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Ein Großprojekt und zehn gravierende Folgen

06.06.2019: Das absehbare Scheitern von "Stuttgart 21"

  
 

Forum Wissenschaft 2/2019; Foto: Juergen Nowak / shutterstock.com

Auch wenn aktuell die Wohnungsfrage die gesellschaftlichen Debatten um Stadtentwicklung und Städtebau dominiert, so sind doch immer wieder auch bauliche Großprojekte Gegenstand heftiger Auseinandersetzungen. Flughäfen und Bahnhöfe, Industrieansiedlungen und bisweilen auch kulturelle Einrichtungen werden ob ihres überragenden Einflusses auf die Stadtentwicklung sowie exorbitanter Kosten heftig kritisiert. Besondere Intensität entfalteten die Auseinandersetzungen um das Bahnprojekt "Stuttgart 21". Es mag aktuell kein Thema sein. Doch es wird erneut auf die Tagesordnung rücken aufgrund seiner desaströsen Negativ-Bilanz, finden Werner Sauerborn und Winfried Wolf.

Wer über die "Folgen" des Großprojekts Stuttgart 21 schreiben will und Kenner der Materie ist, der befindet sich mit der ersten Taste auf dem Schreibgerät in einem Zwiespalt. Denn Stuttgart 21, so unsere feste Überzeugung, wird nie fertig gebaut werden.1 Es wird, wie im ARD-Morgenmagazin vor einigen Wochen gesagt, "eine Bauruine werden wie Kalkar".2

So die Innensicht. Bei einer Sicht von außen mag diese Einschätzung verblüffen. Denn wer mit dem Zug nach Stuttgart reist, dem künden schon weit vor der Einfahrt in den Kopfbahnhof Baucontainer, Güterzüge mit Tunnelaushub und Baustellenstraßen von Stuttgart 21. Vom um 150 Meter vorverlegten Gleisende aus wird der Reisende über eine breite Behelfsbrücke geleitet, durch deren Fenster Groß und Klein auf ein riesiges Baufeld schauen können: die Grube für den halb unterirdisch liegenden, um 90 Grad gedrehten Durchgangsbahnhof. Keine Frage: Stuttgart 21 ist im Bau und niemandem, der nicht hinter die Kulissen schaut, kann verübelt werden, dass er angesichts der schieren Dimension des Baugeschehens die Sache für gelaufen hält.

Doch der Eindruck trügt. Das Projekt steckt weiter voller technischer Widersprüche und Risiken, die jede für sich zum Scheitern führen kann. Planungsrechtliche und strafrechtliche Fragen sind weiter offen und schließlich beantwortet auch kein noch so weit entwickelter Baufortgang die Sinnfrage des Projekts. Trotz dieser Einsicht eines Menschen mit Innensicht liegt es auf der Hand, nach den Folgen des Projekts zu fragen. Schließlich sind diese Folgen teilweise ein Grund dafür, dass das Projekt eine Bauruine bleiben wird. Im Folgenden seien zehn der wichtigsten Folgen von Stuttgart 21 zusammengefasst dargestellt.

1. Folge: Fass ohne Boden

Den höchsten Erregungsfaktor in der öffentlichen Debatte hat die Kostenfrage und in deren Gefolge der Zeitpunkt der Inbetriebnahme, weil hier mehr als bei Themen wie Kapazität, Brandschutz oder Umweltbelastungen gilt, dass Lügen kurze Beine haben. Es kann eben nicht sehr lange verheimlicht werden, wenn das Geld ausgeht oder wenn zugesagte Bauabschnitte noch nicht fertig sind. Die Leimrute war gleich zu Beginn ausgelegt: Stuttgart 21 sei zum Schnäppchenpreis von 4,807 Milliarden DM (2,46 Mrd. €) zu haben, hieß es 1995 und wäre laut dem bis 1999 gültigen Zeitplan schon vor 10 Jahren, also 2008, fertig gewesen. Immer wieder mussten Kosten und Zeitpläne nach oben korrigiert werden - und dies immer mit dem Argument, für einen Ausstieg oder Umstieg sei es "jetzt zu spät", bei der letzten Steigerungsrunde wäre es "vielleicht noch gegangen". Das letzte offizielle Eingeständnis der DB datiert von Januar 2018. Danach gehe man jetzt von 8,2 Milliarden Euro Kosten aus und wolle Ende 2025 fertig sein. Der Bundesrechnungshof und bahnunabhängige Experten gingen zu diesem Zeitpunkt längst von 10 Milliarden Euro und weit mehr und von einer weit längeren Bauzeit aus. Ende März 2019 berichtete dann Thomas Wüpper im Berliner Tagesspiegel nach Einsichtnahme in "umfangreiche Unterlagen" des DB-Aufsichtsrats über weitere S21-Kostensteigerungen. Sehr viel spricht dafür, dass sich die Kostenspirale weiter und endlos drehen wird. 20 Milliarden Euro Gesamtkosten und eine neu in Aussicht gestellte Inbetriebnahme im Jahr 2030 sind nicht ausgeschlossen.3

