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Postkoloniale Forschungsrealitäten

15.09.2021: Transdisziplinäre Nord-Süd-Kooperationen zwischen Anspruch und Wirklichkeit

  
 

Forum Wissenschaft 3/2021; Foto: Ale Grutta Foto / shutterstock.com

In den letzten Jahren finden vermehrt transdisziplinäre Kooperationsprojekte zwischen Institutionen im Globalen Norden und im Süden statt. Dies ist erfreulich, stößt aber an verschiedene strukturelle Beschränkungen. Postkoloniale Ansätze kritisieren z.B. das große Hierarchiegefälle der westlich dominierten Wissenschaftskooperation. Yvonne Franke skizziert die Problemlagen von Nord-Süd-Kooperationsprojekten und plädiert für mehr gleichberechtigte Teilhabe auf struktureller, epistemischer und repräsentativer Ebene.

Die akademische Debatte über postkoloniale Theorie und Kritik hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten ausgeweitet, ebenso wie die Diskussion über transdisziplinäre Forschungsansätze. Die Verbindung der beiden Perspektiven wird jedoch bislang lediglich vereinzelt in internationalen Verbundprojekten verfolgt. Trotz interessanter Vorschläge von Wissenschaftler*innen aus dem Globalen Süden1, die beiden Ansätze zu kombinieren, ist diese Idee bislang nicht Gegenstand einer umfassenden interdisziplinären Debatte. Aus theoretischer, methodischer und politischer Sicht ist dies bedauerlich, da es zahlreiche Verbindungen zwischen postkolonialen und transdisziplinären Perspektiven gibt. Das Potential, Forschung mit Partner*innen aus dem Globalen Süden zu demokratisieren, verschiedene hierarchische Momente zumindest aufzuweichen und letztlich Forschungsergebnisse kollaborativ zu erarbeiten, wird bislang kaum wahrgenommen. Zugleich könnte akademische Forschung an politischer Relevanz im Sinne einer transformativen Wirkung hin zu einer sozial-ökologischen Umgestaltung von Gesellschaft gewinnen. Gleichwohl gilt es, verschiedene strukturelle Beschränkungen zu beachten, die durch die Debatte um Postkolonialität verstärkt in das Blickfeld gerückt sind.

Transdisziplinarität: Eine knappe Einführung

Die akademische Debatte über Transdisziplinarität ist keineswegs neu. Der Begriff selbst wurde schon in den 1970er Jahren von dem Schweizer Psychologen Jean Piaget eingeführt. Erich Jantsch, ein Schweizer Astrophysiker, der sich auf die neuen Herausforderungen konzentrierte, mit denen die Hochschulbildung zu dieser Zeit konfrontiert war, popularisierte den Begriff im Anschluss an Piaget. Seine Absicht war es, die Verbindungen zwischen Wissenschaft, Hochschulbildung und gesellschaftlicher Innovation zu stärken. Das akademische Interesse verpuffte rasch und wurde erst zu Beginn der 1990er Jahre erneut aufgegriffen. Ein schmales Bändlein mit dem Titel The New Production of Knowledge. The Dynamics of Science and Research in contemporary societies2 entfachte die Debatte erneut unter dem Begriff Modus 2 der Wissensproduktion. Die Verfasser*innen betonen die neue Rolle der Wissenschaft, die den Wandel von Gesellschaften angesichts neuer globaler sozio-politischer Herausforderungen widerspiegeln müsse. Die wachsende Komplexität gesellschaftlicher Zusammenhänge müsse von der Wissenschaft reflektiert werden und dies könne nicht mehr mit den herkömmlichen akademischen Instrumenten aus dem Elfenbeinturm heraus gelingen.

