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Klaus Holzkamp

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"Open Access"

15.09.2005: Freier Zugang zu wissenschaftlichem Wissen1

  
 

Forum Wissenschaft 3/2005; Titelbild: Eckhard Schmidt

Hinreichend bekannt ist: universitäre Budgets werden immer knapper, die Versorgung mit wissenschaftlichen Informationen wird nicht billiger. Der Nobelpreisträger Harold Varmus spricht deshalb vom Amoklauf des wissenschaftlichen Veröffentlichungswesens. Freier Zugang zur Verbreitung und Rezeption wissenschaftlichen Wissens aber ist möglich. Auch immer mehr Regierungen und Fördereinrichtungen fordern ihn. Katja Mruck und Günter Mey zeichnen Entwicklungen im Feld von Open Access nach und zeigen Perspektiven.

Der "größte Teil der Wissenschaft wird durch Steuern finanziert. Deshalb sind wir der festen Überzeugung, dass die Publikationen allen zugänglich sein sollten."2- Im wissenschaftlichen Publikationswesen wird die eingangs beschriebene Situation unter dem Terminus "Krise der wissenschaftlichen Informationsversorgung" diskutiert: "Gemeint ist eine steigende Lücke zwischen dem Preis für die wissenschaftliche Information und der Zahlungsfähigkeit der Bibliotheken mit der Konsequenz, dass nicht nur Zeitschriften, sondern auch Monographien, insbesondere in den nicht-naturwissenschaftlichen Fachgebieten abbestellt werden."3

Nach Andermann sind hierfür insbesondere vier Faktoren ausschlaggebend:

1. immense Preissteigerungen insbesondere für medizin-, technik- und naturwissenschaftliche Fachzeitschriften;

2. Konzentrations- und Monopolisierungsprozesse auf dem Zeitschriftenmarkt, die diese Preispolitiken erlauben;

3. eine Zunahme an Fachzeitschriften mit der Folge erhöhter Nachfrage und

4. restriktive Geschäftsmodelle im Übergang zum digitalen Medium, d.h. der Zugang zu den kommerziellen elektronischen Fachzeitschriften ist von der Zahlungsfähigkeit der Wissenschaftsinstitutionen abhängig.

Weltweit liegen die Preissteigerungsraten für einzelne Felder und Verlage bei 25 bis 35% jährlich, und Verleger wie Elsevier berechnen zwischen 1.000 und 5.000 Euro für ein einjähriges Abonnement. Eine prestigeträchtige Sammlung wissenschaftlicher Fachzeitschriften mit dem Namen "Brain Research" kostet sogar über 20.000 Dollar pro Jahr.4 Zugleich sinkt die Zahl der Einrichtungen, die in der Lage sind, auch nur einen Bruchteil der kostenpflichtigen Journals zu erwerben, bzw. umgekehrt: eine wachsende Zahl an Einrichtungen kann ihrem Auftrag zur Informationsversorgung nicht mehr (angemessen) nachkommen.

Damit wird ein zentrales Ziel wissenschaftlichen Veröffentlichens unterlaufen, denn für jeden Artikel, für seine Autoren und Autorinnen und für deren Forschungseinrichtungen geht ein großer Teil des potenziellen Impact verloren, der im Falle der Veröffentlichung in wissenschaftlichen Fachzeitschriften darin besteht, dass diese rezipiert und zitiert werden. Für viele Forschende und ihre Einrichtungen bedeutet dies verschlechterte Karriereaussichten, verringerte Chancen für künftige Forschungsvorhaben und eine geringere Forschungsproduktivität, da der unmittelbare Anschluss an relevante Forschungsergebnisse nur eingeschränkt möglich ist.

Und selbst für diese zunehmend eingeschränkten Zugangsmöglichkeiten bezahlt die öffentliche Hand gleich mehrfach: Die Gehälter vieler Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen und die Kosten für die redaktionelle Überarbeitung werden weitgehend vom Staat finanziert. Hinzu kommen Druckkostenzuschüsse aus Fördermitteln, in der Regel ebenfalls von öffentlichen Geldgebern. Die fertigen Publikationen werden schließlich gegen teilweise horrende Preise von den Bibliotheken zurückgekauft, damit diese sie wiederum in ihren Einrichtungen zur Verfügung stellen können.

