufhebung der Maßnahmen an Universitäten. Die Formulierung "Offenlegung politischer Motive hinter den ergriffenen Maßnahmen" legt nahe, dass die Motive für die Maßnahmen über die Bekämpfung der Pandemie hinausgehen und suggeriert, dass sich hinter den Maßnahmen ein geheimes Interesse der Politik verberge. Die Aussage "echte Wissenschaft lebt von Unabhängigkeit und freiem Denken" suggeriert, dass es sich bei den wissenschaftlichen Erkenntnissen, die als Grundlage für die Maßnahmen herangezogen werden, nicht um "echte" Wissenschaften handele. Damit geht eine indirekte Wissenschaftsfeindlichkeit einher, da wissenschaftliche Erkenntnisse bezüglich der Corona-Pandemie als unecht, gekauft oder als falsch dargestellt und orthodoxe wissenschaftliche Lehrmeinungen abgelehnt werden. Ebenso problematisch ist die Forderung nach einem offenen Umgang mit "kontroversen" Positionen, denn Verschwörungsgläubige versuchen ihre Erzählungen als Kontroverse darzustellen und so eine Normalisierung ihrer Positionen zu erreichen.

In den Telegram-Ortsgruppen werden Verschwörungserzählungen verbreitet und bleiben unwidersprochen. Mitglieder der Gruppen verweisen beispielsweise auf Akteur*innen der "Neuen Weltordnung", eine Verschwörungserzählung, die davon ausgeht, dass Eliten und Geheimgesellschaften eine autoritäre Weltregierung etablieren wollen. Damit folgt diese Erzählung einer antisemitischen Logik.3 Eine weitere Verschwörungserzählung, die in den Gruppen unkritisch verbreitet wird, ist die Theorie des "großen Austauschs", eine weitere antisemitische Verschwörungserzählung, die besagt, dass eine "Umvolkung" durch "volksfeindliche Mächte" bevorstehe. Das Motiv des "Volkstodes" verweist auf eine lange Tradition der extremen Rechten und ist besonders häufig bei der Identitären Bewegung sowie bei anderen rechten Gruppierungen zu finden. Migration wird nicht als natürliches Phänomen, sondern als bewusster Akt mit klaren Verantwortlichen wahrgenommen.4 Auch Verweise auf die "Rothschilds", die "geheimen Strippenzieher" oder die "Eliten" lassen sich in den Chats von Studenten stehen auf finden und sind als verschwörungsideologisch und antisemitisch einzuordnen. Solche Verweise öffnen den Raum für antisemitische Ressentiments und gelten als "Trigger-Worte" des Antisemitismus.5 Antisemitismus lässt sich somit als der vereinende Faktor ausmachen, der die sehr unterschiedlichen Akteur*innen der Querdenken-Bewegung zusammenbringt.

Als Erkennungszeichen für das studentische Netzwerk gilt eine weiße Rose. Darüber hinaus findet der Ausdruck "aktiv im Widerstand" häufig Verwendung.6 Damit vergleicht sich die Bewegung mit Widerstandskämpfer*innen gegen den Nationalsozialismus und verharmlost zugleich die NS-Herrschaft. Die Verweise auf "gleichgeschaltete Medien" und "Coronadiktatur" reihen sich in die Beispiele von Geschichtsrevisionismus und Verharmlosung ein. Mit der direkten Verharmlosung geht eine Stilisierung als Opfer einher. So bezeichnen sich die Protestierenden als "Diskriminierte", "Verfolgte" und "Opfer des Systems" und kämpfen gegen das vermeintliche Böse und für die Freiheit, sie gehören automatisch zu den Guten und empfinden sich als Verteidiger der Menschheit. Unwidersprochen wird im Chat darüber diskutiert, ob die heutige Situation der von 1935, 1938 oder bereits 1945 gleiche, und bemängelt: "keiner kriegt es mit". Auch mittels dieser Analogien wird die aktuelle Situation mit dem Nationalsozialismus gleichgesetzt. Hier sei darauf zu verweisen, dass die antisemitische Relativierung des Nationalsozialismus unter anderem auf massive Defizite der deutschen Erinnerungskultur zurückzuführen ist.

