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Klaus Holzkamp

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Weiße Privilegien in der Hochschule

  
 

Forum Wissenschaft 2/2023; Foto: Ollyy / shutterstock.com

Rassismus bringt neben der systematischen Benachteiligung bestimmter Gruppen auch eine systematische Bevorteilung anderer Gruppen mit sich. Der Beitrag von Jule Bönkost thematisiert weiße Privilegien an der Hochschule. Er stellt eine Privilegienliste bereit, die als Sensibilisierungsinstrument für weiße Hochschulangehörige einen Impuls für rassismuskritische Praxis im Kontext der Hochschule in Deutschland gibt.

Hochschulen sind keine rassismusfreien Räume. Das zeigen nicht nur die Erfahrungen von BIPoC1 Hochschulangehörigen. Genauso relevant ist das für Weiße2, die in der Hochschule systematisch bevorteilt werden. In diesem Beitrag liste ich Privilegien auf, die Weiße im Hochschulalltag genießen. Ich richte den Beitrag an alle weißen Mitglieder von Universitäten und Fachhochschulen, an wissenschaftliches wie nichtwissenschaftliches Personal. Für diese Gruppen gehört die Fähigkeit zur kritischen Reflexion der eigenen weißprivilegierten Position zur professionellen Handlungskompetenz im Arbeitsalltag. Schließlich adressiere ich weiße Studierende. Sie alle sollen hier Anregungen für ihre sensible Reflexion rassistischer Strukturen in der Hochschule erhalten.

Die angeführte Privilegienliste ist von mir zusammengetragen worden, um als Sensibilisierungsinstrument genutzt sowie um sich der eigenen weißen Privilegien im Hochschulalltag bewusst werden zu können. Für rassismuskritische Fortbildungen zur Sensibilisierung kann sie ein sinnvolles Ausgangsmaterial für die kritische Reflexion des eigenen Handelns sein. In diesem Sinne hoffe ich, weißen Hochschulmitgliedern einen nützlichen Impuls für ihre rassismuskritische Praxis zu geben.

Facetten des Rassismus im Hochschulalltag

Rassismus hat als strukturelles Problem am Arbeits- und Bildungsort Hochschule viele Facetten. Er kann sich im individuellen Handeln von Personen ausdrücken und institutionell bedingte Benachteiligungen umfassen. Diskriminierungsrisiken bestehen in den Phasen des Studiums und der Promotion, im Bereich der Beschäftigung und im Berufsverlauf. Bereits der Zugang zur Hochschulbildung und zu akademischen Arbeitsmärkten ist durch rassifizierte institutionelle Diskriminierungen strukturiert.

Und das Problem ist noch vielschichtiger. An der Hochschule entstanden die theoretischen Begründungen und Rechtfertigungen des Rassismus. Auch wenn sie heute als pseudowissenschaftlich gelten, sind rassistische Denkmuster bis in die Gegenwart tief in unser aller Denken, Handeln und Fühlen sowie institutionellen Praxen verankert. Zwar geben Hochschulen heute entscheidende Anstöße, Rassekonstruktionen und rassistische Strukturen zu hinterfragen und zu durchbrechen, doch sind sie gleichzeitig in koloniale Kontinuitäten eingebunden. Rassismus hat sich tief in die Hochschule als Ort der Wissensproduktion eingeschrieben. Er ist Bestandteil der westlichen Wissensproduktion. Kien Nghi Ha3 zeigt auf, dass Hochschulen regelrechte "rassistische Problemzonen" darstellen: "Universitäten produzieren und verhandeln gesellschaftlich anerkanntes Wissen. Der Ausschluss von gesellschaftlich diskriminierten Gruppen aus der Wissensproduktion wirft in Folge der gegenseitigen Abhängigkeit von Wissen und Macht epistemologische, wissenschaftstheoretische und letztlich auch demokratische Legitimierungsprobleme auf."4 Wie Grada Kilomba erklärt, liegt die Macht der Definition, was als "richtige" oder "gültige" Wissenschaft gilt, bei Weißen. Mit ihren Entscheidungen hierzu vertreten Weiße ihre eigenen weißen Interessen.5