Formierung einer Wissenschaftsrevolution

"An old tradition and a new technology have converged to make possible an unprecedented public good."5 - Die alte Tradition, von der hier die Rede ist, ist die Bereitschaft von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die Ergebnisse ihrer Arbeit in Fachzeitschriften zu veröffentlichen, ohne hierfür von den Verlagen bezahlt zu werden. Die neue Technologie ist das Internet bzw. sind die mit dem Internet geschaffenen technischen Voraussetzungen der weltweiten Information und Kommunikation. Das öffentliche Gut, das aus deren Zusammentreffen hervorgehen kann, besteht darin, dass Veröffentlichungen kostenfrei und ohne Zugangsbeschränkungen für Forschende, Lehrende und Studierende und für alle anderen, die an den Ergebnissen der Wissenschaft interessiert sind, zugänglich sind.

Dass mit dem Internet grundsätzlich neue Möglichkeiten wissenschaftlichen Kommunizierens und Publizierens einhergehen, wurde zunächst vor allem in der Physik erkannt: Mit hep-th (High Energy Physics-Theory) startete 1991 "e-print arXiv",6 ein am Los Alamos National Laboratory in New Mexico entwickelter Dokumentenserver, über den Preprints, d.h. noch unveröffentlichte Forschungspapiere, frei zugänglich waren. Die enorme Resonanz in der Physik ermutigte auch in anderen Wissenschaftsfeldern zur Nachahmung: Weitere disziplinäre und institutionelle Dokumentenserver folgten und die Software, die zum Betrieb solcher Server notwendig ist, damit die Autoren und Autorinnen ihre Texte so archivieren können, dass andere sie recherchieren und für die eigene Arbeit nutzen können, wurde sukzessive verbessert.7

Mit dem zunehmenden Wissen um die Potenziale des Internet für die weltweite Wissenschaftskommunikation einerseits und angesichts teilweise arroganter Verlagspraktiken andererseits richtete sich eine wachsende Zahl an Initiativen gegen die den originären Interessen von Wissenschaft entgegenstehenden "access-barriers". Diese Initiativen gründeten zunächst in den nordamerikanischen Naturwissenschaften und in den Informationswissenschaften bzw. im wissenschaftlichen Bibliothekswesen, da diese von der Zeitschriftenkrise am deutlichsten betroffen sind: erstere durch die Veröffentlichung in völlig überteuerten Zeitschriften (insbesondere in den renommiertesten naturwissenschaftlichen Zeitschriften erhalten die Autor[inn]en nicht nur kein Geld, sondern sie müssen umgekehrt im Falle einer Veröffentlichung diese teuer bezahlen); letztere, weil die Bibliotheken diese überteuerten Zeitschriften angesichts massiver Kürzungen in ihren Haushalten nicht mehr anzuschaffen in der Lage und/oder willens waren.

Weitreichend auch über die Naturwissenschaften hinaus ist die Budapest Open Access Initiative (BOAI),8 die Alexander M. Grimwade im Scientist im Februar 20029 in einem Atemzug mit Luthers Thesen und der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung erwähnte, weil er ihr das Potenzial zuschrieb, die wissenschaftlich-publizistische Welt nachhaltig zu erschüttern. Im Kern geht es bei der BOAI darum, dass wissenschaftliche Informationen als öffentliches Gut für alle weltweit und kostenfrei zur Verfügung stehen sollen: "Frei zugänglich im Internet sollte all jene Literatur sein, die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ohne Erwartung, hierfür bezahlt zu werden, veröffentlichen. Zu dieser Kategorie gehören zunächst Beiträge in Fachzeitschriften, die ein reguläres Peer-Review durchlaufen haben, aber auch z.B. Preprints, die (noch) nicht begutachtet wurden, und die online zur Verfügung gestellt werden sollen, um Kollegen und Kolleginnen über wichtige Forschungsergebnisse zu informieren bzw. deren Kommentare einzuholen. Open access meint, dass diese Literatur kostenfrei und öffentlich im Internet zugänglich sein sollte, so dass Interessierte die Volltexte lesen, herunterladen, kopieren, verteilen, drucken, in ihnen suchen, auf sie verweisen und sie auch sonst auf jede denkbare legale Weise benutzen können, ohne finanzielle, gesetzliche oder technische Barrieren jenseits von denen, die mit dem Internet-Zugang selbst verbunden sind".10

