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Klaus Holzkamp

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Forum Wissenschaft

Strukturelle Barrieren

15.12.2004: Naturwissenschaftlerinnen und Ingenieurinnen im Beruf

  
 

Forum Wissenschaft 4/2004; Titelbild: Karl Blossfeldt (Herr und Frau Wilde)

Seit rund 20 Jahren sind Bemühungen zu verzeichnen, mehr Frauen für technische und naturwissenschaftliche Studiengänge zu gewinnen, bislang aber nicht von Erfolg gekrönt. Dies ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, so die Sicht von Yvonne Haffner und Bärbel Könekamp, dass Frauen mit naturwissenschaftlichen und technischen Studienabschlüssen nach wie vor erhebliche Probleme bei ihrer Etablierung in den entsprechenden Berufsfeldern haben.

Vor diesem Hintergrund untersuchen wir Fragen der Chancengleichheit hoch qualifizierter Frauen und Männer in naturwissenschaftlichen und Ingenieurberufen und stellen hier den Ansatz und einige Ergebnisse unserer laufenden Studie vor.1 Zunächst einmal soll das Projekt Hindernisse für Chancengleichheit im Beruf identifizieren. Unser Blick richtet sich hierbei weniger auf subjektive Einstellungen zum Beruf, auch nicht auf geschlechtsspezifische Motive, Arbeitsweisen, Fähigkeiten oder »weibliche Defizite«; unser Interesse gilt den strukturellen Bedingungen des Teilarbeitsmarktes und der strukturellen Ausgrenzungspraxis einer männlich geprägten Arbeitskultur. Es fällt nämlich auf, dass die Arbeitslosenquote von Absolventinnen technischer und naturwissenschaftlicher Fächer durchweg höher liegt als bei ihren männlichen Kollegen - unabhängig von der konjunkturellen Lage und vom Angebot an entsprechend qualifizierten Hochschulabsolventen.2 Außerdem zeigen Ergebnisse verschiedener HIS-Studien zum Berufseinstieg von Hochschulabsolventen, dass dieser sich bei Frauen sehr viel schwieriger gestaltet als bei Männern mit technischen und naturwissenschaftlichen Abschlüssen.3 Diese Befunde sind umso überraschender, als es sich bei den Absolventinnen um eine relativ kleine, gleichzeitig aber hoch selegierte und fachlich hoch motivierte Population handelt. Man müsste deshalb annehmen, dass die wenigen Frauen, die ein naturwissenschaftliches oder technisches Studium erfolgreich abschließen, dann auch eine sehr erfolgreiche Karriere durchlaufen.

Weiterhin soll die Untersuchung Ansatzpunkte für die Herstellung von Chancengleichheit im Beruf aufzeigen. Deren Identifizierung trägt gleichzeitig den Forderungen der Leitlinie der EU-Kommission und der verschiedenen Aktionsprogramme der Bundesregierung Rechnung. Und letztlich sollen Empfehlungen zum Abbau der vorgefundenen Chancenungleichheit formuliert werden. Denn sonst würden alle Bemühungen, naturwissenschaftliche und technische Studiengänge für junge Frauen attraktiver zu machen, ins Leere laufen. Sollen diese Maßnahmen Erfolg haben, müssten zugleich auch Barrieren und Hindernisse für Chancengleichheit im Beruf abgebaut werden. Darüber hinaus wäre es politisch unverantwortlich, junge Frauen zum Studium in solchen Fächern anzuregen, in denen sie eine hoch problematische berufliche Zukunft zu erwarten haben.

Das Forschungsdesign

Unsere Untersuchung vergleicht die berufliche Situation von Akademikern und Akademikerinnen möglichst gleicher Qualifikation im naturwissenschaftlichen und technischen Bereich, die wir als geeignete Grundgesamtheit annehmen. Dafür wählten wir exemplarisch Fächer aus, die sowohl neue als auch traditionelle Berufsfelder abdecken.

