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Klaus Holzkamp

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Wiederkehr der Untoten

09.04.2016: Immer neue Seiteneinstiege und Umwege für Studiengebühren

  
 

Forum Wissenschaft 1/2016; Foto: Pressmaster / shutterstock.com

2014 wurden im letzten verbliebenen Bundesland (Niedersachsen) allgemeine Studiengebühren abgeschafft. Doch deren Befürworter lassen nicht locker, indem sie ständig neue ›Sachzwänge‹ und ›Gerechtigkeitslücken‹ für die Dringlichkeit ihrer Wiedereinführung basteln. Neuste Zielgruppe: ausländische Studierende. Kurt Stiegler widerlegt die abenteuerlichen Begründungen.

Im Jahre 2005 klagten sieben unionsgeführte Bundesländer gegen die Untersagung der Erhebung von allgemeinen Studiengebühren durch das 2002 novellierte Hochschulrahmengesetz (HRG) vor dem Bundesverfassungsgericht. Das BVG gab diesen Ländern im gleichen Jahr recht. Diesen rechtlichen Spielraum nutzten sieben Bundesländer (Bayern, Hessen, NRW, Baden-Württemberg, Niedersachsen, Hamburg, Bremen) um Studiengebühren von 500 Euro pro Semester einzuführen. Infolge von heftigen Protesten, der Androhung von Volksbefragungen (Bayern) oder in Verbindung mit Regierungswechseln - CDU-geführt zu Rotgrün - wurden diese sukzessive wieder abgeschafft, zuletzt 2014 in Niedersachsen.

Allerdings erproben die nach wie vor politisch starken Studiengebührenbefürworter ständig neue Legitimationsstrategien - neuerdings: Studiengebühren für ausländische Studierende. Dadurch soll das Thema an den Hochschulen präsent bleiben. Letztlich stellt es den Versuch dar, eine Gerechtigkeitslücke zu konstruieren, die dann auf die Wiedereinführung von Studiengebühren für alle abzielt. Im Jahre 2010 eröffneten der damalige NRW-Wissenschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) und Berlins Ex-Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) sogar eine Diskussion über eine Art Strafgebühr für ausländische Studierende. Beide behaupteten, dass für die "Universitäten in Großbritannien, Australien oder in den USA die ausländischen Studierenden ein finanzielles Plus brächten. International sei es üblich, dass die Universitäten sich über Studiengebühren ausländischer Studenten neue Einnahmequellen für die bessere Betreuung ihrer eigenen Studenten erschlössen". Ärgerlich für beide war lediglich, so Spiegel-online vom 25.02.2010, dass "ein ordentlicher Teil ihrer Gaststudenten an deutschen Hochschulen erst gar nicht extra zur Kasse gebeten werden konnte, weil sie aus der EU kommen würden. Die meisten anderen größeren Nationengruppen wurden unter den Pauschalverdacht gestellt, dass die ausländischen Studenten allesamt begüterte Eltern hätten, die ihnen locker ein dann viel teureres Studium in Deutschland finanzieren könnten".

Keine neuen Argumente, aber neue Zahlungspflichtige

An den Argumenten der Studiengebührenbefürworter hat sich bis heute im Wesentlichen nichts geändert. Im Jahre 2012 wurde in das sächsische Hochschulfreiheitsgesetz (HFG) eine Regelung aufgenommen, die es ermöglicht Spezialgebühren von Nicht-EU/EWR- Studierenden zu erheben. Von dieser Möglichkeit hat im Freistaat Sachsen bisher lediglich die Musikhochschule Leipzig Gebrauch gemacht. Sie erhebt von diesen Studierenden 1.800Euro Studiengebühren - pro Semester. Gegen diese Gebühr klagt seit Mai 2014 eine Studentin aus der Mongolischen Republik, die sich ungerecht behandelt und diskriminiert fühlt. Das Verwaltungsgericht in Leipzig hat bis Anfang 2016 noch keinen Verhandlungstermin angesetzt. Das Aktionsbündnis gegen Studiengebühren (ABS) unterstützt die Klage. Auf kritische Nachfragen zu Studiengebühren für ausländische Studierende reagieren die politisch Verantwortlichen in Sachsen, mit Ausnahme der Grünen, nicht. Die Grünen in Sachsen lehnen diese Gebühren ab.

Das hat die Europäische Kommission derweil veranlasst, ein Vertragsverletzungsverfahren gegen den Freistaat Sachsen einzuleiten, da Studiengebühren in Sachsen auch gegen Europarecht verstoßen. Menschen, die ein Daueraufenthaltsrecht besitzen, müssen mit EU/EWR-Bürgern gleichgestellt werden. Diese Vorgabe berücksichtigt das HFG in Sachsen nicht.

