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Klaus Holzkamp

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Querela Pacis

08.01.2018: Erasmus von Rotterdam und seine Friedensschrift von 1517

  
 

Forum Wissenschaft 4/2017; view7 / photocase.de

Im Jahre 1517, also vor 500 Jahren, veröffentlichte Erasmus von Rotterdam (ca. 1469-1536) seine Friedensschrift Querela Pacis (Die Klage des Friedens). Gedacht war dieses Buch für den internationalen Friedenskongress in Cambrai - ein Kongress, der nie stattfand. Diese Publikation des Erasmus erreichte bis in unsere Gegenwart hinein vielfältige Auflagen und Übersetzungen. Karlheinz Lipp sieht darin einen deutlichen Beleg für die stets aktuelle Bedeutung dieser Schrift.

Permanenter Krieg um die Herrschaft in Italien oder um das Erbe Karls des Kühnen von Burgund prägten die historische Epoche, in der Erasmus seine Friedensideen entwickelte. Oft bildeten dynastische Heiraten den Vorwand für die gewalttätigen Auseinandersetzungen. Bereits im 14. Jahrhundert begann die Ära der Söldnerheere. Blieb der Sold aus, so verwandelten sich die Söldner zunächst in Meuterer und in Phasen ohne Kriege in militärische Organisationen, die von Mord, Raub und Plünderungen lebten. Besonders die Zivilbevölkerung erlebte die Gewalt im Alltag massiv.

Auf seinen verschiedenen Reisen durch Europa konnte sich Erasmus selbst ein genaues persönliches Bild von den Schäden der Kriege machen und schildert dies in seinen Briefen. Während seines Aufenthaltes in England lernte der Humanist die Kriegsbereitschaft von König Heinrich VIII. kennen. Erasmus hoffte, dass er durch Aufklärung und eine schonungslose Kritik der Kriege und ihrer Folgen die Bereitschaft zum Frieden voranbringen könne. Dieser Aspekt gehörte auch zum festen Bestandteil von anderen Humanisten der Renaissance wie Thomas Morus, ein Freund des Erasmus, oder Johannes Vives, ein Schüler von Erasmus.

Die Friedensthematik muss als wichtiger Teil von Erasmus‘ Gesamtwerk angesehen werden. In seiner Adagia, einer Sammlung von antiken Spruchweisheiten, fügte Erasmus in der dritten Auflage von 1515 unter der Nummer 3001 das Sprichwort Dulce bellum inexpertis (ein Rückgriff auf die antiken Autoren Vegetius und Pindar) hinzu und baute diese Weisheit zu einer eigenständigen Schrift aus, die noch im gleichen Jahr publiziert wurde. Die erste deutsche Übersetzung dieses Werkes erschien 1519 unter dem Titel Der Krieg ist süß allein den Unerfahrenen.

1517: Erasmus: Die Klage des Friedens

Der Friede erscheint in dieser Schrift als personifizierte weibliche Figur, die in Form einer Rede eine lange Kritik an den kriegerischen Zuständen übt. In der Einleitung verweist der Autor darauf, dass der Krieg der Grund aller Übel sei. Diese Formulierung übernahm Immanuel Kant in seiner berühmten Schrift Zum ewigen Frieden von 1791.

Im Vergleich der Menschen mit den Tieren betont Erasmus, dass den Tieren der Krieg fremd und daher vor allem ein Menschenwerk sei. Tiere töten demnach wegen des Hungers und um den Nachwuchs zu schützen. Anders die Menschen, sie bringen "mit Plünderung, mit Blutvergießen, durch Gemetzel und Zerstörung alles, das Sakrale und Profane, durcheinander. Und kein noch so heiliger Vertrag stört jene Rasenden bei der gegenseitigen Vernichtung. Der gemeinsame Name Mensch müßte schon genügen, daß Menschen sich einigten."1

