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Klaus Holzkamp

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"Fräulein Lehrer"

08.01.2018: Der lange Weg zur Lehrerin als Frauenberuf

  
 

Forum Wissenschaft 4/2017; view7 / photocase.de

Unter den Lehrkräften im Schuldienst sind in Deutschland Frauen in der Mehrzahl - fast drei Viertel aller LehrerInnen sind weiblich. Doch das war nicht immer so. Im Gegenteil: Wie Gisela Notz mit einem Blick in die Geschichte des Lehrerberufs zeigt, war es ein langer Weg bis dahin.

Bereits im Mittelalter gab es Klosterschulen und Domschulen, die besonders privilegierten und interessierten Kindern aus den wohlhabenden Schichten (weit überwiegend Jungen) vorbehalten waren. Der Unterricht erfolgte durch Männer. Die Masse der bäuerlichen Bevölkerung erhielt keine Schulbildung. In der Geschichte des Unterrichtswesens für Frauen und Mädchen spielten Frauenklöster eine bedeutsame Rolle für den Unterricht der Töchter aus wohlhabenden Elternhäusern; dort unterrichteten ausschließlich Frauen. Sie lehrten die höheren Töchter Lesen, Schreiben, Latein und Handarbeiten. Später - im 11. und 12. Jahrhundert - wurden auch höfische Sitte und Lebenskunst, deutsche und französische Dichtung, Tanzen, Singen, Saitenspiel und Schachspiel unterrichtet.1 Im ausgehenden Mittelalter entstanden immer mehr städtische Schulen. Grund dafür waren die komplexer werdenden wirtschaftlichen Vorgänge, die von Kaufleuten und Handwerkern vermehrt Kenntnisse des Lesens, Schreibens und Rechnens verlangten. Die meisten Schulen unterrichteten lediglich Jungen. Die Lehrer waren Männer. So ist es auch auf alten Kupferstichen zu sehen. An wenigen Orten, vornehmlich in größeren Handelszentren entstanden städtische Mädchenschulen. Erwähnt wird bereits im Jahre 1320 eine Mädchenschule in Brüssel und 1400 eine in Memmingen. Gegen den Ausschluss aus diesen ersten Bildungseinrichtungen setzten sich Frauen offenbar schon damals zur Wehr, denn wo die städtischen Schulen die Aufnahme von Mädchen verweigerten, entstanden private "Winkelschulen", die auch Mädchen elementare Schreib- und Rechenkenntnisse vermittelten. Lehrerinnen waren meist Handwerker(ehe)frauen oder Witwen von Lehrern. Auch Beginen unterhielten häufig solche Privatschulen.2 Von einer Schule in Überlingen wird berichtet, dass die Lehrerin dort so erfolgreich war, dass die Bürger schließlich auch die Jungen lieber zu ihr als in die örtliche "Lateinschule" schickten. Der Lateinschullehrer wollte dies nicht hinnehmen und forderte eine Geldstrafe von der Lehrerin.3 In der vorindustriellen Gesellschaft blieben Erziehung und Ausbildung weitgehend durch die familiäre Sozialisation mit der "mütterlichen Erzieherin" unter der Regie des "Hausherren" abgedeckt.