Die gegenwärtige Debatte konzentriert sich überwiegend auf die Gestaltung und praktische Umsetzung von transdisziplinären Forschungsprojekten. Ohne gesondert wissenschaftlich reflektiert zu werden, sind viele Projekte im Globalen Süden angesiedelt. In der Regel verbinden sie Naturwissenschaften wie Ökologie, Agrarökonomie und Biologie mit Sozialwissenschaften. Die beteiligten außerakademischen Akteur*innen kommen meist aus der internationalen NGO-Szene, die eng mit Entwicklungsinstitutionen verbunden ist.3 Derartige Projekte konzentrieren sich auf einen pragmatischen Ansatz von Transdisziplinarität. Ausgehend von dem Anspruch, Lösungen für reale Problemlagen zu entwickeln, sollen diese multiperspektivisch und mittels unterschiedlicher Wissensbestände adressiert werden. So soll über die rein akademische Wissensproduktion hinausgegangen werden und in Zusammenarbeit mit den stakeholdern gemeinsam das Forschungsproblem bearbeitet werden. Der Begriff des stakeholders bezieht sich auf alle Akteur*innen, die von der Forschungsproblematik betroffen sind oder betroffen sein werden. Dadurch soll das Wissen und die Perspektiven etwa der lokalen Bevölkerung und Interessensgruppen einbezogen werden. Des Weiteren zielt die pragmatische transdisziplinäre Forschung darauf ab, transformatives Wissen mit Praxisrelevanz zu generieren. Geeignete Methoden müssen entwickelt und Formen der Zusammenarbeit etabliert werden, um transformatives Wissen zu ko-kreieren. Stakeholder*innen werden über Feedback-Schleifen bzw. allgemeiner dialogische Formate oder Beiräte eingebunden, die sich in der Zusammensetzung der Mitglieder, dem Grad der Einflussnahme und der Institutionalisierung unterscheiden. Bei Forschungsprojekten im Globalen Süden vervollständigen akademische Partner*innen aus dem Gastland einen transdisziplinären Entwurf. In der Endphase soll das transformative Wissen in die gesellschaftliche Debatte eingespeist werden, die Dissemination von Projektergebnissen ist also ein wesentliches Element erfolgreicher transdisziplinärer Forschung. Die Idee einer gesellschaftlich wirksamen Wissenschaft scheint für kritische postkoloniale Ansätze attraktiv zu sein. Bislang werden die kritischen Impulse der postkolonialen Debatte, etwa in Bezug auf strukturelle Machtverhältnisse jedoch kaum aufgenommen.

Forschungsrealitäten und postkoloniale Kritik

Die Verteilung von Forschungsgeldern ist ein hochgradig politisiertes Thema. Die akademische Drittmittelfinanzierung folgt Trends und Transdisziplinarität ist ein ebensolcher Trend. Viele Forschungsprojekte, die sich mit Umweltfragen oder Landnutzung im Globalen Norden und Süden befassen, müssen sich mit den Belangen der betroffenen Bevölkerung auseinandersetzen und kombinieren daher interdisziplinäres Wissen aus Natur-, Sozial- und Geisteswissenschaften mit nicht-akademischem Wissen. Dies spiegelt die Erkenntnis wider, dass akademische Empfehlungen oft an den Lebensrealitäten der Bevölkerung vorbeigingen und daher schlussendlich nicht umgesetzt wurden. In der Praxis stehen dem transdisziplinären Bestreben bestimmte Zwänge, wie bspw. unterschiedliche Logiken der Wissensproduktion, die Ansiedelung der Finanzautorität an den Universitäten des Globalen Nordens und allgemeiner bestehende Macht- und Herrschaftsverhältnisse sowie strukturelle Ungleichheiten entgegen. Diese greift gerade auch die postkoloniale Kritik auf und visiert auf drei nur analytisch zu trennende Ebenen: Erstens die epistemische Kritik am dominierenden westlichen theoretischen und methodischen Kanon, zweitens die Repräsentationsebene und drittens die sozio-ökonomischen Macht- und Herrschaftsverhältnisse. Letztlich tangieren alle drei Ebenen transdisziplinäre Nord-Süd-Wissenschaftskollaborationen im Globalen Süden.

