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Chancen und Risiken des Bologna-Prozesses

15.07.2003: Der Europäische Hochschulraum am Vorabend des Berliner Hochschulgipfels

  
 

Forum Wissenschaft 3/2003; Titelbild: André Kubin

Welche Folgen für Studium und Wissenschaft der sogenannte Bologna-Prozess, die Bemühungen zur Schaffungen einer integrierten europäischen Hochschullandschaft, am Ende haben wird, ist im jetzigen Stadium noch vollständig offen. Die bisherigen Vereinbarungen können sowohl zu einer europaweiten neoliberalen Formierung als auch zu erweiterten Möglichkeiten für die Studierenden Europas ausgebaut werden. Andreas Keller analysiert die wesentlichen Ansatzpunkte und rät zur Einmischung.

Als Bologna-Prozess werden die Bestrebungen europäischer Regierungen verstanden, bis zum Jahr 2010 einen einheitlichen "Europäischen Hochschulraum" zu realisieren. Ziel des Bologna-Prozesses ist eine Konvergenz in der Entwicklung der europäischen Hochschulsysteme, zu der sich die für das Hochschulwesen zuständigen MinisterInnen von inzwischen 33 europäischen Ländern in der Bologna-Erklärung von 1999, die 2001 in Prag fortgeschrieben wurde, verpflichtet haben.1

Wesentliche Zielsetzungen der Bologna-Erklärung sind u.a.:

  • die europaweite Einführung eines Studiensystems leicht verständlicher und vergleichbarer Abschlüsse;
  • europaweite Gliederung des Studiensystems in zwei Hauptzyklen: der erste Zyklus bis zum ersten Abschluss (üblicherweise mit der Bezeichnung Bachelor) mit einer Dauer von mindestens drei Jahren hat in erster Linie Qualifikationen für den Arbeitsmarkt zu vermitteln, ein zweiter Zyklus nach dem ersten Abschluss kann entweder zum Master-Abschluss oder direkt zur Promotion führen;
  • Einführung eines Leistungspunktsystems ähnlich dem im Rahmen des SOKRATES/ERASMUS-Austauschprogramms der EU entwickelten European Credit Transfer System ECTS;
  • die Förderung der Mobilität von Studierenden und Hochschulpersonal;
  • die Förderung der europäischen Zusammenarbeit bei der Qualitätssicherung, insbesondere die Erarbeitung vergleichbarer Kriterien und Methoden.

Breite Akzeptanz

Von der zweiten Bologna-Nachfolge-Konferenz, die am 18. und 19. September 2003 in Berlin stattfinden wird, werden entscheidende Weichenstellungen für die weitere Entwicklung und Ausgestaltung des Bologna-Prozesses bis 2010 erwartet.2 Am Vorabend dieses Berliner Hochschulgipfels zeichnet sich ein erstaunlich großer Konsens in der politischen Bewertung des Bologna-Prozesses durch europäische Interessenorganisationen ab. In einer vergleichenden Analyse der Stellungnahmen von 17 Organisationen kommen Christian Tauch (HRK) und Siegbert Wuttig (DAAD) zu dem Ergebnis, dass sieben Organisation dem Bologna-Prozess auf Basis der Bologna-Erklärung und des Prager Kommuniqué insgesamt voll zustimmen ("full aproval") und weitere neun Organisationen - unter ihnen auch die europäische Studierendenunion ESIB - dem Bologna-Prozess insgesamt bei einigen Vorbehalten grundsätzlich zustimmen ("approval with certain reservations").3 Lediglich einer Organisation, der Europäischen Bildungsinternationalen, werden starke Vorbehalte, aber keine Ablehnung, bescheinigt ("strong reservations, but no rejection"). Grundsätzlich abgelehnt ("rejection") wird der Bologna-Prozess von keiner Organisation.

Dieses hohe Maß an Zustimmung ist einerseits insofern nachvollziehbar, als die Festlegungen der grundlegenden Dokumente von Bologna und Prag durchaus eine Reihe von Chancen für die Entwicklung der europäischen Hochschullandschaft enthalten:

