Zum Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes in Sachen "Langzeitstudiengebühren"
26.07.2001: Erklärung des BdWi zum Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes (25.7.01) in Sachen "Langzeitstudiengebühren"
Nachdem sich in den letzten zwanzig Jahren die StudentInnenzahl bei gleichbleibender Personal- und Sachausstattung der Hochschulen verdoppelt hat, bekommen die Studierenden jetzt vom obersten Verwaltungsgericht bescheinigt, daß sie für die Dauer und Erfolg ihres Studiums im wesentlichen "selbst verantwortlich" - und "Strafgebühren" bei Überschreiten einer gesetzten Frist folglich rechtens - sind.
Noch skandalöser als das Urteil jedoch ist das Verhalten der Politik. Wenn etwa Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn einen Tag vor der Gerichtsverhandlung - in einer 180-Grad-Wendung zu früheren Äußerungen zum gleichen Thema - im ZDF die baden-württembergische Regelung der "Langzeitgebühren" ausdrücklich befürwortet, dann tut sie dies, obwohl sie darüber informiert ist, daß das baden-württembergische Wissenschaftsministerium diese Gebührenvariante immer als Einstiegsticket in generelle Studiengebühren betrachtet hat. Statt die Situation zum Anlaß zu nehmen, der Öffentlichkeit zu erklären, wie das Regierungsversprechen eines gesetzlichen Verbots von Studiengebühren künftig bewerkstelligt werden soll, redet die Ministerin eine Maßnahme schön, die der salamitaktikmäßigen Akzeptanzbeschaffung für Studiengebühren dient.
Die öffentliche Behandlung der Thematik unter dem Etikett "Bummel-" und "Langzeit-studenten" kommt einer zielgerichteten Irreführung gleich. Es geht nicht um ein moralisch negativ bewertbares Verhalten ein Minderheit, eine überwiegende Mehrheit der Studierenden aller Fächer ist nicht in der Lage, die gesetzlichen Regelstudienzeiten einzuhalten. Wie das Aktionsbündnis gegen Studiengebühren (ABS) in einer aktuellen Broschüre noch einmal detailliert dargelegt hat, weisen selbst offizielle Statistiken in dem Zusammenhang auf Ursachen wie vor allem immer ausgedehntere Erwerbstätigkeit während des Studiums, sowie Ausstattungs- und Organisationsmängel der Hochschulen hin. Die ideologische Konstruktion des "Langzeitstudenten" als hochschulpolitischer Allzweckwaffe entspricht daher klassischer Sündenbockpolitik, indem sie von der politischen Verantwortung für das institutionelle Reformdefizit der Hochschulen ablenkt. Damit wird auch die überfällige Hochschulreform in eine völlig falsche Richtung gelenkt.
Wenn etwa an die Stelle einer inhaltlich ausgewiesenen Studienreform die Reglementierung des persönlichen Studienverhaltens durch Sanktionsdrohungen finanzieller oder sonstiger Art tritt, bestätigt dies die vom BdWi immer vertretene Position, daß Studiengebühren nicht allein aus sozialpolitischen, sondern auch aus elementaren bildungs- und wissenschaftspolitischen Gründen abzulehnen sind. Als Mitgliedsorganisation des Aktionsbündnisses gegen Studiengebühren (ABS) werden wir uns in diesem Sinne daher auch weiter am Kampf um die Verhinderung von Studiengebühren beteiligen.