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Auf Hochschulen bauen

19.03.2015: Wie mit Universitätsneubauten Stadtentwicklung betrieben wird

  
 

Forum Wissenschaft 1/2015; Foto: Sönke Rahn / Wikimedia Commons

Im Herbst 2013 siedelte die Wirtschaftsuniversität Wien in einen neu errichteten Campus im zweiten Wiener Gemeindebezirk, einer Schwerpunktregion der Stadtentwicklung. Mit der Positionierung des Neubaus im Herzen dieses Areals drängt sich auch die Frage auf, welchen Einfluss der Bau einer Hochschule auf die Entwicklung eines Gebietes ausübt und was man sich von den Bauten internationaler Stararchitekt_innen erhofft. Anna Vukan hat untersucht, ob und wie sich auf Hochschulen bauen lässt.

Im internationalen Architekturdiskurs erlangte das 2010 eröffnete und vom japanischen Architekturbüro SANAA entworfene Rolex Learning Center der EPFL, der École Polytechnique Fédérale, in Lausanne große Aufmerksamkeit. Im selben Jahr erhielt SANAA, in Person Kazuyo Sejima und ihr Partner Ryue Nishizawa, den Pritzkerpreis; gewissermaßen der Oscar unter den Architekturpreisen. Die ungewöhnliche Formensprache des Bauwerks, die den theoretischen Ansatz der Bedeutung von Lernen für die beiden Architekt_innen zum Ausdruck zu bringen vermag, zeigte sich erfrischend und bislang einzigartig im Zusammenhang mit dem Bau von Bildungseinrichtungen.

Menschen bewegen sich linear, sie machen Kurven, gehen Umwege und ihre Wege kreuzen sich auf unterschiedliche Weise. Diese Tatsache hat SANAA versucht in ihre Architektur zu übersetzen. Das Learning Center spannt sich in wellenartigen Auf- und Abbewegungen als eingeschossiges Bauwerk über knapp 20.000 m2 Nutzfläche. Verschieden große Atrien sorgen für die natürliche Belichtung des Gebäudes, Trennwände gibt es abgesehen von Sanitäreinheiten und einigen kleinen Besprechungsräumen keine.1 Kommunikation soll hier ohne hierarchische Ordnung stattfinden können, in Architektur ausgedrückt auch jene ansprechen, die sich bislang von einem Universitätsstudium ausgeschlossen fühlten. Unerwartete Begegnungen, die zu Diskussionen führen können, sind Teil eines neuen, mit der Tradition brechenden Lernkonzepts, das mit den Schlagwörtern Transparenz und Offenheit versehen werden kann. Sieben Tage die Woche, von sieben Uhr früh bis mitternachts steht allen Nutzer_innen - Studierenden, Lehrenden, wie auch einer breiten Öffentlichkeit - das Lernzentrum zur Verfügung. Die Architekt_innen versuchen damit, das Modell eines Universitäts-Campus ins 21. Jahrhundert zu holen.

Campus in der Stadt

Mit der Bezeichnung Campus verbinden wir in erster Linie die Campusuniversitäten in Amerika, die seit dem 17. Jahrhundert als Hochschultyp auf der grünen Wiese entstanden sind. Der Campus - das Feld - mit einer Wiese im Zentrum umringt von dem studentischen Leben gewidmeten Bauten. Ein kleines Dorf, das alle Bedürfnisse des Lebens und Lernens zu befriedigen vermag. Das Universitätsareal muss nicht verlassen werden, sodass sich die Studierenden hier ausschließlich dem Lernen und der Universität widmen können und sich (ein Leben lang) mit der Universität verbunden fühlen. Für die Zeit der klassischen Moderne in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts passte das Modell des solitären Universitätscampus in das Modell der funktionalistischen Stadt, in dem alle Funktionen des (städtischen) Lebens in unterschiedlichen Zonen angesiedelt werden sollten. Damit fand der Campus auch seinen Weg nach Europa. Speziell in den späten 1960er Jahren, als durch gesellschaftliche Umschwünge Universitäten für eine breitere Masse zugänglich wurden, bot das Modell das Universitätscampus außerhalb oder am Rande der Stadt einen Typus, der in der Lage war, die steigende Studierendenzahl aufzunehmen. Auch den zur selben Zeit entstandenen Reformuniversitäten, deren Ziel die Verknüpfung unterschiedlicher wissenschaftlicher Disziplinen ist, spielt das Campusmodell als architektonischer Ausdruck interdisziplinärer Vernetzung zu.