Aussagen wie "Es muss transportiert werden, dass wir einen Wandel möchten" und "Wir stehen ja allzu oft nicht nur gegen die Corona-Maßnahmen auf, sondern insgesamt gegen den autoritären Regierungs-Konzern-Komplex" machen deutlich, dass sich der Protest der Studierenden nicht ausschließlich auf die Rücknahme der Corona-Schutzmaßnahmen bezieht, sondern auf eine allumfassende "Systemkritik" abzielt. Ebenso zielt das Netzwerk darauf ab, eine große Bewegung zu werden. Ungeachtet der Lockerungen der Corona-Schutzmaßnahmen und ungeachtet der fast vollständigen Umstellung der Hochschullehre auf Präsenz finden weiterhin Proteste statt, auch wenn diese im Kontext des russischen Angriffs auf die Ukraine in den Hintergrund gerückt sind.

Verbindungen zu rechtsextremen Studierenden

Auch wenn es sich bei der Gruppe Studenten stehen auf um eine sehr heterogene Gruppe handelt, die aus vielen verschiedenen Akteur*innen (Impfgegner*innen, Esoteriker*innen, alternative Student*innen) besteht, weist das Netzwerk zahlreiche Verbindungen zu rechtsextremen Akteur*innen auf. Diese beeinflussen die Inhalte des Netzwerks und werden von den Gruppen toleriert bzw. gefördert.7 Zwei Studierende und ihre Einbindung in rechtsextreme Strukturen sollen exemplarisch dargestellt werden.

Die erste junge, extrem rechte Aktivistin ist Sophia Fuchs. Sie nimmt regelmäßig an den Corona-Protesten teil, bezeichnet sich selbst als "aktiv im Widerstand" und war am 08.01.22 im Studenten stehen auf-Block auf einer Demonstration in Hamburg zu sehen.8 Nach eigenen Angaben kam sie schon früh durch ihren Vater mit rechten Inhalten in Kontakt, absolvierte ihr Schulpraktikum beim rechten Compact-Magazin, auf dem sie in der Ausgabe 10 aus dem Jahr 2020 als Covergirl zu sehen ist. Mit dem Chef-Redakteur des Magazins Jürgen Elsässer steht sie in einem engen Kontakt. Mittlerweile ist die junge Erwachsene in der rechten Szene und in der Corona-Protest-Szene gut vernetzt. Im Gespräch mit Eric Protzner, dem Betreiber des YouTube-Kanals Die Zorro Kenji Show, erzählt sie von ihrem Interview mit Björn Höcke im Rahmen ihres Praktikums beim Compact-Magazin. Außerdem nahm sie an einer inszenierten Tanzaufführung auf der Geburtstagfeier des Rechtsextremisten und verurteilten Holocaustleugners Nikolai Nerling teil und lief am 15.02.2020 beim Neonazi-Aufmarsch in Dresden zum Jahrestag der Zerstörung Dresdens mit. Den Neonazi-Aufmarsch verharmlost sie selbst als "Gedenkveranstaltung". Am 29.09. 2020 unterstützte Fuchs Elsässer bei einem Compact-Stand auf einer Anti-Corona-Demonstration in Berlin, wo die beiden doppeldeutige Botschaften verbreiteten, da auf einem Plakat ein Q zu sehen war - einerseits ein Hinweis auf die Nähe zu Querdenken, aber andererseits auch eine Bezugnahme auf die verschwörungsideologische und antisemitische QAnon-Bewegung.9

