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UrheberInnen-Solidarität

15.11.2008: Zur Geschichte der Verwertungsgesellschaften (II)

  
 

Forum Wissenschaft 4/2008; Foto: Reinhard Keller

Kämpfe um das Eigentum haben eine lange Geschichte, auch die Kämpfe um geistiges Eigentum und um dessen Nutzung. Die ProduzentInnen selbst waren die VorkämpferInnen. Schließlich mussten (und müssen) sie häufig von ihm leben. Albrecht Dümling erzählt die Geschichte des Schutzes geistigen Eigentums mit Blick auf die Musik, auf Wissenschaft und Kunst, durch Friedens- und Kriegszeiten hindurch.

Das Urheberrechtsgesetz von 1965 erwähnte neben den Rechten des Urhebers verwandte Schutzrechte, die es als Leistungsschutz- oder Nachbarrechte bezeichnete. Es schützt damit auch solche Leistungen, die nicht eine persönlich-geistige Schöpfung darstellen wie etwa eine musikalische Komposition, aber dennoch als schützenswert betrachtet werden. Dazu gehören die Leistungen der ausübenden Künstler. Bereits seit 1910 genossen sie einen ähnlichen Urheberschutz wie Bearbeiter, obwohl ein Komponist wie Hans Pfitzner dies für abwegig hielt: "Der schöpferische Interpret ist ein Widerspruch in sich." Dieser Schutz kam in der Regel allerdings nur den Tonträgerherstellern und nicht den Künstlern zugute. (Nicht anders hatten Jahrzehnte zuvor überwiegend die Verleger die Aufführungsrechte der Komponisten für sich in Anspruch genommen.)

Orchester

Die 1952 in Düsseldorf gegründete Deutsche Orchestervereinigung (DOV) hat sich von Beginn an solchen Fragen gewidmet. Sie wollte nicht nur eine Orchestergewerkschaft sein, sondern neben der Tarifpolitik auch zum Sozialversicherungsrecht, zur Kulturpolitik und zur Entwicklung des Leistungsschutzrechts beitragen. Geschäftsführer Hermann Voss war in allen diesen Bereichen aktiv. Er begründete die Zeitschrift "Das Orchester", deren Schriftleiter er bis 1976 war, und gehörte zu den Vätern des Freiburger Tarifvertrages, der die Vergütung der Musiker an den Gehaltsbewegungen im öffentlichen Dienst orientierte. Schließlich war es auch seinem Engagement zu verdanken, dass im März 1959 im Zusammenwirken mit dem Verband der Tonträgerfirmen (IFPI) in Köln die "Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten mbh" (GVL) ins Leben gerufen wurde. Es war eine Pioniertat, gab es doch in keinem anderen Land Vergleichbares. Die Gründung erfolgte in Erwartung eines bis dahin noch fehlenden Gesetzes. Aber der Optimismus sollte sich lohnen: Als 1965 das neue Urheberrechtsgesetz verabschiedet wurde, schloss es erstmalig auch den Leistungsschutz der ausübenden Künstler mit ein. Seitdem besitzen deutsche Interpreten eine herausragende urheberrechtliche Position: Der Gesetzgeber gibt ihnen für die Dauer von 50 Jahren nach der Aufführung oder Aufzeichnung das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung von Vervielfältigungsstücken sowie deren öffentlicher Wiedergabe oder des Weitersendens. Sie erhalten damit auch das Recht, bestimmte Nutzungen zu verbieten. Ähnlich wie den Urhebern, wie Komponisten und Autoren, wird den ausübenden Künstlern damit die Möglichkeit eingeräumt, sich gegen eine Entstellung ihrer Leistungen zu wehren.

Es gab neben Zustimmung auch starken Widerstand gegen die neue Regelung, die bis heute nicht in allen Ländern existiert. Verwerter wie die Rundfunkanstalten wollten nicht einsehen, warum sie für eine Musikeinspielung, die sie bei der Produktion bereits honoriert hatten, bei der Wiederholung erneut zahlen mussten. Die GVL musste deshalb mehrere Zivilprozesse führen. Aber auch Komponisten fürchteten, die neue Regelung könne dazu führen, dass ihre Werke weniger oft gespielt würden.