Demgegenüber steht das Modell der europäischen Stadt, das die Universität als städtebauliches Element betrachtet. Die als älteste Universität geltende in Bologna war zunächst in Privathäusern untergebracht, bevor man ihr ein eigenes im Stadtzentrum gelegenes Gebäude errichtete. In seinem Vortrag "Die Europäische Stadt als Wissensmaschine" bezeichnet der Architekt und Städtebauer Helmut Bott den europäischen Universitätstypus als Hybrid innerhalb der Stadt. Einerseits funktioniert sie als nach innen gerichtete Einheit und trägt ihre eigenen Kämpfe aus und ist dennoch Teil der Stadt, des städtischen Lebens.2 Die Stadt trägt Verantwortung für die Universität, weil ihre Nutzer_innen abhängig von städtischer Infrastruktur sind. Um den Stellenwert von Bildung abzubilden hat man vielerorts die Universitäten zentral errichtet. In Wien ist die Universität Teil des Ensembles der Repräsentationsbauten wie Rathaus, Parlament und Burgtheater.

Der Übergang einer industrialisierten über die Dienstleistungsgesellschaft hin zu einer Wissensgesellschaft rückt den Bau von Bildungseinrichtungen wie Hochschulen in den Fokus der Aufmerksamkeit. "Die Neubauten der Hochschulen folgen der Wiederentdeckung der Stadt als Wohn-, Freizeit- und Wissensstandort. Mit dem Ausruf der Dienstleistungs- und Wissensgesellschaft sind die Hochschulen als Leuchttürme einer Wissensökonomie besonders begehrt."3 "Hochschularchitektur ist oft auf wenig bemerkte, unausdrückliche Weise repräsentativ: Sie lässt, jedenfalls in demokratischen Rechtsstaaten, aber auch ganz allgemein erkennen, was eine Gesellschaft von ihrer ›höheren Bildung und Ausbildung‹ erwartet und welche Bedeutung sie ihr zuerkennt. [...] Wie eine Gesellschaft ihre Schulen und Hochschulen baulich, technisch und künstlerisch konzipiert und ausstattet, ist auch ein Ausdruck ihrer Zukunftserwartungen und ihrer Bereitschaft, öffentliche Räume und Gebäude so anspruchsvoll, einladend und funktional sinnvoll zu gestalten, wie es um der nachwachsenden Generationen willen geboten ist."4

Universität neu denken

Der derzeit größte Universitätsneubau Europas wurde im Herbst 2013 in Wien eröffnet. Weil das alte Gebäude aus den 1980er Jahren bereits zum Sanierungsfall wurde und eigentlich schon bei seiner Inbetriebnahme aus allen Nähten platzte, beschloss die Wirtschaftsuniversität Wien in einen größeren Neubau zu investieren. Damit eröffnete sich auch die einmalige Gelegenheit, die Universität neu zu denken und entsprechend zu bauen. Der neu entstehende Campus sollte mehr als nur eine Raumverbesserung bedeuten. Die Philosophie der Universität sollte direkt in die Architektur übertragen werden, die neuen Gebäude das Selbstverständnis, die Inhalte und Strukturen der Universität in ihrer räumlichen Gestalt abbilden, der innovative Charakter des Neubaus die Attraktivität der Universität unterstreichen und den Wirtschaftsstandort Wien als Tor zu Osteuropa stärken. Man könnte hier auch von Corporate Architecture sprechen, die als Erweiterung der Corporate Identity zu verstehen eine Unternehmensphilosophie in einer architektonischen Ausformung untermauert.