Auf der Suche nach einer Abkehr vom Kriegswahn erhofft sich der Autor besonders viel von der Christenheit. "Aber es beschämt und verdrießt mich, dies zu sagen: Marktplätze, Gerichtshöfe, Rathäuser und Kirchen hallen so wider vom lärmenden Streit auf allen Seiten wie nirgends sonst bei den Heiden."2 Auch bei den Fürstenhöfen findet sich kein Geist des Friedens. "Ich sehe schmeichlerische Begrüßungen, freundschaftliche Umarmungen, fröhliche Trinkgelage und die sonstigen Formen der Höflichkeit. Aber, o Schande, auch bei ihnen ließ sich keine Spur von wahrer Eintracht finden. Alles Lug und Trug! Mit offenkundiger Parteilichkeit, durch heimliche Intrigen und Rivalitäten sind sie insgesamt korrupt. Schließlich muß ich erfahren, daß bei ihnen kein Wohnsitz für den Frieden ist, sondern vielmehr die Quellen und Pflanzschulen aller Kriege liegen."3

In der Welt der Gelehrten erblickt Erasmus Streitigkeiten zwischen den verschiedenen philosophischen und theologischen Schulen. Ebenso streiten in der Kirche Priester gegen Priester, Bischöfe gegen Bischöfe. Dieser Zustand steht für den Humanisten im Gegensatz zu dem Leben Jesu. "Ist dessen ganzes Leben als etwas anderes zu betrachten als eine Unterweisung zu Eintracht und gegenseitiger Liebe? […] Als jener erwählte Prophet Jesaja, vom göttlichen Geist erfüllt, das Kommen dieses Christus als des Versöhners der ganzen Welt verkündigte, verhieß er da etwa einen Statthalter? Oder etwa einen Städtezerstörer, einen Krieger oder Triumphator? Keineswegs. Was also dann? Den Friedefürsten."4

In einem weiteren Punkt orientiert sich Erasmus an der Bibel - im Februar 1516 hatte er eine lateinische Ausgabe des griechischen Neuen Testaments veröffentlicht. "Petrus, der sich anschickte, seinen Herrn und Meister im Augenblick der höchsten Lebensgefahr zu verteidigen, wurde von dem Herrn selbst getadelt und gehalten, das Schwert zurückzustecken. Und Christen sind wegen der geringfügigsten Sachen immer bei der Hand, das Schwert zu zücken, und dies gegen Christen."5. Erasmus stellt an dieser Stelle seiner Schrift die christliche Ekklesia und den Krieg gegenüber, um sich deutlich gegen den Krieg auszusprechen.

Den Kriegsursachen widmet sich Erasmus ausführlich.

"Es ist beschämend, daran zu denken, aus welch geringen, welch läppischen Gründen christliche Fürsten die Menschheit in den Krieg treiben. Hier irgendein veralteter oder fauler Titelanspruch, der gefunden oder erfunden wurde. Als ob es tatsächlich so groß zählte, wer die Regierung leitet, wenn nur für das Volkswohl recht gesorgt wird. Dort streitet einer um irgendetwas, das in einem Vertrag mit hundert Abschnitten übergangen wurde. Da ist jemand für seine Person erbittert wegen einer weggenommenen Braut oder einer zu freimütigen Äußerung.

Das Frevelhafteste von allem betreiben die despotischen Ränke-Spieler, die, weil sie die Eintracht des Volkes als Schwächung, die Uneinigkeit aber als Festigung ihrer eigenen Macht empfinden, insgeheim bezahlte Kriegsaufrührer anstiften, wodurch sie zugleich freundschaftliche Bindungen vereiteln und auch das unglückliche Volk ungehemmter ausplündern können; dies besorgen einige der ärgsten Schurken, die sich vom Unglück des Volkes nähren, und für die es in Friedenszeiten in der Republik nicht viel zu tun gibt. […]

Eher Ungeheuer als Menschen sind das, einzig als Wüteriche berühmt, zu nichts gescheit, außer zum Schadenanrichten, und niemals einig, außer zur Unterdrückung der Republik. Und die sich solchermaßen betragen, werden für Christen gehalten, sie erdreisten sich, von allen Seiten mit Menschenblut besudelt, in die heiligen Gotteshäuser und an die heiligen Altäre zu treten. O könnte man diese Pest auf die entferntesten Inseln verbannen!"6

Geschickt stellt Erasmus einen Bezug zu seiner Gegenwart her. "Falls man sich nun früherer Kriege nicht erinnert, vergegenwärtige sich, wer will, die im Zeitraum der letzten zwölf Jahre geführten Kriege, möge er die Ursachen prüfen, er würde erfahren, daß alle um der Fürsten willen unternommen und mit großem Unheil für das Volk geführt wurden, obwohl sie das Volk gewiß nicht das geringste angingen."7

