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Macht Wirtschaft Uni?

08.10.2016: Der Einfluss der Wirtschaft auf Hochschulen und Universitäten - dokumentiert von hochschulwatch.de

  
 

Forum Wissenschaft 3/2016; Foto: Arbeitsstelle Forschungstransfer (Eigenes Werk) CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons

Die wachsende Abhängigkeit akademischer Einrichtungen von Drittmittelzuwendungen ist nicht zu übersehen; welche Einflussmöglichkeiten für Wirtschaftsinteressen daraus erwachsen aber mangels Transparenz der Geldflüsse nur schwer zu überblicken. Das Internetportal hochschulwatch.de bemüht sich hier um Aufklärung. Isabella Albert und Daniel Gaittet stellen seine Arbeit vor.1

Auf die Plattitüde, dass die Unterfinanzierung der Hochschulen und Universitäten ein großes Problem sei, kann sich in hochschulpolitischen Kreisen meist schnell geeinigt werden. An diesem Punkt endet dann häufig auch die Analyse. Und das Gespräch. Kein Wunder: Denn Hochschulfinanzierung ist längst nicht so simpel, wie angenommen werden könnte. Viele Konzepte und noch mehr Akteure spielen ein komplexes und intransparentes Spiel. Allein den Überblick zu behalten ist dabei eine beachtliche Aufgabe.

Wie finanzieren sich Hochschulen

Die Hochschulrektorenkonferenz geht in ihrer Übersicht Hochschulen in Zahlen 2015 davon aus, dass alle Hochschulen und Universitäten insgesamt 44,9 Milliarden Euro im Jahr einnehmen. Davon werden 22,1 Milliarden - weniger als die Hälfte - als Grundmittel klassifiziert. Die Hochschulkliniken eingerechnet kommen 16 Milliarden an Verwaltungseinnahmen dazu. Übrig bleiben 6,7 Milliarden Drittmittel. Auch hier verstecken sich öffentliche Mittel: Der größte Drittmittelgeber ist die Deutsche Forschungsgemeinschaft mit 2,2 Milliarden, gefolgt vom Bund mit 1,7 Milliarden. Erst an dritter Stelle tauchen Wirtschaft und weitere Geldgeber mit 1,3 Milliarden auf.

In der Regel bestreiten Hochschulen ihre Kernaufgaben aus den Grundmitteln. Ein Großteil der Ausgaben dürfte für Personal und Gebäude aufgewendet werden. Und Drittmittel? Dieser Frage geht das Portal www.hochschulwatch.de nach. Das Projekt von Transparency International Deutschland, der taz und dem freien zusammenschluss von studentInnenschaften hat zum Ziel, den Geldfluss aus der Wirtschaft und von anderen Dritten an die Hochschulen und Universitäten zu dokumentieren und transparent zu machen.

Seit dem Start von www.hochschulwatch.de im Januar 2013 wurden nach eigenen Angaben über 10.000 Verbindungen zwischen Wirtschaft und Wissenschaft erfasst. Der Fokus des Projekts liegt bisher auf Stiftungsprofessuren, Forschungskooperationen und Sponsoring, aber auch Hochschulräte und Stipendien werden beleuchtet. Exemplarisch sollen nachfolgend die Felder Stiftungsprofessuren und Hochschulräte problematisiert werden, um zu zeigen, wie Wirtschaft mit und ohne direkten Geldfluss Einfluss auf Hochschulen und Universitäten nehmen kann.

Wie Einfluss genommen wird

Stiftungsprofessuren kommen chevaleresk daher. Einer unterfinanzierten Hochschule oder Universität wird von Dritten finanziell durch die Schaffung einer Professur unter die Arme gegriffen. Doch was auf den ersten Blick wie eine nette Geste wirkt, ist in Wahrheit ein langfristiger und tiefer Eingriff in das wissenschaftliche Profil der Hochschule oder Universität.

