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Bauliche Umsetzung des Unternehmens Hochschule

19.03.2015: "Leuphana" als Symptom neoliberaler Hochschulpolitik

  
 

Forum Wissenschaft 1/2015; Foto: Sönke Rahn / Wikimedia Commons

Wenn man Zeitgeist als eine Art vorherrschende Mentalität eines Zeitalters begreift, so ist es ohne Frage die Denkweise des Neoliberalismus, welcher zwar nicht unwidersprochen, aber doch dominant das Denken und Handeln der letzten Jahrzehnte prägte. Somit ist auch die Architektur jener auslaufenden Zeit ein Ausdruck ihres Geistes. Dies gilt natürlich auch für den Hochschulsektor, wie Kevin Kunze und Thorben Peters am Beispiel des neuen Zentralgebäudes der "Leuphana"-Universität Lüneburg illustrieren.

Wenn eine Seite nun besonders hervortritt, sich der Menge bemächtigt und in dem Grade triumphiert, daß die entgegengesetzte sich in die Enge zurückziehen und für den Augenblick im stillen verbergen muß, so nennt man jenes Übergewicht den Zeitgeist, der denn auch eine Zeitlang sein [Un]Wesen treibt. - Goethe

Charakteristisch für das neoliberale (Un-)Wesen unserer Zeit ist die Unterwerfung aller gesellschaftlichen Bereiche unter die Logik des kapitalistischen Unternehmertums. Diese sollen privat organisiert und in Konkurrenz zueinander möglichst ungehindert nach Profit streben in dem Glauben, Gewinner und Verlierer seien naturgegeben. Der Staat dient hierbei der Ermöglichung und Aufrechterhaltung dieser Konkurrenz, indem er die notwendigen marktwirtschaftlichen Rahmenbedingungen schafft und erhält. Hierbei ist er Standort dieser Konkurrenz und damit ebenfalls der Konkurrenz zu anderen Wettbewerbsstandorten ausgesetzt. Dies gilt für einzelne Teilbereiche der Gesellschaft im gleichen Maße wie für Stadt, Land und Bund. Einhergehend mit dieser Umgestaltung war die Privatisierung öffentlicher Bereiche, die erweiterte Ausbeutung von Mensch und Natur, sowie die daraus resultierende massive Umverteilung von arm nach reich, also die Verarmung der Mehrheit und die Anhäufung des Reichtums in den Händen weniger. Verstärkt wird diese Entwicklung durch die Austeritätspolitik, welche, unter anderem mit Instrumenten wie der Schuldenbremse, die Rückzahlung der Kredite gegenüber dem Finanzkapital der Finanzierung der öffentlichen Bereiche, bis zur Verletzung der Menschenwürde, vorzieht. Im Mittelpunkt dieser herrschenden Politik steht also nicht die Bevölkerung mit ihrem sozialen, kulturellen und demokratischen Interesse, sondern das Streben nach Profit in einem heraufbeschworenen Standortwettbewerb. Alles andere ist ihm untergeordnet.

Mit dem Prinzip der unternehmerischen Hochschule sollte dieser Wandel auch vor den Universitäten nicht Halt machen. Hochschulen sind zu outputorientierten Dienstleistungsunternehmen verkommen, deren Ziel es ist, möglichst schnell verwertbare Arbeitskräfte zu produzieren. Die horizontalen Entscheidungsstrukturen, welche noch in der Tradition der akademischen Selbstverwaltung standen, mussten zugunsten zentral angelegter Managementstrukturen weichen, Hochschulräte verkoppeln hochschulinterne Prozesse mit wirtschaftlichen Ansprüchen, durch wettbewerbspolitische Leistungsindikatoren wird mittlerweile die Ressourcenbildung geregelt, die Hochschulen werden flächendeckend unterfinanziert und sind auf die Einwerbung weiterer, teils privatwirtschaftlicher, Mittel angewiesen. Das emanzipatorische Erkenntnisinteresse zugunsten des Allgemeinwohls der Gesellschaft musste also auch hier einem profitorientierten Verwertungsansatz weichen.