Bereits Ende 2005 hatte das Deutsche Studentenwerk (DSW) in einer Stellungnahme auf der Mitgliederversammlung der 61 Studentenwerke von jenen Bundesländern, die Studiengebühren einführen wollten, eine Gebührenfreiheit für ausländische Studierende gefordert. Ansonsten drohe die Zahl ausländischer Studierender stark zurückzugehen, was die Internationalisierung des deutschen Hochschulsystems gefährden würde. Die Studiengebührenfreiheit sei für viele ausländische Studierenden mit ein Grund gewesen, nach Deutschland zu gehen. "Studiengebühren würden die finanziell mehr als angespannte Situation verschärfen und tendenziell die Studienabbruchquote nach oben schnellen lassen. Fast zwei Drittel der ausländischen Studierenden insgesamt konnten schon (damals) ihren Lebensunterhalt in Deutschland nur durch Jobben neben dem Studium bestreiten", so der ehemalige Präsident des DSW, Rinkens.

Keine reichen Eltern

Ganz hartnäckig wird aktuell in Baden-Württemberg die Einführung von Studiengebühren für ausländische Studierende vorangetrieben. Ausgerechnet die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Landtag, Edith Sitzmann, und die Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) befeuern dieses Thema intensiv. Sie instrumentalisieren dabei einen Prüfbericht des Landesrechnungshofes vom 15.07.2013. In diesem Prüfbericht mahnt dieser für die Musikhochschulen an, dass "durch eine Reduzierung der Kapazität um etwa ein Sechstel jene Anzahl von Studienplätzen wieder erreicht werde, die 1998 zwischen Landesregierung und Musikhochschulen vereinbart worden war, in den Folgejahren aber permanent überschritten wurde. Die jährlichen Ausgaben des Landes für den Betrieb der Musikhochschulen könnten so um 5 Millionen Euro auf 40,18 Millionen Euro gesenkt werden". Der Rechnungshof bietet dann an, die nicht zu erwartende Reduzierung der Studienplätze um ein Sechstel durch eine Erhebung von Studiengebühren für ausländische Studierende im Etat zu kompensieren.

In einem Interview mit den Stuttgarter Nachrichten vom 15.8.2013 stellt Sitzmann die Forderung auf, von ausländischen Studierenden Studiengebühren zu erheben: "40 Prozent der Studierenden an den Musikhochschulen kommen aus Nicht-EU-Ländern. Wir prüfen, ob wir für diese Gruppe an sämtlichen Hochschulen Studiengebühren einführen können".

Bereits am nächsten Tag rudert der Baden-Württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) zurück, denn der Koalitionspartner SPD in Person des Fraktionschefs Claus Schmiedel lehnt den Vorstoß von Sitzmann ab. Kretschmann rät, das Ergebnis einer noch laufenden Prüfung abzuwarten. Der Regierungssprecher Hoogvliet dazu: "Schnellschüsse helfen nicht weiter und voreilige Festlegungen auch nicht." Kretschmann meinte mit der vorzunehmenden Prüfung ein Rechtsgutachten, welches seine Wissenschaftsministerin Theresia Bauer lange nicht veröffentlichen wollte. Er äußerte sich dann Anfang September 2013 zur Thematik Musikhochschulen in Baden-Württemberg: "Wir bilden jedes Jahr ein koreanisches Symphonieorchester aus. In Korea zahlt man Studiengebühren von bis zu 13.000 Dollar pro Semester." Am 17.11. 2014 wusste die Stuttgarter Zeitung dann, wohin die Reise gehen sollte. "Insgesamt werden durch die jährlich dreiprozentigen Etatsteigerungen rund 28 Millionen Euro mehr für die Musikhochschulen zur Verfügung stehen. Davon werden jedoch nur 11,5 Millionen direkt in Personalmehrkosten fließen, die restlichen 16,5 Millionen sollen gezielten Strukturveränderungen an den Standorten vorbehalten sein". Tatsächlich würde bei einem angenommenen Gaststudierendenanteil von 25% an den Baden-Württembergischen Musikhochschulen selbst bei Reduktion der Studierenden auf 2.650 durch die dann 662 Externen ein Betrag von 17,2 Millionen Dollar jährlich auflaufen, aktuell etwa 16 MillionenEuro. Könnte es sein, dass der Schwabe so denkt?

