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Klaus Holzkamp

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Alterssicherung für Frauen

24.08.2014: Neue Rahmenbedingungen erforderlich

  
 

Forum Wissenschaft 2/2014; Foto: Creatista/Photocase.de

In den letzten Jahren ist allgemein festzustellen, dass die Renten sinken. Vielfach wird das auf die demografische Entwicklung zurückgeführt. Das ist in Bezug auf Frauenrenten aber in Frage zu stellen. Ihre Renten waren im Westen schon immer durchschnittlich niedrig, und die dramatischen Rentenverluste der letzten Jahre im Osten können nur wenig mit der demografischen Entwicklung zu tun haben. Den Paradigmenwechsel in der Diskussion über die Altersvorsorge analysiert Hannelore Buls.

Vor dem Hintergrund der realen Altersvorsorge-Situation von Frauen und nachdem die Rentenpolitik der letzten Jahre die Altersvorsorge auf betriebliche und private Vorsorge verlagern wollte, ist es heute im Sinne von Frauenpolitik wichtig zu fragen, welche Gegenmaßnahmen gegen Altersarmut es gibt, allgemein und speziell für Frauen.

Niedrige gesetzliche Rente ist nicht gleich Altersarmut

Die durchschnittlich ausgezahlte1 Bestandsrente2 der Frauen in Westdeutschland liegt seit Jahren bei etwa 500 Euro. Sie steigt nur langsam an, weil zwar mehr Frauen versicherungspflichtig, aber in Teilzeit arbeiten und währenddessen ihr Gesamt-Arbeitszeitvolumen auf dem Arbeitsmarkt nicht gestiegen ist. Frauen teilten sich also "ihren" Arbeitsmarkt nur neu auf. Rentnerinnen in Ostdeutschland sind inzwischen vom dramatischen Wandel der Arbeitsangebote betroffen. Ihre Rente sinkt kontinuierlich. Sie lag in den neunziger Jahren mit etwa 1.000 Euro noch etwa gleichauf mit der Rente ostdeutscher Männer. Darin spiegelte sich das Vollzeit-Erwerbsmodell der Frauen in der DDR wider. Die Rente der Zugangsrentnerinnen3 liegt heute mit ca. 750 Euro ebenfalls erheblich unter der der Männer (ca. 900 Euro)4. Verantwortlich dafür sind die seit der Wende hohe und langandauernde Arbeitslosigkeit für Männer und Frauen, die Tatsache, dass die für Frauenbranchen typischen Arbeitszeiten nach Ostdeutschland übertragen wurden sowie - und das gilt für alle neuen Renten - die rentensenkende Wirkung der Rentenreformen der letzten Jahre. Bei den neuen RentnerInnen ist heute allgemein festzustellen, dass bereits bei einem Drittel der Zugangsrenten der Männer und zwei Dritteln bei den Frauen die Zahlbeträge unterhalb der Grundsicherung liegen, eine Situation, die dringlichen Handlungsbedarf signalisiert.

Im Durchschnitt verfügen Frauen heute über nur 41% der Altersrenten, über die Männer verfügen. Diese geschlechtsspezifische Rentenlücke von 59%5 entspricht in etwa auch dem Unterschied zwischen den Lebens-Einkommen von Frauen und Männern, der 42% beträgt. Dem wird stets gern entgegengehalten, dass alte Frauen deshalb noch lange nicht arm seien. Ihr Alterseinkommen6 liegt im Durchschnitt heute auch leicht über 1.000 Euro, bei Männern ist es mit ca. 1.750 Euro West und 1.300 Euro Ost höher. Dieses höhere Alterseinkommen ihrer Partner wird den Frauen in Statistik und Politik als Einkommen des Haushaltes auch offiziell angerechnet. Dabei ist immer noch entscheidend, in welchem Familienstand Frauen leben. Am wenigsten eigenes Alterseinkommen haben verheiratete Frauen, etwas mehr als 600 Euro, gefolgt von den geschiedenen, die etwa 1.100 Euro haben, wobei die abgeleiteten Ansprüche aus dem Versorgungsausgleich bereits enthalten sind. Und obwohl es Entgeltpunkte für ein bzw. drei Erziehungsjahre und auch die Berücksichtigungszeit bei verringertem Einkommen bis zum 10. Lebensjahr des letzten Kindes gibt, nimmt das Alters-Einkommen von Müttern ab, je mehr Kinder sie erzogen haben. Nach den Zahlen einer Bundestagsdrucksache von 20127 könnte man behaupten, dass jedes Kind die Mutter etwa 50 Euro an Rente kostet. Das ist ganz grundsätzlich auf ihre Erwerbsbeteiligung zurückzuführen.