  • Chemie, ein naturwissenschaftliches Fach mit einem in der deutschen Wirtschaft traditionell etablierten Aufgabenbereich. Zugleich liegt hier der Frauenanteil unter den Studienanfängern seit Jahrzehnten um 30% und ist bis Ende der 90er Jahre auf über 40% gestiegen;
  • Informatik im naturwissenschaftlichen und technischen Bereich, ein neues, sich dynamisch entwickelndes Fach mit einem neuen Berufsspektrum. Der Frauenanteil unter den Studienanfängern hat sich seit der Einführung des Fachs diskontinuierlich entwickelt;
  • Physik, ein naturwissenschaftliches Fach mit langer Tradition und einem sich gegenwärtig stark erweiternden Spektrum des beruflichen Einsatzes; der Frauenanteil unter den Studienanfängern lag über Jahrzehnte hinweg bei 10% und ist erst Ende der neunziger Jahre auf 20% gestiegen;
  • Die Ingenieurwissenschaften, eine Fachgruppe, die seit langem mit einem breiten Berufsspektrum am Arbeitsmarkt vertreten ist. In den letzen 10 Jahren hat sich eine deutliche Diskrepanz zwischen der Frauenquote im Studium (zu Gunsten der Frauen) und im Beruf (zu Gunsten der Männer) entwickelt.

Eine Stichprobe berufstätiger Absolventinnen und Absolventen aus diesen Gruppen, die alle Frauen und eine entsprechende Anzahl der Männer umfasst, haben wir schriftlich befragt. Um sie zu erreichen, kooperierten wir mit den jeweiligen Fachgesellschaften bzw. Berufsverbänden.4 Im Anschluss an die Auswertung der schriftlichen Daten sollen Experteninterviews durchgeführt werden, um die Interpretation der quantitativen Daten abzusichern, aber auch, um Einblicke in die Wirkungsmechanismen von Integration und Ausschluss von Frauen in den jeweiligen Berufsfeldern zu erhalten.

Insgesamt nahmen ca. 28.000 Absolventinnen und Absolventen aus den ausgewählten Fächern an der schriftlichen Befragung teil. Bei einer Rücklaufquote von 32% liegen uns etwa 9.000 Datensätze zur Auswertung vor - eine Größenordnung, die für Forschung zur beruflichen Situation von Naturwissenschaftlerinnen/Naturwissenschaftlern und Ingenieurinnen/Ingenieuren in Deutschland einmalig ist. Die hohe Rücklaufquote deutet auf großes Interesse der Befragten hin. Etwa die gleiche absolute Anzahl von Männern und Frauen hat geantwortet. Die Ende August 2003 abgeschlossene Befragung, deren Auswertung noch in vollem Gange ist, zielte auf drei Aspekte: auf die gegenwärtige berufliche Situation, die Ausbildung, die Person und ihre persönlichen Lebensumstände.

Unsere ersten Ergebnisse bestätigen die These der Chancenungleichheit von Frauen und Männern im Beruf aufgrund struktureller Barrieren. Ausgehend von den wichtigsten Kennzeichen der beruflichen Situation der befragten Akademikerinnen und Akademiker zeigen sie, dass beruflicher Erfolg gerade davon abhängt, inwieweit die Anforderungen des beruflichen Alltags erfüllt werden können. Diese Anforderungen sind aber keineswegs an formale Kriterien gebunden,

vielmehr setzen sie bestimmte private Lebenssituationen voraus, die allerdings immer mehr im Wandel begriffen sind.

Bevor die Ungleichheit zwischen Männern und Frauen aufgezeigt werden kann, müssen die typischen Arbeitsbedingungen der untersuchten Fächer charakterisiert werden. Darüber hinaus stellt sich die Frage, wie die Berufstätigen ihre berufliche Situation einschätzen und ob diese von Männern und Frauen unterschiedlich beurteilt wird.

