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Klaus Holzkamp

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Zukunftswerkstatt Hochschule

14.09.2020: Ein Blick auf das zukünftige Green Office der Universität Duisburg-Essen

  
 

Forum Wissenschaft 3/2020; Foto: scharfsinn86 / stock.adobe.com

"Die Hochschulen verstehen sich als Zukunftswerkstätten der Gesellschaft und entwickeln ihre Rolle im steten Dialog mit allen gesellschaftlichen Kräften"<^>1<^*>, so die Aussage der Hochschulrektorenkonferenz auf ihrer 25. Mitgliederversammlung im Jahr 2018. Der Appell an die Hochschulen ist eindeutig: sie tragen eine gesellschaftliche Verantwortung und sollen einen eigenständigen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung leisten. Isabel Ossadnik fragt, wie das konkret und umfassend an den deutschen Hochschulen umgesetzt werden soll.

Über die größte Hochschuldichte in Deutschland verfügt das Bundesland Nordrhein-Westfalen, welches zugleich auch das bevölkerungsreichste ist. Das im Strukturwandel befindliche NRW, und insbesondere das Ruhrgebiet, definieren sich selbst zusehends als Wissenschaftsstandort und profitieren von der Vielzahl an Unternehmen und Bildungseinrichtungen in der Region. Die Städte und Gemeinden des Ruhrgebiets wachsen und verschmelzen dabei über die Jahre und werden zu einer "polyzentrischen Stadtregion"<^>2<^*>, in der die verschiedenen Groß- und Kleinstädte zwar autonom, aber eng vernetzt agieren. 2016 verabschiedete die Landesregierung NRW die erste Nachhaltigkeitsstrategie des Landes. Dabei soll NRW ein "wichtiger Industriestandort mit zukunftsfähigen Wirtschaftsstrukturen"<^>3<^*> bleiben - dem Wissenschaftsstandort kommt als Aufgabe nur die Förderung des "internationalen Bildungs- und Wissensaustauschs" durch die Internationalisierung der Studierendenschaft zu. Wie sollen Hochschulen also zu den "Zukunftswerkstätten" der nachhaltigen Entwicklung werden, welche die Hochschulrektorenkonferenz zwei Jahre später fordert?

Hochschulen und Nachhaltigkeit

Hochschulen bilden ihren eigenen sozialen Mikrokosmos und vereinen zahlreiche Akteur*innen aus den Bereichen Betrieb, Lehre und Studium, Governance und der Studierendenschaft. Selten gibt es dabei eine Stabsstelle für Nachhaltigkeit oder eine vergleichbare Institution. In der Regel werden deshalb per "Gießkannen-Prinzip" Maßnahmen in den genannten Bereichen angestoßen, die jedoch schnell wieder im Sande verlaufen. Nachhaltig ist das nicht, im wahrsten Sinne des Wortes. Auch die Universität Duisburg-Essen, an der ich mein Bachelorstudium absolviert habe und gerade meine Masterarbeit verfasse, möchte laut Grundordnung "ihren Beitrag zu einer nachhaltigen, friedlichen und demokratischen Welt"<^>4<^*> leisten - Zuständigkeit ungeklärt. So gibt es viele einzelne Akteur*innen wie das AStA-Referat für Ökologie und Mobilität, Hochschulgruppen wie den Campusgarten, Veranstaltungen wie den Nachhaltigkeitsmarkt des Studierendenwerks oder Lehrangebote wie das Zertifikat "Bildung für Nachhaltige Entwicklung". Ebenso wurde im Mai 2020 der erste Nachhaltigkeitsbericht<^>5<^*> der Universität veröffentlicht; die Projektstelle (napro) dahinter wird jedoch danach aufgelöst und die Frage, was nach den Erkenntnissen des Berichts folgt, bleibt offen. Grundsätzlich steht die Universität Duisburg-Essen vor ähnlichen Herausforderungen, welche auch andere Hochschulen umtreiben: es gibt zwar viele Aktivitäten, diese beschränken sich jedoch auf ihr eigenes Ressort und eine breite Vernetzung der Akteur*innen bleibt aus. Es gibt nur eine schwache Kommunikationskultur, wodurch die Reichweite und Sichtbarkeit von Projekten und Veranstaltungen gering bleibt und diese gerade in der breiten Studierendenschaft oft nicht ankommen. Besonders die Vertreter*innen der engagierten Studierendenschaft erfinden das Rad jedes Semester neu und können nur bedingt auf den Erfahrungsschatz und die Beziehungen Ehemaliger zurückgreifen, wenn es z.B. um die Durchführung von Veranstaltungen geht und Ansprechpersonen aus anderen Bereichen, etwa Betrieb, Verwaltung etc. gesucht werden. Auch hier bleiben die Zuständigkeiten unklar. In der Hochschulrealität ist vom Geist der gut vernetzten "polyzentrischen Stadtregion" also nicht viel angekommen. Die Ruhrgebietshochschulen bleiben meist intern fragmentiert und die Akteur*innen in ihren eigenen Gebieten behaftet ohne das Potential, welches von einer gemeinschaftlichen, ressortübergreifenden Arbeit ausgeht, nutzen zu können.