Mit dem Rentenniveau sinken auch die Frauenrenten

In den Rentenreformen der vergangenen Jahre ging es vordergründig um die Berücksichtigung des demografischen Wandels, im Hintergrund aber auch um eine Umsteuerung von privaten und öffentlichen Geldern von der gesetzlichen Rente in die privatrechtlichen und kapitalgedeckten Versicherungen, unter anderem, indem die Lebensstandardsicherung für das Alter auf die betriebliche und die private Altersvorsorge übertragen wurde. Zu Beginn dieser Politik wurde festgelegt, dass die gesetzliche Rente nur noch 60 Prozent des Lebensstandards im Alter sichern soll und die anderen 40 Prozent je zur Hälfte durch betriebliche und private Renten abgesichert sein sollen8. Dies wurde steuerlich gefördert. Die neue Rentenformel berücksichtigt dies mit dem rentensenkenden "Riester-Faktor". Durch die aktuelle Rentenformel sinkt das Niveau der gesetzlichen Rente weiter. Auch Arbeitsplätze ohne Versicherungspflicht und Niedriglohnpolitik hinterlassen ihre Spuren, denn auch sie werden im Verhältnis der versicherten Arbeitsplätze zu den RentnerInnen und der Lohnsumme zur Rentensumme berücksichtigt. Das Nettorentenniveau9 liegt heute bei ca. 50 Prozent und soll, so will es auch die große Koalition, weiter in Richtung 42 Prozent sinken. Davon sind alle gesetzlichen Renten betroffen.

Aber gerade das können Frauen sich mit ihren niedrigen Einkommen und Renten gar nicht leisten. Viele erfüllen die Voraussetzungen nicht, um den vorgesehenen betrieblichen und privaten Ausgleich schaffen zu können. Viele haben keinen Zugang zur betrieblichen Alterssicherung, beispielsweise in Kleinbetrieben, und vielen fehlt Geld, um z.B. eine Riester-Rente fortlaufend zu bezahlen. So hatten in 2009 nur noch 20 Prozent der Frauen im Westen und ca. 15 Prozent im Osten eine betriebliche Absicherung, die den ausgefallenen Anteil der gesetzlichen Rente ausgleichen könnte. Der Anteil der Frauen mit Riester-Rente liegt heute bei ca. 50%10, aber inzwischen wird bekannt, dass die Versicherungs-Unternehmen ihre Verwaltungskosten für Riester-Verträge so hoch festsetzen, dass die zusätzlichen staatlichen Zuschüsse, auch die höheren der Frauen, darin aufgehen und im Prinzip nur die geringe selbst eingezahlte Summe übrig bleibt. Ein lohnendes Geschäft also, aber nicht für die Frauen. Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass ein großer Teil der Riester-Verträge zeitweise oder endgültig ruht.

Insgesamt bedeutet dies, dass Frauen von der abgesenkten gesetzlichen Rente im Alter leben müssen und dass sie andere Alterseinkünfte benötigen, um nicht in die Grundsicherung zu kommen - womit wir auch wieder bei der Abhängigkeit vom Lebenspartner ankommen.