  • Selbstverständlich hat die Perspektive einer kontinentweiten akademischen Freizügigkeit ein emanzipatorisches Moment: Der Aktionsradius von Studierenden und WissenschaftlerInnen würde erweitert, ihre Möglichkeiten, neue kulturelle, historische und theoretische Kontexte wissenschaftlichen Lernens, Lehrens und Forschens aufzusuchen, vergrößert.
  • Die europaweite Gliederung des Studiums in zwei Zyklen sowie die einheitliche Anwendung von Leistungspunktsystemen vermögen nicht nur einen reibungslosen grenzüberschreitenden Hochschulwechsel zu gewährleisten, sondern stellen Ansätze für eine grundlegende Modularisierung von Studienstrukturen dar: Die Möglichkeiten der Studierenden, selbstbestimmt eine individuelle, ihren Erwartungen, Interessen und Planungen entsprechende Gestaltung des Studiums vorzunehmen, könnten sich so erweitern. Im Idealfall würde das Studium aus einer strengen Unterordnung unter wissenschaftliche Einzeldisziplinen gelöst und individuell um komplexe Berufs- und Tätigkeitsfelder herum gruppiert. Diese Perspektiven tragen der anerkanntermaßen gewachsenen Heterogenität von Studierenden und Studieninteressen Rechnung.
  • Von der Zweigliedrigkeit des Studiums gehen schließlich auch Impulse für eine stärkere Durchlässigkeit der unterschiedlichen Institutionen des tertiären Bildungssystems mit der Perspektive einer Integration aus - sofern AbsolventInnen des ersten Zyklus an einer nichtuniversitären Bildungseinrichtung (etwa einer Fachhochschule) der Zugang zur Aufnahme eines zweiten Studienzyklus an einer Universität offen steht.

Andererseits macht die breite Akzeptanz stutzig, weil einzelne Elemente aus einem kritischen Blickwinkel durchaus als strukturelle Voraussetzungen für eine neoliberale Umstrukturierung des europäischen Hochschulwesens interpretiert werden können. Leitbild der neoliberalen Strukturreform ist die Umwandlung der Hochschulen in Dienstleistungsunternehmen, die ihre Produkte - Ausbildung von Studierenden, Bereitstellung von Forschungsergebnissen - in Konkurrenz mit anderen Anbietern auf einem Bildungs- und Wissenschaftsmarkt an kaufkräftige Nachfrager absetzen müssen.4 Konsequenz aus diesem Modell ist, dass die Studierenden als kaufkräftige Nachfrager der Ware Studium marktgerechte Preise - Studiengebühren - zu bezahlen haben. Um einen wirksamen Wettbewerb der Hochschulen als Anbieter von Lehr- und Studiendienstleistungen, um die Studierenden als Kunden in Gang setzen zu können, müssen die Studierenden nicht nur zu Beginn ihres Studium in der Lage sein, sich nach Maßgabe eines Qualitäts- und Kostenvergleichs der unterschiedlichen Anbieter für einen zu entscheiden, sondern auch während ihres Studiums und insbesondere beim Übergang von einem Studienzyklus in den nächsten den Anbieter zu wechseln. Voraussetzung hierfür wiederum ist die Kompatibilität der Studienstrukturen sowie die Übertragbarkeit der erworbenen Studienleistungen und Abschlüsse.

Wird der Bildungs- und Wissenschaftsmarkt, auf dem die Hochschulen in einen Wettbewerb um Nachfrager treten, europaweit konstituiert, bedarf es einer europaweiten Kompatibilität und Übertragbarkeit. Zentrales Instrumentarium für die Herstellung der Übertragbarkeit von Studienleistungen ist ein einheitliches Leistungspunktsystem - gleichsam die gemeinsame "Währung" im europäischen Studienraum, die Studienleistungen messbar und vergleichbar macht. Die europaweit einheitliche Messbarkeit von Studienleistungen bzw. den ihnen zugrunde liegenden Studiendienstleistungen könnte in einem weiteren Schritt zur Voraussetzung für eine international vergleichbare Berechnung von durch die Studierenden zu bezahlenden Gebühren oder für ein europaweit geltendes Bildungsgutscheinsystem werden. Es ist der fragwürdige Verdienst des Berliner Wissenschaftssenators Thomas Flierl (PDS), als erster verantwortlicher Hochschulpolitiker die Verknüpfung von Leistungspunktsystemen und Studienkonten angedacht und deren Einführung in Berlin vorgeschlagen zu haben.5

Diese Entwicklung ist, dies kann nicht nachdrücklich genug betont werden, im Bologna-Prozess keineswegs angelegt. Der Bologna-Prozess könnte eine entsprechende neoliberale Umstrukturierung des europäischen Hochschulwesens begünstigen - ebenso wie er in der Lage ist, emanzipatorische hochschulpolitische Entwicklungen in Gang zu setzen. Insgesamt ist der Bologna-Prozess insofern als widersprüchlich zu bewerten, da er objektiv unterschiedliche Szenarien einer Entwicklung des "Europäischen Hochschulraums" zulässt. Weder eine pauschale Ablehnung noch überschwängliche Zustimmung sind daher eine angemessene Form des Umgangs mit dem Bologna-Prozess.6

Offen für Verschlechterungen

Im Folgenden sollen die wichtigsten Kritikpunkte am bisherigen Verlauf des Bologna-Prozesses zusammengefasst werden, um darauf aufbauend Forderungen für die weitere Ausgestaltung des Prozesses auf europäischer und nationaler Ebene formulieren zu können.