Doch wie können Hochschulen nun als "Zukunftswerkstätten" aktiv werden und zudem sogar einen gesellschaftlichen Mehrwert leisten, wenn sie bisher nur in ihrem Mikrokosmos agieren? Ein problemorientiertes Konzept bildet das Green Office Movement<^>6<^*>, das 2010 mit der Gründung des ersten Green Office in Maastricht eingeleitet wurde. Diese Nachhaltigkeitsbüros verbinden dabei studentisches Engagement mit wissenschaftlicher Expertise und haben den Anspruch alle Teilbereiche der Hochschule in die nachhaltige Transformation einzubeziehen. Die außeruniversitäre Vernetzung, sowohl mit Nachhaltigkeitsinitiativen anderer Hochschulen als auch mit kommunalen und zivilgesellschaftlichen Organisationen vor Ort, ist ein besonderes Anliegen des Green Office. Ein solches Green Office soll auch an der Universität Duisburg-Essen (UDE) gegründet werden, um die Ergebnisse des Nachhaltigkeitsberichts zu verstetigen und eine dauerhafte Anlaufstelle für Nachhaltigkeitsakteur*innen und Interessierte zu schaffen.

"Green Office" als Konzept

Um zu verdeutlichen, wie ein solches Projekt gestartet werden kann und im besten Fall auch andere Nachhaltigkeitsinteressierte zu ähnlichen Projekten zu animieren, werden im Folgenden die Arbeitsphasen und das weitere Vorgehen des Green Office an der UDE geschildert. Die Idee zum Green Office entstammt dabei einem Seminar des napro (Nachhaltigkeitsprozess) und wurde durch das AStA-Referat für Ökologie und Mobilität unterstützt, welches auch eine Projektstelle zur Ausarbeitung eines Konzeptpapiers<^>7<^*> geschaffen hat. Die Zusammenarbeit studentischer und wissenschaftlicher Mitarbeiter*innen aus verschiedenen Teilbereichen der Hochschule soll diesem Projekt bereits in der Anfangsphase einen integrativen Charakter verleihen und signalisieren, dass das Green Office allen Hochschulangehörigen offensteht. Diese Bemühungen werden in der nachfolgenden Projektphase intensiviert, indem Stakeholder aus verschiedenen Ressorts der UDE über die Inhalte und Motivationen des Green Office informiert werden. Dies erfolgt während eines Beteiligungsworkshops, der den Akteur*innen den Raum gibt ihre Ideen, Erwartungen und vielleicht auch Bedenken bzgl. des Projekts zu äußern. Diese werden durch das Projektteam aus AStA- und napro-Mitarbeitenden aufgenommen und nach Möglichkeit in die weitere konzeptionelle Ausarbeitung integriert. Der Beteiligungsworkshop bringt damit in einer ersten Veranstaltung alle Nachhaltigkeitsakteur*innen an einen Tisch - ein ähnliches Format gab es an der UDE zuvor nicht. Grundsätzlich steht die UDE vor einer besonderen Herausforderung bei der Planung und Umsetzung solcher Projekte, denn sie verfügt über Campus in zwei Städten. Die räumliche Trennung setzt sich auch innerorts fort, sodass die Gebäude der Universität sich teilweise über verschiedene Stadtteile erstrecken. Die physische Fragmentierung betrifft auch andere NRW-Hochschulen, an denen Green Offices aktiv werden sollen oder bereits aktiv sind. Dazu zählt etwa die Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, deren Campus sich über drei Ortschaften ziehen, oder auch die Westfälische Wilhelms-Universität Münster, deren Gebäude sich über das gesamte Stadtgebiet verteilen. Auch Hochschulangehörige der Ruhruniversität Bochum sind teilweise von einer räumlichen Trennung betroffen und pendeln innerhalb der Stadt Andere deutsche Hochschulen und ihre Green Offices liegen deutlich zentraler, wie die Technische Universität Kaiserlautern oder die Universität Hildesheim; auch Hochschulangehörige der Universität Konstanz legen insgesamt kürzere Wege zurück. Die UDE ist räumlich besonders stark fragmentiert, was dazu führt, dass sich Mitarbeitende und Studierende jeweils mit "ihrem" Campus identifizieren und meist nur selten oder gar nicht am anderen Campus vertreten sind. Hinzu kommt, dass z.B. das Gebäudemanagement in Duisburg und das in Essen kaum miteinander interagieren, da sie verschiedenen Arbeitseinheiten angehören. Auch für studentische Hochschulgruppen oder die verfasste Studierendenschaft bedeutet es hohe zeitliche Kosten und organisatorische Bemühungen beide Campus gleichermaßen zu bedienen. Ein Green Office an der UDE zu etablieren, bedeutet in der Realität also eigentlich zwei Offices zu schaffen, auch physisch. Die Trennung der Campus soll dadurch gelockert und das Verantwortungsgefühl für beide Standorte bei den Mitarbeitenden des Green Office gestärkt werden. So kann eine Vernetzung der Akteur*innen in Duisburg und Essen, aber auch über die Grenzen der Hochschule hinaus eingeleitet werden. Inhaltlich soll das Green Office nach seiner Verstetigung 2021 diesen Weg weitergehen, zusätzlich aber auch Projekte in allen Teilbereichen der UDE anstoßen. Dies betrifft etwa den Bereich Lehre mit dem Zertifikat "Bildung für Nachhaltige Entwicklung", den Bereich Betrieb mit der Unterstützung der Fairtrade University-Zertifizierung oder den Bereich Governance mit der langfristigen Formulierung einer Nachhaltigkeitsstrategie für die UDE. Für den Aufbau des Green Office ist der Rückhalt der Hochschulleitung fundamental, um das Green Office tatsächlich nachhaltig im Sinne von dauerhaft werden zu lassen. Eine kurzlebige Projektgruppe kann ein langfristig etabliertes Office nicht ersetzen. Weitere Hürden können außerdem in der hohen Fluktuation der Studierendenschaft liegen, deren Engagement sich meist auf einige wenige Semester beschränkt. Dadurch wird es unerlässlich feste Mitarbeitende im Green Office einzusetzen, welche die aufgebauten Strukturen und Prozesse fortführen und intensivieren. Zudem muss ein ausreichendes Budget gegeben sein, um Projekte und Veranstaltungen mit entsprechender Reichweite umsetzen zu können. Diese Finanzierung wird bei Green Offices zumeist von der Hochschulleitung bewilligt, kann aber auch durch Dritte akquiriert werden, etwa über Stiftungen und Förderprogramme.