Inzwischen nimmt die GVL die Zweitverwertungsrechte nicht nur der ausübenden Künstler und der Tonträgerhersteller wahr, sondern auch der Videoproduzenten und Filmhersteller. Bei Tonträgersendungen der öffentlich- rechtlichen Rundfunkanstalten sowie der Verbände der privaten Sender schließt sie selbst die Verträge und nimmt das Inkasso vor. Bei der sonstigen öffentlichen Wiedergabe von Tonträgern und Sendungen geschieht dies durch die GEMA, die ohnehin für die Erstverwertung der mechanischen Vervielfältigungsrechte Gebühren erhebt. Für die GVL bedeutet dies einen erheblichen Vorteil, kann sie sich doch dadurch einen aufwendigen Außendienst ersparen. Da sie neben den beiden Geschäftsführern nur 35 Angestellte beschäftigt, ist der Verwaltungsanteil an den Kosten relativ gering.

Obwohl Mitglieder der Deutsche Orchestervereinigung unter den EURnehmungsberechtigten der GVL niemals die Mehrheit repräsentierten, waren beide Verbände von Beginn an eng miteinander verbunden (ähnlich wie zuvor die Genossenschaft Deutscher Tonsetzer und ihre Tantiemenanstalt). Hermann Voss leitete DOV und GVL von Düsseldorf aus, bis ihm 1976 der Urheberrechtsanwalt Peter Girth nachfolgte. Da dieser schon nach zwei Jahren die Intendanz des Berliner Philharmonischen Orchesters übernahm, wurde 1978 Rolf Dünnwald Geschäftsführer beider Verbände. Im Jahr 1982 zog die DOV zusammen mit der GVL von Düsseldorf nach Hamburg, dem damals wichtigsten Standort der deutschen Musikindustrie. Gegen Ende des Jahres 2000 schied Dünnwald aus Altersgründen aus seinen Ämtern aus, womit zugleich die bisherige Personalunion in der Geschäftsführung endete. Zum Geschäftsführer der Orchestervereinigung wurde Gerald Mertens gewählt. Die Nachfolge Rolf Dünnwalds als Geschäftsführer der GVL trat Tilo Gerlach an.

Nach der deutschen Wiedervereinigung traten die ausübenden Musiker der ehemaligen DDR der Orchestervereinigung und der GVL bei. Es folgte 2003 der Umzug beider Verbände (wie auch von Teilen der Musikindustrie sowie des Spitzenverbandes der phonographischen Wirtschaft) von Hamburg nach Berlin. Der Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten gehören heute fast 120.000 ausübende Künstler und über 6000 Tonträgerhersteller an. Der Zuwachs an Bezugsberechtigten führte zu einer Steigerung der Einnahmen, von 134 Mio. Euro im Jahr 2001 auf zuletzt (2006) 163 Millionen. Die GVL ist damit international ebenso führend wie in ihrem Bereich die GEMA. Den größten Anteil an ihren Einnahmen machen die Sendevergütungen für Tonträger aus, gefolgt von der Vergütung für die öffentliche Wiedergabe. Rückläufig sind dagegen die Einnahmen aus der Vervielfältigung zum privaten Gebrauch, die von der ZPÜ (Zentralstelle für private Überspielungsrechte) eingezogen werden. Die Einnahmen werden zu gleichen Teilen an die Künstler und Hersteller verteilt. Die Verteilung erfolgt dabei nicht nach Sendeminuten, wie in anderen Ländern, sondern entsprechend der Honorierung der Erstauswertung. Entscheidend ist damit nicht die künstlerische Leistung, um deren Bewertung sich die GEMA bemüht, sondern der Marktwert des jeweiligen Interpreten.

Entsprechend dem Gesetz war bei der Gründung der AFMA beschlossen worden, zehn Prozent ihrer jährlichen Ausschüttungssumme für soziale, kulturelle und kulturpolitische Zwecke zu verwenden. Inzwischen ist dieser Anteil bei allen Verwertungsgesellschaften niedriger. Bei der GVL beträgt er bis zu fünf Prozent und wird vor allem für den künstlerischen Nachwuchs verwendet. Gefördert werden auch die Arbeitsphasen der Jungen Deutschen Philharmonie und Projekte wie das Konzert des Deutschen Musikrats.