Lehrerin wurde einer der ersten standesgemäßen Berufe für bürgerliche Frauen

Es sollte noch lange dauern, bis Frauen in die Lage versetzt wurden, auch im öffentlichen Bereich zu unterrichten, und bevor aus den unterrichtenden Nonnen laizistische Lehrerinnen wurden. Mit den Befreiungskämpfen der Frauen während des ausgehenden 18. und des 19. Jahrhunderts vor dem Hintergrund des beginnenden Industriezeitalters und seinen umwälzenden wirtschaftlichen und sozialen Folgen begannen die Kämpfe um die Verbesserung der Frauenbildung und den Zugang von Frauen zu den alleine Männern vorbehaltenen Universitäten. Eine große Rolle spielte die sich herausbildende bürgerliche Frauenbewegung. Ihr zentrales Anliegen war der Zugang zu Bildung. Damit wuchs auch die Forderung nach Professionalisierung des Lehrerinnenberufes und einer entsprechenden Ausbildung. Den Frauen missfiel der Unterschied in der Bildung von Männern, die bereits wissenschaftlich geschult waren, und bürgerlichen Frauen, die trotz ihres Wissensdrangs lediglich auf Heim und Familie vorbereitet worden waren oder gar ihren autodidaktisch errungenen Bildungsstand verbergen mussten, weil es Aufsehen und Befremden erregt hätte, wenn sie sich als Frau in "männliche" Debatten einmischten. Ihrem Wunsch aus der Enge des eigenen Heimes herauszutreten und Lehrerin zu werden, widersetzten sich die Männer, die wie Rousseau der Auffassung waren, der Vater sei der beste Erzieher der Kinder. Mit der Verabschiedung des "Allgemeinen Landrechts" 1794 in Preußen wurde das Schulwesen - man unterschied bereits Volksschulen und Gymnasien - für eine Angelegenheit des Staates erklärt.4 Der Lehrer wurde Staatsbeamter; Frauen wurden aus dem Lehrberuf zurückgedrängt. Letztere sollten erst 1809/11 im Zuge der Steinschen Städteordnung als "Sachkenner über die Töchterschulen" einbezogen werden.5 Die 1810 in Preußen verabschiedete Regelung der Lehramtsprüfung der an Seminaren ausgebildeten Volksschullehre galt ebenso wie die Regelung für die höheren Schulen ausschließlich für Männer.

Dennoch wurde 1811 das erste Lehrerinnenseminar der Königlichen Luisenstiftung in Berlin gegründet. Junge Mädchen bekamen eine dreijährige Ausbildung "für das häusliche und öffentliche Erziehungswesen". Sie mussten mit dem Entlassungszeugnis der Luisenstiftung als Befähigungsnachweis vorliebnehmen. Zwanzig Jahre später, 1832, wurde ebenfalls in Berlin die Augusta-Schule, eine "Königliche höhere Mädchenschule" gegründet. Sie verschaffte den Frauen eine dreijährige Ausbildung für Lehrerinnen an mittleren und höheren Töchterschulen. Der Andrang der "Höheren Töchter" war groß. Bis 1845 waren 140 Lehrerinnen ausgebildet, die dann später auch in den Dienst der Volksschule traten. 1833 gab es in Preußen bereits 342 solcher - überwiegend privater - Töchterschulen, an denen 538 Lehrer und 289 Lehrerinnen beschäftigt waren. Ein Jahr später wurde die Gewerbefreiheit für die Gründung von Privatschulen wegen angeblicher Missstände eingeschränkt. Sie benötigten nun eine Konzession und wurden unter Schulaufsicht gestellt. 1837 wurde im Hinblick auf die zahlreichen Berliner Gründungen durch das Provinzialschulkollegium der Provinz Brandenburg eine Prüfungsordnung für Lehrerinnen erlassen. In den folgenden Jahren wurden verstärkt städtische und private Lehrerinnenseminare gegründet. Eine Professionalisierung konnte nicht mehr aufgehalten werden. Amtliche Lehrerinnenprüfungen für ganz Preußen wurden dennoch erst zwischen 1845 und 1853 eingeführt. Damit hatte der Lehrerinnenstand eine Entwicklung nachvollzogen, die der Lehrerstand schon 50 Jahre zuvor erreicht hatte. Die Gründung des ersten Seminars für Volksschullehrerinnen erfolgte 1852 in Droyssig. Der Religionsunterricht beherrschte die Ausbildung der Lehrerinnen, die dem "Gehilfinnen"-Prinzip folgte: "Die weibliche Lehr- und Erziehungstätigkeit wird natürlich nur ein ergänzendes Glied auf dem Gesamtgebiet der Unterweisung bleiben und auch hier das Bibelwort von der Gehilfin des Mannes bewähren." Immerhin bestanden in Preußen im Jahre 1869 39 Lehrerinnenbildungsanstalten, darunter 10 private. 12 Einrichtungen standen unter weiblicher Leitung.