Diese Entwicklung ist fatal für die DB, für den Bund und nicht zuletzt für Stadt und Region Stuttgart und für das Land Baden-Württemberg. Alle Projektpartner sind davon bedroht, dass ihnen die nicht enden wollenden Mehrkosten anteilmäßig aufgebürdet werden.4

2. Folge: (sich) bewegende Landschaften

Aus gutem Grund meiden Ingenieure den Tunnelbau durch Anhydrit, einem Gestein, das bei Kontakt mit Wasser unaufhaltsam quillt und sich um bis zu 60 Prozent ausdehnen kann. Mit mehr als 15 Kilometern Tunnelstrecke durch dieses Gestein übertrifft Stuttgart 21 die Länge aller in Europa in den letzten 60 Jahren durch diese riskante Geologie gebauten Tunnel. Schon kleinste Hebungen können zu Zugentgleisungen bzw. - rechtzeitig erkannt - zu Streckensperrungen sowie lang andauernden und kostspieligen Sanierungen führen. Die DB bzw. deren speziell für S21 und die Neubaustrecke nach Ulm gebildete Projektgesellschaft PSU wenden dabei ein neues, bislang nirgendwo sonst erprobtes Verfahren an. In den kritischen Anhydrit-Zonen werden zur Abschottung umliegender Gesteinsschichten Acrylatgele und Polyurethane in den Boden und in die Wände gepresst - insgesamt geht es um eine Menge von 3,8 Millionen Liter Acrylatgele und Polyurethane, was 19.000 Badewannen entspricht. Es ist völlig unklar, ob das Verfahren zumindest kurzzeitig erfolgreich sein wird. Alles spricht dagegen, dass damit auf längere Frist - und Bahnanlagen wie die S21-Tunnelbauten müssen 100 und mehr Jahre Bestand haben - ein Eindringen von Wasser verhindert wird und diese Anlangen dauerhaft für den Bahnbetrieb zur Verfügung stehen. Wobei ein Denken und Handeln für nur kurze Zeiträume natürlich dem Zeitgeist entspricht.5

3. Folge: Unfallgefahren im laufenden Betrieb

Weil in der engen Stuttgarter Kessellage auf der einen Seite über eine S-Bahnstrecke hinweg und auf der anderen Seite unter einer U-Bahnstrecke hindurch gebaut werden muss, ergibt sich zwangsläufig eine Schräglage von Gleisen und Bahnsteigen: 6 Meter beträgt der Höhenunterschied zwischen den Bahnsteigenden - eine Rekord-Gleisneigung von 15,143 Promille und damit sechsfach über dem Sollwert, weltweit einmalig bei vergleichbar großen Knoten-Bahnhöfen. Daraus ergeben sich Risiken wegen eines möglichen Wegrollens von Zügen sowie auf den abschüssigen Bahnsteigen eines möglichen Wegrollens von Koffern und Kinderwagen, wenn diese einen Moment unbeaufsichtigt sind. Den Nachweis, die Sicherheit mit wirkungsgleichen Maßnahmen zu gewährleisten, konnte die DB nicht erbringen. 2018 teilte die Schweizer Bahn SBB mit, dass sie "ab Fahrplan 2020 kein SBB-Rollmaterial mehr aus der Schweiz nach Stuttgart einsetzen wird". Als Grund werden ziemlich unzweideutig "Einschränkungen bei der Infrastruktur S21" genannt; gleichzeitig wird damit die gefährliche, regelwidrige hohe Gleisneigung angesprochen.6