Vehement kritisiert der Christ Erasmus die christlichen Befürworter der Kriege. "Bei den Christen feuern die Gott verkündenden Priester und die sich immer noch frommer als irgendwer zur Schau tragenden Mönche den Herrscher und die Stimmung des Volkes zu Mord und Verwüstung an. Die Posaune der Evangelien machen sie zur Posaune des Mars, ihrer Würde vergessend, laufen sie aufwärts und abwärts, tun und erdulden dann alles solange, bis sie den Krieg entfacht haben. Und ausgerechnet durch die werden die Herrscher, die sonst vielleicht friedlich bleiben, zum Kampf entflammt, denen es anstehen würde, mittels ihrer Autorität Aufrührer zu beschwichtigen. Ja, was noch ungeheuerlicher ist, sie führen selbst Krieg, und das um solcher Dinge willen, denen sogar die heidnischen Philosophen Verachtung zollten, und die zu verachten für apostolische Männer wesentlich und angemessen wäre. […]

Nun stellen sich die Priester selbst in den Kriegslagern ein, die Bischöfe leiten das Heer, ihre Kirchen im Stich lassend, führen sie die Sache der Kriegsgöttin Bellona. Ja, der Krieg erzeugt sogar schon Priester, er erzeugt Bischöfe, er erzeugt Kardinäle, denen der Titel ›Feld-Legat‹ ehrenvoll und als würdig für die Nachfolger der Apostel erscheint. Kein Wunder, daß sich die für Mars begeistern, die Mars hervorgebracht hat. Und um das Unheil noch unheilsamer zu machen, zieren sie eine solche Gottlosigkeit mit dem Anschein der Frömmigkeit."8

Interessant und originell zugleich ist vor dem Hintergrund seiner Kriegskritik die Interpretation des Vaterunsers durch Erasmus.

"Ich frage, wie betet ein Soldat in diesen Gottesdiensten das ›Vater unser‹? Du unverschämter Mund wagst es, ihn Vater zu nennen, der Du deinen Bruder abzuschlachten wünschst? ›Geheiligt werde Dein Name‹. Wie kann der Name Gottes schlimmer entehrt werden als durch die Kriegerei zwischen Euch? ›Dein Reich komme‹. So betest Du, der Du mit so viel Blutvergießen Deine Tyrannei beabsichtigst? ›Dein Wille geschehe, wie im Himmel also auch auf Erden‹. ER will Frieden, und Du rüstest zum Krieg? Das tägliche Brot erbittest Du vom gemeinsamen Vater, der Du die brüderlichen Saatfelder verbrennst, und willst sie Dir lieber auch selber verderben, als jenem den Nutzen gönnen? Wohin sprichst Du denn jetzt mit jener Bitte? ›Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern‹, der Du zum Brudermord eilst? Suchst Du durch Gnadenbitte die Versuchung abzuwenden, der Du mit Deinem Wagstück den Bruder in Versuchung führst? Von dem Übel erlöst zu werden begehrst Du und führst in böser Eingebung das schlimmste Übel für den Bruder im Schilde?"9

Erasmus belässt es nicht mit seiner Verurteilung des Krieges. Neben seiner Ablehnung der Gewalt entwickelt der Humanist ebenso Wege zum Frieden und zur Kriegsvermeidung. Als besonders wichtig erscheint dem Pazifisten eine Abkehr der Herrschenden von ihren machtgierigen Ambitionen, die zu einer kriegsgeilen Politik führen. Erasmus wünscht sich Regierende, die sich dem Wohl der Menschen ihres Landes verpflichtet sehen. Ebenso sollen die untergeordneten Amtsträger handeln.