Erst durch die Veröffentlichung eines Gutachtens des ABS zur Campus-Maut für Internationale Studierende in Baden-Württemberg fühlte sich Bauer genötigt, das von ihrem Ministerium in Auftrag gegebene eigene Gutachten zu veröffentlichen.

Studiengebühren in grün

Das ABS forderte die Ministerin am 13.4.2015 bezüglich der Ergebnisse ihres Gutachtens auf, dazu Stellung zu beziehen. Diese antwortete am 9.6.2015 sinngemäß, dass Gebühren für Personen, die "sämtliche Leistungen des Landeshochschulsystems in Anspruch nehmen würden, ohne [...] Teil der Solidargemeinschaft im Sinne einer Beitragsgemeinschaft zu sein, rechtlich gestaltbar wären."

Als Kernaussage lässt sich somit subsumieren, dass ausländische Nicht-EU/EWR-Studierende einen mangelnden Inlandsbezug aufweisen, keine Steuern bezahlen und somit keinen Anspruch auf Förderung durch die Solidargemeinschaft haben, also Studiengebühren zu entrichten sind.

Im Gegensatz dazu stellt das Gutachten des ABS fest, dass es nicht die Staatsangehörigkeit ist, die sie von anderen Studierenden, die keine Studiengebühren zu zahlen haben, unterscheidet, sondern ihr tatsächlicher Aufenthalt. Die Annahme, es könne vermutet werden, dass die Nicht-EU/EWR-Staatsbürger, die sich zu Studienzwecken in Deutschland aufhalten, das Land wieder verlassen, ohne später durch eine Erwerbstätigkeit innerhalb der EU zur Refinanzierung des Bildungswesens beizutragen, ist eine durch nichts gerechtfertigte und kontrafaktische Annahme. Das Gegenteil ist der Fall. Die aus dem Nicht-EU/EWR-Raum zum Zwecke des Studiums nach Deutschland kommenden Studierenden verbleiben zu einem erheblichen Teil innerhalb der EU und tragen damit zu einer Refinanzierung nicht nur ihrer, sondern der gesamten Ausbildungskosten in Deutschland bei. "Der Gutachter des Ministeriums Riedel verkennt im Übrigen die notwendige Differenzierung bei der Einräumung des Rechts auf Zugang zum inländischen Bildungssystem und der Ausgestaltung dieses einmal gewährten Zugangs", so Wilhelm Achelpöhler, Fachanwalt für Verwaltungsrecht in seinem Rechtsgutachten für das ABS.

Er stellte darüber hinaus fest, dass Studiengebühren für ausländische Studierende gegen den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (UN-Sozialpakt) und gegen den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes verstoßen. Insgesamt stellen Studiengebühren für die o.g. Gruppe eine diskriminierende Hürde für den Hochschulzugang dar.

Die rechtliche Bewertung ist lediglich eine Perspektive der Betrachtung. Auf das Schreiben von Ministerin Bauer reagierten in einem Schriftwechsel der freie Zusammenschluss von StudentInnenschaften (fzs), der Bundesverband ausländischer Studierender (BAS) , sowie das ABS. "Eine Campus-Maut für ausländische Studierende würde die Benachteiligung einer ohnehin diskriminierten Gruppe weiter verschärfen", denn schon in der Sonderauswertung der 20. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerkes (DSW) Ausländische Studierende in Deutschland 2012 - durchgeführt vom Deutschen Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) - wird deutlich, mit welchen Schwierigkeiten ausländische Studierende in Deutschland konfrontiert sind: Nur 23 Prozent der Bildungsausländer*innen konnten 2012 ihren Studienaufenthalt in Deutschland ganz oder teilweise über ein Stipendium finanzieren. Der Anteil der Stipendiat*innen unter den Bildungsausländer*innen ist gegenüber 2009 sogar um zwei Prozentpunkte gesunken. 68 Prozent der Bildungsausländer*innen stammen aus Ländern, die über ein geringeres Pro-Kopf-Einkommen als Deutschland verfügen. 18 Prozent der Bildungsausländer*innen stammen aus Westeuropa. Lediglich 14 Prozent aller nicht-westeuropäischen Bildungsausländer*innen stammen aus High-Income Ländern. Mehr als die Hälfte der Bildungsausländer*innen müssen ihre Deutschkenntnisse durch in der Regel kostenpflichtige Sprachkurse vertiefen.