Eine Stiftungsprofessur beginnt mit einem Vertrag zwischen der Hochschule oder Universität und dem Stifter. Dort wird die Ausgestaltung geregelt: Der Stifter, zum Beispiel ein Unternehmen, hat Einfluss auf Fachgebiet und Ausrichtung der Professur. Zwar wird die Berufung selbst in der Regel durch die Hochschule oder Universität durchgeführt, das Profil jedoch vom Stifter festgelegt. Unternehmen, die über ausreichend finanzielle Mittel für eine solche Investition verfügen, können so Einfluss auf die Wissenschaftslandschaft nehmen. Als konkrete Beispiele seien hier die Professur für Hubschraubertechnologie von Airbus Helicopters (früher: Eurocopter) an der TU München und die Professur für Fahrassistenzsysteme, gestiftet von Continental an der Hochschule Kempten genannt.

Im Prinzip führt das Schaffen von Stiftungsprofessuren dazu, dass Forschung für Unternehmen durch den Staat subventioniert wird. Denn die Kosten für Räumlichkeiten und Verwaltung werden aus den Grundmitteln beglichen. Dass ganze Gebäude inklusive Ausstattung und Mittel für Personal von Unternehmen gestiftet werden, ist eher selten. Aber auch dann gilt - und hier wird es spätestens problematisch: Nach in der Regel fünf Jahren werden sämtliche Ausgaben von der Hochschule oder Universität übernommen. Die Finanzierung der Stiftungsprofessur geht komplett in die öffentliche Hand über.

Durch eine zeitlich begrenzte Anschubfinanzierung kann langfristig auf das wissenschaftliche Profil der Hochschule oder Universität und gleichzeitig auf ein spezifisches Forschungsgebiet Einfluss genommen werden. Schließlich wird an dieser Stelle entschieden, welchen Forschungsfragen nachgegangen wird und zu welchen Themen der wissenschaftliche Nachwuchs arbeitet.

Eine weitere Einflussmöglichkeit für Unternehmen sind Hochschulräte. Durch Änderungen in Hochschulgesetzen in den letzten Jahren bundesweit eingeführt, beraten diese Gremien die Präsidien der Hochschulen und Universitäten und sind in vielen Fällen sogar an deren Wahl beteiligt. Was Hochschulräte darüber hinaus genau tun, ist nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. Sie tagen in der Regel nicht öffentlich, es können somit auch keine Protokolle der Sitzungen eingesehen werden. Üblicherweise ist mindestens die Hälfte der Sitze in diesen Gremien von Menschen besetzt, die nicht aus der betreffenden Hochschule oder Universität kommen. Ohne direkten Geldfluss entstehen hier also Einflussmöglichkeiten: Zentrale Fragen, die das wissenschaftliche Profil der Hochschule oder Universität betreffen, werden im Hochschulrat erörtert und Unternehmen an der Entscheidungsfindung zumindest beteiligt. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

Akteure aus der Wirtschaft sichtbar machen

Eine zentrale Funktion von www.hochschulwatch.de ist die Möglichkeit, das Wirken von Unternehmen über alle Hochschulen und Universitäten hinweg sichtbar zu machen. Dort sind zum Beispiel 14 Hochschulratsmitglieder von Siemens, von der Hochschule Esslingen bis zur TU Hamburg-Harburg, fünf Stiftungsprofessuren und diverse Geldspenden dokumentiert. Eine Häufung tritt an der Universität Erlangen-Nürnberg auf: Hier engagiert Siemens sich mit einer Stiftungsprofessur, einer Person im Hochschulrat sowie durch Sponsoring eines Hörsaals. Im Jahr 2015 ist zur besseren Vernetzung von Forschungsprojekten noch das Siemens Center of Knowledge Interchange dazugekommen.

Das Projekt www.hochschulwatch.de funktioniert als Plattform. Beteiligung ist erwünscht, denn Einsendungen von Informationen und Zahlen tragen zur Aktualität bei. 2015 wurde das Projekt mit dem Otto Brenner Preis für kritischen Journalismus ausgezeichnet. Ein Blick auf die Seite lohnt sich. Wirklich.

Anmerkung

1) Dieser Beitrag beruht auf einer Veröffentlichung in der Zeitschrift der GEW Bayern: Die Demokratische Schule (DDS) 4/2016. Für die Genehmigung zum Abdruck danken wir herzlich.

Daniel Gaittet studiert in Regensburg und ist gewähltes Mitglied im Vorstand des BdWi. Isabella Albert ist Studierendensekretärin in der IG Metall Stuttgart.

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