Literarisches

Obwohl der Theaterautor Beaumarchais zu den Pionieren des künstlerischen Urheberrechts gehörte, waren die frühesten Verwertungsgesellschaften nicht der Literatur gewidmet, sondern der Musik. Zur 1851 gegründeten SACEM gehörten allerdings bereits Textdichter, die aber nur dann Tantiemen erhielten, wenn Musikstücke mit ihren Texten aufgeführt wurden. Diese Regelung gilt in der GEMA bis heute. Autoren von Bühnentexten, so genannte "Dramatiker", hatten sich schon 1871 in der "Genossenschaft dramatischer Autoren und Komponisten" zusammengetan, um ihre Rechte zu erkämpfen. Autoren anderer, nicht mit Musik verbundener literarischer Texte konnten dagegen vor der Entstehung des Rundfunks kaum Aufführungen oder sonstige Zweitnutzungen nachweisen, die sie hätten auswerten können. Da erst das Radio neue Verwertungsmöglichkeiten schuf, gilt die 1926 gegründete "Gesellschaft für Senderechte mbH" als erste Verwertungsgesellschaft für literarische Urheberrechte.

Anlass war Hugo von Hofmannsthals Einakter Der Tor und der Tod, der ohne Genehmigung des Autors im Rundfunk gesendet worden war. Der durch seine Autorengesellschaft vertretene Schriftsteller war vor Gericht gegangen und hatte Recht bekommen: Am 12. Mai 1926 entschied das Reichsgericht, dass die Sendung eines Sprachwerkes ohne Genehmigung gegen das ausschließliche Recht des Autors zur gewerbsmäßigen Verbreitung seines Werkes verstößt. Auf der Grundlage dieser Entscheidung gründeten die Autoren und Verleger dramatischer Werke als Kontroll- und Inkassoinstitut die "Zentralstelle der Bühnenautoren und Bühnenverleger", die Autoren und Verleger nichtdramatischer Werke die schon erwähnte "Gesellschaft für Senderechte mbH". Sie brachten die jeweiligen Senderechte in diese Gesellschaften ein, die daraufhin mit der Reichsrundfunkgesellschaft eine "Generallizenz" gegen eine entsprechende Vergütung vereinbarten. Die gesendeten literarischen Werke wurden nach Zeilen verrechnet und nach Abzug einer Inkassogebühr von 30% an Autoren (45%) und Verleger (25%) verteilt.

Im Dritten Reich wurde die privatrechtliche "Gesellschaft für Senderechte" aufgelöst und durch den "Deutschen Verein zur Verwertung von Urheberrechten an Werken des Schrifttums" ersetzt. Erst 1947 entstand in Berlin wieder eine "Zentralstelle für Senderechte mbH", die jedoch in den Westzonen keine Aktivitäten entfaltete. Nachdem dort die Verwertung literarischer Werke lange brachgelegen hatte, gründeten die Autoren im Jahr 1955 zu diesem Zweck gleich zwei Gesellschaften. In Hannover entstand die "Gesellschaft zur EURung literarischer Urheberrechte mbh" (GELU) und in München als ausdrückliche Gegengründung die "Verwertungsgesellschaft für literarische Urheberrechte" (VLU). Angesichts der Streitigkeiten zwischen beiden Gesellschaften, an denen Verleger nicht beteiligt waren, wurde am 17. Februar 1958 in München die "Verwertungsgesellschaft WORT" gegründet. Ihr Ziel war es, die widerstrebenden Gruppen zusammenzufassen und auch Verleger ins Boot zu holen. Entsprechend zählten zu den 13 Gründungsmitgliedern der VG WORT acht Schriftsteller und fünf Verleger. Nachdem die GELU schon im September 1958 in Konkurs gegangen war, blieb noch die VLU, die sich erst nach jahrelangen Verhandlungen auflöste und ihren Mitgliedern den Beitritt zur VG WORT empfahl.

Die Verwertungsgesellschaft WORT wollte Rechtsansprüche bei der öffentlichen Wiedergabe im Rundfunk, bei der Vervielfältigung durch privates Überspielen von Tonträgern, bei der Filmvorführung, bei Verwendung in Leihbüchereien und im öffentlichen Vortrag durchsetzen, was angesichts der mangelnden gesetzlichen Grundlagen zunächst Schwierigkeiten bereitete. Problematisch war auch, dass die Gesellschaft noch 1962 nur 430 EURnehmungsberechtigte vertrat. Nachdem die ersten Jahre fast ohne jede Einkünfte geblieben waren, brachte 1963 der Beitritt zu der von GEMA und GVL gegründeten "Zentralstelle für private Überspielungsrechte" (ZPÜ) einen ersten Aufschwung - die VG WORT war nun beteiligt am Inkasso der Gebühren für die private Überspielung mittels Tonbandgeräten. 1966 betrugen ihre Einkünfte aus der Geräteabgabe bereits 640.000 DM, was ihr erstmals einen wirtschaftlichen Betrieb ermöglichte.

