BdWi - Bund demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler

»Wissenschaft ist also ein prinzipielles Gegen-den-Strom-Schwimmen.«

Klaus Holzkamp

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Positionspapier zur Wissenschaftsfreiheit

25.05.2023: Beschluss der 54. Mitgliederversammlung des BdWi

Wissenschaftsfreiheit ist seit Bestehen des BdWi ein wichtiges Arbeitsfeld des Verbandes. Dazu zählt unser Einsatz für eine Demokratisierung von Hochschulen als Voraussetzung für eine selbstbestimmte und umfassende Freiheit von Forschung, Lehre und Studium ebenso wie unser Eintreten gegen staatlich-juristische Maßnahmen wie die "Radikalenerlasse", die für kritische, insbesondere linke Wissenschaftler*innen de facto ein Berufsverbot darstellten. Darunter fallen auch Angriffe auf die Friedens- und Konfliktforschung sowie das Infragestellen von Zivilklauseln. Versuche beispielsweise von Hochschulleitungen, Debattenräume über Krieg und Frieden einzuengen, lehnen wir ab. Auch die zunehmende Ökonomisierung von Forschung und Lehre unter dem Leitmotiv der "unternehmerischen Hochschule", wie wir sie seit den 1990er Jahren beobachten können, kritisiert der BdWi seit langem als eine Einschränkung von freier Forschung.

Mit der Gründung des sogenannten Netzwerks Wissenschaftsfreiheit (NWF) 2020/21 ist ein neuer hochschulpolitischer Akteur als eine Art Wiedergänger des 2015 aufgelösten, konservativen Bunds Freiheit der Wissenschaft (BFW) auf den Plan getreten, der die Bedrohung der Wissenschaftsfreiheit an deutschen Hochschulen vor allem in einer angeblichen "Cancel Culture" und einem vermeintlichen "linken Mainstream" ausmacht. Während der Versuch des NWF, insbesondere diskriminierungssensible und herrschaftskritische Forschung und Lehre zu diskreditieren, allzu offensichtlich erscheint, ist es umso erstaunlicher, was das NWF nicht benennt: Denn tatsächlich ist die Freiheit der Wissenschaft auch hierzulande bedroht - nämlich durch die fortschreitende Kommerzialisierung der Wissenschaft infolge der Zunahme von Verwaltung und leerlaufendem Wettbewerb und nicht zuletzt auch von rechten und verschwörungsideologischen Demokratiefeinden, die gezielt gegen kritische Wissenschaftler*innen hetzen. Insbesondere in den Bereichen der Geschlechter- und Rassismusforschung sowie der Klima- und der Corona-Forschung wuchs das Ausmaß der Anfeindungen bis hin zu Morddrohungen gegenüber Forschenden in jüngster Zeit massiv an. Letztlich befördern Vertreter*innen des NWF derartige Tendenzen, wenn sie beispielsweise einzelnen (Teil-)Disziplinen wie den Gender und Queer Studies oder der Antirassismusforschung die Wissenschaftlichkeit und damit schließlich auch ihre Legitimität absprechen. Umso leiser ist das NWF hingegen, wenn es um eine Kritik der negativen Auswirkungen neoliberaler Hochschul- und Wissenschaftspolitik geht. Dabei gefährdet der wettbewerbsorientierte Umbau der deutschen Hochschullandschaft hin zu "unternehmerischen Hochschulen" in den vergangenen drei Jahrzehnten zunehmend auch die Unabhängigkeit und Freiheit von Wissenschaft: Das betrifft den Abbau von Mitwirkungsrechten der gewählten Selbstverwaltungsgremien ebenso wie die Ausweitung prekärer Beschäftigungsverhältnisse, die an quantitativen "Leistungsindikatoren" ausgerichtete Output-Orientierung sowie die Forderung nach wirtschaftsrelevantem Transfer in der Forschung und die Abhängigkeit von Drittmitteln in Zeiten chronischer Unterfinanzierung des gesetzlichen Regelbetriebs.

Als BdWi kritisieren wir derartige wissenschafts- und demokratieschädigende Entwicklungen seit langem und werden ihnen auch weiterhin politisch entgegentreten. Insbesondere beobachten wir mit Sorge die Zunahme des Missbrauchs finanzieller und struktureller Macht. Ein Beispiel hierfür ist die zunehmende Anzahl an kapitalorientierter Auftragsforschung und Stiftungsprofessuren. Zugleich setzen wir uns für einen herrschaftskritischen Wissenschaftsbegriff ein, der reflektiert und sichtbar macht, inwiefern akademische Institutionen und Wissensproduktionen selbst Ausschlüsse marginalisierter Gruppen und Interessen (re-)produzieren. Für uns steht fest: Wissenschaft darf nicht zur Rechtfertigung technokratischer und vorgeblich alternativloser Herrschaft instrumentalisiert werden, sondern muss als offener gesellschaftlicher Prozess begriffen werden.

Als BdWi engagieren wir uns seit unserer Gründung für eine Wissenschaft in gesellschaftlicher Verantwortung. Dazu zählt für uns auch die Frage danach, wie eine emanzipatorisch-kritische Wissenschaft organisiert und ausgerichtet sein muss, um gesellschaftliche Ungleichheiten zu überwinden. Angesichts der sich zuspitzenden Debatten um Wissenschaftsfreiheit werden wir zu diesem Themenfeld in den kommenden Monaten schwerpunktmäßig publizistisch und im Rahmen geeigneter Veranstaltungsformate arbeiten. Darüber hinaus werden wir verstärkt den Austausch und die Vernetzung mit Wissenschaftler*innen und hochschulpolitisch Aktiven suchen, die sich ebenfalls engagiert in die Debatten um Wissenschaftsfreiheit einbringen.

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