Das Thema des nachhaltigen Wirtschaftens sollte die Rolle der Wirtschaftsuniversität sowohl innerhalb Österreichs als auch im wissenschaftlichen Diskurs neu definieren. Rethinking Economy lautet also das neu konzipierte Leitmotiv der Wirtschaftsuniversität Wien, das sie ab nun nicht nur in ihren Lehrplänen umzusetzen versucht, sondern das sie auch in ihrem Erscheinungsbild zum Ausdruck bringen möchte. Hilfreich sollten dabei die anhand eines Masterplans errichteten Gebäude internationaler Stararchitekt_innen sein, von denen man sich erhofft, dass sie den neuen Campus zu einem wissenschaftlichen wie architektonischen Leuchtturm der Stadt über seine Grenzen hinaus bekannt machen.

Für eine Fläche von etwa 90.000m2 konzipierte das Wiener Architekturbüro BUSarchitektur ein Gesamtkonzept für das neue Universitätsgelände, ausgelegt für 25.000 Studierende sowie 1.200 Lehrende und Mitarbeiter_innen. 35.000m2 davon sind bebaut, der Rest ist öffentlich zugängliche Freifläche. Erst plante man Wege und Freiräume, um die sich sechs unterschiedliche Bauwerke gruppieren. Für jedes dieser Gebäude zeigt sich ein anderes Architekturbüro verantwortlich. Das macht das Areal architektonisch überaus spannend und rückt Wien ein Stück näher ins Zentrum internationaler Architekturdiskurse.

Zaha Hadids Library und Learning Center ist nicht nur Mittelpunkt dieser Diskurse sondern auch des Campus. Weiße Wände, viel Glas und die offene, schwebende Struktur lassen den Eindruck erwecken, das Gebäude wäre direkt aus einem Science-Fiction-Film entsprungen. Die übrigen Gebäude sind nicht weniger auffällig und architektonisch beeindruckend. Das von Peter Cook und seinem Londoner Architekturbüro CRABstudio geplante Departmentgebäude zeigt sich im Vergleich zu den übrigen Gebäuden sehr farbenfroh, sowohl in der Gestaltung der Fassade als auch seiner Innenräume. Das Estudio Carmen Pinos aus Barcelona entwarf ein Gebäude, das unweigerlich an das Computerspiel Tetris erinnert. Der japanische Architekt Hitoshi Abe spielt in seinem Gebäude mit unterschiedlichen Fenstergrößen und No.mad Arquitectos aus Madrid entwarfen aus Glas und Aluminium das Gebäude, in dem die sogenannte Executive Academy untergebracht ist. Aus leuchtend rost-rotem Cortenstahl ist das Gebäude, das wie auch der Masterplan von BUSarchitektur designt wurde. Hier befinden sich unter anderem Audimax, Aula und Mensa.5

Eines haben alle Gebäude gemein: Wie auch schon im Rolex Learning Center bildet Kommunikation den wesentlichen Faktor des neuen Lernens. Unterschiedliche Funktionen sind auf alle Gebäude verteilt, sodass man sich zwangsläufig am Campus bewegen und begegnen muss. Kreative Eingebungen hat man nicht, wenn man allein in einem Raum sitzt, so der Architekt Histoshi Abe. Deshalb müssen Räume geschaffen werden, die ein Zusammenkommen ermöglichen.6