Die Antwort auf die Unterfinanzierung der Hochschulen ist die, welche auch für jeden anderen gesellschaftlichen Bereich gelten soll: mehr Wettbewerb. Dieser findet längst zwischen Hochschulen statt, zum Beispiel um Fördergelder für "exzellente Lehre" sowie mit konkurrenzfördernden Finanzierungsmodellen wie etwa der leistungsbezogenen Mittelvergabe als auch öffentlichkeitswirksamen Rankings, in denen Hochschulen national sowie international um Prestige konkurrieren. Angefeuert wird dieser Wettbewerb durch den Föderalismus in Deutschland, in dem sich die für Bildung zuständigen Bundesländer zueinander auch noch in Standortkonkurrenz befinden. Um in diesem Wettbewerb zu bestehen, ist es kein Wunder, wenn Hochschulen zunehmend Arbeit und Geld in die Erarbeitung von Marktstrategien und individuellen Profilen investieren. Gerade kleineren und mittelgroßen Universitäten bleibt in Konkurrenz zu größeren Hochschulen nur die Entwicklung von Alleinstellungsmerkmalen.

Das Lüneburger Reformpräsidium, bestehend aus Präsident Sascha Spoun und Vizepräsident Holm Keller, hat diese, an einer typischen mittelgroßen Universität, schnell gefunden: ein neuer Name, pro bono entwickelt von der Werbeagentur Scholz & Friends, ein Studienmodell, welches sich als einzigartig und individuell verkaufen lässt, Hochglanzmarketing und ein ganz besonderes Leuchtturmprojekt innerhalb des Leuchtturmprojektes Leuphana: das Libeskind-Zentralgebäude.

Flache Einzigartigkeit

Der Neoliberalismus mit seinem Zwang, die Bildung dem Diktat der Verwertbarkeit zu unterwerfen, offenbart sich unter anderem in der gewollten Flexibilisierung der Absolvent_innen. Hochschulen nehmen den Studienfächern flächendeckend Fachinhalte und ersetzen sie zum Teil durch allgemeinbildende Angebote, oder durch Lehrveranstaltungen zur Schulung der sogenannten Soft Skills. Die Universität Lüneburg, welche seit 2006 unter dem Markennamen "Leuphana" firmiert, hat ihr ganzes Studienmodell nach diesem Prinzip aufgebaut. Im "Leuphana-Semester" lernen die Erstsemester-Studierenden außerhalb ihrer Fächer wissenschaftliche Methoden, Wissenschaftstheorie, akademisches Arbeiten und Grundlagen der Nachhaltigkeit. Oftmals wird von den Studierenden aber kritisiert, dass ihnen, gerade im ersten Semester, die Inhalte ihres Faches fehlen. Das allgemeinbildende Semester birgt allerdings viel Potential, um die Studierenden an Konzepte von gesellschaftlicher Verantwortung heranzuführen. Nach dem Leuphana-Semester beginnt das eigentliche Fachstudium im sogenannten Major, dem Hauptfach, und dem Minor, dem pflichtmäßigen Nebenfach - begrifflich angelehnt an das Modell amerikanischer Colleges. Dazu passend sind die Bachelor-Studiengänge zentral organisiert in der Verwaltungseinheit Leuphana-College. Einzigartig ist aber nicht nur das Studienmodell. Auch die Absolvent_innen sollen genau dies sein. Um auf dem Markt bestehen zu können, sollen nicht mehr Fachinhalte entscheidend sein, sondern individuelle Profile, oberflächliches F(l)achwissen aus Nebenfächern und Wahlangeboten, gespickt mit Soft Skills und weiteren "Kompetenzen", nach denen der Arbeitsmarkt vermeintlich giert.

Im Major, dem Hauptfach, für das man sich einschreibt, belegt man insgesamt 90 Creditpoints, also die Hälfte des gesamten Bachelor-Abschlusses. Je 30 weitere Credits erhält man im Leuphana-Semester, im Minor und im Komplementärstudium. Besonders im Komplementärstudium sind die Studierenden von der Universität dazu angehalten, sich fachfremd weiterzubilden und sich Soft Skills anzueignen oder Service-Learning-Angebote wahrzunehmen, damit also soziales Engagement für das Studium verwertbar zu machen.

Dieses Studienmodell bietet nicht nur tatsächliches Potential, breit gebildete, fachkompetente und verantwortungsbewusste Absolvent_innen hervorzubringen, sondern schafft auch die Gefahr, dass am Ende Fachinhalte verflachen oder aber fehlen. Das äußert sich vor allem dadurch, dass der Anschluss an einen Master-Studiengang erschwert ist. Oft müssen noch weitere Veranstaltungen belegt werden, um alle erforderlichen Inhalte gelernt zu haben. Die Universität verkennt jedoch, dass diese Problematik durch ihr Studienmodell entsteht. Es regt sich innerhalb der Universität immer mehr Kritik. Aus vielen Studiengängen ist das Bedürfnis zu hören, die Schwerpunkte des Hauptfaches in die Minor-Fächer zu verlegen, um im Major mehr Grundlagen unterzubringen. Doch das widerspricht dem eigentlichen Gedanken des Studienmodells. Es zeigt das Scheitern der Flexibilisierung, auch wenn die Universität sich weiter mit dem Titel "Modelluniversität für den Bologna-Prozess" schmückt.