Ein weiterer Zuwachs der Einnahmen erfolgte, nachdem 1967 ein Vertrag mit der "Vereinigung der Musikveranstalter e.V." abgeschlossen war, durch den Rechte der öffentlichen Wiedergabe abgegolten wurden. Seitdem waren die Gaststättenbetriebe verpflichtet, zwanzig Prozent der an die GEMA zu zahlenden Vergütungen an die VG WORT zu entrichten. Noch positiver schlug für die literarischen Autoren die so genannte kleine Urheberrechtsreform von 1972 zu Buche, brachte sie ihnen doch die Bibliothekstantieme, die nach den Leihbüchereien nun auch sämtliche öffentliche Büchereien zu entrichten hatten. Im Juni 1975 wurde ein entsprechender Pauschalvertrag mit Bund und Ländern geschlossen, wodurch sich das bisherige Aufkommen der Verwertungsgesellschaft verdoppelte.

Neue Technologien führen zu neuen Verwertungsarten. So ermöglicht der Fotokopierer bequeme Vervielfältigungen aus Büchern, Zeitungen und Zeitschriften. Um Bücher vor dem unberechtigten Kopieren zu schützen, führte der Börsenverein des Deutschen Buchhandels 1955 einen Musterprozess vor dem Bundesgerichtshof. Auf der Grundlage der dort gefällten Entscheidung schloss der Börsenverein mit dem Bundesverband der Deutschen Industrie ein Abkommen; der BDI verpflichtete sich darin, für die in gewerblichen Unternehmen aus wissenschaftlichen und Fachzeitschriften hergestellten Kopien eine Vergütung zu zahlen. Die zunächst eingerichtete "Inkassostelle für Fotokopiergebühren" wurde nach dem Inkrafttreten des Urheberrechtsgesetzes von 1965 in eine selbstständige "Inkassostelle für urheberrechtliche Vervielfältigungsgebühren GmbH" umgewandelt. Diese wurde 1972, nach der Einführung der Bibliothekstantieme, zur Keimzelle der "Verwertungsgesellschaft Wissenschaft GmbH". Die Bibliothekstantieme erforderte eine enge Zusammenarbeit mit der VG WORT, was 1978 zur Verschmelzung beider Verwertungsgesellschaften am Standort München führte.

Mehr als 340.000 Autoren und Übersetzer von schöngeistigen und dramatischen, journalistischen und wissenschaftlichen Texten sowie über 8.000 Verlage haben bis heute EURnehmungsverträge mit der VG Wort abgeschlossen. Diese konnte im Jahr 2005 Einnahmen von rund 91 Millionen Euro erzielen. Rund 35% davon stammten aus der Kopiergeräteabgabe, 24% von Rundfunk- und Fernsehsendern. Nach Abzug der Verwaltungskosten, die 2005 bei 7% lagen (2006 bei 8,95%), wurden insgesamt 84 Mio. Euro ausgeschüttet. Im Geschäftsjahr 2006 sanken die Einnahmen auf 86 Mio. Euro, was nicht zuletzt an geringeren Einkünften aus der Kopiergeräteabgabe lag. Leider führten die aufwändigen Musterprozesse, welche die VG WORT in der Frage der digitalen Vervielfältigungsgeräte führte, noch zu keinen greifbaren Ergebnissen. Da zugleich die Zahl der Ausschüttungsempfänger auf einen neuen Höchststand stieg, erhielten diese im Allgemeinen weniger als in den Jahren zuvor.