Im Interview mit Eric Protzner ist sie darauf bedacht, den Eindruck einer ganz normalen Teenagerin zu vermitteln, die politisch aktiv und am gesellschaftlichen Leben interessiert ist. Sie verschweigt teilweise ihre Nähe zu rechtsextremen Personen, zum Beispiel ihre enge Bekanntschaft mit Nikolai Nerling, und stellt ihre Teilnahme an rechten Veranstaltungen als normal dar. Mit überzeugendem Erstaunen stellt sie fest, dass ihre Mitschüler*innen sie als rechts bezeichnen: "AfD oder irgendwas. […] Ich sei rechts und rechtsextrem, nur weil ich bei diesen Demos war und ein bisschen Kritik geäußert hab am System". Andererseits scheint sie sich ihrer politischen Verortung bewusst zu sein, wenn sie Verwunderung bei ihren Lehrer*innen bezüglich ihrer Praktikumswahl antizipiert, ein Spannungsfeld, das zu einer Normalisierung ihrer rechten Aktivitäten und einer Verschiebung innerhalb der politischen Landschaft beiträgt.

Eine weitere Person, aktiv bei Studenten stehen auf - Dresden, ist Almuth Schröder. Sie wurde in extrem rechten Strukturen sozialisiert und hielt am 09.20.2021 auf einer Studenten stehen auf -Demonstration eine Rede in "völkisch-neonazistischer Logik".10 Ihre Wortwahl sowie der Inhalt sind auffällig. Sie spricht von den weisen Erzählungen der "Alten", von einer "Verantwortung gegenüber dem Land und der Gesellschaft" und sehnt sich nach einer Revolution, deren Ideen von den anwesenden Studenten vorgedacht werden müssten. Durch den historischen Verweis auf die Studentenbewegung des Vormärzes, mit der die Forderungen einer nationalen Einheit, Freiheit und die Gründung von Burschenschaften verbunden werden, wirkt ihr Appell an die universitäre Gemeinschaft und ein Aufbegehren gegen die "Obrigkeit" besonders verquer.11

Die Rednerin ist dem Recherche Netzwerk Dresden zufolge in einer völkischen Großfamilie aufgewachsen. Ihre Großmutter ist die NPD-Politikerin Edda Schmidt, die eine der einflussreichsten Frauen in der NPD ist und ihre Kinder nach völkisch-nationaler Ideologie erzogen hat. Edda Schmidt gründete 1987 zusammen mit anderen bekannten Rechtsextremen die Organisation Sturmvogel - deutscher Jugendbund, der aus einem internen Streit innerhalb der Wiking-Jugend entstand.12 Almuth Schröder ist auch im Sturmvogel aktiv.

Zur Einordnung des Jugendbundes: Der Sturmvogel gilt als die Nachfolgeorganisation der 2009 verbotenen Heimattreuen Deutschen Jugend (HDJ) und der 1994 verbotenen Wiking-Jugend. Grund der Verbote war ihre Wesensverwandtschaft mit der Ideologie des Nationalsozialismus.13 Mittlerweile nimmt die Jugendorganisation Sturmvogel - strukturell in der Hand von rechtsextremen Familienclans und in Familienbänden mit sektenartigem Charakter organisiert - einen wichtigen Platz in der Erziehungsarbeit im nationalen Lager ein. Sie erzieht in streng völkischer, militärischer Disziplin und gilt als Kaderschmiede für völkischen Nachwuchs. Nach ihrer Ideologie, die aus Rassismus, Antisemitismus, Nationalismus und Homophobie besteht, spielt die Erziehungsorganisation deswegen eine große Rolle, weil das "Volk" vor der "gezielten Vernichtung", die durch "Überfremdung", Homosexualität und Abtreibungen drohe, beschützt werden müsse. Durch vielköpfige und volkstreue Familien könne der "Volkstod" verhindert werden.