4. Folge: Hochsicherheitsrisiko Stuttgart 21 - der fehlende bzw. unzureichende Brandschutz

Ähnlich wie beim Beispiel BER verfügt Stuttgart 21 weiterhin über keinen genehmigungsfähigen Brandschutz. Das besondere Risiko bei einem Brandfall liegt bei S21 im geschlossenen System von Tiefbahnhof und seinen 60 Kilometern Tunnelzuführungen und der zu erwartenden Enge auf halb so vielen Bahnsteigen. Wichtige Fragen, an denen eine Inbetriebnahme am Ende scheitern dürfte, werden auf die Abnahmeprüfung verschoben, wenn der Bahnhof längst fertig gebaut ist. Zu befürchten ist, dass die Rauchabzugsflächen unterdimensioniert sind, die Bahnsteighalle schneller und stärker verrauchen wird als angenommen, und die Fluchtwege viel zu lang sind und gefährliche Engpässe aufweisen.7

5. Folge: Überflutungsgefahr

Durch verengte Wasserabflüsse und den Staudammeffekt des quer liegenden Bahnhofstrogs bringt S21 in der ohnehin hochwassergefährdeten Stadt ein erhöhtes Überflutungsrisiko.8 Bei lange anhaltenden Regenfällen und steigendem Grundwasserspiegel besteht die Gefahr, dass der Bahnhofstrog aufschwimmt. Davor hatte der S21-Architekt Frei Otto gewarnt, weswegen er sich am Ende gegen das Projekt, das lange Zeit "sein Projekt" war, aussprach. Die S21-Planer nehmen diese Gefahr so ernst, dass sie versuchen, dem durch den Einbau von "Notflutöffnungen" in die Bahnhofswände zu begegnen. Das heißt, man rechnet mit einer solchen Flutung - was dann jedoch damit verbunden wäre, dass der Bahnhof für viele Wochen nicht mehr in Betrieb sein könnte und dass es zu enormen und teuren Schädigungen kommt.

6. Folge: Drastischer Rückbau von Schieneninfrastruktur

Man braucht kein Bahnexperte zu sein, um zu verstehen, dass die Halbierung der Anzahl von Gleisen und Bahnsteigen die Leistungsfähigkeit eines Bahnhofs drastisch verringert. Um wie viel, hängt davon ab, wie man den Leistungsfähigkeitsvergleich von Kopf- und Durchgangsbahnhof bemisst.9

7. Folge: Kein Deutschlandtakt im Südwesten

Der aufgrund baulicher Gegebenheiten nie mehr zu heilende Kapazitätsverlust wird auch alle Chancen auf die Etablierung eines Integralen Taktfahrplans, im Koalitionsvertrag der Bundesregierung auch Deutschlandtakt genannt, zunichtemachen, zumindest im Südwesten. Zumal es mit dem Einbau des Zugsicherungssystems ETCS zu einer Verlangsamung des Schienenverkehrs kommt und nicht, wie von der DB und der Bundesregierung immer wieder behauptet, zu einer Beschleunigung.

8. Folge: Einladung an Terroristen - massive Schutzmaßnahmen erforderlich

Mit seinem geschlossenen und stark frequentierten System aus Tiefbahnhöfen (neben dem Hauptbahnhof ist ein weiterer 26 Meter tief liegender Bahnhof am Flughafen geplant) bietet Stuttgart 21 erhebliche Angriffsflächen für Terrorattacken. Dies ist kein Horrorszenario der Gegnerinnen und Gegner, sondern die Erkenntnis eines Gerichts, das aufgrund von Terrorwarnungen des Bundeskriminalamts hier eine "ernsthafte und konkrete Gefahr" sieht. Dies kam im Verlauf einer Klage des Arbeitskreises "Ingenieure22" auf Akteneinsicht in die Fluchtwege-Simulationen ans Licht. Das Verwaltungsgericht Stuttgart verweigerte diese mit der Begründung, es bestünden relevante Erkenntnisse für das Vorliegen der Gefahr eines terroristischen Angriffs auf den Bahnbetrieb "im hochsensiblen Bereich der Tunnelsituation". Deshalb müssten die Evakuierungspläne geheim gehalten werden.10.

