Geschichte, Funktion und Abeitsweise des BdWi
31.12.2002: Interview mit BdWi-Geschäftsführer Torsten Bultmann
BdWi-Geschäftsführer Torsten Bultmann im Gespräch mit der vom AStA der Universität zu Köln herausgegebenen Zeitschrift Rückmeldung
Rückmeldung: Was ist der Bund demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, was macht er und wer trägt ihn? |
Bultmann: Der BdWi wurde im Jahre 1968 gegründet. Das Datum ist insofern "programmatisch" als diese Gründung durch eine - damals - verschwindende Minderheit von Professoren und wenigen Assistenten erfolgte, die sich in der noch existenten "Ordinarienuniversität" positiv auf die Impulse der damaligen Studentenbewegung bezogen. Dies meinte insbesondere Bestrebungen einer überfälligen Hochschulreform, die vor allem als Demokratisierung der Strukturen gedacht wurde - "Demokratie" nicht als formaler Selbstzweck, sondern als, wie man meinte, einzig adäquate Bewegungsform einer aufklärerischen und sozialer Emanzipation verpflichteten Wissenschaft. Damit wirkte der Verband von vornherein an der Nahtstelle von Politik, Öffentlichkeit und akademischen Betrieb. Er suchte und sucht ständig die öffentliche Intervention in Form von Veranstaltungen, Publikationen, Expertisen. Der Name täuscht insofern ein wenig als wir heute nicht allein auf die Hochschulen beschränkt sind und keineswegs ausschließlich aus professionellen WissenschaftlerInnen bestehen. Wir sind ein bildungs- und wissenschaftspolitischer Verband im weitesten Sinne des Wortes, in dem nach wie vor Professor- Innen, aber auch immer mehr Studierende, GewerkschafterInnen oder BildungspolitikerInnen aus verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen zusammenarbeiten.
Rückmeldung: Nun haben die Studierenden in Nordrhein-Westfalen lautstark gegen die Einführung von Studiengebühren protestiert und demonstriert. Du selbst hast in Köln auf einer Demonstration geredet. Was ist aus Eurer Sicht der Grund für die derzeitige Einführung von Studiengebühren und warum sprecht Ihr Euch dagegen aus? |
Bultmann: Die meisten im Streik genannten Argumente gegen Studiengebühren, die ich vernommen habe, sind ja zweifellos zutreffend: Studiengebühren beförderten soziale Selektion in der Bildungsbeteiligung oder Bildung dürfe nicht zur Ware werden. Im Zentrum steht in der Regel eine sozialpolitische Contra-Argumentation. Auf der Kölner Demo habe ich daher das ins Zentrum gestellt, was ich bei solchen Gelegenheiten immer gerne betone: daß Studiengebühren auch aus bildungs- und wissenschaftspolitischen Gründen abzulehnen sind. Weil sie das individuelle Bildungsverhalten ebenso wie die institutionellen fachlichen Angebote in eine falsche, d.h.: gesellschaftlich keineswegs wünschbare, Richtung lenken; nämlich ausschließlich in Richtung Verwertbarkeit und Verkäuflichkeit - weg von Kriterien der Erkenntnis, Wahrheit und umfassenderen gesellschaftlichen Problemlösungskompetenz. Viele WissenschaftlerInnen, die eventuell mit derartigen Streiks sympathisieren, diese aber vor allem für eine "studentische" Angelegenheit halten, haben dies noch nicht begriffen. Es müßte vielmehr Widerstand auch von anderen Statusgruppen kommen. Diese verschiedenen Ebenen zusammen zu bringen, sehe ich auch als Aufgabe, an der der BdWi mitwirken kann.