Bedingungen und Zufriedenheit

Ca. 85% der Beschäftigten arbeiten Vollzeit, womit die Quote der Vollzeitbeschäftigung fast 15% über dem Durchschnitt aller Erwerbstätigen in Deutschland liegt.5 Die Arbeitszeit in den untersuchten Fächern ist relativ flexibel; allerdings ist ein deutlicher Unterschied zwischen den traditionellen Fächern - wie den Ingenieurwissenschaften und der Chemie - und dem relativ neuen Fach Informatik zu erkennen. So arbeiten 60% der Informatiker und Informatikerinnen völlig flexibel, wohingegen dies nur 40% der Ingenieurinnen und Ingenieure (Chemie: 44%) tun.

Wochenendarbeit, Reisetätigkeit, Schichtdienst, Bereitschaftsdienste oder Ähnliches sind bei etwa 60% der Arbeitsverhältnisse alltäglich. Hierunter sind deutlich mehr Arbeitsverhältnisse von Männern als von Frauen. Besonders ausgeprägt ist dieser Unterschied bei der Reisetätigkeit: Jeder dritte Mann ist durch Reisen häufig von zu Hause abwesend, wohingegen dies nur auf jede vierte Frau zutrifft.

Für alle Fächer gilt außerdem, dass Wirtschaftsunternehmen die wichtigsten Arbeitgeber sind. Je nach Fach arbeiten zwischen 50% (Chemie) und 70% (Ingenieurwissenschaften) der Befragten in diesem Bereich. Auffallend ist die große Bedeutung der Selbständigkeit für Ingenieurinnen: Etwa 11% der berufstätigen Ingenieurinnen sind selbständig - ein Wert, der in keinem der anderen uns interessierenden Fächer erreicht wird, auch nicht von den Männern in ihnen.

Die Zufriedenheit der Befragten mit ihrem aktuellen Arbeitsplatz zeigt Abb. 1.

Mehr als die Hälfte der Befragten gibt an, dass sie eine interessante Tätigkeit ausüben und außerdem eigenverantwortlich arbeiten. Zufrieden mit ihrem Gehalt sind immerhin noch fast die Hälfte der Befragten. Allerdings sind nur noch wenige mit ihren Arbeitszeiten und ihrer eigenen aktuellen Situation im Ganzen zufrieden. Diesen Aussagen stimmt jeweils weniger als ein Viertel der Befragten voll zu. Auch die Chancen auf einen beruflichen Aufstieg im Unternehmen bewerten die Befragten eher schlecht, obwohl sich immerhin fast die Hälfte einen beruflichen Aufstieg wünscht. Dieser scheint sich allerdings aus Sicht der Befragten nicht im aktuellen Unternehmen verwirklichen zu lassen.

Erfolg und »Leistung«

Die uns vorliegenden Daten ermöglichen es, einzelne formale Erfolgsvariablen zusammenzufassen und somit unterschiedliche Facetten des beruflichen Erfolgs durch Bezugnahme aufeinander und Gewichtung gleichzeitig zu berücksichtigen. Hierdurch wird die Gleichzeitigkeit mehrerer Erfolgsvariablen und deren Bewertung etwas objektiviert. Mit Hilfe der konfirmatorischen Faktorenanalyse wurden hierfür die Variablen Einkommen, Führungsposition, Personalverantwortung, Budgetverantwortung und die Position bei Verhandlungen mit externen Partnern zusammengefasst. In den Ingenieurwissenschaften z.B. verteilen sich die Messergebnisse über Erfolg von Frauen und Männern6 wie in Abb. 2 sichtbar.

Auffällig ist der unterschiedliche Anteil von Männern und Frauen in den nach "sehr erfolgreich" bis "wenig erfolgreich" skalierten Gruppen: Jede vierte Frau ist in der Kategorie "wenig erfolgreich" zu finden. Höhere Erfolgskategorien verzeichnen abnehmende Anteile der Frauen; in der Kategorie "sehr erfolgreich" finden sich nur 14% aller Frauen. Umgekehrt ist es bei den Männern. Sind nur 13% aller Männer "wenig erfolgreich", finden sich in den Kategorien höherer Erfolge kontinuierlich höhere Anteile von Männern. In der Kategorie "sehr erfolgreich" finden sich gut ein Viertel aller befragten Männer.

