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Klaus Holzkamp

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Ev. FH Ludwigshafen boykottiert Hochschulranking des CHE

18.02.2008: Der BdWi kommt hiermit gern dem Wunsch nach, diesen Anfang Februar 2008 gefassten Beschluss zu dokumentieren (s. u.) und ihn als nachahmenswertes Beispiel zu empfehlen.
Mittlerweile (24.03.2010) hat der Fachbereichsrat des FB "Sozial- und Gesundheitswesen" der Fachhochschule Ludwigshafen am Rhein (ehemals Ev. FH Ludwigshafen) beschlossen, den Boykott des CHE Hochschulrankings fortzusetzen (siehe PDF-Datei im Anhang)

Resolution der Evangelischen Fachhochschule Ludwigshafen
"Boykott des Hochschulrankings des Centrums für Hochschulentwicklung"

Die Evangelische Fachhochschule Ludwigshafen, Hochschule für Sozial- und Gesundheitswesen, beteiligt sich ab sofort nicht weiter an den Datenerhebungen des Centrums für Hochschulentwicklung (CHE) und verzichtet auf die Aufnahme im CHE-Hochschulranking.

Die Gründe hierfür liegen auf mehreren Ebenen. So lehnen wir die einseitige hochschulpolitische Ausrichtung des CHE ab, durch die ein Bildungsbegriff transportiert wird, der vornehmlich an marktwirtschaftlichen Leitsätzen, nicht aber an Kriterien gesamtgesellschaftlicher Nützlichkeit orientiert ist. Darüber hinaus gibt es begründet Zweifel an der Repräsentativität der erhobenen Daten sowie Kritik an Methodik der Datenerhebung und -interpretation.

Das Centrum für Hochschulentwicklung entstand 1994 als gemeinnützige GmbH in gemeinsamer Trägerschaft von Hochschulrektorenkonferenz (HRK) und Bertelsmann-Stiftung. Seitens der HRK wurde damit die Erwartung verbunden, die Hochschulstrukturen in Deutschland marktorientiert zu modernisieren. Zielsetzung war, dass sich das Hochschulwesen stärker wettbewerblich orientieren müsse. Angestrebt wurde ein Paradigmenwechsel in der Hochschulpolitik: Aus Körperschaften des öffentlichen Rechts, die sich selbst verwalten, sollten "unternehmerische" Hochschulen werden, die nach den Regeln marktvermittelter Konkurrenz um Qualität und Ansehen ringen. Nach Auffassung des CHE sollten Hochschulen "im Wettbewerb ihre Leistungsfähigkeit entwickeln, wirtschaftlich den Einsatz ihrer Ressourcen gestalten, international an der globalen Wissenschaftsentwicklung teilhaben, virtuell die Chancen neuer Medien nutzen, profiliert ihre eigene Identität finden, autonom ihre Ressourcen, ihr Personal und ihre Organisation entwickeln, damit sie wissenschaftlich ihre Aufgaben in Forschung, Lehre und Weiterentwicklung erfüllen könnten." (vgl. ausführlich: Müller-Böling, D., 2006: Die entfesselte Hochschule. Gütersloh)

Freiheit der Forschung und Lehre heißt in Zukunft Durchsetzung unter den Zwängen der Konkurrenz auf dem Ausbildungs- und Wissensmarkt. Demokratische Strukturen der Interessenvertretung und akademischer Selbstverwaltung werden durch eine zentralistische Management- und Direktionsstruktur ersetzt. Die Speerspitze die-ser Entwicklung zeigt sich in dem neuen so genannten Hochschulfreiheitsgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen, welches die Schleusen für das Modell der "unternehmerischen" Hochschule und seiner Steuerung durch externe, überwiegend mit Vertretern aus dem Wirtschaftsleben besetzten Hochschulrates vollends öffnet.