Trotz der Abgeschiedenheit und des elitären Charakters der Organisationen sind viele Jugendliche aus dem Sturmvogel Mitglied in Sportvereinen oder ähnlichen gemeinnützigen Strukturen. Damit versuchen sie Einfluss auf ihr Umfeld auszuüben, mit dem gleichzeitigen Bemühen, nicht aufzufallen. Sie nutzen die umliegende Gemeinschaft strategisch als vorpolitisches Feld für die Verbreitung ihrer Ideologien, sodass von einer rechten Infiltration der betroffenen Strukturen ausgegangen werden kann.

Politisierung und Einflussnahme - extrem rechte Strategie

Seit Beginn der Pandemie lässt sich feststellen, dass Rechtsextreme Teil der Anti-Corona-Proteste sind. Vor allem im Laufe des Jahres 2020 versuchte die extreme Rechte, die Anti-Corona-Proteste für eigene Zwecke und zur Verbreitung ihrer eigenen rechtsextremen Ideologien zu instrumentalisieren.14 Hier verfolgt sie die Strategie der stillen Einflussnahme, denn trotz Anwesenheit rechtsextremer Parteien wie Die Rechte, die NPD und der III. Weg ist das Ziel, nicht aufzufallen. So können die Coronaproteste als Türöffner in das Milieu der politischen Rechten verstanden werden.15 Rechtsextreme Parteien und Akteur*innen erhoffen sich von der Beteiligung eine Radikalisierung mit dem Ziel eines Systemwechsels.

Was für die großen Demonstrationen gilt, gilt auch für die studentischen Aktivitäten: die rechtsextremen Kräfte stellen eine Minderheit in der Protestlandschaft dar. Doch sie sind gut organisiert, vernetzt und verfolgen eine Agenda. So kann auch bezüglich der Teilnahme der völkischen Studierenden am studentischen Anti-Corona-Protest davon ausgegangen werden, dass rechtsextreme Studierende das politische Feld der Coronaproteste nutzen, um ihre Ideologie beinahe unbemerkt zu verbreiten und für ihre Sache zu missionieren. Die zwei Personenbeispiele Sophia Fuchs und Almuth Schröder zeigen, dass rechte und völkisch sozialisierte Studierende mitwirken und ihre Inhalte in den studentischen Gruppen platzieren.

Reaktionen auf das Netzwerk Studenten stehen auf

Alle Studierendenvertretungen der Universitäten, an denen Aktivitäten des Netzwerks zu verzeichnen waren, beispielsweise an der FAU Erlangen, der Georg-August-Universität in Göttingen oder der Universität zu Köln, distanzierten sich von Studenten stehen auf. Als Grund für die Distanzierung geben die Vertretungen die Verbindung zu Querdenken und die Verbreitung von Verschwörungserzählungen an. Studenten stehen auf konnten sogar vereinzelt Sitze in Studierendenparlamenten erzielen, beispielsweise an der Technischen Hochschule in Köln, dort haben sie jedoch aufgrund der Sitzverteilung wenig bis keinen Einfluss. Aktivitäten an den Hochschulen werden von hochschulpolitisch aktiven Studierenden wahrgenommen und sind Teil des politischen Geschehens geworden, da der Protest der Studierenden aber hauptsächlich im Netz und auf der Straße stattfindet, ist die Reichweite in den Hochschulbereich hinein und über einen aktiven politischen Kern hinaus überschaubar. Der Grund dafür liegt unter anderem darin, dass es sich nur vordergründig um einen Protest handelt, der die Interessen der Studierenden fokussiert.