Universität und Gentrifizierung

Dieses Zusammenkommen soll auch mit der Umgebung passieren, womit der Universitätsneubau als Faktor städtebaulicher Planung eine wesentliche Rolle spielt. Wie zufällig der Standort für die Wiener Wirtschaftsuniversität gewählt wurde, ist schwer zu beantworten. Die Bundesimmobiliengesellschaft, die als Bauträger der Universität fungiert, nennt den Standort jedenfalls zentrumsnah, verkehrsgünstig und groß genug, um einen neuen Masterplan zu entwickeln. Er liegt zwischen zwei Stationen der U-Bahnlinie 2 direkt am Naherholungsgebiet Wiener Prater bzw. dem Wurstelprater, dem Vergnügungspark der Stadt. Außerdem grenzt das Areal an das Gelände der Wiener Messe und an das ViertelZwei, ein im Entstehen begriffenes Business-Quartier. Dieser gesamte Bereich des zweiten Wiener Gemeindebezirks Leopoldstadt zählt zu einem Schwerpunktgebiet der Wiener Stadtentwicklung, ermöglicht durch die Erschließung des Gebiets aufgrund der Erweiterung und des Ausbaus der U-Bahnlinie. Damit hat man auch begonnen den Wohnbau in diesem Teil der Stadt voranzutreiben, was man bislang eher hintangestellt hatte. Schuld daran ist wohl der zweifelhafte Ruf, der dem Prater und dem angrenzenden Stuwerviertel anhaftete, Zentrum der Wiener Prostitutionsszene zu sein. Ein Ruf, der das Gebiet lange Zeit attraktiv als Wohngegend für Migrant_innen und Personen der unteren Einkommensschicht machte, weil hier günstiger Wohnraum zur Verfügung stand. Jetzt hat man die Gegend definitiv als Wohnzone deklariert und damit die Prostitution im Viertel ausgehebelt, da laut Wiener Prostitutionsgesetz eben diese in Wohngebieten verboten ist. Damit begann die Stadt Wien einen Aufwertungsprozess des Gebiets in Gang zu setzen, der mit dem Zuzug der WU noch weiter voran getrieben werden sollte. Tatsächlich ist zu sehen, dass im Viertel nach und nach Häuser saniert werden. Dass mit steigenden Immobilienpreisen schon länger spekuliert wurde, ist der Tatsache zu entnehmen, dass lange Zeit leerstehende Häuser plötzlich verkauft werden und das Angebot an Wohnraum stetig steigt. Durch den möglichen Ausbau studentischer Wohnformen erhofft man sich außerdem junges, leistungsstarkes und somit finanzkräftiges Publikum an das Viertel zu binden.

Umgekehrt soll auch der neue Campus den Bezirk neu beleben. Die öffentliche Zugänglichkeit vieler Funktionen am Gelände soll das Ihre dazu beitragen. Diverse Gastronomiebetriebe, Einzelhandel, ein Supermarkt, eine Bäckerei, ein Sportzentrum sowie ein Kindergarten sollen positive Wechselwirkungen der Universität als Solitär mit den bereits im Viertel lebenden Menschen erzeugen und so die Attraktivität des Gebiets steigern. "Gut so. So funktioniert Stadt. Jetzt fehlt nur noch, dass ebendiese in den kommenden Jahren an den Campus heranwachsen und sich diesen infrastrukturell einverleiben möge."7