Obwohl immer mehr bürgerliche Frauen den Beruf der Lehrerin ergriffen, spielten die Lehrerinnen im öffentlichen Schulwesen zum Zeitpunkt der Reichsgründung 1871 noch immer eine untergeordnete Rolle. Ihre Ausbildung für den Unterricht an mittleren und höheren Mädchenschulen lag nach Zeit, Inhalt und Methodik unter derjenigen der seminaristisch ausgebildeten Lehrer. Bei Lehrermangel, vor allem während der Kriege zwischen 1864 und 1871 stieg ihre Zahl sprunghaft. Da sie ein niedrigeres Gehalt als ihre männlichen Kollegen bekamen, waren sie willkommener Ersatz für ihre männlichen Kollegen. Selbst an den öffentlichen höheren Töchterschulen unterrichteten Lehrerinnen in der Regel in der Unterstufe und Mittelstufe. Die Schulleitung und der Unterricht für die Oberstufe lagen fast ausschließlich in den Händen von akademisch ausgebildeten Lehrern, zum Teil auch noch immer von Theologen. Anders präsentierte sich hingegen das private höhere Mädchenschulwesen; es übertraf das öffentliche zahlenmäßig. Hier beherrschten Frauen das Feld. Sie entwickelten glänzende pädagogische Fähigkeiten und durch eigene Fortbildung errungene wissenschaftliche Leistungen und bewährten sich auch als Schulleiterinnen. Sie waren es, die den Beruf der Lehrerin zum einzigen akzeptierten gehobenen Frauenberuf machten und ihre Interessen öffentlich vertraten. Doch bald erschien der Abschluss der Töchterschule, mit der Ausbildung der Mädchen zur "harmonischen Persönlichkeit" und der "religiösen und sittlichen Bildung", in deren Rahmen der Unterricht in Mathematik und Naturwissenschaften völlig vernachlässigt wurde, nicht mehr zeitgemäß. Die Höhere-Töchter-Laufbahn, die keinerlei berufliche Berechtigung ergab und die sie letztlich auf eine "standesgemäße Heirat" vorbereiten sollte, reichte den jungen Frauen aus den bürgerlichen Schichten nicht mehr. Sie wollten nicht mehr zwischen Hörsaal und Klavierunterricht warten, "bis etwas käme, das sie mitnähme".6

Klassenspezifische Gliederung des Schulwesens

Übergreifend für den Lehrer galt zunächst die Bindung an ein kirchliches Amt: der Volksschullehrer war meist gleichzeitig Küster, der Gymnasiallehrer ist aus dem Theologenberuf hervorgegangen, weshalb er auch als "säkularisierter Klerus" bezeichnet wird. Die Säkularisierung betraf jedoch nur die Gymnasien; für die Volksschule blieb die geistliche Schulaufsicht erhalten. Die Herausbildung des Lehrerberufes war von Anbeginn an gebunden an die klassenspezifische Entstehung und Gliederung des Schulwesens. In der Gesellschaft des 18. und 19. Jahrhunderts war das Gymnasium die Schule der "gebildeten Klasse". Die Gymnasiallehrer, die aus dieser Gesellschaftsschicht stammten oder in sie aufgestiegen waren, zählten (sich) zur Bildungselite. Die Volksschule war - wie der Name schon sagte - die Schule des "niedrigen Volkes" und der Volksschullehrer der "Proletarier" unter den Lehrern, der oft um sein kärgliches Gehalt kämpfen musste. Diese Differenzierung des Schulsystems hatte die Spaltung in verschiedene Lehrergruppen zur Folge, die sich auch in der Spaltung der LehrerInnenausbildung niederschlug. In den Überlieferungen ist bis ins 19. Jahrhundert ohnehin nur vom Lehrer und von der Lehrerausbildung die Rede.7