Dieses in den Augen der Universitätsleitung einzigartige Studienmodell und die verstärkte Profilierung in der Forschung zur Nachhaltigkeit und zu Entrepreneurship sollen auch verstärkt nach außen hin zur Geltung gebracht werden. Neben der Corporate Identity der Leuphana, welche sich nicht nur im Design, sondern auch im restlichen Außenauftritt durch die Vermarktungsstrategien ihrer erstaunlich großen Marketing-Abteilung zu profilieren versucht, soll dies baulich zum Ausdruck gebracht werden. Auf der Internetseite der Leuphana heißt es hierzu: "Die Kombination einzelner Maßnahmen hat das Ziel, die langfristigen Ambitionen der Leuphana als außergewöhnliches Studienzentrum, exzellente Forschungsstätte und als bedeutsamen Bildungsstandort zu unterstützen. Im Mittelpunkt steht dabei die Errichtung des neuen Zentralgebäudes, dessen Entwurf vom Architekten Daniel Libeskind stammt."

Einzigartig mangelhaft

Daniel Libeskind, ein guter Bekannter und früherer Geschäftspartner des Uni-Vizepräsidenten Holm Keller, hat der Universität also einen Neubau entworfen. Das Universitätsgelände ist aus einem Konversionsprojekt Anfang der Neunzigerjahre entstanden. Aus einer früheren Wehrmachts- und Bundeswehrkaserne wurde ein Universitätscampus. Libeskinds Bauten funktionieren vor allem im Kontext ihrer Umwelt, seine Architektur ist Dekonstruktion und auch der fast organisch anmutende, zinkverkleidete Libeskind-Bau für Lüneburg, welcher kaum eine gerade Wand oder rechte Winkel zeigt, wird so gerechtfertigt. Eine vielleicht auch notwendige Dekonstruktion der geordneten und symmetrischen Wehrmachtskaserne - von einem jüdischen Architekten. Und nachhaltig soll es sein: Nachhaltige Entwicklung ist einer der größten Schwerpunkte der selbsterklärten Universität für die Zivilgesellschaft des 21. Jahrhunderts, die FAZ nannte sie im Dezember "Die grüne Kaderschmiede", das Zentralgebäude soll die bauliche Umsetzung des Universitätsleitbildes werden - nachhaltig, humanistisch, handlungsorientiert. Was es aber vor allem ist, ist die weitläufig real und medial sichtbare Gebäudewerdung der unternehmerischen Hochschule.

Jörg Hillmer, CDU-Politiker im niedersächsischen Landtag, stellte in einer aktuellen Stunde zum Libeskind-Bau fest: "Das ist eine Hochschule und kein Baukonzern", genau diese eigentlich banale Aussage fasst große Teile der Kritik zusammen. Das Studierendenparlament und der Allgemeine Studierendenausschuss wählten dieses Zitat als Titel für eine zehnseitige Stellungnahme, in der die Verfehlungen bei der Planung des Baus aufgedröselt werden - das nebulöse Finanzierungskonzept, die mangelhafte Planung, der sehr knappe Zeitplan, die fehlende Zweckmäßigkeit des Baus, die undurchsichtige Vergabe der Aufträge und die privatwirtschaftlichen Verquickungen zwischen den verschiedenen Akteur_innen, die am Prozess beteiligt sind.

Der Entwurf für das Gebäude kommt von Daniel Libeskind, welcher als Teilzeitprofessor für Architekturentwurf nach Lüneburg berufen wurde. Im Rahmen der Professur sollte er den Zentralbau entwerfen. Die Ausschreibung sowie die Berufung waren höchst intransparent, gerüchteweise heißt es, Libeskind sei der einzige Bewerber gewesen, auf eine unzureichend ausgeschriebene Stelle, die mit einem Architekten von Weltrang besetzt werden sollte. Wie passend, dass die Berufung mit einer externen Kommission stattgefunden hat, deren Mitglieder zu großen Teilen schon mit Libeskind oder der Universitätsleitung bekannt gewesen sein sollen.