Bildungsausländer*innen, die neben dem Studium einer Erwerbstätigkeit nachgehen, haben eine höhere zeitliche Gesamtbelastung als Studierende, die nicht gezwungen sind zu jobben. Wenn die Eltern Unterhalt zahlen, beträgt dieser durchschnittlich 461Euro im Monat. Über die Hälfte der ausländischen Studierenden hat demnach Einnahmen aus Erwerbstätigkeit von durchschnittlich 474Euro. 15 Prozent der Bildungsausländer*innen finanzieren das Studium ausschließlich durch eigenen Verdienst. Ihnen stehen dann monatlich im Durchschnitt 805Euro zur Verfügung. Unterschieden nach der Höhe des Pro-Kopf-Einkommens im Herkunftsland fällt auf, dass 66 Prozent der Studierenden aus einkommensschwachen Ländern Geld für ihren Lebensunterhalt selbst verdienen. Die Einnahmen aus einer einzelnen Finanzierungsquelle reichen häufig nicht aus, um die gesamten Lebenshaltungskosten eines Monats zu bestreiten, weshalb über die Hälfte der Bildungsausländer*innen zwei und mehr Finanzierungsquellen in Anspruch nehmen müssen.

Benachteiligung wird ausgebaut

Die gemeinsame Stellungnahme verweist im Weiteren auf einen Artikel in der Süddeutschen Zeitung vom 4.10.2013 ("Der unheimliche Herr Soh"). Hier wird der geschäftsführende Gesellschafter des auf China spezialisierten Personalentwicklers Personal Global GmbH in Frankfurt/Main, Dr. Tobias Busch, mit folgenden Worten zitiert: "Die Kinder reicher Familien und von Spitzenkadern gehen in die USA oder nach Großbritannien zum Studieren. Diejenigen, die sich ihren Erfolg komplett allein erarbeiten müssen, kommen häufig nach Deutschland".

In ihrer Antwort an die Ministerin schreiben die drei Studierendenverbände, dass "es unverständlich bleibt, wie Sie trotz dieser Datenlage dennoch Studiengebühren einführen wollen. Wenn selbst ein Personalentwickler zu diesen Erkenntnissen kommt, so ist Ihrem Vorhaben zur Studiengebührenerhebung für ausländische Studierende die Realitätsnähe abzusprechen". Die Behauptung, die Initiative der Grünen in Baden-Württemberg ginge auf eine ›Prüfanmerkung‹ des Landesrechnungshofes zurück, ist selbst bei objektiver Betrachtung nicht haltbar. Erst durch die politische Forderung der Einführung von Studiengebühren für internationale Studierende durch die grüne Fraktionsvorsitzende Edith Sitzmann hat die Diskussion darüber Fahrt aufgenommen. Zur Zeit beobachteten die drei Studierendenverbände "wie von Seiten dieser Gebührenbefürworter*innen versucht wird, durch die Schaffung von Spezialgebühren für jene Gruppen potentieller Studierenden, die über keine Vertretungslobby verfügen, das Thema Gebühren an den Hochschulen präsent zu halten". An dieser Stelle ist anzumerken, dass die Bundespartei Bündnis90/Die Grünen in ihrem Bundestagswahlprogramm 2013 bereits klarstellte, dass "Studiengebühren Kindern aus einkommensschwachen Familien die Entscheidung für ein Studium erschweren. Das Hochschulstudium wird so zum Privileg der ›Kinder aus gutem Hause‹. Wir brauchen aber mehr Studentinnen und Studenten aus allen sozialen Schichten."

Am 23.1.2016 hat das ABS in seinem ›Würzburger Signal‹ wie folgt Stellung bezogen: "Bildungsgebühren in jeglicher Form sind sofort abzuschaffen. Das Bildungssystem muss aus öffentlichen Mitteln so finanziert werden, dass allen Menschen Bildung barrierefrei und kostenfrei zugänglich ist. Erst durch eine umfassende Reform des Bildungssystems kann der Grundstein für ein emanzipatorisches Verständnis von Bildung gelegt werden."

Dies gilt auch und besonders für Studierende ohne Staatsbürger*innenschaft eines EU-Mitgliedsstaates - für sie kann es keinen abweichenden Bewertungsrahmen geben; Studiengebühren bleiben bildungspolitisch wie auch sozialpolitisch abzulehnen. Sie diskriminieren Studierende und verletzen EU- und internationale Verträge durch Ungleichbehandlung. Auch die ihnen zu Grunde liegenden ökonomistischen und rassistischen Erwägungen zum "Nutzen" von Studierenden nach dem Studium kann das ABS nicht hinnehmen. Die Leipziger Musterklage soll dabei einen Auftakt bilden, den Kampf gegen Studiengebühren auszuweiten und alle Betroffenengruppen einzubeziehen.