Die gesetzliche Schulpflicht war schwer durchzusetzen

Die Ausbreitung des Lehrerinnenberufes war eng mit der Einführung der Schulpflicht verbunden. Schulpflichtgesetze im 18. Jahrhundert waren eher Absichtserklärungen und galten meist nur für Knaben. Der Staat verfügte über kein flächendeckendes Schulsystem, das allen potentiellen Schülern einen ordnungsgemäßen Schulbesuch ermöglicht hätte. Besonders in der Landbevölkerung stieß die Schulpflicht zunächst auf Widerstand. Die in kleinbäuerlichen Betrieben notwendige Arbeitskraft der Kinder wurde erheblich wichtiger als deren Schulbildung angesehen. Aber auch in der Heim- und Manufakturarbeit, im Bergwerk und den expandierenden Industriestädten mussten viele Kinder zum Unterhalt der Familien beitragen und waren vom Schulbesuch ausgeschlossen. Erst 1853 erfolgte in Preußen das Verbot der Fabrikarbeit der Kinder unter 12 Jahren, das jedoch häufig umgangen wurde.

In den Bestimmungen des Allgemeinen Landrechts für die preußischen Staaten von 1794 hieß es im 12. Titel "Von niedern und höhern Schulen": "Jeder Einwohner, welcher den nöthigen Unterricht für seine Kinder in seinem Hause nicht besorgen kann oder will, ist schuldig, dieselben nach zurückgelegtem fünften Jahre zur Schule zu schicken." Es stand in der Pflicht des "Hausvaters", für den Unterricht zu sorgen, und zwar "in seinem Hause". Erst wenn er das nicht schaffte, entstand die Pflicht, die Kinder zur Schule zu schicken. Begüterte "Hausväter" schickten ihre Kinder auf Privatschulen, die in kommunaler oder kirchlicher Hand lagen. Für die Kinder der unteren Schichten wurde der Schulbesuch zum Indiz gesellschaftlicher Diskriminierung.8

Erst in der Weimarer Verfassung und im Grundschulgesetz wurden seit 1919 die neuen und bis heute unveränderten Vorgaben formuliert und zum Gesetz. In Art. 145 der Verfassung heißt es: "Es besteht allgemeine Schulpflicht. Ihrer Erfüllung dient grundsätzlich die Volksschule mit mindestens acht Schuljahren und die anschließende Fortbildungsschule bis zum vollendeten achtzehnten Lebensjahre." Erst nun war die Schule verstaatlicht, nicht mehr milieugebunden, sondern "allgemein", also schichtunabhängig gleich.

"Fortschrittliche Frauen" gründeten den Lehrerinnenverein

Mit der Herausbildung des Selbstbewusstseins der Lehrpersonen gründeten sich auch die ersten Standesorganisationen. 1872 wurde der "Deutsche Verein für das höhere Mädchenschulwesen" gegründet. Sowohl an den höheren Mädchenschulen, als auch im Verein überwog nach wie vor die männliche Lehrerschaft. Die "Töchterschulmänner", wie sie sich selbst nannten, bestimmten auch, dass in der Oberstufe mehr Lehrer, in der Unterstufe mehr Lehrerinnen eingesetzt werden sollten. Den Lehrerinnen riss der Geduldsfaden und sie entschieden, sich nicht gemeinsam mit den Männern zu organisieren, sondern gründeten ihren eigenen Verein. Schließlich hatten auch sie bereits begonnen, eine eigene Identität herauszubilden.