Problematisch ist zunächst der eingeschränkte Gegenstandsbereich des Bologna-Prozesses, der auf Fragen des Hochschulstudiums - insbesondere Studienstrukturen und Übertragbarkeit und Anrechenbarkeit von Studienleistungen - fokussiert. Was einen "Europäischen Hochschulraum" über einen "Europäischen Studienraum" hinaus tatsächlich ausmachte, wären aber darüber hinaus europäische Grundsätze zu Bereichen wie Studienfinanzierung oder Hochschulpersonalstruktur/wissenschaftlicher Nachwuchs. Die europäischen HochschulministerInnen haben zwar angekündigt, in Zukunft auch der sozialen Dimension studentischer Mobilität Rechnung zu tragen und die Doktorandenausbildung auf die Agenda des Bologna-Prozesses zu setzen, doch über die allgemeine Absichtserklärung hinaus ist es bis jetzt nicht zu konkreten Vereinbarungen oder Maßnahmen gekommen.

Der ursprünglich verwendete Begriff der "Harmonisierung" der europäischen Hochschulsysteme wird zwar heute peinlichst vermieden, dennoch konnte die Sorge, dass am Ende des Bologna-Prozesses eine weitgehende Angleichung der Studienstrukturen stehen könnte, nicht ausgeräumt werden. Die Bologna-Erklärung von 1999 lässt den Unterzeichnerstaaten und Hochschulen aber einen weiten Gestaltungsspielraum. Weder wird die Einführung der Abschlüsse Bachelor und Master verlangt, noch werden - abgesehen von der dreijährigen Mindestdauer des ersten Zyklus - konkrete Aussagen zur Studiendauer gemacht, geschweige denn das so genannte 3-5-8-Modell (drei Jahre bis zum Bachelor, weitere zwei Jahre zum Master, weitere drei Jahre zur Promotion) vorgeschrieben. Gleichwohl orientiert sich die tatsächliche Ausgestaltung des Bologna-Prozesses in den Einzelstaaten häufig an viel engeren, in der Bologna-Erklärung nicht enthaltenen Vorgaben.

Was die Studieninhalte angeht, so gehört es zur immer wieder hervorgehobenen Philosophie des Bologna-Prozesses, keine Vereinheitlichungen anzustreben, sondern die in den europäischen Hochschulsystemen vorhandene Vielfalt zu respektieren. Doch auch dieser Grundsatz droht an anderer Stelle aufgeweicht zu werden. So geht es z.B. bei dem von der EU-Kommission geförderten Projekt "Tuning Educational Structures in Europe" letztlich um die Erarbeitung von inhaltlichen Umrissen europäischer Kerncurricula. Auch die Evaluierung und Akkreditierung von Studiengängen, für die einheitliche europäische Richtlinien erarbeitet werden sollen, sollen curriculare Mindeststandards zum Gegenstand haben.

Hürden beim Übergang vom ersten zum zweiten Studienzyklus sind die gravierendsten Probleme der mit dem Bologna-Prozess verbunden Studienstrukturreform. Denn der Grundgedanke der zweigliedrigen Studienstrukturen ist unbestreitbar, dass nicht alle AbsolventInnen des ersten Zyklus automatisch ihr Studium im zweiten Zyklus fortsetzen, sondern ein Teil ihren berufsqualifizierenden Erstabschluss zur Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit nutzen soll. Da die Hochschuletats einerseits europaweit unter dem Druck finanzieller Stagnationen oder Kürzungen stehen, sich andererseits aber die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass die europäischen Volkswirtschaften in Zukunft eher mehr als weniger AkademikerInnen benötigen, stellt die Perspektive einer Verkürzung der Studienzeit eines Teils der Studierenden für die Politik eine interessante Option dar. Diese fiskalisch motivierten Überlegungen überlagern sich mit konservativen bildungspolitischen Einwänden, dass unmöglich 30, 50 oder gar 70 Prozent eines Altersjahrgangs für ein wissenschaftliches Studium befähigt sein könnten. Der grundsätzliche Anspruch von allen AbsolventInnen eines Bachelor-Grades auf direkten Zugang zu mindestens einem Master-Studium stellt im Rahmen der bisherigen Entwicklung des Bologna-Prozesses leider eine Ausnahme dar. In Deutschland bereitet derzeit die Kultusministerkonferenz entsprechende "Strukturvorgaben für Bachelor und Masterstudiengänge" vor, die den Bachelor zum Regelabschluss machen sollen und weiteren Restriktionen für den Zugang zu Master-Studiengängen Tür und Tor öffnen würden.