Ein Green Office oder eine vergleichbare Anlaufstelle mögen kein Allheilmittel zur schnellen Überwindung von Kommunikationsbarrieren oder von räumlichen Distanzen an Hochschulen sein. Jedoch können sie ein Weg sein Nachhaltigkeitsstrukturen zu verankern, die auf einer dauerhaften Vernetzung der Hochschulangehörigen beruhen und den Geist der "polyzentrischen Stadtregion" des Ruhrgebiets aufgreifen. Um dies umzusetzen benötigen Hochschulen die notwendigen personellen und finanziellen Ressourcen sowie engagierte Akteur*innen, die sich dafür einsetzen, dass Hochschulen ihrer Verantwortung nachkommen eine nachhaltige Entwicklung nicht nur innerhalb ihrer Mauern, sondern auch in ihrer Region zu unterstützen.

Anmerkungen

1) Hochschulrektorenkonferenz 2018: Für eine Kultur der Nachhaltigkeit. Empfehlung der 25. HRK-Mitgliederversammlung vom 6.11.2018. www.hrk.de/positionen/beschluss/detail/fuer-eine-kultur-der-nachhaltigkeit/. Letzter Zugriff am 03.08.2020.

2) WBGU 2016: Der Umzug der Menschheit. Die transformative Kraft der Städte. www.wbgu.de/fileadmin/user_upload/wbgu/publikationen/hauptgutachten/hg2016/wbgu_hg2016-hoch.pdf. Zuletzt abgerufen am 03.08.2020.

3) Landesregierung Nordrhein-Westfalen 2016: Nachhaltigkeitsstrategie für Nordrhein-Westfalen. www.nachhaltigkeit.nrw. de/themen/nachhaltigkeitsstrategie-fuer-nordrhein-westfalen/. Letzter Zugriff am 03. 08.2020.

4) Universität Duisburg-Essen 2018: Grundordnung der Universität Duisburg-Essen vom 13. August 2015. www.uni-due.de/imperia/md/content/zentralverwaltung/bereinigte_sammlung/1.pdf. Letzter Zugriff am 03.08.2020.

5) napro 2020: Nachhaltige Entwicklung an der Universität Duisburg-Essen. Ein Bericht des napro 2020. www.uni-due.de/imperia/md/images/nachhaltigkeit/napro_nachhaltigkeitsbericht_ude2020.pdf. Letzter Zugriff am 03.08.2020.

6) www.greenofficemovement.org/.

7) Das Konzeptpapier wird im August 2020 veröffentlicht und kann unter www. asta-due.de/ eingesehen werden.

Isabel Ossadnik, Projektmitarbeiterin zur Gründung eines Green Office an der Universität Duisburg-Essen, Studentin des politikwissenschaftlichen Masterstudiengangs "Theorie und Vergleich politischer Systeme im Wandel" an der Universität Duisburg-Essen, verfasst gerade ihre Masterarbeit zur Bürger*innenbeteiligung in der nachhaltigen Stadtentwicklung

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