Rückmeldung: In der Debatte sind nun immer "neue" Modelle wie Bildungsgutscheine, Studienkonten, nachlaufende Studiengebühren, Vereinsmodelle und ähnliches mehr. Was ist der gemeinsame Kern dieser Modelle? |
Bultmann: Ihre steuerungspolitische Wirkung, die genau auf das hinaus läuft, was ich eben sagte: die Durchsetzung von Markt- und Wettbewerbseffekten. Gemeinsamer Nenner aller aufgezählten Modelle ist, dass der Geltungsbereich öffentlich finanzierter Bildung administrativ verknappt wird. In dem Maße, wie dies erfolgt, setzt eine Art verinnerlichter "struktureller Zwang" ein, Bildungsangebote - bzw. das, was mir etwa an Semesterwochenstunden im Kontomodell "zusteht" - schärfer unter dem Aspekt eines äußerlichen Nutzens oder einer späteren "Rendite" zu kalkulieren. So kommt der Markt in die Köpfe, ohne daß man sich dessen schon immer sofort bewußt ist. Der häufig verwendete Begriff der "Privatisierung" deckt dieses Phänomen nicht allein ab, wenn damit ausschließlich die Vorstellung verbunden ist, öffentliche Finanzierung würde durch private Kostenbeteiligung ersetzt. Die Studienkonto-Verfechter halten dem dann entgegen: "Wir garantieren Euch ja gerade 200 SWS ohne Gebühren!" Aber auch oder gerade in diesem Modell ist - neben der Möglichkeit "Überziehungsgebühren" zu erheben - der steuerungspolitische Effekt auf das individuelle Bildungsverhalten der ganz entscheidende Grund für seine politische Ablehnung.
Rückmeldung: Der BdWi hat nach der Streikwelle ein Studienheft "Bildungsfinanzierung" herausgegeben, in dem zahlreiche Autorinnen und Autoren zu diesem Thema schreiben. In den Medien wurde dieses Heft als richtungweisend für die zukünftige Auseinandersetzung mit Befürworter- Innen des Bildungsmarktes gesehen. Ein politischer Erfolg für den BdWi? |
Bultmann: Wir hoffen natürlich, daß es auch ein politischer Erfolg für diejenigen ist - oder noch wird - die mit den dort enthaltenen Analysen und Argumenten politisch etwas anfangen können! Aber ich will gar nicht so selbstlos erscheinen! Unser Verband ist darauf angewiesen, sich ständig durch Mitgliedsbeträge - vor allem auch durch neue Mitglieder - und Spenden zu finanzieren und zu reproduzieren. Dazu müssen wir natürlich öffentliche Aufmerksamkeit erzeugen. Wenn auf diese Weise ein politischer Erfolg - eventuell weit über uns hinaus - sich mit einem "betriebswirtschaftlichen" Nutzen für uns verbindet, um so schöner! In diesem Sinne haben wir uns bemüht, in dem erwähnten Studienheft viele Fragen, die im Streik aufgeworfen wurden, aufzugreifen und weiterzuführen, vor allen Dingen jedoch über den Tellerrand der Hochschulen hinaus die Debatten verschiedener Sektoren des Bildungssystems zusammen zu führen. Wobei ich betonen möchte, daß ohne die Mitarbeit vieler AktivistInnen des Streiks diese Publikation so gar nicht möglich geworden wäre.
Rückmeldung: Nun hat der BdWi die Veranstaltungsreihe "Bildung und Kapitalismus", die gerade mit großem Erfolg an FH und Uni Köln gelaufen ist, mit organisiert. Diese Reihe wird hauptsächlich von Studierenden besucht. Gibt es weitere Möglichkeiten, als StudentIn im BdWi mitzumachen? |
Bultmann: Die Antwort habe ich indirekt schon gegeben. Wer unsere politischen Ziele unterstützt und unsere Arbeitsweise als sinnvoll empfindet, kann dem BdWi beitreten. Wir versprechen natürlich niemandem das Blaue vom Himmel. Aber das Minimum, was eine BdWi-Mitgliedschaft bringt ist, an ein Informations- und Diskussionsnetzwerk alternativer Bildungs- und Wissenschaftspolitik angeschlossen zu sein, die Möglichkeit zu haben, kontinuierlicher zu bestimmten Themen zu arbeiten bzw. an Arbeitsgruppen und Fachtagungen teilzunehmen oder diese gar selbst zu gestalten.
Rückmeldung: Torsten, wir danken Dir für das Gespräch. |
Interview im Original