BOAI-Strategien

Mit der BOAI werden zwei zentrale Strategien für den freien Zugang zu wissenschaftlichen Publikationen definiert: Zeitschriftenbeiträge sollen entweder in Open Access-Journals veröffentlicht werden (der sog. "goldene Weg" des Open Access-Publizierens), oder andernorts veröffentlichte Zeitschriftenbeiträge sollen zusätzlich auf institutionellen, universitären oder disziplinären Open Access-Dokumentenservern durch die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler selbst archiviert werden (der sog. "grüne Weg"). Über diese Strategien hinaus ruft die BOAI ausdrücklich zu "weiterführenden Experimenten" und zu Ressourcen-Sharing auf und lädt Regierungsstellen, Bibliotheken, Zeitschriften, Verlage, Fördereinrichtungen, Stiftungen und Fachgesellschaften ein, sich an der Initiative zu beteiligen.11

Die bereits in der BOAI angelegte Intention, Open Access über den engeren Bereich wissenschaftlicher Veröffentlichungen hinaus auf kulturelle Güter auszudehnen, wird durch die Berlin Declaration on Open Access to Knowledge in the Sciences and Humanities weiter präzisiert, die im Oktober 2003 mit großer Resonanz auch in der deutschen Tagespresse veröffentlicht und von vielen wichtigen Einrichtungen und Gremien unterzeichnet wurde; auf deutscher Seite gehören hierzu neben der Max Planck-Gesellschaft als einem der zentralen Initiatoren u.a. der Wissenschaftsrat, die Hochschulrektorenkonferenz, die Deutsche Forschungsgemeinschaft und die Leibniz Gesellschaft.12 Der Berlin Declaration zufolge sollen Forschende als Empfänger und Empfängerinnen öffentlicher Fördermittel ermutigt werden, ihre Erkenntnisse gemäß dem Open Access-Paradigma zu veröffentlichen; Museen und Bibliotheken werden aufgefordert, ihre Bestände frei im Internet zugänglich zu machen; Evaluationsmethoden und Bewertungsstandards für Open Access-Publikationen sollen entwickelt und ihre öffentliche Wahrnehmung soll unterstützt werden.13

Und die Open Access-Bewegung hat auch an politischer Brisanz gewonnen: Denn die Initiativerklärung der BOAI ist zugleich eine Grundsatzerklärung gegen den Digital Divide, da der beabsichtigte Abbau von Zugangsbeschränkungen zu wissenschaftlichen Publikationen zu verstärkter Diskussion und Kooperation ebenso beitragen soll wie zu wechselseitigem Lernen zwischen "information rich" und "information poor".14 Beispielhaft erwähnt sei auch ein Hintergrundbericht für das französische Institut de l‘Information Scientifique et Technique du Centre National de la Recherche Scientifique, der fordert, dass ärmere Länder zukünftig keine umfangreichen Bibliotheken mehr unterhalten müssen, deren Finanzierung sie überfordert, sondern dass freier Zugang zu zentralen Ressourcen für alle möglich sein sollte. Internationale und lokale Investitionen in die informations- und kommunikationstechnologische Infrastruktur sowie verstärkte Anstrengungen, Open Access-Prinzipien und bereits vorhandene Technologien weltweit besser bekannt zu machen, sollen dabei helfen, die digitale Kluft zu überwinden.15 Umgekehrt heißt es in der WSIS Declaration of Principles "Building the Information Society: a global challenge in the new Millennium" der ersten Phase des World Summit on the Information Society vom Dezember 2003 in Paragraph 28: "We strive to promote universal access with equal opportunities for all to scientific knowledge and the creation and dissemination of scientific and technical information, including open access initiatives for scientific publishing."16 Und Ende Januar 2004 wurde Open Access in einem Statement des Committee for Scientific and Technological Policy der OECD explizit gefordert und unterstützt.17