Die weißen Normen, die die Hochschule leiten, beschützen weiße Hochschulmitglieder davor, Rassismus konsequent hinterfragen zu müssen. Seine Blüten trägt das z.B. in der Marginalisierung von Lehrveranstaltungen zum Thema Rassismuskritik und rassismuskritischer Forschung, im Mangel an entsprechenden Professuren und Arbeitsbereichen sowie rassismuskritisch reflektierter Lehre oder in Diversitätspolitiken, die rassistische Machtverhältnisse und die Problematik institutioneller Ungleichheitsverhältnisse verschweigen.

Rassismus: Zwei Seiten derselben Medaille

Während Rassismus BIPoC benachteiligt, verschafft er Weißen Vorteile. Weiße Privilegien werden systematisch entnannt und sind zugleich Sinn und Zweck von Rassismus als System weißer Vorherrschaft: Rassismus existiert, um Weißen Privilegien einzuräumen. Vielen Weißen sind diese Vorteile, die sie im Vergleich zu BIPoC besitzen, nicht bewusst. Indem weiße Privilegien als selbstverständlich und normal betrachtet werden, obwohl sie nur für Weiße gelten, wird das systematische Wesen des Rassismus geleugnet.

Um Rassismus zu verstehen und nachhaltig wirksam gegen ihn vorgehen zu können, müssen Weiße ihre weißen Privilegien zunächst erkennen. Das Anliegen des Sprechens über weiße Privilegien sind nicht Anschuldigungen oder das Eingeständnis von Schuldgefühlen. Das Ziel ist die Förderung einer selbstreflexiven rassismuskritischen Haltung Weißer, auf der dann rassismuskritisches Handeln aufbauen kann. Die bewusste und kritisch reflektierte eigene weißprivilegierte Position kann dann zum Ausgangspunkt rassismuskritischen Handelns Weißer mit seinen spezifischen Herausforderungen und Chancen gemacht werden.

Weiße Privilegiertheit im Hochschulalltag

Die Hochschule ist ein weißer Ort, der auf weiße Menschen zugeschnitten ist. Im Vergleich zu BIPoC sind für Weiße Zugänge leichter und Barrieren niedriger. Weiße Privilegien verlangen Weißen geringere Anstrengungen ab, im Beruf und im Studium erfolgreich zu sein. Sie machen es ihnen leichter, den Anforderungen am Arbeitsplatz und im Studium gerecht zu werden und halten für sie mehr Chancen bereit.

Im Folgenden benenne ich aus meiner eigenen weißen Perspektive einige Privilegien, über die Weiße an der Hochschule verfügen. Ich beginne mit Privilegien, die für alle Weißen gelten. Danach benenne ich Privilegien, die für weiße Beschäftigte und Studierende spezifisch sind. Von allen aufgeführten weißen Privilegien lassen sich Benachteiligungen von BIPoC ableiten. Viele der Privilegien überschneiden sich oder wirken eng zusammen. Grundsätzlich stützen sich alle weißen Privilegien gegenseitig.