In der Rentenformel wurden auch Faktoren eingeführt, die die wirtschaftliche Entwicklung berücksichtigen. So wurde die Beitragssatz-Stabilität bis auf höchstens 22 Prozent ansteigend festgelegt. Und es gibt eine Pflicht zur Beitragssatz-Senkung, wenn die Mindestreserve der Rentenversicherung eine bestimmte Höhe erreicht hat, die für 2014 allerdings angesichts der Kosten des aktuellen Rentenpakets ausgesetzt wurde. Eine gute Finanzlage der Rentenversicherung sollte also automatisch zur Entlastung der Unternehmen führen, denn nur für diese hat die Beitragssenkung eine nennenswerte Wirkung. Die Aussetzung ist auch wegen der näher rückenden Baby-Boomer-Jahrgänge zu begrüßen.

Rentenentwicklung abhängig vom allgemeinen Arbeitsmarkt

Die Arbeitsmarkt-Gesetze der letzten 10 Jahre haben dafür gesorgt, dass wir heute einen breit entwickelten Niedriglohn- und Flexibilitäts-Sektor haben, durch vermehrten und dauerhaften Einsatz von Minijobs, Leiharbeit, Befristungen und Werkverträgen. Auch sind die Löhne und Gehälter in Deutschland entsprechend den europäischen und vor allem nationalen Stabilitätsvorgaben nicht entsprechend der Produktivität gestiegen und real sogar gesunken, so dass auch die Rentenbeiträge nicht entsprechend gesteigerter Produktivität ansteigen konnten. Davon profitiert der Export, nicht aber die Rentenkasse. Der Einzelhandel ist ein typisches Beispiel dafür. Vollzeitarbeitsplätze gibt es nur noch in unzureichendem Maße. Minijobs machen ein Drittel aller Arbeitsverhältnisse im Handel aus, und sie werden inzwischen durch noch billigere Werkverträge abgelöst. Für den Arbeitsmarkt der verheirateten Frauen kommt das Lohndumping durch sogenannte "Aushilfe"-Löhne hinzu, die in Konkurrenz zum Abzug mit der Lohnsteuerklasse fünf durchgesetzt werden können und die im Durchschnitt bei 8 Euro liegen. Rechnet man die Differenz zu einem Tariflohn hoch, der z.B. im Einzelhandel bei 12 Euro liegt, so entgeht den Sozialkassen durch Minijobs fiktiv eine jährliche Summe von etwa 9 Mrd. Euro.

Rente ist Spiegel des Erwerbslebens

Über das Äquivalenzprinzip11 in der Rente bestand bisher ein politischer und gesellschaftlicher Konsens. Da eine eigenständige Alterssicherung unter dieser Bedingung nur über Rentenbeiträge zugänglich ist, kann die Frage nach Gegenmaßnahmen zur Altersarmut der Frauen eindeutig damit beantwortet werden, dass sie durch mehr Erwerbstätigkeit und besseren Verdienst bei durchgängiger Versicherungspflicht ganz grundsätzlich selbst vorsorgen müssen. Als Alternative bleibt ihnen sonst nur die Abhängigkeit von anderen oder von der Grundsicherung. Eigenständige Altersvorsorge wird zudem dringlicher, weil die Rolle des Familienernährers von vielen Männern heute aufgrund ihrer eigenen veränderten Arbeitsmarkt-Bedingungen auch im Alter nicht mehr erfüllt werden kann. Auch werden sehr viele Ehen geschieden, und die Unterhalts-Vorgaben verweisen geschiedene Frauen heute nach sehr kurzer Zeit in das Hartz-IV-Regime oder später in die Grundsicherung im Alter, wenn sie nicht durchgängig erwerbstätig gewesen sind.

