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Klaus Holzkamp

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BdWi- Herbstakademie in Werftpfuhl

20.12.2012: Occupy Transformation - Übergänge denken und organisieren, Tagungsbericht

Vom 20. bis 23. September fand - in Kooperation mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung und verschiedenen studentischen Vertretungen - die jährliche Herbstakademie des BdWi in Werftpfuhl statt, erstmals mit dem Angebot einer Kinderbetreuung.

Die mit rund 40 TeilnehmerInnen ausgebuchte Tagung stand unter dem Titel "Occupy Transformation - Übergänge denken und organisieren". Unter der Leitung von Flo Becker diskutierten die TeilnehmerInnen u.a. den Zusammenhang der Krise des Neoliberalismus mit sozialen Kämpfen in Europa und suchten nach Ansätzen zur Transformation. Durch die thematische Breite und die diversen Hintergründe der Teilnehmenden gelang es, die verschiedenen Facetten von Krisenprozessen zu analysieren und zu reflektieren, um neue und bewährte politische Konzepte zu streiten und sich die Frage nach Prozessen und Projekten des Übergangs zu anderen Formen der Vergesellschaftung zu stellen.

Alex Demirovic eröffnete die Tagung mit einer Zusammenstellung offener Fragen eines Sozialismus des 21. Jahrhundert. Es gehe darum, das Sozialismus- Verständnis "im Plural" weiterzuentwickeln zu einem umfassenden Emanzipationsprojekt, in dem alle Herrschaftsverhältnisse und damit verbundenen gesellschaftlichen Widersprüche aufgelöst werden. Nachfolgend ging Gabriele Winker auf das Verhältnis von feministischer und sozialistischer Transformation am Beispiel der ›Care-Revolution‹ ein. In der folgenden Diskussion war umstritten, ob der Krisenbegriff letztlich an den Auswirkungen auf die Kapitalverwertung festgemacht wird oder an relativ autonomen Konfliktdynamiken in den Geschlechterverhältnissen und ihrer Regulation. Der Beitrag von Bernd Röttger über den Zusammenhang zwischen der aktuellen Krisenkonstellation (in Europa) und den Transformationen des "Modell Deutschland" zog eine Debatte über gewerkschaftliche Strategien in der Krise und eine "Krise der Parteibildung" im Sinne der Krise organisierter linker Kräfte nach sich. Die Diskussion um (die Verschiebung der) Kräfteverhältnisse in der Krise der EU wurde mit John Kannankulam fortgesetzt. Er stellte eine Analyse unterschiedlicher gesellschaftlicher Kräfte und ihrer Projekte zur Krisenbearbeitung vor. Anschließend problematisierte Manuela Bojadzijev die Notwendigkeit, ausgehend von bereits älteren Kämpfen gegen Rassismus neue Begriffe zu gewinnen, indem die Veränderungen der Kämpfe und der Bedingungen, unter denen sie stattfinden, geleistet werden. Ausgangspunkt wäre eine Rassismusanalyse, die sowohl dem Mangel an gesellschaftstheoretischen Konzepten innerhalb von antira-Zusammenhängen begegnet und die aktuellen Konjunkturen von Rassismen auf Krisenprozesse beziehen kann. Den Zusammenhang von occupy Bewegung und transformative organizing thematisierten Margit Mayer und Christina Kaindl. In Reaktion auf Veränderungen des Alltags der städtischen communities entwickeln sich in den USA neue Organisierungsformen, um den sich verschärfenden Krisenauswirkungen zu begegnen. Die Bedingungen für Organisierung in traditionellen Strukturen (Gewerkschaften, community organizations) sind aufgrund tradierter Ausgrenzungsmechanismen schwierig. So geht es im Prozess von transformativem Organizing darum, linke Bewegungen von unten mit ernst zu nehmenden Erfahrungen zu verbinden und Wünsche an die Organisationen engagiert heranzutragen, um deren gewohnte Denk- und Handlungsweisen zu beeinflussen.

Barbara Fried stellte ihre Überlegungen zur theoretischen Fassung von unbezahlter Reproduktionsarbeit zur Diskussion. Mit Bezug auf Marx’ Begriff der Lohnarbeit und Engels’ Ursprung der Familie entfaltete sie einen weiten Produktionsbegriff, wie er in der Deutschen Ideologie aufgemacht wird: die Produktion als Arbeit, die die Gegenstände hervorbringt und die Reproduktion, die die Erzeugung der Menschen selbst meint, sind auf mehreren Ebenen analytisch zu unterscheiden.

Die abschließenden Beiträge von Horst Kahrs und Haris Triandafilidou stellten den Zusammenhang von politischer Bewegung und parteipolitischer Organisierung in den Mittelpunkt. Horst Kahrs stellte dieWahlergebnisse der Partei Die LINKE in den letzten Jahren vor und interpretierte sie vor dem Hintergrund der bestehenden Probleme der Politik der LINKEN: demographischer Wandel der Mitgliederstruktur, Etablierung der Partei teilweise problematisch, weil Protestwählende eher Piraten attraktiv finden, Zielgruppen zu oft zu stark an weißen Männern orientiert, zu wenig aktive Mitgliederpartei, die sich als Partei innerhalb einer gesellschaftlichen Linken versteht. Haris Triandafilidou berichtete sehr eindrucksvoll von den Problemen der SYRIZA in Griechenland, die zwischen der Abwehr faschistischer Gegenbewegungen, der unmittelbaren Unterstützung der Menschen in der Organisation der alltäglichen Grundversorgung und der politischen Artikulation und Organisierung von Bündnissen vor großen Herausforderungen steht und unter enormem Druck aktiv ist. Ihre Politik dürfe sich weder thematisch noch organisatorisch begrenzen, wenn sie es mit den Krisenfolgen und der Bedrohung durch die "Goldene Morgenröte" oder andere autoritäre Krisenlösungen aufnehmen und darin erfolgreich sein will.

Eine Fortsetzung der Diskussion im Rahmen einer Herbstakademie 2013 ist angedacht.

Wir danken allen TeilnehmerInnen für die rege Beteiligung, den ReferentInnen für den engagierten Input sowie Flo Becker, Janek Niggemann und Christina Kaindl für die gelungene Vorbereitung und Organisation.

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