Rückenwind

Der Rückenwind ist auch in den Zentralen der Open Access-Bewegung spürbar: Das Directory of Open Access Journals18 verzeichnete am 10. Juni 2005 insgesamt 1.601 begutachtete Open Access-Zeitschriften; der Initiativaufruf der BOAI war zum gleichen Zeitpunkt von 3.747 Einzelpersonen und 315 Institutionen unterzeichnet worden.19 Der Erfolg der BOAI, die Berlin Declaration, die WSIS Declaration und das OECD-Statement sind - dies ist sicher - nur vorläufige Höhepunkte gewesen. Bereits vergleichsweise früh war das britische Joint Information Systems Committee bereit, akademische Verlage und wissenschaftliche Fachgesellschaften, die an einem Übergang hin zu Open Access-Modellen für ihre Zeitschriften interessiert sind, finanziell zu fördern,20 und mittlerweile sind auch in anderen Ländern die Bemühungen um Unterstützung durch die Politik und andere gesellschaftliche Kräfte zunehmend erfolgreich.21

Allerdings haben die Open Access-Bewegung und Anstrengungen zur Überwindung der digitalen Kluft nicht nur wichtige inhaltliche Berührungspunkte, sondern auch ein gemeinsames Manko: Abgesehen von einigen kurzen Höhepunkten medialer Aufmerksamkeit - für Open Access etwa im Zuge der Aktivitäten des Nobelpreisträgers Harold Varmus und im Rahmen der Berlin Declaration - kranken beide an einer vergleichsweise geringen (wissenschafts-) öffentlichen Resonanz.

In Deutschland finden wichtige Diskurse zu Open Access nach wie vor in spezialisierten Communities22 statt, die internationale Vernetzung und die Teilhabe an vorrangigen internationalen Foren23 wird vor allem durch einige wenige Akteure geleistet, und in den Fachwissenschaften steckt die Praxis des Open Access-Publizierens in vielen Fällen noch in den Kinderschuhen. Nach einer aktuellen Studie der DFG ist "drei von vier befragten Naturwissenschaftlern und mehr als 85 Prozent der Geistes- und Sozialwissenschaftler Open Access als möglicher Publikationsweg nicht bekannt … Durchschnittlich sind nur rund zehn Prozent aller Zeitschriftenpublikationen in elektronisch frei zugänglichen Open Access-Zeitschriften veröffentlicht worden. In den Naturwissenschaften immerhin ist schon jeder fünfte veröffentlichte Zeitschriftenaufsatz zusätzlich als Postprint über das Internet verfügbar, während die Geistes- und Sozialwissenschaftler diesen Weg kaum nutzen - nur jede zwanzigste Veröffentlichung aus diesem Bereich ist auch im Internet zu finden."24