Kreative Stadterneuerung

Auch andernorts versucht man mithilfe des Baus von Hochschulen städtebauliche Missstände zu beheben oder die Bedeutung eines bestimmten Viertels zu stärken. Für ersteres kann als Beispiel das kürzlich fertiggestellte Toni-Areal in Zürich herangezogen werden. Ein ehemaliger Milchverarbeitungsbetrieb aus den 1970er Jahren, der dem internationalen Wettbewerb zum Opfer fiel, stand seit den 1990er Jahren leer. Die Zürcher Kantonalbank, die das Gelände besaß, spielte mit dem Gedanken, die Fabrik in einen Bürokomplex umzufunktionieren. Aufgrund der wenig attraktiven Lage des Industrieareals am Stadtrand und des generell großen Angebots bei sinkender Nachfrage an Büroräumen ließ man von dem Plan ab. Stattdessen bediente man sich des Modells der kulturellen Zwischennutzung. Diverse Clubs, Events, Kunstausstellungen und Sportveranstaltungen zogen rasch ein neues Publikum an. Damit reiht sich das Projekt in eine lange Liste ähnlicher Vorhaben, die europaweit versuchen, mithilfe von kostengünstigen Zwischennutzungen bestimmte Gebiete von negativen Stigmata zu befreien um sie wirtschaftlich wieder nutzbar zu machen. Ein Aspekt der sogenannten Gentrifizierungsdebatte, auf die hier jedoch nicht näher eingegangen wird. Fakt ist jedoch, dass gerade Studierende in dieser Debatte um Aufwertung von Stadtteilen eine wichtige Rolle spielen. "Sie gehören zu den Pionier_innen, also Künstler_innen, jungen Geschäftsleuten mit ungewöhnlichen Ideen, Initiator_innen innovativer Wohnformen, die mutig, idealistisch und selbstausbeuterisch mit wenig Startkapital preiswerten Wohn- und Geschäftsraum nutzen und sich Viertel erschließen."8 Es lag daher nicht fern, schließlich die nun von jungen, kreativen Leuten genutzte Industrieruine in eine Hochschule umzufunktionieren. Im Sommer 2014 zogen die Zürcher Hochschule der Künste sowie einige Institute der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften in den von EM2N Architekten umgebauten Hochschulcampus für rund 5.000 Studierende. Damit wird das Areal gewissermaßen zum Hotspot der Zürcher Kreativszene. Um den Campus auch jenseits des Studienangebots attraktiv zu halten und Synergieeffekte für die Umgebung zu schaffen, beherbergt der neue Universitätsstandort neben diversen Gastronomiebetrieben ein Kino, einen Konzertsaal, eine Bibliothek und zahlreiche Möglichkeiten Kunstausstellungen zu zeigen. Im Sinne der Corporate Architecture ein gelungenes Beispiel, da wir aufgrund der zahlreichen ähnlichen Projekte in Industriebrachen und Leerstand diese mittlerweile unweigerlich in den Zusammenhang mit Kunst, Kultur und Kreativität stellen.

Stadterneuerung durch Kreativität ist das Schlagwort, mit dem wohl als erstes Hamburg in Verbindung gebracht wird. Das größte Stadtentwicklungsgebiet Deutschlands, die Hamburger HafenCity, geriet von Anfang an ins Kreuzfeuer diverser Recht auf Stadt-Bewegungen. Man kritisierte die Errichtung eines Stadtviertels, das sich ausschließlich an einer finanzstarken Gesellschaftsschicht orientiert, auch wenn günstiger Wohn- und Freiraum für sozial schwächere Schichten dringend notwendig gewesen wären. In diesem Protest waren es Künstler_innen und Kreative, die tonangebend waren. Schließlich aber machte sich die Stadt das Potenzial dieser Gruppierungen zu Nutze um sich als Kreativstadt im internationalen Wettbewerb zu positionieren. Als besonderes Projekt der Stadtteilentwicklung der HafenCity kann auch hier der Bau einer Universität direkt am Standort genannt werden - nicht nur, aber auch, um die Entwicklung des Stadtteils und gewissermaßen auch sich selber zu beforschen. Die 2014 eröffnete HafenCity Universität Hamburg - Universität für Baukunst und Metropolenentwicklung (HCU) konzentriert alle Fächer des Bauwesens und der Stadtentwicklung. Als einzige ihrer Art erhofft man sich, dass es ihr gelingen möge, Hamburg als Wissenschafts- und Hochschulstandort zu stärken.

Architektur als Ideal?

In Architektur drücke sich das Idealbild der Gesellschaft aus, so sagt man. Die Frage ist nun, welche Ideale mit einem Hochschulkomplex wie dem der neuen Wirtschaftsuniversität verfolgt werden? Einerseits ist die europäische Stadt in ihrem Ausdruck der Wissensgesellschaft untrennbar mit der Präsenz einer Universität verbunden. Man möchte, dass Stadt und Universität sich durchdringen, dass Wissenschaft und Praxis sich ergänzen, dass Bildung zu einem wesentlichen Faktor unserer Gesellschaftsgestaltung wird und die öffentliche Hand die Finanzierung diverser Bildungseinrichtungen tragen muss. Nicht zu vernachlässigen ist jedoch, dass der Bau solcher Bildungsmonolithe wie die WU Wien viel Geld kostet. Knapp 500 Millionen Euro verschlangen allein die Baukosten, für die Einrichtung und Infrastruktur wurden weitere 50 Millionen draufgelegt9 - Geld, das zumindest in Wien für den ebenso dringend notwendigen sozialen Wohnbau eingespart wird. Es kommt zu einer Verschiebung der Interessen. Die Stadt erhofft sich über die Investition in "Leuchttürme" wie die Universitäten internationales Kapital anzuziehen um im internationalen Wettbewerb zu bestehen. Das Image einer Stadt ist zu einem wesentlichen Standortfaktor geworden.