Westlicher Kanon und lokales Wissen

Auf der epistemischen Ebene greift die postkoloniale Kritik schon zu Beginn des Forschungsprozesses. Der bereits erwähnte Ausgangspunkt soll ein reales Problem sein, das durch die Diskussion und Integration von Interessensgruppen und durch die Zusammenarbeit mit Akademiker*innen ansässiger Universitäten identifiziert werden soll. Ein ehrenwertes Ziel, das von mindestens drei Seiten konterkariert wird: Erstens die postkoloniale Einsicht, dass die Matrix der de/kolonialen Macht jedes Forschungsprojekt strukturiert. Es ist die Situiertheit in einem postkolonialen Setting, die das Verhältnis und die Bedeutung von Wissen markiert. Strukturelle Ungleichheiten und postkoloniale Binaritäten wie traditionell/modern, entwickelt/unterentwickelt bilden den Hintergrund, vor dem das Forschungsproblem gelesen wird. Diese Machthierarchien könnten innerhalb eines transdisziplinären Forschungsansatzes zumindest destabilisiert werden, wenn sie von Beginn an mitgedacht und dialogisch reflektiert werden würden. Gemeinsame thematische Workshops aller am Projekt beteiligten Akteur*innen wären hier eine Option. Zugleich besteht die Problematik, dass Forschungsprojekte de facto bereits vor ihrem Beginn festgelegt werden müssen - und dies geschieht an den Universitäten des Globalen Nordens. Hier müsste ein Umdenken in der Forschungsförderung selbst angeregt werden. Zum einen könnten Anschubfinanzierungen zur kooperativen Entwicklung von Forschungsprojekten in der Nord-Süd-Kooperation Abhilfe schaffen. Zum anderen wäre es dringend notwendig, dass Kolleg*innen im Globalen Süden gleichberechtigt sowohl in Hinblick auf die finanziellen Ressourcen als auch die Entscheidungsprozesse an den Projekten teilhaben. Hierzu ist es letztlich unabdingbar, Fördertöpfe im Globalen Norden auch für Direktanträge von Universitäten des Globalen Südens zu öffnen. Dies entspräche einem akademischen Kosmopolitismus und dem Abbau strukturelle Diskriminierungen.

In theoretisch-methodischer Hinsicht streben pragmatische transdisziplinäre Ansätze eine Integration von Methoden an. Diese verlangt konzeptionelle Klärung und theoretische Rahmung. Vielen Forschungsprojekten fehlt es jedoch an ebendieser Rahmung und sie beginnen unmittelbar mit der Erkundung des Forschungsstandorts. In der Regel dominiert die qualitative Datenerhebung durch Interviews und Gruppendiskussionen in der explorativen Phase, im ländlichen Raum finden partizipative Methoden wie Rapid/Participatory Rural Appraisal (RRA/PRA) häufig Anwendung. Letztere zielt darauf ab, in kurzer Zeit die Situation in ländlichen Gemeinden zu bewerten. Gängige Instrumente wie transact walks (Dorfbewohner*innen führen die Forscher*innen durch ihren Ort/die Felder), saisonale Kalender (Bäuer*innen zeichnen einen Kalender und diskutieren in der Gruppe, was sie wann wie anbauen usw.) und social mappings (sozio-ökonomische Abbildung von Akteur*innen) bilden das Standardrepertoire. Dabei bleiben die lokalen Akteur*innen eben doch die native informants - die Wissenschaftler*innen (ob im Globalen Norden oder Süden institutionell verankert, ist dabei irrelevant) bestimmen in letzter Instanz den Forschungsverlauf und das vielbeschworene kollaborative Lernen bleibt ein einseitiger Wissenstransfer.

Repräsentation und Artikulation

Eine fundierte transdisziplinäre Forschung ist zweitens mit der Herausforderung der Repräsentation konfrontiert, die Gayatri Charkarvorty Spivak in ihrem berühmten Essay "Can the subaltern speak? Postkolonialität und subalterne Artikulation"4 formuliert. Sicherlich ist ihre Verneinung der Möglichkeit einer (politischen) Artikulation der Subalternen nicht im politischen Sinne tragfähig, da diesen damit jegliche Handlungsfähigkeit abgesprochen würde. Aber die Forderung, die Idee zu dekonstruieren, den Subalternen zuzuhören, die ihre authentischen Ansichten gegenüber Expert*innen artikulieren, muss in verschiedener Hinsicht berücksichtigt werden. Erstens verstehen gerade Wissenschaftler*innen Aussagen vor ihrem eigenen Relevanzsystem, was in Kontexten, in welchen die eigenen Relevanzsysteme nur begrenzt funktionieren, zumindest eine methodische Herausforderung bleibt. Zum anderen sind selbstredend auch lokale Wissensartikulationen und -produktionen von verschiedenen Dimensionen der Ungleichheit geprägt, sie sind von Macht-Wissen-Hierarchien durchzogen. Es gibt also in der Tat keine authentische Formulierung eines real-world-problems die gar die eine vermeintlich authentische Perspektive der Subalternen als Ausgangspunkt nehmen könnte. Daher müssten das empirische Design wie die theoretische Heuristik die sozio-ökonomische und kulturelle Einbettung berücksichtigen. Das bedeutet eine Fokussierung auf postkoloniale Machtverhältnisse - nicht nur auf der epistemischen, sondern auch auf der strukturellen Ebene. Die Reflexion der Situiertheit von Wissen, Artikulation und Repräsentation müsste integraler Bestandteil von Nord-Süd-Forschungskooperationen werden.

