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»Wissenschaft ist also ein prinzipielles Gegen-den-Strom-Schwimmen.«

Klaus Holzkamp

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Forum Wissenschaft

Jörg Huffschmid

15.07.2010: Nachruf

  
 

Forum Wissenschaft 1/2010; Manfred Vollmer

Jörg Huffschmid, geboren am 19. Februar 1940, gestorben am 5. Dezember 2009, war ein großer Ökonom, ein hervorragender Organisator und ein wunderbarer Mensch.

Mit seinem Buch "Die Politik des Kapitals" machte sich der Neunundzwanzigjährige um die wirtschaftswissenschaftliche Alphabetisierung der westdeutschen Intellektuellenbewegung verdient. 1973 wurde er Professor an der Universität Bremen. 1975 war er einer der Mitgründer der "Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik", der so genannten Memorandum-Gruppe. Ihre erste Stellungnahme, im Wesentlichen von ihm verfasst, umfasste nur wenige Seiten und wurde in den "Blättern für deutsche und internationale Politik" veröffentlicht. Diese erschienen im Kölner Pahl-Rugenstein-Verlag. Dessen Leiter, Paul B. Neuhöffer, nahm als Journalist an der Vorstellung des Dokuments im Saal der Bundespressekonferenz teil und erzählte später amüsiert davon: Die Präsentation des Texts zelebrierte Gerhard Kade, Professor für Politische Ökonomie und Planung an der TH Darmstadt, ein Freund und wohl auch eine Art früher Lehrer Jörg Huffschmids. Die Pressemenschen verfolgten entgeistert, wie er genüsslich die Heilige Kuh der liberalen Wirtschaftsdoktrin schlachtete. Jörg Huffschmid saß still dabei: bescheiden und hochzufrieden.

In Berlin war er Mitglied der "Proletarischen Linken - Partei-Initiative" (PLPI) gewesen. Später ging er zur DKP. Zusammen mit dem Leiter des Instituts für Marxistische Studien und Forschungen, Heinz Jung, entwarf er in den achtziger Jahren Konzepte für eine Reformalternative, die den Kapitalismus zur Demokratie und Friedensfähigkeit zwingen sollte. Eine solche Öffnung hätte auch innerparteiliche Konsequenzen gehabt, für welche die beiden keine Mehrheit fanden. Als sie 1989 austraten, haben sie niemanden - keine Person und keine Sache - im Stich gelassen.

Seine Reformvorstellungen hat Jörg Huffschmid in den folgenden Jahren auf europäischer Ebene weiterverfolgt, als federführender Mitgründer der Gruppe "European Economists for an Alternative Economic Policy in Europe" (seit 1995). In seinem Buch "Politische Ökonomie der Finanzmärkte" (1999) beschrieb er die Realität so, dass seiner Meinung nach der Titel "Unter Geiern" angemessener gewesen wäre. Zugleich entwarf er hier in großer Breite und Genauigkeit seine Gegen-Vorstellungen. Der Band eignete sich gleichermaßen als Fibel für ATTAC (er gehörte dem wissenschaftlichen Beirat dieser Organisation in Deutschland an) wie als Lehrbuch für Universitätsveranstaltungen.

Mehr als fast alle seine Kollegen, auch die linken, hat Jörg Huffschmid den Zusammenhang zwischen Rüstung und der jeweils aktuellen Variante des Kapitalismus herausgearbeitet.

Mit seinem großen Aufsatz "Nach der Krise: Das Ende des Finanzmarktkapitalismus?" (2009) zeichnete er die Signatur der vergangenen Jahrzehnte: vom "Staatsmonopolistischen Kapitalismus" (SMK) zum Finanzmarktkapitalismus (FMK) - ohne Illusionen über eine Selbsterledigung des letzteren, aber erneut mit Vorschlägen für eine Wende.

Mit aller Selbstverständlichkeit war Jörg Huffschmid im BdWi. Er drängte sich da ebenso wenig in den Vordergrund wie sonst wo, aber er war ein zuverlässiger Rückhalt.

Er war selbstbewusst und ohne jede Eitelkeit. Da er sich selbst achtete, konnte er auch andere achten. Er hat, so scheint es, immer im richtigen Moment das Richtige getan.


Georg Fülberth

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