Dabei stützt sich das Gericht auf aktuelle Warnhinweise des Bundeskriminalamts zu geplanten Terroranschlägen auf Züge. Als könnte durch Geheimhaltung der Evakuierungspläne Terroristen die Verwundbarkeit dieses riesigen unterirdischen Infrastrukturprojekts verborgen bleiben. Geheim gehalten werden sollen die Pläne nicht vor Terroristen, sondern vor der Öffentlichkeit, für die eine weitere dramatische Schwachstelle des Projekts sichtbar würde.

9. Folge: Verschärfung der Krise der Deutschen Bahn AG

Das Projekt S21 muss im Zusammenhang mit der Lage der Deutschen Bahn gesehen werden. Diese befindet sich spätestens seit Herbst 2018 in einem kritischen Zustand; der Bahnchef glaubte, in diesem Sinn einen "Brandbrief" versenden zu müssen. Mitte 2019 hat der Schuldenberg der Deutschen Bahn AG die 20-Milliarden-Euro-Schranke überschritten. S21 verschärft die Finanzkrise der Bahn erheblich. Nach den bahninternen Dokumenten, die dem Aufsichtsrat Anfang 2019 vorlagen, wird das Megaprojekt nach einem Bericht von Thomas Wüpper "allein 2019 ein Achtel der gesamten Nettoinvestitionen von 4 Milliarden Euro verschlingen, 2020 wird der Anteil auf ein Sechstel und 2021 sogar auf fast ein Fünftel ansteigen"11.

10. Folge: Klimabelastung durch Stuttgart21

Das Projekt S21 ist ein aktiver Beitrag zur Verschärfung der Klimaproblematik. Es kommt zu gigantischen Betonverbräuchen und - durch den Kapazitätsabbau, zu einer massiven Verlagerung von Verkehr von der Schiene auf die Straße. Stuttgart 21 erhöht bis zum Jahr 2050 die globale CO<V>2<^*>-Belastung je nach Szenario um 3,5 bis 5,6 Millionen Tonnen.12 Die Verkehrsverlagerung führt - ebenfalls bis 2050 - zu einer Stickoxid-Mehrbelastung im Umfang von 600 und 1700 Tonnen. Es kommt im gleichen Zeitraum zu zusätzlichen Feinstaubemissionen (PM 10 und PM 2,5) in der Größenordnung von 560 und 750 Tonnen.13 Trotz Expertenwarnung kommt es durch die geplante Bebauung im Rosensteinquartier (Gleisvorfeld) zu großflächiger Bodenversiegelung, obwohl es sich hier für die extrem hitzeanfällige Stadt um wichtige Flächen für die nächtliche Abkühlung handelt.

Wer trägt die Verantwortung?

Diejenigen, die das Projekt S21 hauptsächlich zu verantworten haben, befinden sich im Rentenalter: die Bahnchefs Heinz Dürr, Hartmut Mehdorn und Rüdiger Grube. Einige der Top-Bahnmanager, die Verantwortung trugen, haben der Bahn den Rücken gekehrt und sind in anderen Bereichen aktiv (so Volker Kefer). Angela Merkel hat 2011 Stuttgart 21 zum Politikum gemacht und damit die Schwelle zu einem S21-Ausstieg enorm angehoben. Doch auch ihre Amtszeit dauert nicht mehr lange.

Grotesk ist, dass es vor Ort die Grünen sind, die im Land, in der Region und in der Landeshauptstadt an so gut wie allen Schalthebeln sitzen: Es gibt einen grünen Ministerpräsidenten, einen grünen Verkehrsminister, einen grünen Regierungspräsidenten, einen grünen Oberbürgermeister und einen grünen Baubürgermeister. Damit trägt ausgerechnet die Umweltpartei erheblich Mitverantwortung bei der weiteren Umsetzung von Stuttgart 21 und damit bei einem Weg in ein ökologisches und verkehrspolitisches Desaster.

