HerrschaftsVerhältnisse. Krisen, Lebensweise(n) und soziale Kämpfe in der BRD
18.11.2013: Herbstakademie des Bundes demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler (BdWi) in Werftpfuhl (3.-6.10.2013)
Herbstakademie 2013 |
Vom 3. bis 6. Oktober 2013 fand - in Kooperation mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung und verschiedenen studentischen Vertretungen - die jährliche Herbstakademie des BdWi in Werftpfuhl statt. An der ausgebuchten Tagung nahmen insgesamt 49 KollegInnen teil. Die Teilnahmezahl konnte gegenüber den Vorjahren deutlich gesteigert werden. Insbesondere ist es gelungen, junge Leute - mehrheitlich Frauen - am Übergang vom Studium zu erreichen.
Unter der Leitung von Flo Becker diskutierten die TeilnehmerInnen u.a. den Status Quo der Herrschaft im neoliberalen Kapitalismus und Perspektiven zu seiner transformativen Überwindung. Dabei wurde mit Erfolg versucht, Zusammenhänge zwischen verschiedenen Herrschaftsverhältnissen durch die Einnahme intersektionaler Perspektiven aufzuzeigen. Ziel der Tagung war auch eine Verbindung theoretischer Analysen gesellschaftlicher Entwicklungen mit aktuellen Beispielen praktischer sozialer Kämpfe, um Ansätze zur Transformation zu entwerfen. Durch die thematische Breite und die diversen Hintergründe der Teilnehmenden gelang es, eine fruchtbare kontroverse Debatte über solidarische Formen der Organisierung mit der Perspektive einer "gesellschaftlichen Partei" anzustoßen. An diese Debatte könnte in Folgeveranstaltungen angeknüpft werden.
Gundula Ludwig eröffnete die Tagung mit der Darstellung queer-feministischer-marxistischer Perspektiven auf Staat, Lebensweise und Subjekte im neoliberalen Kapitalismus und stellte Probleme des Machtbegriffs bei Judith Butler zur Diskussion. Nachfolgend beleuchtete Mario Candeias die spezifischen ökonomischen Verhältnisse des deutschen Exportmodells und dessen Konsequenzen für die Krisenentwicklung in Europa und die daraus resultierenden politischen Verwerfungen.
Am nächsten Tag wurden in einer AG-Phase in drei Arbeitsgruppen Annäherungen an Gesellschaftskritik unternommen. Auf Grundlage vorliegender Texte begannen Diskussionen über Kapitalismuskritik mit Gramsci und Butler, über Kapitalismus und Gesellschaftskritik sowie über Klassenkämpfe und die marxistische Gesellschaftstheorie. Im Zentrum des Beitrags von Markus Wissen stand eine Analyse der Kämpfe um die "imperiale Lebensweise" am Beispiel des Lebensstils der "Bionade-Bourgeoisie" und der Konzepte einer wachstumsorientierten Green Economy. Anschließend ging Wolfgang Menz auf das Alltags- und Krisenbewusstsein von Beschäftigten ein und stellte die Zusammenhänge der "permanenten Krise" mit einer Herrschaft durch Unsicherheit heraus.
Den Zusammenhang von Klasse, Geschlecht, Heteronormativität, Rassismus und (post)kolonialer Differenz thematisierte Maria do Mar Castro Varela. Sie plädierte in der Diskussion für eine ständige Reflexion auch der eigenen politischen Praxis, gerade im Hinblick auf (potenzielle) PartnerInnen globaler gegen-hegemonialer Bündnisse. Dass die Folgen der Krise(n) auch zur Stärkung der politischen Rechten führen können, zeigt der Achtungserfolg der Alternative für Deutschland (AfD) bei der Bundestagswahl. Andreas Kemper zeichnete in seinem Vortrag die (Vor)Geschichte der AfD nach und beleuchtete inhaltliche, strukturelle und personelle Hintergründe der Partei und nahm besonders die Haltung in Klassenfragen unter die Lupe.
Die folgenden Inputs nahmen die Krise der Reproduktion und daraus erwachsende Kämpfe in den Fokus. Dabei zog Anna Stiede einen Vergleich der sozialen Bewegungen in Deutschland und Italien, während Mike Laufenberg Verbindungspunkte queerer und antikapitalistischer Perspektiven herausstellte.
Die Diskussion politischer Praxen wurde in einer Abendveranstaltung fortgesetzt, in der nach Rissen im "Modell Deutschland" gesucht wurde, die sich beispielhaft in verschiedenen sozialen Kämpfen ausdrücken, von denen aktive Beteiligte berichteten. Vorgestellt wurden Streikaktionen in Kindertagesstätten in Baden-Württemberg (Jana Seppelt), die Streikbewegung für eine solidarische Gesundheitsversorgung an der Berliner Charité (Jan Latza) und die Kämpfe um Wohnen und das "Recht auf Stadt" am Beispiel der Initiative "Kotti & co" (Tashy Endress). Die abschließenden Beiträge von Alex Gallas und Christina Kaindl/ Flo Becker stellten den Zusammenhang von politischer Bewegung und (partei)politischer Organisierung in den Mittelpunkt. Alex Gallas rückte das Verhältnis von Klassenpolitik und sozialen Bewegungen in den Mittelpunkt seiner Betrachtungen über die Voraussetzungen einer umfassenden Demokratisierung. Christina Kaindl und Flo Becker formulierten unter dem Eindruck der Bundestagswahl Herausforderungen für eine "revolutionäre Realpolitik" und gaben Anregungen für die Diskussion im Hinblick auf die Perspektive einer "gesellschaftlichen Partei" als gesellschaftsveränderndem Bündnis zwischen sozialen Bewegungen und Parteien.
Eine Fortsetzung der Diskussion im Rahmen einer Herbstakademie 2014 ist angedacht.
Für die Unterstützung der Tagung danken wir herzlich:
• AStA der TU Braunschweig
• Rosa-Luxemburg-Stiftung
• StuRa der Uni Jena
• FIB beim BdWi e.V.