Der lange Weg in die Praxis

"Imagine a world in which a public search engine is your first port of call for free-of-charge access to any peer-reviewed scholarly article, conference paper, or dissertation. And one in which the primary publication medium of your research is a ,virtual repository‘ from which your publications are freely available on the internet to the international scholarly community - and to any other interested persons."25- Die in der DFG-Studie berichteten Befunde sind umso bedenklicher, als einige Anfangsschwierigkeiten wie der Stand der informationstechnologischen Infrastruktur (viele Open Access-Journals sind zunächst aus mehr oder weniger privaten Initiativen entstanden) und Copyrightregelungen (Annahme von Beitragseinreichungen durch Verlage nur unter der Bedingung, dass die Autorinnen und Autoren das ausschließliche Nutzungsrecht abtreten) auch infolge der Stärke der Open Access-Bewegung teilweise ausgeräumt werden konnten. Nach der SHERPA Publisher Copyright Policies & Self-archiving-Liste erlauben 92% der dort registrierten Verlage die Selbst-Archivierung von Pre- und Postprints auf Open-Access-Servern,26 ohne dass dies allerdings zu einem wirklichen Fortschritt im Feld der Selbstarchivierung, des "grünen Weges" des Open Access-Publizierens, geführt hätte: Zwar verfügt eine wachsende Zahl an deutschen Universitätsbibliotheken über geeignete Dokumentenserver, aber der Bestand der bisher eingepflegten Veröffentlichungen ist (jenseits von bereits länger zugänglichen Dissertationen) denkbar gering.27 Und was den "goldenen Weg", das Publizieren in Open Access-Journals angeht, so wird dies insbesondere von Wissenschaftler[inne]n, die keine oder nur sehr wenige Erfahrungen mit Online-Veröffentlichungen haben, weiterhin teilweise als "junk science" betrachtet, ein Vorurteil, dem wichtige Gratifikations- und Referenzsysteme Vorschub leisten: Veröffentlichungen in Open Access-Zeitschriften werden trotz des vielfach dokumentierten (förder-) politischen Willens in der tatsächlichen universitären Leistungsbewertung minimal (wenn überhaupt) honoriert: "In most universities, publishing in the leading established journals in one‘s field is highly rewarded. Often, the systems are quite explicit and include shortlists of journals, numerical weighting schemes etc. Prestige counts much more than wide and rapid dissemination, and easy access." 28

Hier wiederholt sich eine Erfahrung, die auch für andere Lebensbereiche gültig ist: Dass Institutionen sich auf Open Access verpflichten, bedeutet nicht, dass sie auch für die Information und Unterstützung der in den Institutionen tätigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sorgen. Und dass Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen ahnen, dass Open Access sinnvoll ist und auch für die eigene Karriere nützlich sein könnte, bedeutet nicht gleichzeitig, dass sie Open Access als Publikationspraxis im eigenen wissenschaftlichen Alltag umsetzen.

Es ist deshalb für die Open Access-Bewegung unbedingt erforderlich, dass sie die eigenen Zirkel noch viel mehr als bisher verlässt, um auf (förder-) politischer Ebene und auf Ebene der Universitätsleitungen die Umsetzung der Absichtserklärungen anzumahnen und um Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern vor Ort (bzw. an deren Orten!) - möglichst "praxisnah" - zu vermitteln, was Open Access ist, wie Open Access funktioniert und was Open Access-Publizieren so nützlich macht.

Fördereinrichtungen und Universitätsleitungen spielen eine wesentliche Rolle, weil verbesserte Technologien, die Anrechenbarkeit des Open-Access-Publizierens in universitären Leistungsdaten, avancierte Marketingstrategien und funktionierende Geschäftsmodelle wesentlich darüber entscheiden werden, ob die Autorinnen und Autoren tatsächlich bereit sind, ihre "besten Arbeiten"29 in Open Access-Zeitschriften zu veröffentlichen. Letzteren ist zu vermitteln, dass Open Access-Strategien "der Wissenschaft erlauben, die Kontrolle über ihr eigenes Publikationswesen wieder zu erlangen",30 ein lohnender Einsatz - dies erleben wir täglich als Herausgeberin und Herausgeber einer Open Access-Zeitschrift - für die "Have-Nots" und für die "Harvards", wie das Beispiel eines bekannten amerikanischen Kollegen zeigt: "We believe that it is important to make this paper available to a wider audience and we know that we can achieve this goal through your journal because of its readership and reach. This is why publication in FQS is so important. … Just to illustrate the power of your journal‘s reach, (…) I continue to receive many emails from novice (…) researchers from literally every continent who have read the (…) paper that you published last May. Many are novice researchers seeking more information and help. We have been able to coach them and troubleshoot the problems they encounter as they learn (…). Some of these researchers do not have access to extensive academic libraries so journals like FQS are critical resources to their developing their research skills and knowledge."31