Darüber hinaus zeigte sich, dass Männer besser in den Betrieb integriert sind und ihre Zufriedenheit mit ihrer beruflichen Situation mit steigendem Alter zunimmt, wohingegen sie bei Frauen abnimmt.

Geringere Erfolge von Frauen im Berufsleben werden immer noch häufig mit ihren geringeren Leistungen begründet. Wir haben deshalb formale Erfolgsindikatoren wie Noten, Studiendauer, Zusatzausbildung, praktische Erfahrung während des Studiums usw. als mögliche Ursachen für unterschiedliche Erfolgsverläufe von Frauen und Männern im Beruf überprüft. Unsere Auswertungen belegen, dass es keine nennenswerten Unterschiede in den »Leistungen« zwischen den Geschlechtern gibt, so dass »Leistung« somit auch nicht zur Erklärung des unterschiedlichen Erfolgs herangezogen werden kann. Die wenigen tatsächlich existierenden Unterschiede, etwa in Schulabschlussnoten, fallen sogar zu Gunsten der Frauen aus, so dass hier eigentlich ein größerer beruflicher Erfolg zu erwarten wäre.

… und Beziehungsarbeit

Auch die Realität hinter der verbreiteten Meinung, das Vorhandensein von Kindern erkläre den geringeren beruflichen Erfolg von Frauen, haben wir überprüft. Exemplarisch zeigt sich für den Bereich der Ingenieurwissenschaften, dass es für den beruflichen Erfolg der befragten Frauen nicht hinderlich ist, Kinder zu haben (siehe Abb. 3).

Im Gegenteil: Der Anteil von Frauen mit Kindern in der Gruppe der "sehr Erfolgreichen" ist sogar etwas höher als derer in dieser Gruppe, die keine Kinder haben. Auffällig ist der Zusammenhang zwischen dem Vorhandensein von Kindern und dem beruflichen Erfolg von Männern. Bei ihnen ist sogar eine eindeutig positive Beziehung zwischen den beiden überprüften Aspekten erkennbar, Kinder und zugleich beruflichen Erfolg zu haben.

Dies gilt allerdings nur auf den ersten Blick. Bei der Frage der Kleinkindbetreuung stellt sich heraus: dass diese bei berufstätigen Frauen komplett anders organisiert ist als bei den berufstätigen Männern. Die weit überwiegende Mehrheit der befragten Männer nutzt bzw. nutzte in den Phasen der intensiven Kinderbetreuung in erster Linie die Betreuungsleistung der nicht erwerbstätigen Partnerin. Die Kinderbetreuung seitens der Frauen ist dagegen durch ein komplexes und dadurch aufwendiges Netz gekennzeichnet: Sie greifen für die Kinderbetreuung nahezu ausschließlich auf außerhalb des eigenen Haushalts liegende Stützsysteme zurück, und zwar immer auf mehrere: Kindergarten, Tagesmutter oder auch Verwandte und FreundInnen.

Eine Ursache hierfür sind sicherlich die unterschiedlichen privaten Lebenssituationen von Männern und Frauen. So unterscheiden sich die Partnerschaften von Männern und Frauen deutlich: Nahezu alle Frauen, die in einer Partnerschaft leben, haben einen berufstätigen Partner. Von den befragten Männern hingegen lebt etwa ein Drittel mit einer nicht berufstätigen Partnerin zusammen. In allen Fachbereichen, die wir untersuchten, sind ca. 80% der berufstätigen Partner von Frauen ebenfalls Akademiker. Dies trifft aber nur auf weniger als die Hälfte der berufstätigen Partnerinnen von Männern zu. Somit sind die persönlichen Lebensverhältnisse der Frauen durch eine Doppelkarriere-Situation charakterisiert - mit allem, was dies mit sich bringt: komplexe und oft schwierige Abstimmungsprozesse von zwei akademischen Karrieren, gemeinsame Organisation der Haushalts- und Familienarbeit, in einigen Fällen auch Wohnen an getrennten Orten usw.