Konkret: "Ein König, der so gesinnt ist, wird der wohl leicht zu bewegen sein, aus den Seinen Geld herauszupressen, um es einer barbarischen Miliz auszuzahlen? Möchte er die Seinen dem Hunger preisgeben, um ein paar gottlose Feldherren reich zu machen? Wird er etwa dies Leben der Seinigen einer so großen Gefahr preisgeben? Ich meine nein. Möge er die Herrschaft so ausüben, daß er sich erinnert, als Mensch über Menschen zu gebieten, als Freier über Freie, endlich als Christ über Christen. Ihm wiederum möge das Volk so viel übertragen, als dem Volkswohl zuträglich ist."10

Eine weitere Kriegsursache stellt für Erasmus die Bündnispolitik durch verordnete Eheschließungen dar. Staaten seien kein Privatbesitz, der von Herrschenden verändert werden könne. Die Erbfolge, oft genug Auslöser militärischer Konflikte, möchte Erasmus durch einen beachtlichen Vorschlag so geregelt sehen: "Die Thronfolge möge jedoch haben, wer entweder generationsmäßig der nächste ist oder wer durch die Wahl des Volkes für geeignet befunden wurde."11

Sehr bemerkenswert verknüpft Erasmus 1517 die direkte Demokratie mit dem Krieg. "Die allergefährlichste Sache sollte nur mit einstimmigen Beschluß des ganzen Volkes unternommen werden."12

Was Kriege gegen die Türken angeht, so rät der Humanist vor allem "diese durch Unterweisung, Wohltaten und eine rechtschaffene Lebensweise für die Religion Christi zu gewinnen, als sich mit Waffen gegen sie zu erheben."13

Die Vorteile des Friedens (bestmögliche Gesetze, gut bebaute Felder, intakte Städte, ein angesehenes Bildungswesen, sittlicher Lebenswandel) grenzt Erasmus von den drastischen Folgen des Krieges (Ruinen, Zerstörungen, vernichtete Kirchen, verlassene Äcker) ab.

Ganz anschaulich beschreibt der Friedensdenker die Nachteile militärischer Auseinandersetzungen.

"Wenn Du Raubüberfälle verabscheust, eben diese lehrt der Krieg, wenn Du Mordverbrechen verwünschst, eben diese werden im Krieg erlernt. […] Wenn die Mißachtung der Gesetze das sicherste Verderben des Gemeinwesens bedeutet, unter Waffen schweigen die Gesetze. Wenn Du Vergewaltigung, Inzest und solcher Schändlichkeiten mehr für abscheulich hältst, der Krieg ist ein Lehrmeister all dessen. Wenn die Quelle von allem Übel die Gottlosigkeit und Mißachtung der Religion ist, gerade die wird durch die Kriegsstürme ganz und gar verschüttet. Beurteilst Du es als äußerst ungünstig für die Staatslage, wenn die Schlechtesten den meisten Einfluß haben, im Krieg haben die ärgsten Verbrecher die Oberhand. Und die Du im Frieden an den Galgen hängst, die haben im Krieg die höchsten Ämter."14

Kein Krieg ohne Geld - auch die finanzielle Dimension der Kriege reflektiert Erasmus. "Du mußt eine provisorische Stadt anlegen, um eine wirkliche zu zerstören, dagegen könnte mit weniger Mitteln eine andere, richtige Stadt erbaut werden. […] Es würde weniger kosten, neue Mauern zu errichten, als die erbauten mit Kriegsmaschinerie niederzureißen. Ich möchte jetzt nicht zusammenrechnen, wieviel Geld zwischen den Fingern der Eintreiber, Kassenverwalter und Führer des Heeres verschwindet, was bestimmt kein geringer Teil ist. Wenn Du alles einzeln genau kalkulierst, wirst du finden, daß mit dem zehnten Teil der Unkosten der Friede hätte eingelöst werden können."15

Gegen Ende seiner Schrift richtet der Autor Friedensappelle an verschiedene Gruppen. Die Herrschenden sollen sich an Jesus, dem Verkünder des Friedens orientieren. Priester und Theologen sollen besonders das Evangelium des Friedens verkünden. Bischöfe und kirchliche Würdenträger sollen ihren Einfluss im Sinne des Friedens umsetzen, z.B. durch gemeinsame Konzilien. Weltliche Eliten sollen mit ihrer friedensethischen Position die Regenten unterstützen.

Das Fazit des Humanisten lautet: "Vom größten Teil des Volkes wird der Krieg verflucht, man betet um Frieden. Einige wenige nur, deren gottloses Glück vom allgemeinen Unglück abhängt, wünschen den Krieg."16

1518: Erasmus‘ Kritik am militaristischen Papst Julius II.