Postkolonialität als sozio-ökonomische Struktur

Betrachtet man einen idealtypischen transdisziplinären Forschungszyklus5, so beginnt auch dieser mit dem schlichten Antrag auf Drittmittelförderung. Die weltweite akademische Finanzierung ist diesbezüglich höchst ungleich verteilt, die überwiegende Mehrheit der Gelder fließt von Förderinstitutionen des Globalen Nordens an dort ansässige Universitäten. Wissenschaftler*innen im Globalen Süden fehlt es grundsätzlich an Forschungsressourcen und Zugang zu Drittmitteltöpfen. Dies ist ein struktureller Nachteil, der Akademiker*innen im Globalen Süden dazu veranlasst, Angebote für Forschungskooperationen aus dem Globalen Norden anzunehmen und dabei weniger auf Basis der eigentlichen Forschungsinhalte oder der tatsächlichen Ausgestaltung der Kooperation zu entscheiden.6 In der gegenwärtigen westlich dominierten akademischen Welt wird die Mehrheit der Projektvorschläge nicht kooperativ entwickelt. Vielmehr entscheiden Akademiker*innen aus dem Globalen Norden schon bei Antragstellung über Forschungsinhalte, Ausrüstung, Personalstellen und Budgetierung. Universitäten des Globalen Südens werden "ins Boot geholt", auch weil dies mittlerweile zum guten Ton der Forschung gehört und von den Forschungsförderenden erwartet wird. Da die Finanzierung aus dem Globalen Norden stammt, haben die akademischen Einrichtungen in der Regel die administrative Kontrolle über die Budgetierung. PhD- und PostDoc-Stellen sind in der Regel an den Institutionen des Globalen Nordens angesiedelt, die Einstellungsverfahren bevorzugen Nachwuchswissenschaftler*innen mit einer akademischen Ausbildung aus dem Globalen Norden. Im Globalen Süden werden Promotionen oftmals durch Stipendien ohne jegliche soziale Absicherung finanziert, die Dotierung fällt vergleichsweise gering aus und deckt oftmals nicht Gesundheitskosten oder Ähnliches ab. In der Regel werden einige gemeinsam organisierte Workshops zur Sicherstellung der akademischen Zusammenarbeit und einige Reisekosten für Akademiker*innen aus den Gastländern finanziert. Insgesamt profitieren die akademischen Einrichtungen im Globalen Norden weitaus stärker von den eingeworbenen Mitteln.

Neben dem rein monetären Aspekt sind es zweitens die Wissenschaftler*innen aus dem Norden, die in stärkerem Umfang von den Forschungen selbst profitieren. Da vor allem höherrangige Wissenschaftler*innen aus dem Globalen Norden mit Peer-Review-Systemen und internationalen akademischen Standards vertrauter sind und die lingua franca Englisch sicher beherrschen, sind sie bei langwierigen Begutachtungsprozessen erfolgreicher. Darüber hinaus produzieren sie mehrheitlich die theoretischen Heuristiken, innerhalb derer sich die internationalen Debatten bewegen. Zugleich kennen sie häufig nicht die lokalen soziokulturellen und politischen Kontexte und teilweise fehlt auch Faktenwissen, wie beispielsweise zu lokalen Pflanzen- und Tierarten. Mittlerweile existieren ganze "Forschungsindustrien" im Globalen Süden, denn erst die Feldassistent*innen, Feldmanager*innen und Dolmetscher*innen ermöglichen diese Art von Forschungsprojekten. Die Mehrheit der so entstehenden Arbeitsplätze steht nicht in Einklang mit internationalen Arbeitsnormen. Wenn es um Bezahlung, Versicherung oder gar formale Verträge geht, gelten kaum grundlegende Arbeitsstandards. Dies ist teilweise auch dadurch bedingt, dass formale Arbeitsverträge nur an den Institutionen des Globalen Nordens geschlossen werden können und hier die bürokratischen Hürden schon für Werkverträge schwer zu überwinden sind. Dies schafft eine große Kluft zwischen den bezahlten Akademiker*innen aus dem Norden, die dann schon einmal im besten Hotel der Stadt residieren, und konterkariert das Ideal der gleichberechtigen Zusammenarbeit.