Dies findet seinen Ausdruck in den unterschiedlichen Erwartungen an den Arbeitsplatz (vgl. Abb. 4).

Vor allem das gute Arbeitsklima und eine interessante Aufgabe sind für die befragten Berufstätigengruppen wichtige Bewertungskriterien ihres Arbeitsplatzes. Mehr als 50% der Befragten hielten sie für die Auswahl ihrer Stelle sogar für sehr wichtig, deutlich weniger bedeutend galten ihnen hierfür dagegen das Image des Unternehmens und ihre Aufstiegsmöglichkeiten: Weniger als ein Viertel gab an, dies für sehr wichtig bei der Stellenauswahl zu halten. Auffällige Unterschiede zwischen den Geschlechtern liegen vor allem bei dem Wunsch nach attraktiver Arbeitszeitregelung, dem Ort des Unternehmens und der Vereinbarkeit von Familie und Beruf: Hierauf legen Frauen deutlich größeren Wert als ihre männlichen Kollegen. Diese Erwartungen an den Arbeitsplatz lassen sich offensichtlich besonders gut in Nischen der männlich geprägten Arbeitswelt der von uns untersuchten Arbeitsmarktsegmente verwirklichen. Frauen sind offenbar besonders erfolgreich, wenn sie in Bereichen beschäftigt sind, die weniger im üblichen Arbeitsbereich der untersuchten Akademiker und Akademikerinnen liegen.

Für alle untersuchten Fächer lässt sich feststellen: Selbständige Frauen sind deutlich erfolgreicher als abhängig beschäftigte Frauen. Vergleicht man darüber hinaus nur Frauen mit Kinder, wird dieser Unterschied noch deutlicher. "Sehr erfolgreiche" Frauen mit Kindern sind etwa zur Hälfte selbständig. Dagegen sind etwa drei Viertel der "wenig erfolgreichen" Frauen - mit oder ohne Kinder - Angestellte in Wirtschaftsunternehmen.

Ihre Erfolgschancen erhöhen sich allerdings dann, wenn sie nicht dort beschäftigt sind, wo die Mehrheit - vor allem ihrer männlichen Kollegen - beschäftigt ist. Weisen die Unternehmen für das Fach untypische Merkmale auf, etwa bezüglich des Hauptsitzes, der Marktorientierung oder der Beschäftigtenzahl des Unternehmens, sind die dort beschäftigten Frauen wiederum deutlich erfolgreicher als ihre Kolleginnen, die in eher fachtypischen Unternehmen arbeiten.

Diskrepanzen

Dies alles deutet auf eine Diskrepanz zwischen den von Frauen gewünschten und für ihre Lebenssituation notwendigen Arbeitsbedingungen und den tatsächlich vorhandenen Bedingungen in einem Großteil der beschäftigenden Unternehmen hin. Die dortige Arbeitskultur orientiert sich nach wie vor am traditionellen männlichen Arbeitnehmer, der aufgrund seiner privaten Lebenssituation Einschränkungen seiner Berufstätigkeit weniger unterliegt, als es Frauen tun. Und nach wie vor nutzen Unternehmen nicht das Potenzial junger, gut qualifizierter Frauen. Die von einem traditionellen Verständnis geprägte Arbeitskultur verhindert in vielen Fällen, dass die Kompetenz von Frauen richtig wahrgenommen wird.