Hierbei kommt dem Erstellen und der öffentlichkeitswirksamen Präsentation von Rangordnungen (Hochschulen, Studiengänge u.ä.), dem so genannten "Hochschulranking", eine besondere strategische Bedeutung zu. Kriterien für Qualität werden über die spezifische Auswahl und Interpretation von Daten allein durch das CHE definiert. Diese werden zu Argumenten im Ringen um die besten Forschenden und die besten Lehrenden, um die besten Studierenden und nicht zuletzt um Geld. Das CHE veröffentlichte 1998 seinen ersten Hochschul-Vergleich und gibt heute nach eigenen Angaben das "umfassendste und detaillierteste Ranking deutscher Hochschulen und Fachhochschulen" heraus.

Grundsätzliche Kritik am CHE-Ranking wird geübt, weil es mit dem Aufzeigen positiver bzw. negativer Qualitäten der Hochschulen seine Mission abschließt und so das Auseinanderdriften der Hochschulen, mit positivem Image die einen, mit negativem Image die anderen, geradezu befördert. Der Kreislauf schließt sich schnell: Negativ bewertete Hochschulen verzeichnen in der Folge niedrigere Bewerberzahlen, kassieren weniger Studiengebühren, haben noch weniger Geld zur Verfügung, sinken im Ranking weiter ab.... Der Anspruch, an allen Hochschulstandorten gute Studienbedingungen zu schaffen, wird fallen gelassen zugunsten einer Entwicklung, die sich wie eine Schere darstellt: Es wird einige exzellent ausgestattete Hochschule geben und viele Hochschulen, die insbesondere damit beschäftigt sind, ihre Mittellosigkeit zu verwalten.

In methodischer Hinsicht ist die mangelnde Transparenz der Vorgehensweise des CHE zu kritisieren. So fehlen etwa bezüglich der Stichprobenzusammensetzung grundlegende Informationen über Anzahl sowie sozio-demografische Zusammensetzung der Befragungsteilnehmer. Dadurch wird eine Abschätzung der Repräsentativität der Evaluationsergebnisse erheblich erschwert. Dementsprechend unklar bleibt auch, wie bzw. ob solche Evaluationsergebnisse in die Gesamtauswertung eingehen, bei denen man - aufgrund geringer Fallzahl - nicht mehr unbedingt von repräsentativen Ergebnissen ausgehen kann. Fallzahlprobleme werden vermutlich insbesondere dann auftreten, wenn Teile des standardisierten CHE-Fragebogens sich nicht auf die besonderen Gegebenheiten der Hochschule beziehen lassen. Für derartige Passungsprobleme sieht der Fragebogen des CHE-Rankings nur die Ausweichskategorien "kann ich nicht beurteilen" und "nicht vorhanden" vor. Dabei bleibt unklar, wie solche Antwortkatgorien in die Bewertung einfließen.

Es wird kritisiert, dass das CHE keine Tiefenanalyse der Gründe der unterschiedlichen Bewertung der Lehrqualität von Hochschulen durchführt. Dies bedeutet, dass die CHE-Studien nur eine beschränkte Erklärung des Zustandekommens der Unterschiede zwischen den Hochschulen liefern. Ein eindeutiges und vollständiges Urteil über die Ursachen unterschiedlicher Evaluationsergebnisse ist aus dieser Perspektive nur möglich, wenn beim Vergleich der Hochschulen auch Faktoren wie z.B. die unterschiedliche Ausstattung der Hochschulen mit finanziellen Mitteln und Personal, die Größe der Hochschule und Zusammensetzung der befragten Studentenschaft mit in Betracht gezogen werden. In Hinblick auf die hochschulspezifische Zusammensetzung der Studenten-schaft bedeutet dies z.B. auch, dass eine kritisch sozialisierte Studentenschaft bei Evaluationsstudien möglicher-weise auch kritischer urteilt.

Da das CHE die ermittelten Daten nicht oder aber nur unvollständig offen legt, ist eine detaillierte Bewertung des Zustandeskommens der Evaluationsergebnisse letztlich nicht möglich.

Zugehörige Dateien:
Beschluss zur Fortsetzung des CHE Hochschulranking-Boykotts.pdfDownload (68 kb)

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