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Klaus Holzkamp

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Forum Wissenschaft

September 1867

18.09.2017: Kolumne

  
 

Forum Wissenschaft 3/2017; Haeferl – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org

Es ist September 2017 - ein Jubiläumsmonat: vor 150 Jahren, im September 1867, erschien der erste Band des Kapital von Karl Marx. Schon seit Beginn des Jahres wird es preisend begangen: in Funk, Film, Fernsehen, Feuilleton und Wirtschaftspresse. Befund: enorme Leistung, allerdings mit einem faulen Kern - die Arbeits- und Mehrwertlehre sei falsch.

Eine argumentationsstarke Minderheit beweist seit etwa einem Vierteljahrhundert, dies sei ein Fehlurteil. Die Arbeits- und Mehrwertlehre sei zu ca. 97 Prozent richtig. Zusatz: Was das politisch bedeuten solle, wisse man nicht.

Leichter hat es eine andere Erkenntnis von Marx und Engels. Sie geht in etwa auf das Jahr 1844 zurück und besagt, die Ökonomie sei die Basis aus Politik, Recht, Kunst und Ideologie. Diese Ansicht hat sich mittlerweile durchgesetzt und ist auch den Verfechtern des Wirtschaftsliberalismus nicht fremd. Es gibt eine affirmative "Neue Ökonomische Politik" und "Ökonomische Theorie der Politik" sowie eine marktkonforme Demokratie.

Das ist Mainstream und hätte sich wohl auch ohne die von Marx und Engels vollbrachte wissenschaftliche Revolution durchgesetzt.

Marx kannte das schon und verachtete es als Vulgärökonomie. Deshalb hat sein Hauptwerk ja nicht den Untertitel: "Politische Ökonomie", sondern deren Kritik: "Kritik der politischen Ökonomie".

Surft man in den Homepages von Universitäten, kann man sich vor politischer Ökonomie kaum noch retten. Die gibt es für fast alles, bis hin zur Politischen Ökonomie des Care-Sektors. Eine jeweilige Kritik dieser Teil-Ökonomien und vollends ihrer Gesamtheit fehlt.

Keine schöne Bilanz. Andererseits: Niemals in der Geschichte des bürgerlichen Deutschland gab es eine Generation, in der die Kenntnis des Kapital so verbreitet war wie die heute Lebenden, trotz 1989. Die Lesekreise blühen unvermindert. Auch hier sollte nicht gleich nach dem politischen Effekt gefragt werden. Die Kapital-Zirkel vermitteln ein intellektuelles Training, das irgendwann ja vielleicht doch ins Konkrete umschlagen kann. Deshalb darf das Jubiläum schon jetzt dankbar zur Kenntnis genommen werden.

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