2011 wies der niedersächsische Landesrechnungshof in einem Bericht darauf hin, dass zwischen Libeskind, der Firma Rheinzink und der Proportion GmbH enge privatwirtschaftliche Verbindungen bestanden. Der Uni-Vize Holm Keller war Geschäftsführer von Proportion, die Firma sollte Fertighäuser im Libeskind-Design vertreiben, mit Fassaden von Rheinzink. Rheinzink sponsort außerdem die Fassaden- und Dachbekleidungen für das Leuphana-Zentralgebäude. Laut Rechnungshof wurde hier der Wettbewerb unterlaufen, in der Prüfmitteilung wird weiter erklärt: "Diese gegenseitigen wirtschaftlichen Interessenlagen - insbesondere unter Beteiligung des Vizepräsidenten der Leuphana - zeichnen ein Bild, dass das geforderte objektive Beschaffungshandeln einer öffentlich-rechtlichen Stiftung in Zweifel ziehen konnte."

Von 2013 bis 2014 ermittelte die Staatsanwaltschaft gegen Holm Keller - wegen Untreue und Subventionsbetrug. Es kam jedoch zu keiner Anklage. Keller wird oft nachgesagt, sich sehr geschickt am Rande von juristischen Grauzonen bewegen zu können. Die Universität nimmt viel in Kauf, um das Gebäude umsetzen zu können. Die Finanzierung hängt unmittelbar an der zeitlichen Umsetzung. Es gab Verzögerungen durch Klagen von Nachbar_innen, aber auch aufgrund politischer Unsicherheit bei allen Beteiligten. Bezahlt wird das Gebäude unter anderem von der EU, vom Land und von Stadt und Kreis. Die Auszahlung der EU-Mittel ist jedoch davon abhängig, wann fertig gebaut ist, der Terminplan wird seitens der Politik sehr häufig als "ambitioniert" bezeichnet. Weitere Finanzierungsbausteine sind der Erlös aus dem Verkauf von Liegenschaften der Universität, in denen heute noch Forschung und Lehre stattfinden. Rechnet man die Flächen gegeneinander, hat die Universität mit dem Zentralbau weniger Fläche als vorher. Klar wird in der Auseinandersetzung mit dem Gebäude vor allem, dass der Entwurf vor der Bedarfsanalyse bestand - wenn es eine solche überhaupt gab. Der Bau wird gegen jede Zweckmäßigkeit durchgesetzt.

Als die Planungen in der Vergangenheit konkreter wurden, hieß es immer, der Bau sei "bis auf die letzte Türklinke" durchgerechnet. Es werde auf keinen Fall Kostensteigerungen geben. Der Stand von 2011 war, dass die Kosten sich auf ca. 57,7 Millionen Euro belaufen sollten. 2013, während schon gebaut wurde, war dann von 76,05 Millionen Euro die Rede. Schon 2011 hätten ca. 11 Millionen Euro mehr eingeplant werden müssen, laut der Oberfinanzdirektion wurden die Kosten "massiv unterschätzt". 3,8 Millionen Euro der Differenz zwischen 2011 und 2013 sind auf die Preissteigerungen zurückzuführen, mit denen sich immer entschuldigt wird - diese dürfen in der Finanzplanung nicht berücksichtigt werden. Weitere 3,8 Millionen Euro seien jedoch zusätzliche Nutzerwünsche. Inzwischen hat die Universität Sparmaßnahmen umgesetzt, welche ca. 3,7 Millionen Euro umfassen.

Ursprünglich sollte der Bau in einer öffentlich-privaten-Partnerschaft realisiert werden, zusammen mit einer weitläufigen Umgestaltung des Universitätsgeländes. Das ÖPP-Verfahren ist durch den universitätsinternen Widerstand, vor allem der Studierenden, gescheitert, vom Konzept blieb der Bau übrig. Ein Relikt aus dem ÖPP-Verfahren ist die für den normalen Universitätsbetrieb kaum nötige Gastronomie im Gebäude, genau wie das lächerlich ehrgeizige Vorhaben, durch private Veranstaltungen über Jahre hinweg Baukosten tilgen zu können - um diesen Finanzierungsbaustein umzusetzen, müssten ca. 95 externe Veranstaltungen jährlich stattfinden.