Weiße Privilegien für prinzipiell alle weißen Hochschulmitglieder

  1. Mein Weiß-Sein arbeitet dafür, dass ich in der Hochschule ein gewisses unhinterfragtes Zugehörigkeitsgefühl, eine Art Willkommenskultur, Vertrautheit und Sicherheit erfahre. Das wirkt sich positiv auf meine Identifikation mit der Hochschule aus.
  2. Menschen, die, wie ich, weiß sind, sind auf allen Ebenen deutlich überrepräsentiert. Auch auf Bildern an den Wänden sowie auf der Hochschulwebsite, Flyern und anderen Werbematerialien finde ich Darstellungen Weißer. Die Überrepräsentation Weißer gilt als unhinterfragte Norm und vermittelt mir: "Hier gehörst du hin."
  3. Als Weiße:r werde ich von anderen nicht automatisch als "anders" und "fremd" wahrgenommen. Ich gelte als "normal". Aufgrund meines Weiß-Seins muss ich anderen z.B. nicht erklären, wo ich herkomme und muss mich nicht rechtfertigen, weshalb ich in meinem eigenen (Geburts-)Land lebe.
  4. Ich werde als Weiße:r nicht typisiert und erlebe keinen Druck einer zugeschriebenen rassifizierten Zugehörigkeit. Mein Weiß-Sein arbeitet dafür, als Individuum betrachtet zu werden: Ich werde nicht als Repräsentant:in aller Weißen wahrgenommen. Andere sehen es z.B. nicht als typisches Verhalten aller Weißen an, wenn ich Fehler mache. Ich kann laut sprechen, schreien und fluchen, ohne dass dies auf die schlechte Moral und Aggressivität der Weißen zurückgeführt wird. Ich werde nie aufgefordert, für alle Weißen zu sprechen, z.B. mit der Bitte, etwas dazu zu erzählen, was Weiße zu einer Sache sagen.
  5. Ich muss nicht mit rassistischen Fremdbezeichnungen, Beleidigungen, Kulturalisierungen und Exotisierungen oder irgendeiner anderen Form der rassistischen Herabwürdigung und Ausgrenzung rechnen. Deshalb muss ich nie darüber nachdenken, ob ich rassistisch diskriminiert werde und muss keine Bewältigungsstrategien gegen Rassismus entwickeln.
  6. Ich kann mich entscheiden, Rassismus zu ignorieren.
  7. Ich kann mich gegen Rassismus einsetzen, wenn ich Lust dazu habe, und eine Pause einlegen oder es auch wieder ganz sein lassen, wenn es mich nicht mehr interessiert.
  8. Wenn ich Rassismus problematisiere, wird mir mein Weiß-Sein mehr Glaubwürdigkeit verleihen als BIPoC. Mir wird wahrscheinlich nicht unterstellt, dass ich sensibel, aggressiv, wütend oder emotional sei, mich als Opfer darstellen und nur von meinem eigenen Fehlverhalten ablenken will oder dass ich ein persönliches Anliegen verfolge und eigennützig sei. Ich werde nicht selbst zum:zur Verursacher:in des Problems gemacht.
  9. Das Sprechen über Rassismus bedeutet für mich kein rassistisches Diskriminierungsrisiko.
  10. Wenn ich etwas problematisiere, werde ich nicht weniger ernst genommen, weil ich weiß bin.
  11. Ich kann sicher sein, auf dem Weg in die Hochschule und wieder zurück nach Hause nicht rassistisch angefeindet zu werden.
  12. Meine Lebenserfahrung wird nicht mit dem Hinweis auf das Recht auf Meinungsfreiheit in Frage gestellt.
  13. Ich erfahre meine weißen Privilegien als normal und selbstverständlich und kann mich benehmen, als spielten sie keine Rolle.
  14. Rassismus beeinträchtigt nicht mein Wohlbefinden in der Hochschule.