Fazit

Das Netzwerk Studenten stehen auf ist als der wichtigste politische Akteur der Anti-Corona-Proteste in der Altersgruppe der Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu werten. Das Netzwerk verfolgt das Ziel, eine große studentische Bewegung zu werden, die sich sowohl gegen spezielle Maßnahmen als auch gegen "das System" richtet. Es wird von extrem rechten Aktivist*innen aktiv mitgestaltet und als politisches Feld für eine Verbreitung rechter Ideologien benutzt. Eine Abgrenzung von rechtsextremen, antisemitischen und verschwörungsideologischen Inhalten findet nicht statt. Im Gegenteil: Verschwörungserzählungen sind der identitätsstiftende Kern der Gruppe. Trotzdem wird großen Wert daraufgelegt, die Verbindung zu rechtsextremen Inhalten zu verschleiern, um einen harmlosen und legitimen Protest darzustellen, der sich hauptsächlich auf die Öffnung der Universitäten und die Aufhebung der Corona-Maßnahmen bezieht. Die Bewegung etabliert sich und es kann davon ausgegangen werden, dass sie sich - vor allem auch durch Verschwörungsideologien - als Brandbeschleuniger weiter radikalisiert. So wurde mit den studentischen Protesten ein Raum geschaffen, in dem sich Studierende aus unterschiedlichsten Milieus mit rechten und rechtsextremen Studierenden zusammenschließen und gegenseitig beeinflussen können. Die Proteste und deren Auswirkungen auf den universitären Raum sollten genau beobachtet und analysiert werden, um eine weitere Verbreitung von Geschichtsrevisionismus, Antisemitismus und Rassismus an den Hochschulen zu verhindern.

Anmerkungen

1) taz.de/Wo-man-auf-Schwarmintelligenz-und-Heilpraktiker-setzt/!57473 18/.

2) studentenstehenauf.eu/blog/forderungen-und-werte.

3) Vgl. Wolfgang Benz 2021: "Warum sind Verschwörungsmythen so attraktiv?", in: Ders. (Hg.): Querdenken. Protestbewegung zwischen Demokratieverachtung, Hass und Aufruhr , Berlin: 76-99.

4) Vgl. Gideon Botsch 2020: "Rechtsextremismus und ›neuer Antisemitismus‹", in: Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft (Hg.): Wissen schaft Demokratie. Schwerpunkt Antisemitismus, Band 8. Jena: 16-29.

5) Vgl. Andres Speit 2021: Verqueres Denken. Gefährliche Weltbilder in alternativen Milieus, Berlin.

6) www.youtube.com/watch?v=BAHgqUmfHr8&t=.

7) naziwatchdd.noblogs.org/post/2021/11/17/voelkische-studentinnen-stehen-auf/.

8) twitter.com/antifainfo/status/1483006781462822916.

9) www.friedensdemowatch.com/2020/11/14/zwei-teenager-im-extrem-rechten-fahrwasser-nazi-covergirl-sophia-und-hildmann-fan-joana.

10) naziwatchdd.noblogs.org/post/2021/11/17/voelkische-studentinnen-stehen-auf/.

11) www.youtube.com/watch?v=0MHZjuqQMSU.

12) Vgl. Andrea Röpke / Andreas Speit 2019: Völkische Landnahme. Alte Sippen, junge Siedler, rechte Ökos, Berlin.

13) Ebd.

14) Vgl. Gudrun Hentges / Gerd Wiegel 2021: "Die Instrumentalisierung der Corona-Pandemie durch die extreme Rechte", in: Gudrun Hentges / Georg Gläser / Julia Lingenfelder (Hg.): Demokratie im Zeichen von Corona, Berlin: 182-214.

15) Vgl. Volker Weiß 2021: "Vom elitären Zirkel zur Massenbewegung? Die Neue Rechte während der Pandemie", in: Heike Kleffner / Matthias Meisner (Hg.): Fehlender Mindestabstand. Die Coronakrise und die Netzwerke der Demokratiefeinde, Freiburg: 158-166.

Karoline Lange studiert Sozialwissenschaften, Geschichte und Bildungswissenschaften an der Universität zu Köln und ist studentische Mitarbeiterin im Lehr- und Forschungsbereich "Politikwissenschaft, Bildungspolitik und Politische Bildung". Seit Mai 2022 arbeitet sie im Forschungsprojekt "Digitale Politische Bildung in Zeiten von Corona. Kritische Reflexion von Verschwörungsideologien und Antisemitismus in der schulischen und außerschulischen (digitalen) politischen Bildung".

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