Aus Sicht von Frauen kommt noch die Frage hinzu, in welcher Höhe die Rente eine "Reparatur" für ihre unbezahlten Leistungen als Hausfrau, Mutter und Pflegerin beinhalten soll, die heute zwar anerkannt und zum Teil mit Entgeltpunkten versehen sind, aber nicht in einem Maße, dass damit eine eigenständige Altersvorsorge möglich wäre. So gibt es in Teilen der frauenpolitischen Szene die Überlegung, dass Frauen eine Grundrente für ihre unbezahlte Arbeit in der Familie oder als Ehrenamtliche erhalten sollen, ohne in die Rentenversicherung entsprechend eingezahlt zu haben, was jedoch nicht allgemein geteilt wird.

An dieser Stelle ist unbedingt auch die Frage zu stellen, wie Rentenzuschüsse oder Aufwertungen wie beispielsweise der neue Mütterpunkt für vor 1992 geborene Kinder, finanziert werden sollen, aus Steuermitteln oder aus Beitragsmitteln? Die Bundesregierung hat sich für Letzteres entschieden, was den allgemeinen Rentendurchschnitt entsprechend weiter senken wird. Aus meiner Sicht ist die richtige Lösung, familienbezogene Leistungen, von denen Frauen mehrheitlich profitieren, auch weiterhin aus Steuermitteln zu finanzieren. Reproduktionsarbeit ist gesellschaftlich notwendige Arbeit, für die unsere Politik in der Vergangenheit entschieden hat, dass sie unbezahlt in der Familie auszuführen ist. Indem z.B. Infrastruktur zur Kinderbetreuung nicht ausreichend eingerichtet wurde oder die Pflege als vorrangige Aufgabe der Familie definiert und deshalb nur teilweise bezahlt wird, verblieb und verbleibt ein nennenswerter Teil der Care-Arbeit bei den Angehörigen - und das heißt, wie wir wissen, bei den Ehefrauen, Müttern und Töchtern, die dazu ihre Erwerbstätigkeit meist einschränken müssen. Da es die Aufgabe unserer sozialen Sicherungssysteme ist, die Lebensrisiken der Menschen abzusichern und der nicht kontinuierliche Erwerbsverlauf zu einem Altersrisiko für Frauen geworden ist, gibt es hier eine sozialpolitische Aufgabe, die auch rückwirkend zu erfüllen ist, wenn im Nachhinein keine Verhaltensänderungen mehr möglich sind. Das ist ganz grundsätzlich die Aufgabe des Sozialstaates bzw. wurde das einstmals als Teil der "sozialen Marktwirtschaft" definiert.

Mangelnde Arbeitsmarktintegration führt zu Altersarmut

Für die unterschiedliche Lage der Rentnerinnen ist ihre Erwerbsbeteiligung verantwortlich, in der sie ihre Anwartschaften erworben haben, bzw. anders herum gesagt, durch die vorrangigen Familienpflichten, die Frauen in der Vergangenheit vor allem in Westdeutschland aufgetragen bekamen und die zudem als Alternative zur Erwerbsarbeit galten. Im Haushalt werden heute etwa eineinhalb Mal so viele unbezahlte Arbeitsstunden erbracht wie insgesamt bezahlte, und zwar überwiegend von Frauen. Für beides, Erwerbsbeteiligung und Familienpflichten, sind gesetzliche Rahmenbedingungen verantwortlich, denn die unbezahlte Eigenleistung in Haus und Familie ist nur bedingt "freiwillig", wie beispielsweise die Pflegeversicherung zeigt: Deren Teilleistungscharakter setzt auf die unbezahlte Übernahme der häuslichen Pflege und soll die Pflegenden dabei unterstützen.

Altersvorsorge und Rentenpolitik sind veränderbar

Für die Zukunft lassen sich die Rahmenbedingungen jedoch ändern, genauso wie die rentenbestimmenden Faktoren (z.B. der Rentenformel) wieder veränderbar sind, denn sie sind politisch festgesetzt und an der Entwicklung der Wirtschaft, der Löhne und Gehälter orientiert. Wenn wir wollen, dass die Rente besser abgesichert ist, müssen die Beitragseinnahmen verbessert werden und das geschieht vor allem durch Arbeitseinkommen. Die Höhe der sozialversicherten Lohn- und Gehaltssumme entscheidet auch über die Gesundheit der Rentenkasse. Und das betrifft nicht nur die Frauen.