Des Weiteren stehen - durchaus bedingt durch die Forschungsförderung selbst - auch bei transdisziplinären Projekten die akademischen Verdienste im Vordergrund. Abgesehen von persönlich nachvollziehbaren Karriereorientierungen ist dies ein Ergebnis der Selbstreferenzialität der globalen, westlich dominierten akademischen Gemeinschaft. Die Leistung von Projekten wird nicht an der Qualität der transdisziplinären Bemühungen gemessen (Aufbau enger Beziehungen zu den Beteiligten und Berücksichtigung ihrer Standpunkte), sondern an der Quantität des akademischen Outputs, ein struktureller Zwang, der selbst für etablierter Wissenschaftler*innen nicht einfach zu umgehen ist: "Es gilt als sicherer, vorhersehbare (und zweitbeste?) Ergebnisse rechtzeitig zu liefern, als bahnbrechende Forschung, die zu spät kommt"7 . Zugleich ist der Aufbau tragfähiger und gleichberechtigter Forschungskooperationen zeitaufwändig, in der Regel nicht kostenneutral zu erlangen und erfordert viel persönliches Engagement. Aus der Perspektive der institutionell im Globalen Norden situierten Akademiker*innen bleibt daher oftmals nur die Investition von Freizeit und privat finanzierte Aktivitäten, um dem transdisziplinären Anspruch gerecht zu werden. Letztlich zwingt die Forschungslogik selbst oft zu deutlichen Abstrichen bei der für Transdiszipinarität so elementaren Dissemination der Ergebnisse, dem Transformationswissen. Aufgrund der Finanzierungslogik fällt diese Phase oft mit dem Ende des Projekts zusammen. So wird gezwungenermaßen darauf verzichtet oder sie wird übereilt durchgeführt. Eine gute und erfolgreiche Verbreitung von Projektergebnissen bedarf jedoch einer sorgfältigen Vorbereitung und muss Teil einer übergreifenden Disseminationsstrategie sein, die während des Forschungsprozesses kooperativ entwickelt wird. Auch hier wäre es an den Forschungsförderern, diese Phase explizit mit Ressourcen auszustatten und so die Umsetzung zu ermöglichen.

Zusammengefasst könnten transdisziplinär ausgerichtete Nord-Süd-Kooperationen richtungsweisend sein. Dazu müssten Projekte von Beginn an auf eine gleichberechtigte Teilhabe sowohl auf struktureller, epistemischer und repräsentativer Ebene orientieren. Dies müsste sowohl von den geldgebenden Institutionen als auch den institutionell im Globalen Norden angesiedelten Wissenschaftler*innen priorisiert werden.

Anmerkungen

1) Siehe z.B. Hester Du Plessis, Jeffrey Sehume, Leonard Martin 2014: The Concept and Application of Transdisciplinarity in Intellectual Discourse and Research, Chicago.

2) Michael Gibbons, Camille Limoges, Helga Nowotny, Simon Schwartzman, Peter Scott, Martin Trow 1994: The new production of knowledge. The dynamics of science and research in contemporary societies, London.

3) Siehe zum Beispiel das an der Universität Göttingen angesiedelte Verbundprojekt "Diversity Turn in Land Use Science": www.uni-goettingen.de/de/529181.html, Zugriff am 09.08.2021.

4) Gayatri Chakravorty Spivak 1988: "Can the subaltern speak?", in: Cary Nelson (Hg.): Marxism and the interpretation of culture, Urbana: University of Illinois Press: 271-313.

5) Thomas Jahn 2008: "Transdisziplinäre Forschung. Integrative Forschungsprozesse verstehen und bewerten.", in: Matthias Bergmann / Engelbert Schramm (Hg.): Transdisziplinäre Forschung: Integrative Forschungsprozesse verstehen und bewerten, Frankfurt a.M.: 21-37.

6) Natürlich gibt es auch im Globalen Süden forschungsstarke Universitäten, wie bspw. in Südafrika, die sowohl begehrte Kooperationspartner sind und daher aus den Angeboten auswählen können, als auch selbst über Zugänge zu nationaler wie internationaler Forschungsforderung verfügen.

7) Helga Nowotny, Peter Scott, Michael Gibbons 2003: "Introduction: ›Mode 2‹ Revisited: The New Production of Knowledge" (Übersetzung YF), in: Minerva: a Review of Science, Learning and Policy 41 (3): 179-194; hier: 184.

Dr. Yvonne Franke, Institut für Diversitätsforschung, Universität Göttingen. Arbeitsschwerpunkte: Transdisziplinarität, Globale Soziale Ungleichheitsforschung, Intersektionalität/Diversität.

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