Geschlechter-Aufgabe: Gender-Mainstreaming?
19.05.2001: Aufwertung, Abschaffung oder Umdeutung von Frauenpolitik?
Am 18./19. Mai führte der BdWi zusammen mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung eine Tagung zum Thema "Gender-Mainstreaming" durch. Das neue Modewort der Frauenpolitik sollte dort auf seine Tauglichkeit hin geprüft werden.
Es ist viel die Rede von "Gender-Mainstreaming", ohne dass jedoch auch nur annähernd Einigkeit darüber herrscht, was sich dahinter verbirgt. Auch Definitionen "von oben" helfen nicht wirklich weiter: Chancengleichheit soll in sämtliche politische Konzepte und Maßnahmen eingebunden werden. Bereits am Eröffnungsabend, an dem Sünne Andresen und Claudia von Braunmühl referierten, wurde deutlich, dass die knapp 70 TeilnehmerInnen sehr unterschiedliche Erwartungen und Vorstellungen über das Konzept des "Gender-Mainstreaming" hatten. Während auf der einen Seite davor gewarnt wurde, das Konzept des "Gender-Mainstreaming" zu überfrachten und mit Erwartungen an eine grundsätzliche Veränderung der Gesellschaft zu verknüpfen, wurde auf der anderen Seite angemerkt, dass genau das die notwendige Voraussetzung für eine Politik für Frauen sei. Lange genug haben Frauen die patriarchalen Gesellschaftsstrukturen analysiert und kritisiert - warum sollte nun ein Konzept unterstützt werden, dass auf Gesellschaftveränderung verzichtet?
Ein weiterer Streitpunkt war die Frage nach dem Subjekt von feministischer Politik. Was nützt, so eine Teilnehmerin, arbeitslosen Frauen, die am Rande des Existenzminimums leben, "Gender-Mainstreaming"? Warum auf eine Politik "für Frauen" verzichten, wo es offensichtlich noch so viel "für Frauen" zu tun gibt? Auf der anderen Seite wurde eingewandt, dass schon lange nicht mehr von "den Frauen" gesprochen werden könne, und dass der Bezug auf diese Kategorie letztlich eine unzulässige Vereinheitlichung bedeute. Differenzen zwischen Frauen gerieten so aus dem Blick, Diskriminierungen jenseits der Geschlechterlinie ebenfalls. Fragen also, die die feministische Politik seit nunmehr 30 Jahren umtreibt und die durch "Gender-Mainstreaming" erneut auf der Tagesordnung stehen.
In den Arbeitskreisen am Samstag bot sich Gelegenheit, sich mit den Maßnahmen auseinanderzusetzen, die unter dem Dach "Gender-Mainstreaming" bereits angelaufen sind oder entwickelt werden. So wurden Arbeitskreise zu den Themenfeldern Hochschule, Erwerbsarbeit und Entwicklungspolitik angeboten. Auch hier wurde deutlich, dass zwar mit "Gender-Mainstreaming" durchaus - im Kleinen - "Sinnvolles" für Frauen erreicht werden könne. Einigkeit herrschte jedoch weitgehend darüber, dass "Gender-Mainstreaming" auf keinen Fall eine substantielle Gleichstellungspolitik ersetzen dürfe. Genau dies steht jedoch leider zu befürchten - schaut man sich beispielsweise die aktuelle Debatte um das Gleichstellungsgesetz für die Privatwirtschaft an (vgl. Frauenmagazin). Niemand - so wurde auch in der Abschlussdiskussion am Samstagnachmittag deutlich - hat etwas dagegen einzuwenden, wenn es zusätzliche, neue Maßnahmen zur Herstellung von Geschlechtergerechtigkeit gibt. In der Abschlussdiskussion warnte Susanne Schunter-Kleemann jedoch davor, der trügerischen Illusion zu verfallen, nun laufe alles zumindest in die richtige Richtung. Im Gegenteil: der "Gender-Mainstreaming"-Ansatz verzichtet weitgehend auf verbindliche Festlegungen, Quotenregelungen und Auflagen.
Weitere Informationen über die Tagung sind auf den Internet-Seiten der Rosa Luxemburg Stiftung zu finden unter: www.rosaluxemburgstiftung.de
Barbara Nohr