Open Access = Veröffentlichung

In diesem Beispiel klingt bereits an, dass das Potenzial von Open Access nicht auf die reine Zugänglichkeit und Sichtbarkeit wissenschaftlicher Information und auf den damit verbundenen Impact beschränkt ist: Mit elektronischem Publizieren ist eine Verbindung von Information und Kommunikation möglich geworden (z.B. durch die Einbindung zusätzlicher Primärdaten ohne Beschränkung auf ein Format und als zusätzliche Qualitätskontrolle, durch "Open Peer Review"), die in Zeiten nicht-elektronischen Publizierens kaum denkbar war. Aber erst das elektronische Publizieren unter dem Open Access Paradigma ist tatsächliches Veröffentlichen - für eine transdisziplinäre und internationale Wissenschaftsgemeinschaft und in ihr. Und es ist ein Veröffentlichen, das nicht nur den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern die Kontrolle über ihr eigenes Publikationswesen zurückgeben kann, sondern auch der interessierten Öffentlichkeit Einblick in die Wissenschaft eröffnet. Argumente von Verlegerseite gegen Open Access, zu denen u.a. gehört, dass Zugangsbeschränkungen die Integrität wissenschaftlicher Veröffentlichungen sichern und dass z.B. Patienten und Patientinnen vor einer möglichen "Verwirrung" geschützt werden sollen, die resultieren könnte, wäre die referierte medizinische Fachzeitschriftenliteratur frei online zugänglich,32 lassen ahnen, dass hier erst der Beginn einer auch für viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler herausfordernden Zukunft aufscheint.


Anmerkungen

1) Überarbeitete Fassung von: Katja Mruck, Stefan Gradmann & Günter Mey (2004). Open Access: Wissenschaft als Öffentliches Gut. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 5(2), Art. 14. URL:www.qualitative-research.net/fqs-texte/2-04/2-04mrucketal-d.htm . Die hier veröffentlichte Fassung wurde durch Fördermittel der Deutschen Forschungsgemeinschaft ermöglicht (BIB 44 BEfu01-01).

2) Harold Varmus (2003). "Werdet Teil der Revolution!" Digitale Bibliotheken und elektronische Zeitschriften sollen das wissenschaftliche Publizieren ändern. Ein Gespräch mit dem Nobelpreisträger Harold Varmus. Die Zeit, 26. URL: zeus.zeit.de/text/2003/26/N-Interview-Varmus/

3) Heike Andermann (2003). Über die Initiativen des "Open Access". Freier Zugang zu wissenschaftlicher Information. Forschung & Lehre, 12, 637-638; S. 637.

4) Vgl. Rick Weiss (2003). A Fight for Free Access To Medical Research. Online Plan Challenges Publishers‘ Dominance. Washington Post, 5.8.2003, S. A01. URL: www.washingtonpost.com/ac2/wp-dyn?pagename=article&node=&contentId=A19104-2003Aug4¬Found=true

5) www.soros.org/openaccess/read.shtml

6) arXiv.org/

7) Siehe insbesondere www.eprints.org/

8) www.soros.org/openaccess/

9) Alexander M. Grimwade (2002). Open Societies Need Open Access (Commentary). The Scientist, 16(4), 10. URL: www.the-scientist.com/yr2002/feb/comm_020218.html

10) www.qualitative-research.net/fqs/boaifaq.htm

11) www.soros.org/openaccess/g/read.shtml

12) siehe www.zim.mpg.de/openaccess-berlin/signatories.html

13) siehe www.zim.mpg.de/openaccess-berlin/berlindeclaration.html

14) www.soros.org/openaccess/g/read.shtml

15) Jack Franklin (2002). Open Access to Scientific and Technical Information: The State of the Art. A Background Report Compiled for l‘Institut de l‘Information Scientifique et Technique du Centre National de la Recherche Scientifique (INIST-CNRS). URL: www.inist.fr/openaccess/en/etat_art.php

16) Noch deutlicher haben Forderungen der Open Access-Bewegung in die Civil Society Summit Declaration "Shaping Information Societies for Human Needs" ( www.worldsummit2003.de/download_en/WSIS-CS-Dec-25-2-04-en.rtf ) und in die Civil Society Essential Benchmarks for WSIS ( www.worldsummit2003.de/download_en/CS-Essential-Benchmarks-for-WSIS-11-12-03-en.rtf ) Eingang gefunden.