... und diverse Bildrechte

Zu den jüngsten Verwertungsgesellschaften gehört die VG BILD-KUNST, die bildende Künstler im März 1968 in Frankfurt am Main als wirtschaftlichen Verein ins Leben riefen. Nach dem Vorbild der Musikschaffenden und der literarischen Autoren wollten nun auch sie ihre urheberrechtlichen Interessen wahrnehmen. Ihr Ausgangspunkt war das so genannte Folgerecht. Es verpflichtete im Urheberrechtsgesetz von 1965 Galeristen und Auktionäre, bei Weiterverkäufen von Kunstwerken ein Prozent der Erlöse an die Urheber oder ihre Erben zu zahlen. Die Künstler, die ja ihre Werke nur einmal verkaufen können, waren damit an den Wertsteigerungen im Kunstmarkt beteiligt. Die neue "Bild-Kunst Gesellschaft zur EURnehmung und Verwertung der Rechte und Ansprüche bildender Künstler" setzte sich zum Ziel, diese Regelung durchzusetzen und zu verbessern. Viele Künstlerkollegen reagierten auf entsprechende Rundschreiben positiv. Beim Frankfurter Künstlerkongress des Berufsverbandes Bildender Künstler im Juni 1971 bestätigten sie dies Interesse.

Widerstand kam dagegen vom Kunsthandel. Dieser nahm noch zu, als die Urheberrechtsnovelle von 1972 den Abgabesatz auf fünf Prozent erhöhte und den Händlern außerdem strengere Auskunftsverpflichtungen auferlegte. Einzelne Galeristen drohten Künstlern, die sich der neuen Verwertungsgesellschaft angeschlossen hatten, sie nicht mehr zu vertreten. Einige prominente Mitglieder ließen sich durch solche Drohungen zum Austritt bewegen. Dagegen protestierten Künstler wie Gerhard Richter aus anderen Gründen gegen das neue Gesetz. Richter hatte pauschale Abgaben gewünscht, womit man auch jüngere Kollegen hätte fördern können. Dem stand das deutsche Urheberrecht entgegen, das nur individuelle Vergütungen erlaubte.

Die ersten Jahre waren magere Jahre. Der Verein hatte seinen Sitz in der Wohnung des Frankfurter Malers und Grafikers Paul Rötger und wuchs nur langsam. Ende 1969 umfasste er 26 Mitglieder. Es gab noch keinerlei Einnahmen, dagegen Kosten, die durch einen Kredit gedeckt werden mussten. Aber die Mitgliederzahl erhöhte sich auf ca. 2.000, als 1974 auch andere Bildurheber wie Illustratoren, Fotografen, Grafikdesigner und Bildagenturen hinzukamen. Sie gründeten in der VG BILD-KUNST ihre eigene Berufsgruppe, die sich vor allem auf die zwei Jahre zuvor eingeführte Bibliothekstantieme konzentrierte. Dazu wurde 1975 ein Kooperationsvertrag mit der VG WORT geschlossen. Die Einkünfte aus der Bibliothekstantieme verbesserten endlich die angespannte Finanzlage der Verwertungsgesellschaft. Sie konnte Büros in München und Frankfurt eröffnen und damit beginnen, die Rechte ihrer Mitglieder auch gegenüber Verlagen zu vertreten.

Gegner der VG BILD-KUNST hielten dieser ihre unwirtschaftliche Arbeitsweise vor. Tatsächlich wurden 1978 von den Erträgen von 838.000 DM, die vor allem der Bibliothekstantieme entstammte, mehr als 590.000 für Verwaltungskosten verwendet. Angesichts negativer Pressemeldungen stieg die Mitgliederzahl zunächst nur langsam (1978 auf 2.700, 1980 auf 3.400). Die Vorstellung, dass eine kollektive EURnehmung von Rechten sinnvoll sein könne, war den bildenden Künstlern außerdem damals meist noch fremd. Eher tendierten sie dazu, die Verbreitung von Abbildungen ihrer Werke als Werbung anzusehen. Ähnlich wie zu den Gründungszeiten der musikalischen Verwertungsgesellschaften, als Komponisten von den neuen Gebühren sinkende Aufführungszahlen befürchteten, meinten auch viele Bildurheber, die neuen Geldforderungen würden die Verbreitung ihrer Werke behindern.

Zu den Gegnern der Verwertungsgesellschaft hatten neben den Galeristen zunächst auch die Verleger gehört. Aber schon 1977 kam es zu einer ersten Kooperation mit dem Börsenverein der Deutschen Buchhandels. Bald erkannte man, dass die kollektive EURnehmung von Bildrechten beiden Seiten Vorteile brachte. Ab 1982 wurden auch Filmurheber und Filmproduzenten in die VG aufgenommen, die dort eine dritte Berufsgruppe bildeten. Ihr Interesse entsprang aus der rapiden Zunahme privater Nutzungen durch Tonkassetten und Videogeräte. Aber auch bei anderen Gruppen der bildenden Künstler führten neue Reproduktions- und Vorführungstechniken zu einer Vergrößerung des Verwertungsspektrums.