In einem engen Zusammenhang mit seiner Klage des Friedens steht die nur ein Jahr später erschiene Schrift Papst Julius vor der Himmelstür, in der Erasmus den militaristischen Papst Julius II. (1443-1513) scharf kritisierte. Dieser Papst profitierte von der Vetternwirtschaft seines Onkels, Papst Sixtus IV., und gelangte so zu einer Anzahl von Bischofswürden. Gegen seine inneritalienischen Gegner (Venedig, Bologna, Ferrara) setzte Julius II. gezielt den Kirchenbann ein. Im Jahre 1506 eroberte Julius II. Bologna, das Zentrum der Emilia Romagna. Dieser Soldatenpapst ritt persönlich in einer Rüstung an der Spitze seiner Armee in die Stadt ein und feierte seinen Triumph. Ein Augenzeuge dieses Spektakels hieß - Erasmus von Rotterdam, der sich gerade auf einer Italienreise befand. Zur Erinnerung an dieses Ereignis bekam Michelangelo den Auftrag eine Statue anzufertigen, die den Papst mit dem Schwert in der rechten Hand zeigt.

Im Jahre 1509 schloss sich Julius II. erfolgreich dem französischen König Ludwig XII. und Kaiser Maximilian gegen die antipäpstliche Republik Venedig an. Bereits zwei Jahre später, hier zeigte sich seine wohl kalkulierte Machtpolitik, schmiedete dieser Papst ein Bündnis gegen Frankreich - mit Venedig. Trauriger und grausamer Höhepunkt dieses Krieges bildete die Schlacht von Ravenna am Ostersonntag 1512, die Frankreich gewann - und ca. 10.000 Menschen das Leben kostete.

Unzählige Satiren beschäftigten sich mit diesem Soldatenpapst - und die wohl berühmteste schrieb Erasmus. Es handelt sich hierbei um einen süffisanten Dialog zwischen Petrus und Julius II. Der Papst möchte in den Himmel kommen, was ihm Petrus prompt verweigert. In diesem Zwiegespräch wirft Petrus Julius II. mehrfach und konkret seine rigorose Militärpolitik vor. Der Papst habe sich nur um seine machtpolitischen Strategien und Interessen gekümmert, jedoch nicht um das geistliche Amt.

So lässt Erasmus den Petrus u.a. sagen: "O du kranker Geist! Was ich bisher von dir höre, sind nicht die Worte eines kirchlichen, sondern eines weltlichen Herrschers - nein, nicht einmal weltlich, sondern heidnisch, und schlimmer als alle Heiden. Du brüstest dich deiner großen Taten als Vertragsbrecher, als Kriegshetzer und Anstifter von Schlächtereien: eine satanische, keine pontifikale Gewalt. Wer sich zum Statthalter Christi macht, muß sich anstrengen, Ihm nach Möglichkeit ähnlich zu werden. In Ihm ist höchste Machtvollkommenheit, verbunden mit höchster Güte, höchste Weisheit zugleich mit höchster Einfalt.

In dir sehe ich das Bild der Gewalt verbunden mit höchster Bosheit und höchster Verblendung. Wenn sich nun Satan als Fürst der Bosheit einen Stellvertreter suchen würde, wen könnte er dann eher wählen als einen Deinesgleichen? Sag mir doch einmal: Wo hast du je wie ein Apostel gehandelt?"17

Anmerkungen

1) Erasmus von Rotterdam 1984 : Die Klage des Friedens. Hg. und übersetzt von Brigitte Hannemann. München, Zürich: 53. Die Rechtschreibung wurde nicht modernisiert.

2) Ebenda.

3) Ebenda: 54.

4) Ebenda: 58.

5) Ebenda: 65.

6) Ebenda: 70f.

7) Ebenda: 73.

8) Ebenda: 75f.

9) Ebenda: 77f.

10) Ebenda: 81.

11) Ebenda: 83.

12) Ebenda: 84.

13) Ebenda: 86.

14) Ebenda: 90.

15) Ebenda: 92.

16) Ebenda: 98.

17) Erasmus von Rotterdam 2011: Papst Julius vor der Himmelstür. Übersetzt, mit Anmerkungen und einem Nachwort von Werner von Koppenfels, Mainz: 129ff.

Dr. Karlheinz Lipp ist Historiker mit dem Schwerpunkt Historische Friedensforschung

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