    Weiße Privilegien insbesondere für weiße Beschäftigte

  15. Ich frage mich nicht, ob ich in einer weißen Organisation arbeiten will und habe diesbezüglich keine Sorgen und Ängste.
  16. Mein Weiß-Sein erhöht meine Chancen, zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden.
  17. Wenn ich zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen werde, sind meine Gesprächspartner:innen wahrscheinlich ebenfalls weiß.
  18. Kommt es danach nicht zu einer Einstellung, liegt das nicht daran, dass ich weiß bin.
  19. Wenn ich beim Bewerbungsgespräch, bei der Arbeit oder bei einem Vortrag eine natürliche Frisur trage, werde ich nicht eventuell als "unseriös" und "unprofessionell" wahrgenommen.
  20. Beim ersten Arbeitstag muss ich nicht befürchten, dass mich andere mit dem Putzpersonal verwechseln oder beim Parken darauf hinweisen, dass ich mein Auto hier nicht abstellen könnte, da dies ein Mitarbeitenden-Parkplatz sei.
  21. Als Weiße:r werde ich nicht als Token eingestellt und als Aushängeschild benutzt, um nach außen das Image der Hochschule als "divers", "weltoffen" oder "international" aufzupolieren.
  22. Meine Kolleg:innen denken nicht, dass ich nur eingestellt wurde, um den Anteil von weißen Mitarbeitenden zu erhöhen.
  23. Ich werde von anderen nicht aufgrund meines Weiß-Seins auf eine Sonderrolle reduziert, z.B. als Sprachmittler:in oder Verantwortliche:r für die Themen Diversity und Antidiskriminierung.
  24. Meine fachlichen Qualifikationen und Kompetenzen für meinen Beruf sowie meine Fähigkeit, wichtige Entscheidungen zu treffen und mein allgemeines Leistungsvermögen werden nicht deshalb infrage gestellt, weil ich weiß bin.
  25. Ich verspüre nicht den Druck, dass ich als Weiße:r mehr leisten muss als meine BIPoC Kolleg:innen.
  26. Kolleg:innen oder Studierende bringen mir nicht weniger Glaubwürdigkeit entgegen, weil ich weiß bin.
  27. Sie akzeptieren und respektieren mich deshalb auch nicht weniger.
  28. Niemand spricht mir Neutralität oder Objektivität ab, weil ich weiß bin.
  29. Meine Vertrauenswürdigkeit als Lehrkraft und/oder Autorität als Führungskraft werden nicht aufgrund meines Weiß-Seins in Frage gestellt.
  30. Wenn meine Zusammenarbeit mit anderen oder Studierenden schlecht läuft, brauche ich mich nicht zu fragen, ob dies rassistische Gründe hat.
  31. Mein mehrheitlich weißes Arbeitsumfeld erzeugt keinen Stress und meine Erfahrung als Weiße:r im Berufsalltag wirkt sich nicht negativ auf meine psychische und körperliche Gesundheit aus.
  32. Wenn ich zu spät zur Arbeit oder zu Meetings komme oder verantwortungslos mit meinen Aufgaben umgehe, führen andere dies nicht auf mein Weiß-Sein zurück.
  33. Mein Weiß-Sein wirkt sich nicht negativ auf meinen Karriereweg aus. Ich erfahre deshalb keine Benachteiligungen beim Zugang zu Stellen, Ämtern und Erschwernisse zu bessergestellten, machtvolleren Positionen.
  34. Bei Dienstreisen und Personalausflügen begegne ich sehr wahrscheinlich Personen, die wie ich weiß sind, gilt meine Anwesenheit als normal und finde ich mich nicht eventuell in Räumen wieder, die für mich als Weiße:r nicht sicher sind.
  35. Beim Besuch von Fortbildungen bin ich von Personen umgeben, die wie ich weiß sind und gilt meine Anwesenheit als normal.
  36. Wenn ich außerhalb der regulären Arbeitszeit, z.B. in der Nacht oder an Feiertagen, zu meinem Arbeitsplatz gehe, muss ich nicht befürchten, aufgrund meines Weiß-Seins für eine:n Einbrecher:in gehalten zu werden und dass deshalb die Polizei verständigt wird.
  37. Ich muss nicht auf rassistische Vorfälle reagieren. In meinem weißen Arbeitsumfeld wird meine berufliche Eignung und Professionalität aufgrund einer solchen Gleichgültigkeit nicht infrage gestellt.
  38. Die Deutungshoheit darüber, was aus "wissenschaftlicher Sicht" valide ist und wer qualifiziert ist, an Wissensproduktion teilzunehmen, liegt bei Menschen, die, wie ich, weiß sind. Das erleichtert es mir, am wissenschaftlichen Diskurs teilzuhaben. Mein Weiß-Sein arbeitet dafür, im weißdominierten akademischen Mainstream als Insider positioniert zu werden und dass meine Forschungsbeiträge als legitimes und wertvolles Wissen behandelt werden. Das erleichtert es mir wiederum, mich auf dieser Ebene an gesellschaftlicher Diskurs- und Meinungsbildung zu beteiligen.
  39. Ich kann meine Lehre methodisch und didaktisch für mich bequem an weißen Normen ausrichten und die Bedeutung meines Weiß-Seins für meine Lehre ignorieren. Trotz eines solchen rassismusunsensiblen Vorgehens kann ich mich dabei wohlfühlen.

