BdWi - Bund demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler

»Wissenschaft ist also ein prinzipielles Gegen-den-Strom-Schwimmen.«

Klaus Holzkamp

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Technologische Innovation ist nicht alles - Wissenschaft braucht Demokratie und Dauerstellen

23.04.2025: Positionen des BdWi zum Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung

Wissenschaft in Verantwortung - Positionen des BdWi zum Koalitionsvertrag

Im aktuellen Koalitionsvertrag verspricht die künftige Bundesregierung von CDU/CSU und der SPD Deutschland "fit zu machen"; Forschung und Innovation einen höheren Stellenwert einzuräumen. Der Bund demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler (BdWi) begrüßt grundsätzlich Investitionen in diese Bereiche - stellt jedoch mit Nachdruck fest: Der Fokus der Regierung liegt einseitig auf technischer Innovation, während kritische Wissenschaft und gesellschaftliche Reflexion weitgehend außen vor bleiben. Der neue Zuschnitt der Ministerien lässt überdies befürchten, dass bei der neuen engen Verknüpfung von Forschung und Raumfahrt die Wissenschaft, zumal die kritische, auf der Strecke bleibt. Zumal es ohnehin fragwürdig ist Bildung und Wissenschaft voneinander zu trennen, nicht zuletzt vor dem Hintergrund notwendigerweise wissenschaftlich gestützter Reformen im Bildungssektor.

Technologische Innovationsagenda statt gesellschaftlicher Verantwortung?

Wer den Vertrag genau liest, erkennt schnell: Innovation wird vor allem im Sinne technischer Machbarkeit verstanden. KI, Bio- und Quantentechnologie werden in langen Passagen als Hoffnungsträger beschworen - die Geistes- und Sozialwissenschaften hingegen tauchen lediglich in Randnotizen auf. Diese Schieflage zeigt, wessen Stimme in der Forschungspolitik gehört werden soll - und wessen nicht. Der BdWi fordert eine gleichberechtigte Förderung aller Disziplinen. Ohne gesellschaftliche Einordnung und kritische Reflexion bleiben technische Lösungen blind gegenüber ihren sozialen Folgen.

Wissenschaftsfreiheit braucht mehr als Schlagworte

Die Regierung kündigt an, Deutschland zum "sicheren Hafen" für Wissenschaftsfreiheit zu machen. Programme wie das "1.000 Köpfe-Programm" zur Anwerbung internationaler Talente können eine Antwort sein - sie ist aber nicht ausreichend. Solche Maßnahmen müssen dauerhaft angelegt sein und nicht nur symbolisch funktionieren. Wer sich zur Wissenschaftsfreiheit bekennt, darf nicht schweigen, wenn diese in Deutschland durch rechte Angriffe bedroht wird. Zunehmend sehen sich die verschiedenen Gruppen an den Hochschulen mit rechten Netzwerken, neurechtem Gedankengut oder Provokationen konfrontiert - all das bleibt im Koalitionsvertrag unerwähnt. Wir sagen klar: Hochschulen brauchen strukturelle Stärkung, um sich gegen rechte Einflussversuche zu wehren - auf dem Campus, in den Gremien und in der Lehre.

Prekäre Wissenschaft beenden - jetzt!

Die geplante Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes bis 2026 wirkt wie ein Déjà-vu: Seit Jahren werden Reformen angekündigt oder kleine Anpassungen vorgenommen - ohne echte Verbesserung. Für uns ist klar: Es braucht nicht noch eine Reform, sondern ein Ende der prekären Kettenverträge. Daueraufgaben brauchen Dauerstellen - ohne Wenn und Aber. Die angekündigte "Verbesserung der Rahmenbedingungen" bleibt zu vage. Wir fordern klare Zusagen für mehr Dauerstellen und sozialverträgliche Karrierewege in der Wissenschaft!

Fortschritte, aber nicht ausreichend

Einzelne Maßnahmen begrüßen wir ausdrücklich:

  • Die Perspektive für vormalige wissenschaftliche Hilfskräfte, in der Promotionszeit die vorherige Arbeitszeit nicht angerechtnet zu bekommen ist überfällig.
  • Die Integration von Wissenschaftskommunikation in die Forschungsförderung ist richtig - doch darf nicht bei bloßen Ankündigungen bleiben. Es braucht echte Stellen, nicht nur Projektmittel. Und eine Wissenschaftskommunikation, die die gesellschaftliche Bedeutung von Forschung klar in den Fokus rückt.
  • Die Anhebung der Wohnkostenpauschale beim BAföG ist ein richtiger Schritt - aber 440 € reichen bei Weitem nicht aus und sollte sich an tatsächlichen Mietniveaus der Städte orientieren. Zudem ist die Zahl der BAföG-Empfänger:innen ist immer noch viel zu gering, eine Anhebung der Freibeträge längst überfällig.

Exzellenzstrategie und Hightech-Agenda

Die angekündigte Evaluierung der Exzellenzstrategie ist ein erster Schritt - aber dieser reicht nicht aus. Diese wettbewerbsorientierte Logik hat zu einer tiefen Spaltung der Hochschullandschaft geführt. Der BdWi fordert ihre Abschaffung und eine umfassende Reform der Forschungsförderung hin zu mehr Kooperation statt Konkurrenz.

Auch bei der sogenannten "Hightech-Agenda" zeigen sich bekannte Muster: Technologieoffenheit klingt modern, meint aber oft einseitige Förderung naturwissenschaftlich-technischer Disziplinen. Wenn dabei Geistes- und Sozialwissenschaften erneut marginalisiert werden, sendet das ein fatales Signal. Gesellschaftliche Herausforderungen lassen sich nicht allein durch Technik lösen - sie brauchen auch kritische Analyse, Perspektivenvielfalt und demokratischen Diskurs. Zur Erfüllung ihrer gesellschaftlichen Aufgaben brauchen Hochschulen eine stabile Grundfinanzierung, der Investitionsstau im Hochschulbau muss dringend aufgelöst werden.

Fazit: Der Koalitionsvertrag enthält wohlklingende Versprechen - doch an vielen Stellen fehlt es an Substanz, an struktureller Tiefe und an einem klaren Bekenntnis zur Wissenschaft die mehr ist, als der Motor einer vermeintlichen Hightech-Agenda. Der BdWi wird sich weiter einmischen: für eine demokratische, gerechte und friedensorientierte Hochschulpolitik, für Wissenschaftsfreiheit, die diesen Namen verdient, für bessere Arbeitsbedingungen an Hochschulen und gegen die Ökonomisierung und einseitige Technologisierung der Forschung.

Wissenschaft ist keine Dienstleistung für den Markt - sie ist ein zentraler Teil demokratischer Gesellschaft!

Marburg, den 22. April 2025

Zugehörige Dateien:
BdWi zum Koalitionsvertrag.pdfDownload (70 kb)

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