Begründet wird die Notwendigkeit des Gebäudes von seinen Befürworter_innen und - so ist es zu hören - von seinen Planern damit, dass in der Zukunft viele Universitäten aufgrund des demographischen Wandels geschlossen werden. Wenn aber die Leuphana zum einen durch ihre Einzigartigkeit heraussticht und zum anderen so viele öffentliche Gelder investiert wurden, ja, dann gibt es keine Rechtfertigung mehr dafür, die Universität in Lüneburg zu schließen. Diese Deutung des demographischen Wandels ist jedoch fatal und offenkundig realitätsfern. Bisher ist nicht zu sehen, dass die Zahl der Studienanfäger_innen sinkt - obwohl die geburtenstärksten Jahrgänge schon zu großen Teilen an den Hochschulen angekommen sind und der erwartete Rückgang schon angefangen haben müsste. Das ist eine klare Widerlegung der vormals geschürten Befürchtungen.

Die Landespolitik hat hier jahrelang Augen und Ohren zugehalten, es gab keine ausreichende Projektsteuerung und kaum Kontrolle. Nur so konnte das offensichtlich fehlerhafte Konzept 2011 genehmigt werden. Die Oberfinanzdirektion schrieb dazu Anfang 2013: "Den Planungsstand 2011 als Basis einer Einzelkostenermittlung, mit dem Wissen um diese Planungslücken, im Nachhinein zu rekonstruieren, würde aus Sicht aller Beteiligten in erheblichem Maße Zeit und Mittel binden und käme weitgehend einer Fiktion gleich, deren Aussagekraft gegen null ginge." Erst nach dem Regierungswechsel in Niedersachsen gab es Transparenz über die Vorgänge beim Gebäude, die Verfehlungen wurden öffentlich - und sicherlich in Teilen auch erst dann festgestellt. Der Minister Lutz Stratmann und nach ihm Johanna Wanka scheinen ebenso wie der zuständige Staatssekretär Josef Lange ihre Verantwortung nicht ernst genommen zu haben, sonst wäre nicht ein so unzureichender Bau- und Kostenplan durchgewunken worden. Die Mehrkosten konnten so nur noch festgestellt, nicht aber verhindert werden.

Den Bau sowie das Prinzip der unternehmerischen Hochschule verbindet ihre einzigartige Mangelhaftigkeit. Beide zeugen von undemokratischen und intransparenten Verfahren, ihrer Unterfinanzierung, der zweckentfremdeten Planung gegen die Hochschule hin zu Drittinteressen sowie einem weltfremden Verständnis unserer Gesellschaft.

Mahnmal einer endenden Zeit

Der neoliberale Zeitgeist verschwindet, das Konzept der unternehmerischen Hochschule ist gescheitert. Beide konnten der Verantwortung von Wissenschaft zur Lösung der Probleme unserer Zeit nicht gerecht werden. Genauso scheitert auch ihre Architektur an genau diesen Herausforderungen. Der Libeskind-Bau ist nur ein Beispiel und lässt sich in eine traurige Reihe von Gebäuden stellen, direkt neben die Elbphilharmonie und den BER.

Nicht nur Präsident und Vizepräsident mit ihrem neoliberalen Welt- und Menschenbild, sondern auch die Politik, die ihre Verfehlungen erst ermöglicht und belohnt hat, stellen dabei das Problem dar. Wären Hochschulen ausfinanziert und tatsächlich demokratisch organisiert, wäre nicht nur eine ausreichende Kontrolle gegeben, sondern auch der vermeintliche Zwang genommen, sich zu profilieren. Alleinstellungsmerkmale wären nie nötig gewesen: eine Schließungsgefahr besteht und bestand sowieso nicht, die Universität Lüneburg hätte allein auf Studium, Lehre und Forschung setzen können und müssen, anstatt auf Zink und Sichtbeton. Nicht umsonst schließt die Studierendenvertretung ihre Stellungnahme mit einer Forderung zum Rücktritt an das hauptamtliche Präsidium - sicherlich in vollem Bewusstsein, dass nicht nur das Gebäude, sondern der Gesamtkurs der beiden Uni-Reformer in diese Misere führen musste.

Der sich wandelnde Zeitgeist wird zeigen, ob das Zentralgebäude ein prestigeträchtiger Leuchtturm für die Umsetzung des unternehmerischen Gedankens im Hochschulbereich sein wird oder aber ein dekadentes Mahnmal einer endenden Zeit.


Thorben Peters (27, Master Bildungswissenschaften) und Kevin Kunze (23, Bachelor Wirtschaftspsychologie) sind beide im AStA, Studierendenparlament und Senat der Universität Lüneburg aktiv.

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