17) Siehe zusammenfassend Barbara Quint (2004). OECD Ministers Support Open Access for Publicly Funded Research Data. Information Today, 9. Februar 2004. URL: www.infotoday.com/newsbreaks/nb040209-2.shtml

18) www.doaj.org

19) Siehe www.soros.org/openaccess/view.cfm

20) www.jisc.ac.uk/funding_open_access.html

21) Siehe hierzu die laufend aktualisierten "Open Access News" unter www.earlham.edu/~peters/fos/fosblog.html

22) Hierzu gehört insbesondere die Mailingliste INETBIB - Internet in Bibliotheken www.inetbib.de/ ). Eine wichtige deutsche Veranstaltung, die sich in der ersten Jahreshälfte 2005 mit Open Access beschäftigt hat, war das DINI Symposium "Wissenschaftliches Publizieren der Zukunft - Open Access" am 23. und 24. Mai in Göttingen (siehe www.dini.de/veranstaltung/workshop/goettingen_2005-05-23/programm.php ).

23) Hier ist insbesondere das American Scientist Open Access Forum (amsci-forum.amsci.org/archives/American-Scientist-Open-Access-Forum.html ) zu nennen.

24) Richard Sietmann (2005). "Open Access" als Publikationsalternative unter Wissenschaftlern kaum bekannt. Heise online, 23.05.2005. URL: www.heise.de/newsticker/meldung/59796; siehe auch Katja Mruck & Gudrun Gersmann (Hrsg.) (2004). Neue Medien in den Sozial-, Geistes- und Kulturwissenschaften. Elektronisches Publizieren und Open Access: Stand und Perspektiven. Sonderband 29(1) Historical Social Research.

25) www.lib.uct.ac.za/esl/info2/updatevol3/v3pt1page2.htm

26) Siehe romeo.eprints.org/stats.php

27) Siehe archives.eprints.org/eprints.php?action=browse

28) Bo-Christer Björk (2004). Open Access to Scientific Publications - An Analysis of the Barriers to Change. Information Research, 9(2), Paper 170. URL: InformationR.net/ir/9-2/paper170.html

29) So z.B. die Forderung für die Open Access-Journals der Public Library of Science www.publiclibraryofscience.org ).

30) Gerhard Schneider (2004). Open Access als Prinzip wissenschaftlicher Publikation. Historical Social Research, 29(1), 114-122; S. 122.

31) Die an der Freien Universität Berlin angesiedelte Open Access-Zeitschrift FQS (Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, www.qualitative-research.net/fqs/ ) erscheint seit Januar 2000 dreisprachig (deutsch, englisch, spanisch). Ingesamt wurde von über einer Mill. Hosts auf ca. 6.7 Mill. Seiten zugegriffen und knapp eineinhalb Millionen PDF-Dateien wurden herunter geladen; der monatliche Newsletter, der über neue Veröffentlichungen in FQS informiert, wird derzeit an über 5.300 Abonnent(inn)en verschickt. FQS ist damit die international größte Online-Zeitschrift im Bereich qualitativer Sozialforschung, wobei neben neuen Medien für die Distribution zunehmend auch traditionelle Nachweissysteme genutzt werden; u.a. CSA Illumina www.csa.com/ ) und die International Bibliography of the Social Sciences (www.ibss.ac.uk/ ) für Abstracts, SocINDEX www.epnet.com/academic/socindexFT.asp ) für Volltexte.

32) Siehe zu den "most misleading anti-Open Access arguments" und zu deren Rückweisung www.biomedcentral.com/openaccess/inquiry/myths.pdf .


Dr. Katja Mruck ist Psychologin und Geschäftsführende Herausgeberin der dreisprachigen Open Access-Zeitschrift Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research (FQS) und im Center für Digitale Systeme (CeDiS) der FU Berlin für e-Publishing und Open Access zuständig. - Dr. Günter Mey, Psychologe, hat die Arbeitsschwerpunkte Qualitative Methodologie und Methoden; Online-Kommunikation/-Publishing. U.a. ist er Herausgeber von FQS, des Journal für Psychologie und Cooperating Editor des Historical Social Research. Er ist Geschäftsführer des Instituts für Qualitative Sozialforschung in der Internationalen Akademie gGmbH an der FU Berlin.

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