… und Forderungen

Geringerer beruflicher Erfolg von Frauen hat also nichts mit geringerer fachlicher Leistung und daher Eignung zu tun. Nicht nur stehen Frauen den Männern in keiner Weise nach, sondern sie sind hinsichtlich einiger formaler Erfolgskriterien sogar in einer besseren Ausgangslage. Ursachen geringerer beruflicher Erfolge von Frauen sind dagegen in der Tat in strukturellen Barrieren begründet: in der Struktur der traditionellen männlichen Arbeitskultur, die eine gleichberechtigte Integration von Frauen in hoch qualifizierten Berufen verhindert. Diese Arbeitskultur erkennt vor allem ungeregelte, überlange Arbeitszeiten als Indikator für Leistung an; als Motivation für Leistungserbringung lässt sie in erster Linie hohen Konkurrenzdruck gelten. Diese Anforderungen lassen sich jedoch mit der Lebenssituation von Frauen schwer vereinbaren. Um günstige Arbeitsbedingungen zu finden, weichen Akademikerinnen der von uns untersuchten Fächer auf für ihr Fach untypische Arbeitsverhältnisse und Arbeitsumgebungen aus. Sind die Arbeitsbedingungen schließlich mit ihrer Lebenssituation vereinbar, steht auch einer beruflichen Karriere nichts mehr im Wege.

Angesichts der steigenden Qualifikation von Frauen wird es zukünftig auch für Männer nicht mehr selbstverständlich sein, eine nichtberufstätige Partnerin zu haben. Angesichts dessen wird ein Umbau der traditionellen Arbeitskultur umso dringlicher. Nicht nur Frauen, sondern nachwachsende Generationen von Akademikerinnen und Akademikern werden neue Formen von Arbeitsbedingungen fordern, um ihre Erwartungen an das Berufsleben mit denen ihrer privaten Lebenssituation vereinbaren zu können.


Anmerkungen

1) Das Projekt "Strukturelle Barrieren für Absolventinnen und Absolventen technischer und naturwissenschaftlicher Fächer im Beruf: Analyse zur Entwicklung von Empfehlungen" wird vom BMBF gefördert und wissenschaftlich geleitet von Prof. Beate Krais. Durchgeführt wird es seit Frühjahr 2002 am Institut für Soziologie der TU Darmstadt; im Herbst 2005 wird es abgeschlossen sein.

2) IAB (Hrsg.) 1998: Materialien aus der Arbeits- und Berufsforschung Nr. 1.1/1998 und 1.2/1998 Bielefeld

3) Minks, K.H. 1996: Frauen aus technischen und naturwissenschaftlichen Studiengängen. Ein Vergleich der Berufsübergänge von Absolventinnen und Absolventen. HIS Hochschulplanung 116. Hannover; Minks, K. H. 2001: Ingenieurinnen und Naturwissenschaftlerinnen - neue Chancen zwischen Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft. HIS Hochschulplanung 153. Hannover

4) Im Einzelnen handelt es sich hierbei um die Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh), die Gesellschaft für Informatik (GI), die Deutsche Physikalische Gesellschaft (DPG), den Verein Deutscher Ingenieure (VDI) und den Deutschen Ingenieurinnen Bund (dib). Die Stichprobe konnte aus Mitgliederdateien gezogen werden.

5) Statistisches Bundesamt 2002

6) Das Bild ändert sich bei der Betrachtung der anderen untersuchten Fächer nicht. Da die fachspezifischen Unterschiede zurzeit aber noch nicht vollständig bekannt sind, werden die einzelnen Datensätze noch getrennt ausgewertet und eine gemeinsame Darstellung ist noch nicht möglich.


Dr. phil. Yvonne Haffner arbeitet seit 1996 als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Soziologie der TU Darmstadt - zunächst im Bereich Umweltsoziologie, seit 2002 im Forschungsbereich Bildung, Organisation und inkorporiertes Wissen. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind Bildung, Arbeit und Geschlecht sowie die sozialwissenschaftliche Modellierung. M.A. Bärbel Könekamp (Päd./Soz.) ist seit 2000 wissenschaftliche Mitarbeiterin im Forschungsbereich Bildung, Organisation und inkorporiertes Wissen am Institut für Soziologie der TU Darmstadt. Ihre Arbeitsschwerpunkte: Bildung, Arbeit und Geschlecht sowie Fachkulturforschung.

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