Insgesamt ist der Bologna-Prozess als ambivalent zu bewerten. Welchen Charakter der Prozess am Ende haben wird, ist sowohl von seiner weiteren Ausgestaltung auf europäischer Ebene als auch von seiner konkreten Umsetzung in den Unterzeichnerstaaten abhängig. Es ist daher Aufgabe zivilgesellschaftlicher Akteure wie Studierendenvertretungen oder Gewerkschaften, möglichst großen Einfluss auf die weitere Ausgestaltung und Umsetzung des Bologna-Prozesses zu nehmen. Für sie kommt es darauf an, Teilhabe an der Interpretationshoheit über die grundlegenden Dokumente des Bologna-Prozesses zu gewinnen. Dabei geht es auch darum, die Offenheit der Bologna-Erklärung zu sichern und Gestaltungsspielräume für vom hochschulpolitischen Mainstream abweichende alternative Entwicklungswege in einzelnen Unterzeichnerstaaten, Regionen oder Hochschulen zu erkämpfen.

Zentrale Anforderungen

Die weitere Ausgestaltung und Umsetzung des Bologna-Prozesses sollte sich an folgenden zehn inhaltlichen Anforderungen orientieren:

1. Für die Mobilität von Studierenden im Europäischen Hochschulraum müssen nicht nur formale Barrieren, sondern auch soziale Hindernisse beseitigt werden. Studierende, die ein Studium im europäischen Ausland aufnehmen oder ihr im Inland aufgenommenes Studium dort fortsetzen, dürfen keine materiellen Nachteile in Kauf nehmen müssen. Das bedeutet wenigstens, dass die Studierenden weder zur Zahlung von zusätzlichen - im Inland nicht fälligen - Gebühren herangezogen werden noch auf eine im Inland gewährte Ausbildungsförderung verzichten müssen. Darüber hinaus sind mittelfristig europaweit soziale Mindeststandards für die Studienfinanzierung anzustreben; dabei ist eine Verschlechterung der Rahmenbedingungen in Ländern mit günstigeren Studienfinanzierungssystemen auszuschließen. Zur sozialen Dimension studentischer Mobilität gehören auch spezifische Service- und Betreuungsangebote der Hochschulen für Studierende aus dem europäischen und außereuropäischen Ausland. Dabei darf die interkulturelle Dimension eines "Europäischen Hochschulraums" nicht zu kurz kommen.

2. Die Laufbahnen für den wissenschaftlichen Nachwuchs - Promotionsphase und ggf. anschließende Postdoc-Phase - sind insoweit aufeinander abzustimmen, dass Hochschulwechsel reibungslos auch grenzüberschreitend erfolgen können. Eine vollständige Angleichung der Laufbahnen ist ebenso wenig wie bei den Studienstrukturen erforderlich.

3. Die angestrebte Konvergenz der europäischen Studiensysteme ist strikt auf die strukturelle Dimension zu beschränken, für die Studieninhalte darf es keine europäischen Vorgaben wie etwa Kerncurricula geben. Die Vielfalt und Heterogenität der Studienangebote in Europa ist als Aktivposten anzuerkennen und zu erhalten.

4. Die Zielsetzung des Bologna-Prozesses, die Studiensysteme europaweit in zwei Hauptzyklen zu gliedern, ist so offen zu halten, wie es in der Bologna-Erklärung vereinbart worden ist. Insbesondere dürfen keine weiteren quantitativen Festlegungen erfolgen.

5. Teilnehmerländer, die wie Deutschland traditionell eingliedrige Studiengänge haben, dürfen nicht zu einer schnellen und flächendeckenden Implementation der neuen zweigliedrigen Studienstrukturen gezwungen werden, sondern in einem angemessenen Übergangszeitraum über 2010 hinaus parallel traditionelle Studiengänge fortführen können. Eine komplette Umstellung darf nicht erfolgen, bevor die Akzeptanz der neuen Abschlüsse auf dem Arbeitsmarkt gewährleistet und nachgewiesen ist.