    Weiße Privilegien insbesondere für weiße Studierende

  40. Die systematische Bevorteilung von weißen Schüler:innen in der Schule hat sich positiv auf meine Chancen, die Hochschulreife zu erlangen, ausgewirkt.
  41. Aufgrund meines Weiß-Seins wird mir nicht das Gefühl vermittelt, weniger zu wissen. Andere sind deshalb nicht beeindruckt oder überrascht, dass ich studiere. Sie schreiben mir als weißer Person einen "natürlichen" Intellekt zu. Wenn an mich geringere Leistungserwartungen gestellt werden, ist nicht mein Weiß-Sein der Grund dafür.
  42. Meine Leistungen werden nicht schlechter bewertet, weil ich weiß bin.
  43. Ich verspüre nicht den Druck, dass ich mich gegen die rassistischen Vorurteile anderer beweisen muss.
  44. Wenn meine Potentiale nicht wahrgenommen und ich schlechter gefördert werde, liegt das nicht daran, dass ich weiß bin.
  45. Ich muss in Testsituationen keine Angst haben, dass andere, falls meine Leistungen schwach ausfallen sollten, ihre rassistischen Stereotype darin bestätigt sehen.
  46. Ich habe keine negativen Stereotype über Weiße verinnerlicht, die sich negativ auf meine intellektuelle Leistungsfähigkeit auswirken könnten.
  47. Rassismus macht es für mich nicht schwieriger, Kurse durchzustehen und führt nicht dazu, dass ich nach Lehrveranstaltungen Wut oder Frustration empfinde oder darüber nachdenke, das Studium abzubrechen.
  48. Dass ich weiß bin, arbeitet nicht gegen meine Bildungs- und Leistungsmotivation bzw. Identifikation mit der Hochschule.
  49. Wenn meine Zusammenarbeit mit anderen Studierenden schlecht läuft, brauche ich mich nicht zu fragen, ob dies rassistische Gründe hat. Mein Weiß-Sein führt z.B. nicht dazu, dass bei Gruppenarbeiten andere meine Ideen ignorieren oder ich keine Partner:innen für die Zusammenarbeit finde.
  50. Meine Mitstudierenden setzen sich im Vorlesungssaal nicht auf Distanz von mir, weil ich weiß bin.
  51. Ich kann studieren, ohne aufgrund von Rassismus Stress ausgesetzt zu sein und psychische Belastungen zu erleben, die meinen Lernerfolg beeinträchtigen können.
  52. Die Normalität des Rassismus in der Hochschule mindert nicht meine Chancen auf ein ausgeprägtes Selbstwertgefühl.
  53. Ich studiere nach Curricula, bei deren Gestaltung das Werk und die Biographien von Wissenschaftler:innen, die wie ich, weiß sind, im Zentrum standen.
  54. Die Studieninhalte repräsentieren westliche Wissensbestände, die Menschen, die wie ich, weiß sind, als Norm darstellen, zentrieren und aufwerten.
  55. In den mir im Studium begegnenden überwiegend weißen Forschenden sowie der überwiegend weißen Zielgruppe aller mir begegnenden Forschungsarbeiten sehe ich mich als Weiße:r repräsentiert.
  56. Ich studiere überwiegend Texte, die von weißen Autor:innen stammen, Perspektiven von Weißen wiedergeben und Menschen, die, wie ich, weiß sind, adressieren.
  57. Mir wird ein Wissenschaftsverständnis präsentiert, das Menschen, die, wie ich, weiß sind, unmarkiert höherstellt. Das erhöht meine Motivation, eine wissenschaftliche Karriere einzuschlagen.