Es bleibt zu beachten, dass Studiengebühren für Nicht-EU/EWR-Studierende nicht das einzige Einfallstor der Studiengebührenbefürworter darstellen. Hier ist vor allem daran zu erinnern, dass sich Theresia Bauer auch für bezahlte Weiterbildungsstudiengänge ausgesprochen hat.

Bildungsaufstieg gegen Bezahlung?

Aktuell wird durch das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) massiv geförderte Programm "Aufstieg durch Bildung - Offene Hochschule" ein weiterer Seiteneinstieg in gebührenpflichtige Bildungsangebote ermöglicht. Offene Hochschule bedeutet aber eigentlich, den Zugang zu Hochschulbildung unabhängig vom ersten Schulabschluss zu ermöglichen. Auf der anderen Seite wird durch den Begriff "Aufstieg" Bildung als Gut angesehen, in das der Interessent zu investieren habe. Wir sehen auf den ersten Blick ein Programm, das entwickelt wurde, um Menschen mit nicht-klassischen Bildungsverläufen den Zugang zur Hochschule zu ermöglichen, sich neben dem Beruf weiter zu qualifizieren. Dies geht zumindest aus den Grundsätzen für dieses Programm hervor, so wie das BMBF sie ursprünglich festgelegt hat. Das Bundesministerium wird beim Thema Gebühren für das hier angedachte Weiterbildungsangebot nervös. Es sagt klar, dass Studiengebühren Sache der Länder sind. Bei den Ländern sind die Antworten differenziert. Einige antworten: Was hat das Programm "Offene Hochschule" mit Studiengebühren zu tun? Andere Ministerien behaupten, Fort- und Weiterbildung müssten kostenpflichtig sein, da es in diesem Bereich zu privater Konkurrenz kommen könnte und kostenlose Programme der Hochschulen unvereinbar mit Europarecht seien, da es sich um Wettbewerbsverzerrungen handele. Wieder andere behaupten, dass dieses Programm klar dazu dienen solle, öffentlichen Hochschulen den Zutritt zum Weiterbildungsmarkt zu ermöglichen.

Der Projektträger dieses Bundesprogramms antwortete dem ABS am 23.10.2014, dass "jegliche Maßnahmen der kommerziellen oder nicht-kommerziellen Verwertung der Projektergebnisse, insbesondere auch der Durchführung der Angebote selbst (zwar) nicht gefördert werden, [...] die Frage, inwieweit für die fertigen ›Produkte‹ (Bildungs- und ggf. Beratungsangebote) Gebühren - und ggf. in welcher Höhe - erhoben werden, wird sich an den jeweiligen landesrechtlichen Regelungen orientieren müssen. Im Moment bestehen zumindest in einigen Ländern Regelungen, die für berufsbegleitende Angebote bzw. Angebote der wissenschaftlichen Weiterbildung explizit kostendeckende Gebühren vorsehen. Diese Regelungen könnten allerdings bis zum Ablauf der jeweiligen zweiten Förderphasen - 30.9.2017 für die erste, 31.7.2020 für die zweite Wettbewerbsrunde - Änderungen unterworfen sein."

Problematisch an der Haltung der Ministerien ist insgesamt, dass weiterbildende Studiengänge immer mit Kostenpflichtigkeit verbunden werden. Die Frage, ob die Öffnung der Hochschulen mit Gebühren überhaupt vereinbar ist, wird in keiner Weise thematisiert, auch in der Öffentlichkeit einfach hingenommen. Man gewinnt den Eindruck, dass Studiengebühren keine Frage der Gerechtigkeit sind, sondern der Machbarkeit. Hier wird offenbar vorausgesetzt, dass Menschen, die über den zweiten Bildungsweg gekommen sind, an Gebühren gewöhnt seien, also zu zahlen hätten. Es ist durch das ABS nicht recherchierbar, wer mit welchem Ziel dieses Projekt auf den Weg gebracht hat. Eines steht fest: Es ist problematisch, wenn ein öffentlich gefördertes Programm den ohnehin kommerziellen Bereich der Weiterbildung noch einmal verstärkt kommerzialisiert.

Es wird ziemlich deutlich, dass diese hier geschilderte Salamitaktik die Abschaffung von allgemeinen Studiengebühren konterkariert, das Thema Studiengebühren an Hochschulen noch lange nicht gestorben ist. Das dezentrale Vorgehen der Befürworter macht es schwer das Gesamtbild zu erfassen. Insofern ist der Angriff auf ein gebührenfreies Studium besonders gefährlich.


Kurt Stiegler ist Koordinator des 1999 vom BdWi mit gegründeten Aktionsbündnisses gegen Studiengebühren (ABS).

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