BdWi - Bund demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler

»Wissenschaft ist also ein prinzipielles Gegen-den-Strom-Schwimmen.«

Klaus Holzkamp

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Solidaritätserklärung der 26. Mitgliederversammlung des BdWi mit den studentischen Streikaktionen

Seit vier Wochen wird an einer ständig zunehmenden Zahl von deutschen Hochschulen - mittlerweile über 60 - gestreikt. Anlaß ist die katastrophale Unterfinanzierung, die an einigen Orten zum Zusammenbruch des Lehrbetriebes führte. Vorläufiger Höhepunkt war die bundesweite Demonstration mit über 40 Tsd. TeilnehmerInnen am 27.11.1997 in Bonn. Die Proteste sollen weiter gehen - und das ist gut so! Schließlich ist bisher keine einzige der Forderungen erfüllt worden. In einem Land, in dem eine parlamentarische Mehrheit 23 Mrd. Mark für ein überflüssiges und gefährliches Rüstungsprojekt durchwinkt, ist genügend Geld für Bildung vorhanden. Die 26. Mitgliederversammlung des BdWi solidarisiert sich mit den studentischen Protesten. Wir rufen alle BdWiler/-innen auf, in ihrem Wirkungsbereich die Aktionen aktiv zu unterstützen; etwa auch durch wissenschaftskritische alternative Vorlesungen und Seminare! Die etablierte Politik und der überwiegende Teil der Medien versuchen der Protestbewegungen durch eilfertige Sympathieerklärungen die politische Spitze zu nehmen. Dabei bemüht sich jede Gruppierung, ihr spezielles Süppchen zu kochen und die Verantwortung von sich selbst abzulenken. Konservative Professorenverbände interpretieren das Ganze gerne als einen Streik für "mehr Bücher" - und sonst nichts. Auf diese Weise bleibt die autoritäre Personalstruktur der Hochschulen als ein wesentliches Reformhindernis außerhalb des Visiers. Die Länder schieben die Schuld auf die Bundesregierung, diese spielt den Ball mit dem Hinweis auf die finanzielle Hauptverantwortung der Länder für die Hochschulausstattung zurück. Die von Bund und Ländern zu verantwortende 4. HRG-Novelle bleibt so politisch außerhalb des Blickwinkels.

Wir denken, daß dieses vordergründige Herumschieben des Schwarzen Peters der Irreführung der Öffentlichkeit dient. Die Einfrierung der Hochschulfinanzen geht in Wahrheit auf den sog. "Öffnungsbeschluß" von 1977 zurück, auf den sich Bund und Länder verständigt hatten. Eine Verdoppelung der Studierendenzahl bei im wesentlichen gleichbleibender Ausstattung an Personal und Sachmitteln wurde bewußt in Kauf genommen, um die Hochschulen einem stärkeren inneren technokratischen Rationalisierungs- und Wettbewerbsdruck unter der Parole "Mehr Effizienz und Leistung!" auszusetzen. Logischer Höhepunkt dieser Politik ist der jetzt vorliegende Entwurf einer HRG-Novelle. Er beinhaltet u.a. den Versuch einer kostensenkenden administrativen Verkürzung des Studiums durch Sanktionen und Prüfungsverschärfungen. Fragen einer gesellschaftlich verantwortbaren qualitativen Studienreform spielen dabei keine Rolle. Der Problemdruck aus Unterfinanzierung und strukturellen Reformdefiziten kann so als individueller Leistungsdruck an die Studierenden weitergegeben werden. Allein unter diesem Gesichtspunkt sind solidarische Protestaktionen ein Signal gegen Individualisierung und Konkurrenz. Die HRG-Novelle würde in ihrer bisherigen Fassung de facto die Einführung von Studiengebühren ermöglichen, um das fehlende Geld von den Studierenden und ihren Familien zu holen. Schließlich wird durch Deregulierung der Weg geöffnet, partizipatorische Selbstverwaltungsstrukturen durch ein ökonomisches Effizienzmanagement schrittweise zu relativieren. Dieser Praxis liegt das Leitbild einer vermarktungsfähigen Standortwissenschaft zugrunde, deren gesellschaftlicher Gebrauchswert allein in ihrer Verwertbarkeit liegt; im gleichen Umfang würden soziale und ökologische Anforderungen aus der Wahrnehmung des Hochschulbetriebs ausgeblendet.

Die gegenwärtige politische Protestwelle kann daher ein guter Rahmen sein, über alle Statusgruppen hinweg, d.h. zwischen Studierenden, WissenschaftlerInnen und Öffentlichkeit die Diskussion über eine wirkliche politische Hochschulreform zu verstärken. Aus unserer Sicht sind deren Eckpunkte a) eine Finanzierung entsprechend der Auslastung, b) eine Enthierarchisierung der Personal- in Verbindung mit einer Demokratisierung der Selbstverwaltungsstrukturen und c) eine Umorientierung von Wissenschaft und Studium auf die langfristigen gesellschaftlichen Entwicklungsprobleme. In diesem Sinne mischen wir uns, wie bisher auch, gerne in die weiteren Auseinandersetzungen ein.

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