Wenn wir wollen, dass Frauen entsprechend mehr bezahlte Erwerbsarbeit leisten, dann müssen die Rahmenbedingungen dazu verändert werden. Dazu gehören auch die altbekannten Faktoren wie Änderung der Ehegattenbesteuerung, Entgeltgleichheit, die Sozialversicherungspflicht ab dem ersten Euro und die eigenständige Krankenversicherung für Erwerbstätige als Anreize für mehr Erwerbsbeteiligung. Hinzu kommen Maßnahmen in der Arbeitsmarktpolitik. Die Regelungen der Bedarfsgemeinschaft im SGB II sorgen heute dafür, dass Frauen keine Vermittlung und Förderung bekommen, wenn sie einen ausreichend verdienenden Partner haben. Wenn sie (auch zusammen mit ihrem Partner) im Hartz-IV-Bezug sind, werden sehr viele aus kurzfristigen Einspar-Überlegungen der Jobcenter in Tätigkeiten vermittelt, die nicht existenzsichernd sind und so auch nicht vor Altersarmut schützen können. Zuallererst ist hier die Zumutbarkeit der Minijobs zu nennen, die beendet werden muss. Aber auch ordentliche Verdienste in vielen frauentypischen Beschäftigungen, wie z.B. Altenpflegerin, Friseurin, Verkäuferin, medizinische Fachangestellte, reichen heutzutage kaum zum Leben und daher keinesfalls für die Altersvorsorge. Es geht also auch um Aufwertung der Stellung von Berufen - und damit des Verdienstes - auf dem Arbeitsmarkt und um einen nicht beschränkten Zugang für Frauen zum ersten Arbeitsmarkt. An dieser Stelle ist unbedingt auch der Mindestlohn zu erwähnen. Es gibt heute etwa fünf (von vierzig) Millionen Erwerbstätige, die weniger als 8,50 Euro pro Stunde verdienen. Aber selbst wenn der gesetzliche Mindestlohn kommt, ist das noch keine Voraussetzung, um für das Alter ausreichend vorzusorgen. Dennoch brauchen wir den Mindestlohn, denn er wäre sozusagen das Auffangnetz, damit Löhne nicht mehr ins Bodenlose sinken können.

Frauenpolitische Bewertung rentenpolitischer Maßnahmen

Die abschlagsfreie Rente ab 63 nach 45 sogenannten Versicherungsjahren12 und der zusätzliche Entgeltpunkt für die vor 1992 geborenen Kinder sind im Erfassungsgrad der RentnerInnen und in der Höhe der Vorteile sehr ungleich verteilt. Die abschlagsfreie Rente wird nur für einen kleinen Teil der rentennahen Jahrgänge Verbesserungen bringen. So haben in 2012 nur ca. 12.000 oder 1,9% der ZugangsrentnerInnen (2,1% der Männer und 0,4% der Frauen) eine abschlagsfreie Rente mit 65 in Anspruch genommen13.

Die abschlagsfreie Rente mit 63 führt für den "Standard-Rentner" (45 Versicherungsjahre mit je einem Entgeltpunkt14) zu erheblichen Zugewinnen. Allein zwischen 63 und 65 Jahren kann er insgesamt eine Bruttorente von ca. 37.000 Euro erhalten. Hinzu kommt im Anschluss die Aufrechnung der erlassenen Abschläge, beispielsweise bis zum 80. Lebensjahr, die sich auf noch einmal ca. 20.000 Euro summieren. Dieser Rentner verfügt bei Rentenbeginn über eine abschlagsfreie Brutto-Rente15 von 1.260 Euro (west) oder 1.125 Euro (ost) monatlich. Zu bedenken ist, dass gerade die besonders langjährig Versicherten häufig mehr als den einen Entgeltpunkt pro Jahr erwerben, weil sie besser verdienten. Die abschlagsfreien Renten werden also in vielen Fällen höher sein als beim Standard-Rentner. Diese Maßnahme ist deshalb eine relative Besserstellung von bereits gut abgesicherten Rentnern. Die ungleiche Verteilung solch hoher Summen zwischen Frauen und Männern führt deshalb zu frauenpolitischer Kritik. Viele Frauen können heute überhaupt nicht mit 63 in Rente gehen, auch nicht mit Abschlägen. Allein dafür bräuchten sie 35 Versicherungsjahre, sie haben im Durchschnitt nur 29. Männer kommen im Vergleich auf rund 40 Jahre.16