6. An dem Anspruch, dass Studiengänge eine arbeitsmarktbezogene Qualifikation ("employability") zu vermitteln haben, ist festzuhalten; gleichzeitig ist dieser Anspruch jedoch in einem erweiterten Sinn zu verstehen: Ein Hochschulstudium kann auch und gerade dadurch berufsbefähigend sein, dass es sich nicht unmittelbar an Anforderungen einzelner beruflicher Tätigkeiten ausrichtet, sondern allgemein wissenschaftliche Qualifikationen, Schlüsselqualifikationen und Befähigung zu selbstständigem und kritischem Denken und Arbeiten vermittelt.

7. Der Übergang vom ersten zum zweiten Studienzyklus ist unbedingt offen und durchlässig zu gestalten. Alle AbsolventInnen, die den ersten Zyklus abschließen, müssen einen Anspruch auf Zulassung zu einem weiterführenden Studium im zweiten Zyklus erhalten.

8. Der Übergang vom ersten zum zweiten Studienzyklus sollte nicht nur die grenzüberschreitende Mobilität, sondern auch die nationale und europäische Mobilität von einer Hochschulart zur anderen ermöglichen. Ein schrankenloser "Europäischer Hochschulraum" ist nur vorstellbar, wenn ihm ein integriertes tertiäres Bildungssystem zugrunde liegt.

9. Eine ausreichende Transparenz auch hinsichtlich der Qualität der von den europäischen Hochschulen und Studiengängen erbrachten Leistungen ist Voraussetzung für eine selbstbestimmte grenzüberschreitende Mobilität von Studierenden im Europäischen Hochschulraum. Aber nicht nur für die Qualität der von den Hochschulen erbrachten Leistungen, sondern auch für die Verfahren zur Qualitätssicherung muss der Grundsatz der Transparenz gelten. Die Partizipation der am hochschulischen Wissenschaftsprozess beteiligten Gruppen - Lernende, Lehrende, Forschende und Sonstige - sowie gesellschaftlicher Interessen ist zu gewährleisten.

10. Die grundlegenden Dokumente zur Entwicklung des "Europäischen Hochschulraums" sind künftig in den Teilnehmerstaaten einer parlamentarischen Befassung und Beschlussfassung zuzuführen. In den Gremien des Bologna-Prozesses sind neben den Teilnehmerländern, VertreterInnen der Hochschulen und Studierenden auch Vertreterinnen und Vertreter des Hochschulpersonals in Diskussion und Willensbildungsprozess einzubeziehen.

Anmerkungen

1) Der Verfasser hat im Auftrag der Europaabgeordneten Feleknas Uca eine ausführliche Studie zum Thema erarbeitet. Diese ist abrufbar unter www.bdwi.de/texte/001.htm oder www.pds-europa.de/dokumente/studien/index.htm

2) Weitere Informationen und alle wichtigen Dokumente auf der offiziellen Homepage des Berliner Hochschulgipfels: www.bologna-berlin2003.de

3) Christian Tauch /Siegbert Wuttig: Comparative analysis of selected statements on the European Higher Education Area, based on the Bologna Declaration and the Prague Communiqué, 2002

4) Vgl. Andreas Keller: Hochschulreform und Hochschulrevolte, Selbstverwaltung und Mitbestimmung in der Ordinarienuniversität, der Gruppenhochschule und der Hochschule des 21. Jahrhunderts, Marburg 2000, S. 303 ff

5) Interview "Leistungsanreize statt Strafgebühren", in: Die Welt, 19.06.03. Selbst systemimmanent lässt sich der Vorschlag Flierls als wenig durchdacht kritisieren: Die Vergabe von ECTS-Punkten orientiert sich an der studentischen Arbeitsbelastung, nicht an der erbrachten Lehrleistung. Studierende, die lehrextensive Angebote nutzen, würden demnach ihr Studienkonto schneller aufbrauchen als Studierende, die lehrintensive Angebote in Anspruch nehmen.

6) Vgl. bereits Stefan Bienefeld: Menschenrecht oder Ware? Globalisierung und Europäisierung von Bildungspolitik und Bildungsfinanzierung, in: Bund demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler/freier zusammenschluss der studentInnenschaften (Hrsg.): Bildungsfinanzierung, Marburg (BdWi-Studienhefte), S. 41-44


Dr. Andreas Keller ist Referent für Lehre, Studium und Auslandsaustausch im Dekanat der Charité - Universitätsmedizin Berlin und Mitglied im BdWi-Bundesvorstand.

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