Dabei geht es in Stuttgart um wesentlich mehr als um ein isoliertes, zerstörerisches Großprojekt. Dies erklärt auch die Standfestigkeit und die Stärke des Widerstands gegen das Projekt. In Stuttgart entwickelte sich eine politische Bürgerbewegung, die für das Recht auf Stadt kämpft. Am 20. Mai 2019 fand die 465. Montagsdemo, eine Art "Volkshochschule unter freiem Himmel" statt. Mehrmals im Jahr finden Tausende zu zusätzlichen Samstagsdemos zusammen - zuletzt am 11. Mai. All das ist ein buntes und lebendiges politisches Gegenbild zu den Pegida-Aufmärschen andernorts. Die Mahnwache am Bahnhof informiert inzwischen seit acht Jahren in Zweier-Besetzung rund um die Uhr: Tag und Nacht, bei minus 20 Grad und plus 30 Grad. Aus dem Alternativmodell Kopfbahnhof 21 der Anfangsjahre der Bürgerbewegung wurde im Laufe der Bauentwicklung das Konzept Umstieg 21.14

Die Idee: Umnutzung der Baustellen im Sinne einer Konversion, so dass ein Ausstieg aus dem Projekt nicht, wie die Befürworter gern unterstellen und berechnen, einen kompletten Rückbau erfordert, sondern auf dem jeweiligen Stand der Bauentwicklung sinnvolle alternative Nutzungen ermöglichen würde. Alles auf Basis des Kopfbahnhofs, der ja bis zu einer theoretischen Inbetriebnahme von Stuttgart 21 funktionsfähig bestehen bleiben muss. So könnten auf einer großen Baulogistikfläche 1000 Wohnungen entstehen ("Die Neue Prag"). Der längst überfällige S-Bahn-Ringschluss im Süden der Stadt könnte realisiert werden. In der Bahnhofsgrube soll es nach dieser Konzeption eine Umschlagsstation für die City-Logistik und eine große Radstation geben; der ausgelagerte Fernbusbahnhof könnte hier untergebracht werden.

So gesehen verliert der Blick durch die Seitenfenster der Behelfsbrücke über der Baugrube viel von seiner entmutigenden Wirkung.

Anmerkungen

1) Siehe Winfried Wolf: "abgrundtief + bodenlos Stuttgart21, sein absehbares Scheitern und die Kultur des Widerstands", Papyrossa Erstveröffentlichung 2017; dritte Auflage März 2019.

2) Siehe Winfried Wolf im ARD-Morgenmagazin vom 18. April 2019. Die Ansicht, dass Stuttgart 21 nie fertig gebaut werden könnte, findet im Übrigen ihre Entsprechung in höchst defätistischen Feststellungen der DB-AG-Verantwortlichen. So hatte Bahnchef Richard Lutz im Verkehrsausschuss des Bundestags erklärt, "mit dem Wissen von heute würde man das Projekt nicht mehr bauen" (Protokoll, Verkehrsausschuss des Bundestages vom 18. April 2018). Und der in den Zeiten der S21-Vertragsabschlüsse im DB-Vorstand für Infrastruktur zuständige Thilo Sarrazin äußerte ebenfalls im Verkehrsausschuss, es sei seinerzeit "aus völlig irrationalen Gründen […] ein politisches Lieblingsprojekt" gefördert worden, das "komplett unwirtschaftlich" sei und die Kapazität des Bahnhofs verkleinern werde (Verkehrsausschuss des Bundestages /Anhörung zum Konzept Umstieg 21 am 11. Juni 2018).

3) Tagesspiegel vom 24.3.2019; www.tagesspiegel.de/wirtschaft/grossbaustelle-stuttgart-21-der-deutschen-bahn-fehlen-milliarden/24139604.html.

4) Ende 2016 hat die DB die Projektpartner Land und Stadt und Region auf Übernahme eines Anteils von 65 Prozent aller bisherigen und künftigen - über 4,5 Milliarden Euro hinausgehenden - Mehrkosten verklagt. Da es hier also nicht nur um die jetzt schon eingeräumten, sondern um alle weiteren Kostensteigerungen aus bekannten und noch unbekannten künftigen Risiken geht, rüsten alle Beteiligten juristisch auf. So hat die Stadt Stuttgart beispielsweise eine Juristin allein für den Rechtsstreit mit der DB eingestellt - Kosten, die in keiner S21-Bilanz auftauchen. Würde das Stuttgarter Verwaltungsgericht zeitnah zu der Entscheidung kommen, dass die Stadt in Milliardenhöhe dabei wäre, dürfte im Gemeinderat der Teufel los sein. Ähnlich bei einer Entscheidung zu Lasten der DB AG. Also einigte man sich mit Billigung des Gerichts auf Prozessverschleppung. Je später die Entscheidung, desto mehr Fakten im Sinne einer Unumkehrbarkeit könnten derweil geschaffen werden.