Als Alternative zur öffentlichen Förderung bleibt die Möglichkeit sich Unterstützung von privater Seite zu holen. Das Rolex Learning Center entstand als Public Private Partnership. Mehr als die Hälfte der Baukosten wurde von privaten Trägern übernommen. Darunter die Credit Suisse, Nestlé, Logitech, Novartis und eben auch Rolex, das das Learning Center auch im Namen trägt. Konkret wirft das die Frage auf, wie sich die Vorstellungen der Architekt_innen von SANAA eines nicht-linearen Fortschritts tatsächlich umsetzen lassen. Ist es doch schwer vorstellbar, dass privatwirtschaftliche Beteiligungen die wissenschaftliche Forschung nicht in eine bestimmte Richtung drängen wollen. Unweigerlich führt es dazu, dass Sponsoren, wenn auch indirekt, Studienpläne und Studiengänge maßgeblich mitbestimmen; zumal die Studienpläne aufgrund der Bologna-Bestimmungen zudem bereits stark vereinheitlicht und zielorientiert organisiert sind. Wie weit Forschung dann noch unabhängig sein kann, bleibt fraglich. Gebaut wird obendrein für eine festgelegte Studierendenanzahl. 25.000 sind es für die Wiener Wirtschaftsuniversität. Somit finden auch Zugangsbeschränkungen ihren Ausdruck im Gebauten. Bauliche Veränderungen sind nicht nur Idealbild sondern vielmehr Spiegelbild gesellschaftlicher Entwicklungen. Es gilt daher mit Bedacht darauf zu schauen, in welche Richtung diese Entwicklungen tatsächlich steuern.

Anmerkungen

1) Vgl. dazu den Beitrag von Markus Rieger-Ladich in diesem Heft.

2) Vgl. Helmut Bott 2012: "Die europäische Stadt als Wissensmaschine", in: Wissen-schafft-STADT STADT-schafft-Wissen; Dokumentation zur Auftaktveranstaltung der IBA Heidelberg Oktober 2012: 10-15; online verfügbar unter www.iba.heidelberg.de/files/61_pdf_iba_wissenschafft stadt_dokumentation_auftaktveranstal tung.pdf.

3) Lilo Schmitz, Alexander Flohé 2014: "Hilfe, die Hochschulen kommen!", in: taz 30.01.2014, www.taz.de/!131894/.

4) Wolfgang Lienemann 2012: "Universitäten und Bauplätze", in: VSH-Bulletin Nr.2/3, August 2012: 2-3.

5) Vgl. Florian Kobler in orf-online, wien.orf.at/news/stories/2593347.

6) Vgl. Edith Bachkönig 2014: Studieren im Wunderland - Dreiteiliger ORF-Dokumentarfilm, März 2014.

7) Wojciech Czaja 2013: "Die Welt ist ein Campus", in: DER STANDARD, Album, 21.9.2013.

8) Lilo Schmitz, Alexander Flohé 2014: "Hilfe, die Hochschulen kommen!", in: taz 30.01.2014, www.taz.de/!131894/.

9) "WU zieht um: 22.000 Laufmeter an Büchern werden gesiedelt", in: Der Standard 22.8.2013, derstandard.at/1376534 320485/.


Dipl.-Ing. Anna Vukan studierte Architektur an der Technischen Universität Graz. Derzeit lebt sie in Wien, wo sie sich über verschiedene Organisationen mit Fragen der aktuellen Stadtentwicklung auseinandersetzt. Hauptberuflich ist sie im Museum moderner Kunst beschäftigt.

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