Vom zusätzlichen Entgeltpunkt für vor 1992 geborene Kinder werden etwa 9,5 Mio. Rentnerinnen17 profitieren. Die Kosten für die Rentenversicherung sind deshalb mit geschätzten 6,5 Mrd. Euro pro Jahr sehr hoch. Erziehende sollen pro Kind zusätzlich einen Entgeltpunkt, also monatlich ca. 28 Euro (west) oder 25 Euro (ost) erhalten. Allein dieser Unterschied führte bereits zu heftiger Kritik, denn er erzeugt den Eindruck, als sei ein ostdeutsches Kind weniger wert. Der DEUTSCHE FRAUENRAT hat aus Gerechtigkeitsgründen die Gleichstellung mit den ab 1992 geborenen Kindern gefordert, für die es drei Entgeltpunkte gibt. Untersuchungen der Renten von Müttern haben gezeigt, dass jedes Kind für heutige Rentnerinnen i.d.R. zu einer um fünfzig Euro geringeren Rente führte. Das heißt, ein Ausgleich könnte nur mit zwei Entgeltpunkten hergestellt werden.

Anmerkungen

1) Zahlbetrag: Bruttorente abzüglich abzuführender Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge.

2) Bestandsrenten: Renten die bereits länger gezahlt werden.

3) Zugangsrenten: Renten, die in einem Jahr erstmals gezahlt werden.

4) Quelle: Deutsche Rentenversicherung 2013: Rentenversicherung in Zeitreihen, Oktober 2013.

5) Bundestags-Drucksache 17/9117.

6) Alle Alters-Einkünfte, nicht nur gesetzliche Rente. Quelle für Zahlen: Dt. Rentenversicherung: "Alterssicherung in Deutschland" (ASID). Bundestags-Drucksache 17/11666.

7) Bundestags-Drucksache 17/11666.

8) Vgl.: Bundestags-Drucksache 17/11741.

9) Nettorentenniveau = Nettostandardrente im Verhältnis zu durchschnittlichen Nettoeinkommen. Die individuelle Rente kann noch niedriger sein, in Abhängigkeit vom persönlich erzielten Lebenseinkommen.

10) Riedmüller/Schmalreck 2012: "Die Lebens- und Erwerbsverläufe von Frauen im mittleren Lebensalter", Berlin, Januar 2012.

11) Beitragshöhe und -dauer müssen sich in der Höhe der Rente widerspiegeln.

12) Rentenrechtliche Zeiten sind z.B. sozialversicherte Arbeit, Kinderberücksichtigungszeiten bis zum 10. Lebensjahr des letzten Kindes, Arbeitslosigkeit mit Entrichtung von Rentenbeiträgen. Nicht dazu gehört der Minijob.

13) Rentenversicherung in Zeitreihen 2013.

14) Ein Entgeltpunkt wird für ein Jahr Rentenversicherung zum Durchschnittsverdienst (derzeit ca. 32.000 Euro/Jahr) gewährt.

15) Vor Abzug der Kranken- und Pflegeversicherung.

16) Rentenversicherung in Zeitreihen 2013.

17) "Rentenpaket 2014" der Bundesregierung.


Hannelore Buls ist Diplom-Sozialökonomin und Vorsitzende des Deutschen Frauenrats.

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