5) Thomas Wüpper berichtete über die Anhydrit-Problematik ausführlich u.a. in der Stuttgarter Zeitung vom 25. Mai 2018. Die geologischen Gefahren, mit denen S21 verbunden ist, sind bereits Alltag in der S21-Bauphase. Am 1. März 2019 meldete swr aktuell: "Seit einigen Wochen sind die Ingenieure für den S21-Tunnel zwischen Ober- und Untertürkheim mit einem Problem konfrontiert: Täglich dringen zweieinhalb Millionen Liter Grundwasser in den Tunnel ein. Auf einer Länge von etwa 300 Metern rinnt an vielen Stellen Wasser in den S21-Tunnel. Insgesamt 30 Liter pro Sekunde. Das lässt den Tunnelvortrieb stocken." Der Weiterbau der Tunnel in diesem Bereich wurde inzwischen gestoppt. Siehe: www.swr.de/swraktuell/baden-wuerttemberg/stuttgart/Tunnelvortrieb-zwischen-Ober-und-Untertuerkheim-stockt-S21-Tunnelbauer-kaempfen-mit-massivem-Wassereintritt,wassereintritt-s21-tunnel-obertuerkheim-100.html Am 21. Mai 2019 konnte man in der Stuttgarter Zeitung lesen: "Bei den Anwohnern des Kernerviertels [im Zentrum der Stadt gelegenes romantisches Viertel mit viel Altbausubstanz; W. W. / W. S.] schrillen die Alarmglocken. Nach der Ankündigung der Bahn, einen beim Tunnelbau für Stuttgart 21 beschädigten Teil des Hauses Kernerstr. 30 abzureißen, sei ›Feuer unter dem Dach‹, so Frank Schweizer vom Netzwerk Kernerviertel. […] Nach seiner Beobachtung würden seit Wochen [von der DB; W. W. / W. S.] im Kernerviertel täglich Messungen durchgeführt. Schweizer weist darauf hin, dass weitere Gebäudeeigentümer […] Bauschäden melden würden."

6) Antwort von SBB-Kundendialog vom 23.8.2018 auf eine Anfrage von S21-GegnerInnen. Ob das kurz darauf erfolgte offizielle Dementi der SBB der Wahrheit oder eher der Loyalität zur DB geschuldet ist, muss offen bleiben.

7) Ausführliche Dokumentation und Erläuterung auf der Website der Gruppe Ingenieure22: www.ingenieure22.de/.

8) Siehe das Gutachten "Überflutungsrisiken durch Stuttgart21 - der Tiefbahnhof als Staumauer bei Starkregen", Dipl.-Ing. Hans Heydemann und Dr. Christoph Engelhardt, Juni 2018.

9) Dr. Christoph Engelhardt kommt in vertieften Analysen der Behauptungen zur Leistungsfähigkeit zum Ergebnis, Stuttgart 21 sei "der größte technisch-wissenschaftliche Betrugsfall der deutschen Industriegeschichte", s. www.wikireal.org.

10) Urteil vom 16. November. 2017 - 14 K 6356/16.

11) Thomas Wüpper, "Stuttgart 21 lastet schwer auf der Bahn", in: Stuttgarter Zeitung vom 20.12.2018.

12) Quantifizierung der Treibhausgasemissionen des Projekts Stuttgart 21 /Karlheinz Rößler, 10/2017.

13) Quantifizierung der Stickoxid- und Feinstaubemissionen des durch Stuttgart 21 verursachten Autoverkehrs, Karheinz Rößler, 3/2018.

14) Siehe: www.umstieg-21.de.

Winfried Wolf ist seit 1996 gegen S21 aktiv. Er schrieb das erste Buch zu Stuttgart 21, war an drei Büchern zu S21 als Mitherausgeber beteiligt, ist Verfasser des oben zitierten umfassenden S21-Buchs und war auf vielen Kundgebungen Redner. Werner Sauerborn war zuletzt Vorstandssekretär bei ver.di Baden-Württemberg. Er ist für die GewerkschafterInnen gegen Stuttgart 21 im Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 und Geschäftsführer dieses Aktionsbündnisses.

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