Es waren "fortschrittliche Frauen", die im Jahr 1890 den Allgemeinen Deutschen Lehrerinnenverein (ADLV) gründeten, der in der sich etablierenden bürgerlichen deutschen Frauenbewegung, besonders in deren gemäßigtem Flügel, eine bedeutsame Rolle spielen sollte. Fünf Lehrerinnen bildeten den Vorstand, der in der Folgezeit die Mädchenbildung stark beeinflusste. Neben Auguste Schmidt (1833-1902) und Marie Loeper-Housselle (1837-1916) spielte Helene Lange (1848-1930) als erste Vorsitzende die Hauptrolle. Sie hatte sich schon seit einigen Jahren für die Verbesserung der Mädchenbildung eingesetzt. Aufsehen erregte sie mit der sogenannten "Gelben Broschüre", die sie 1887 veröffentlichte. Sie enthielt u.a. eine Petition an das preußische Unterrichtsministerium mit zwei Anträgen:

  • Für den "wissenschaftliche Unterricht auf der Mittel- und Oberstufe der öffentlichen höheren Mädchenschulen" sollten in Preußen mehr Frauen eingestellt werden.
  • Zur besseren Ausbildung dieser Lehrerinnen sollten staatliche Anstalten errichtet werden.
  • Das Anliegen der Frauen entfachte einen Sturm der Entrüstung bei der männlichen Lehrerschaft. Vor allem die klare, sachliche, aber kämpferische Schärfe der Schrift wurde von der Lehrerschaft missbilligt. Die Lehrerinnen waren jedoch nicht mehr aufzuhalten. Die Lehrerinnenfrage wurde zur Frauenfrage. Die Lehrerinnen lamentierten nicht nur, sondern wurden selbst aktiv.

    Noch vor der Gründung des ADLV führte Helene Lange 1889 "Realkurse" für Frauen ein. Damit wurden die Lehrerinnen nun auch in Latein, Mathematik, Naturwissenschaften und Volkswirtschaft unterrichtet. Diese Kurse wurden 1893 in Gymnasialkurse umgewandelt.9 Durch tatkräftige UnterstützerInnen gelang es, dass sie ein Glied im preußischen Schulbetrieb wurden. Es dauerte bis 1905, bis Frauen in Preußen die Zulassung zur "Staatsprüfung für das höhere Lehramt" erlaubt wurde. Ein Anspruch auf Lehrtätigkeit war damit allerdings nicht verbunden.

    Neue Ausschlussverfahren für Lehrerinnen

    Ende des 19. Jahrhunderts nahm die Zahl der Lehrerinnen an staatlichen Volks- und höheren Töchterschulen rasch zu, obwohl es immer noch Diskriminierungen und sogar neue Ausschlussverfahren gab. Frauen bekamen niedrigere Gehälter und hatten schlechteren Zugang zu Leitungs- und Machtpositionen als Männer. Für verheiratete Lehrerinnen wurde 1880 für den Schuldienst im Deutschen Reich die "Zölibatsklausel" eingeführt. Auch wenn sich verheiratete Frauen vom offiziellen Arbeitsmarkt weitgehend fernhielten und auch Arbeiterinnen in der Regel spätestens nach der Geburt eines Kindes ihren Arbeitsplatz, der bürgerlichen Familienideologie folgend, wieder räumen sollten, war das ein Skandal. Mit ihrer Verheiratung erhielten Lehrerinnen die Kündigung. Sie verloren damit auch jeglichen Anspruch auf Ruhegehalt. Männer unterlagen dieser Klausel nicht. Befürworter beriefen sich auf die bürgerliche Familienideologie, nach der es nicht mit der erwünschten Frauenrolle zu vereinbaren sei, ein Leben lang berufstätig zu sein.10 Endgültig aufgehoben für das gesamte Bundesgebiet wurde die Zölibatsklausel erst mit dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 10. Mai 1957. Mit der Weimarer Reichsverfassung war sie 1919 schon einmal abgeschafft, aber 1923 wieder eingeführt worden. Ab 1951 galt sie nur noch in im Dienstrecht des Landes Baden-Württemberg.

    Wie ging es weiter?