Trotz dieser Ausweitung ihres Aufgabenbereichs bemühte sich die VG BILD-KUNST um eine schlankere Organisationsstruktur, um die zunächst noch sehr hohen Kosten zu reduzieren. Die Verwaltung wurde vereinheitlicht und rationalisiert, dabei 1986 die Geschäftsstelle weitgehend von München nach Bonn verlagert. Zu den treibenden Kräften dieser Reform gehörte Gerhard Pfennig, der Bundesgeschäftsführer des Berufsverbandes Bildender Künstlerinnen und Künstler (BBK), der seit 1982 geschäftsführendes Vorstandsmitglied der VG BILD-KUNST ist und diese Position bis heute mit großer Sachkenntnis bekleidet. Seit 1995 ist die Bonner Hauptverwaltung mit ca. 38 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im dortigen "Haus für Kultur" untergebracht. Daneben verfügt die Verwertungsgesellschaft über ein Büro in Berlin; es sind die ehemaligen Räume des DDR-eigenen "Büros für Urheberrechte".

Mit den anderen deutschen Verwertungsgesellschaften arbeitet die VG BILD-KUNST eng zusammen. So verwaltet sie die Bibliothekstantieme in einer gemeinsam mit der VG WORT und der GEMA gegründeten Zentralstelle. Fast vierzig Jahre nach ihrer Gründung ist sie auf heute ca. 39.000 Mitglieder angewachsen; seit 1985 gehören zu ihr auch Szenenbildner, Kostümbildner und Filmarchitekten. Im zurückliegenden Jahr 2006 betrug die Gesamtsumme ihrer Erlöse ca. 43,5 Millionen Euro, wobei die Videogeräte- und Leerkassettenabgabe einen Anteil in Höhe von ca. 15 Mio. ausmacht, gefolgt von den Fotokopiervergütungen (ca. 11,3 Mio.). Für Reproduktionsrechte in Zeitungen, Zeitschriften und Büchern wurden 3,9 Mio. Euro eingenommen, für die Folgerechte bildender Künstler ca. 3,6 Mio. und für die Bibliothekstantieme etwa 380.000. Davon abzuziehen sind die Verwaltungskosten, die inzwischen bei einem mit anderen Verwertungsgesellschaften vergleichbaren Durchschnitt von 7-10% liegen.

Für kulturelle und soziale Zwecke behielt die VG BILD-KUNST zuletzt ca. 1 Mio. Euro ein, die fast ausschließlich der Stiftung Kunstfonds zugute kommen. Die Stiftung vergibt seit 1990 den HAP-Grieshaber-Preis, benannt nach dem Grafiker, der sich besondere Verdienste um die Entwicklung der Verwertungsgesellschaft erwarb. Aus ähnlichen Gründen verleiht die GEMA die Richard- Strauss-Medaille und die GVL einen Hermann-Voss-Kulturpreis.

Wie für die anderen Verwertungsgesellschaften, ist auch für die VG BILD-KUNST die Zusammenarbeit mit den internationalen Schwestergesellschaften selbstverständlich. Schon 1973 war ein Gegenseitigkeitsvertrag mit der französischen SPADEM zustande gekommen. Die zunehmend multimediale Nutzung erfordert außerdem eine Zusammenarbeit von Autoren der verschiedenen Sparten als Gegengewicht gegen die wirtschaftlich weiterhin übermächtige Verwertungsindustrie. Dem entspricht der Schulterschluss der Verwertungsgesellschaften, um auf nationaler wie europäischer Ebene die Rechte der Urheber abzusichern und weiter zu entwickeln.


Dr. Albrecht Dümling lebt als Musikwissenschaftler und Publizist in Berlin und hat zuletzt eine Geschichte der GEMA verfasst. Die Originalfassung seines Beitrags erschien zuerst in der Zeitschrift der Kulturpolitischen Gesellschaft "politik und kultur" (November/Dezember 2007, S.2-5). Für Forum Wissenschaft wurde er leicht überarbeitet.
Der erste Teil erschien in Forum Wissenschaft 3/2008.

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