  58. Bildungsinhalte über "Afrika", "Kolonialismus", "Migration", "Integration" und "Flucht und Asyl" bedeuten für mich kein Rassismusrisiko. Bei ihrer Behandlung erfolgen keine negativen Zuschreibungen gegenüber Weißen.
  59. In meinen Lehrbüchern finde ich eine Auswahl an positiven, nicht-stereotypen Vorbildern und Identifikationsfiguren, die, wie ich, weiß sind. Weiße werden nicht in der Rolle des Opfers oder Außenseiters, sondern als selbstbestimmte Akteur:innen dargestellt.
  60. In der Bibliothek kann ich leicht Materialien finden, die Stimmen, Darstellungen und Perspektiven von Menschen enthalten, die wie ich, weiß sind.
  61. Ich kann zu spät zum Seminar kommen, Assignments nicht erledigen oder Veranstaltungen stören, ohne dass andere dies darauf zurückführen, dass ich weiß bin.
  62. Ich kann in Lehrveranstaltungen kritische Rückfragen stellen, ohne aufgrund meines Weiß-Seins als Außenseiter:in angesehen zu werden.
  63. Das Thema und Sprechen über Rassismus in Lehrveranstaltungen bedeutet für mich kein rassistisches Diskriminierungsrisiko.
  64. In der Auseinandersetzung mit der Profession, auf die mich mein Studium vorbereitet, werden relevante Tätigkeiten und Kompetenzen Menschen zugeschrieben, die wie ich weiß sind. Das wirkt sich positiv auf meine Identifikation mit meinem zukünftigen Beruf aus.
  65. Ich kann über berufliche Optionen nachdenken, ohne mir darüber Gedanken machen zu müssen, ob eine Person, die, wie ich, weiß ist, dort in der Unterzahl ist und akzeptiert, eingebunden und gehört werden wird.
  66. Beim Besuch außeruniversitärer Lernorte begegne ich sehr wahrscheinlich Menschen, die, wie ich, weiß sind, gilt meine Anwesenheit als normal und finde ich mich nicht eventuell in Räumen wieder, die für mich als Weiße:r nicht sicher sind.
  67. Die Normalität des Rassismus arbeitet nicht gegen mein Vertrauen in die Lehrkräfte bzw. in die Hochschule und den Wissenschaftsbetrieb insgesamt.
  68. Anmerkungen

    1) BIPoC ist die Abkürzung von Black, Indigenous und People of Color und eine politische Selbstbezeichnung von Personen und sozialen Gruppen mit Rassismuserfahrung.

    2) "Weiß" wird kursiv gesetzt, weil damit eine soziale Position und keine biologische Kategorie beschrieben wird.

    3) Kien Nghi Ha 2016: BLINDE FLECKEN: Weiße Parallelgesellschaft oder wie rassistisch ist die Universität? www.migazin.de/2016/05/10/weisse-parallelgesellschaft-oder-wie-rassistisch-ist-die-universitaet/ (07.03.2023)

    4) Ebd.

    5) Grada Kilomba 2009: "Schwarze in der Universität: Diversity in Adversity", in: AG gegen Rassismus in den Lebenswissenschaften (Hg.): Gemachte Differenz. Kontinuitäten biologischer "Rasse"-Konzepte, Münster: 130-137; hier: 133.

    Dr.in Jule Bönkost, Beraterin, Lektorin und Trainerin für Diskriminierungskritische Bildung mit den Schwerpunkten Rassismus, Kritisches Weißsein und Allyship. Kontakt: boenkost@diskriminierungskritische-bildung.de, www.diskriminierungskritische-bildung.de

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