    Bis 1918 war die Lehrerausbildung der GymnasiallehrerInnen an Universitäten und der VolksschullehrerInnen an Lehrerseminaren vollkommen verschieden. Erst in der Weimarer Republik bewirkte der Anspruch der Weimarer Verfassung (Art.143) ab 1925 die akademische Ausbildung der VolksschullehrerInnen in Preußen und einigen anderen Ländern durch die Einführung der Pädagogischen Akademien. Bayern und Württemberg folgten dem bis nach dem Zweiten Weltkrieg nicht. Während der Zeit des Nazi-Faschismus wurden die Pädagogischen Akademien wieder abgeschafft und durch die Hochschulen für Lehrerbildung und ab 1941 durch Lehrerbildungsanstalten ersetzt.

    Nach dem Zweiten Weltkrieg blieb in Westdeutschland die Lehrerausbildung weiter getrennt zwischen Universitäten und neu eingerichteten sowie bundesweit vereinheitlichten Pädagogischen Hochschulen. Im Zusammenhang mit der Bildungsreform in den 1960er-Jahren wurde die Ausbildung an Pädagogischen Hochschulen aufgewertet. Ab den 1970er-Jahren wurden mit der Gründung neuer Universitäten die meisten Pädagogischen Hochschulen im Rahmen von länderspezifischen Hochschulreformen in die Universitäten integriert. In Baden-Württemberg wurden die sechs verbliebenen Pädagogischen Hochschulen für die Grundschul-, Hauptschul-, Realschul- und Sonderschullehrer den Universitäten gleichgestellt. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands im Jahre 1990 wurden die westdeutschen Strukturen der LehrerInnenausbildung auf die der neuen Bundesländer übertragen.

    Die aktuelle Regelstudienzeit für das Lehramtsstudium beträgt acht (sechs Bachelor, zwei Master für Primarstufe und Sekundarstufe I) oder zehn Semester (sechs Bachelor, vier Master für Sekundarstufe II). Das Studium ist in den verschiedenen Bundesländern unterschiedlich geregelt, meist umfasst es zwei Hauptfächer und ein oder mehrere pädagogisch ausgerichtete Nebenfächer. Darüber hinaus müssen ein oder mehrere Schulpraktika absolviert werden. Die Erste Staatsprüfung oder ein entsprechender Master-Abschluss beenden das Lehramtsstudium an einer wissenschaftlichen Hochschule. Das Staatsexamen wird inzwischen in vielen Bundesländern durch den Abschluss Master of Education ersetzt. Daran schließt sich das Referendariat in Lehrerseminar und Schule an, das mit der Zweiten Staatsprüfung abgeschlossen wird. Heute ist der Bildungsbereich mindestens bis zum Ende der Grundschule fest in weiblicher Hand. An den Grundschulen unterrichten im bundesweiten Durchschnitt zu über 85 Prozent Frauen.

    Anmerkungen

    1) Vgl. Dorothea Frandsen 1974: Helene Lange, Hannover.

    2) Zu den Beginen als Frauengemeinschaften siehe Gisela Notz 2015: Kritik des Familismus. Theorie und soziale Realität eines ideologischen Gemäldes, Stuttgart: 54-56.

    3) Annette Kuhn (Hg) 1992: Die Chronik der Frauen, Dortmund: 200.

    4) Jochen Gerstenmaier / Franz Hamburger 1978: Erziehungssoziologie, Wiesbaden: 24.

    5) Vgl. zu den folgenden Ausführungen Frandsen 1974: 37-40 (siehe Fn. 1).

    6) Vgl. Alice Salomon 1902: Soziale Frauenpflichten, Berlin: 35.

    7) Vgl. Christoph Wulf 1974: Wörterbuch der Erziehung, München: 368-374.

    8) Heinz Elmar Tenorth: Kurze Geschichte der allgemeinen Schulpflicht www.bpb.de/gesellschaft/kultur/zukunft-bildung/185878/geschichte-der-allgemeinen-schulpflicht (Zugriff: 12.11.2017).

    9) Kuhn 1992:373 (siehe Fn. 3).

    10) Zur bürgerlichen Familienideologie siehe: Notz 2015 (siehe Fn. 2).

    Dr. Gisela Notz, Sozialwissenschaftlerin, Historikerin und Autorin, lebt und arbeitet freiberuflich in Berlin.

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