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Klaus Holzkamp

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Quo Vadis Wissenschaftspolitik?

22.05.2014: Perspektiven des Wissenschaftsrates

  
 

Forum Wissenschaft 1/2014; Foto: Ralf Roletschek, Fahrradtechnik und Fotografie / commons.wikimedia.org

Der Wissenschaftsrat (WR) hat im Juli 2013 seine lange erwartete Version der "Perspektiven des deutschen Wissenschaftssystems" vorgelegt, die voraussichtlich maßgeblich die Wissenschaftspolitik der neugewählten Bundesregierung prägen werden. Das Perspektivenpapier setzt auf eine aufgabenbezogene Ausdifferenzierung und will den Einfluss der Bundespolitik auf Hochschulen stärken, wie Johanna Maiwald resümiert.

Den hohen Stellenwert des Papiers als Referenzdokument für politische Entscheidungen erklärt nicht zuletzt der Blick auf die Gremienzusammensetzung des Wissenschaftsrates. Zwar liegt die operative Federführung für die Stellungnahmen zunächst in den Händen der Wissenschaftskommission. Diese besteht zu drei Vierteln aus Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die von der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) und Organisationen der außeruniversitären Forschung berufen werden. Beschlossen werden die Stellungnahmen aber mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit in der Vollversammlung, die aus Mitgliedern der Wissenschafts- und der Verwaltungskommission besteht. Knapp zwei Drittel oder 40 von 64 Mitgliedern der Vollversammlung werden von Bund und Ländern entsandt bzw. vorgeschlagen.1

Der starke Einfluss der politischen Kräfte in Verantwortung lässt im Perspektivenpapier keine großen Überraschungen zum vorherrschenden wissenschaftspolitischen Diskurs erwarten. Er bedeutet aber eben auch, dass die WR-Stellungnahmen das Spektrum der derzeit einflussreichsten wissenschaftspolitischen Auffassungen abbilden und eventuelle Akzentverschiebungen Chancen auf Umsetzung haben. Im vorliegenden Fall wird diese Einschätzung dadurch unterstrichen, dass die Allianz der Wissenschaftsorganisationen zeitgleich eine Unterstützung für die wichtigsten Schlussfolgerungen des WR veröffentlicht hat.2 Was also ist in den kommenden Jahren an Kontinuität, Neuerungen und Auseinandersetzungen zu erwarten?

Ansprüche an Zweck und Leistung von Wissenschaft

In den Vorbemerkungen wirbt der Wissenschaftsrat "um Unterstützung und klare Priorisierung gegenüber konkurrierenden Politikfeldern, die ihrerseits - ausnahmslos - von der Leistungsfähigkeit und internationalen Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Wissenschaftssystems abhängen". Es gehe darum "zeitnah eine gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Rendite schöpfen zu können" und "gerade auch Vorsorge für die Zukunft zu treffen". Mit diesen Anliegen schreibt der Wissenschaftsrat die Repolitisierung von Wissenschaftspolitik fort, einen Trend, der seit der Bologna- und der Lissabonstrategie stets an Dynamik gewonnen hat. Seit der Jahrtausendwende steigen die Bestrebungen der politischen EntscheidungsträgerInnen die Art und Weise zu bestimmen, wie wissenschaftliche Einrichtungen ihren Aufgaben in Forschung und Lehre nachkommen sollen. Während die Feinsteuerung abgenommen hat - durch Globalhaushalte und eine stärkere Stellung von Hochschulleitungen in ›autonomen Hochschulen‹ - wachsen die politischen Gestaltungsansprüche an Zweck und Leistungen von Lehre und Forschung3.

Hintergrund ist das europaweit verfolgte ›neue‹ wissensbasierte Entwicklungsmodell für die Industriestaaten. In dessen Zentrum stehen forschungsbasierte Innovationen und akademisch ausgebildete Fachkräfte, die flexibel auf schnell wechselnde Anforderungen der Arbeitsmärkte reagieren können sollen, wodurch Wissenschaftsinstitutionen politisch an Stellenwert gewinnen. Daraus resultiert eine im weitesten Sinne ökonomisch motivierte Zweckbestimmung von Lehre und Forschung. Diese Entwicklung trifft auf eine zweite, bereits Ende der achtziger Jahre eingesetzte Entwicklung, öffentliche Einrichtungen und damit auch Hochschulen nach Leistungsparametern, die der Privatwirtschaft entliehen sind, zu bewerten (Stichwort New Public Management) und als eigenständige Akteure im Wettbewerb auf (wissenschaftlichen) Quasi-Märkten zu positionieren.

Funktionales Wissenschaftsmodell

Der Wissenschaftsrat versucht nun für dieses zunehmend instrumentelle Verhältnis gegenüber Wissenschaft ein systemtheoretisch inspiriertes Handlungsmodell zu entwickeln. Er betrachtet und strukturiert die Wissenschaftslandschaft als ein Wissenschafts-System, dessen einzelne Bestandteile aufeinander bezogen sind und darin zunächst bestimmte Funktionen oder Aufgaben füreinander übernehmen: "Wissenschaft umfasst ein ganzes Spektrum unterschiedlicher Leistungsdimensionen, die eng miteinander verbunden, teilweise konstitutiv füreinander sind, und sich wechselseitig befruchten."4 So hebt der WR die Einzigartigkeit der Institution Hochschule mit ihrer Schnittstellenfunktion zwischen Bildung, Forschung, Transfer und kultureller Selbstwahrnehmung hervor und fordert mit Nachdruck eine bessere Grundfinanzierung der "Organisationszentren des Wissenschaftssystems"5 in gemeinsamer Verantwortung von Bund und Ländern ein. Ähnlich soll auch eine stabile Finanzierung für außeruniversitäre Forschungseinrichtungen über den Pakt für Forschung und Innovationen qua Institution aufrechterhalten werden.

Zugleich erfüllen in diesem Denkmodell unterschiedliche Teilbereiche von Wissenschaft und Forschung Funktionen für übergreifende Systeme, beispielsweise der Ökonomie, der Gesellschaft oder der Politik: "International kompetitive Forschung und ein im globalen Wettbewerb attraktives und anschlussfähiges Bildungs- und Ausbildungssystem bleiben [...] wichtige Voraussetzungen einer prosperierenden gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung und verlangen eine weitere Steigerung der Leistungsfähigkeit des Wissenschaftssystems."6 Die Wissenschaft könne nach Auffassung des Wissenschaftsrates die verschiedenen Aufgaben am besten erfüllen, wenn Einrichtungen eine Spezialisierung vornehmen und sich auf eine oder mehrere solcher "Leistungsdimensionen" konzentrieren: "Neben Forschung und Lehre, die traditionell zu den Kernaufgaben der Hochschulen gehören, treten die Leistungsdimensionen Transfer und wissenschaftliche Infrastrukturleistungen immer deutlicher in den Vordergrund."7 Ausdrücklich weist der WR darauf hin, dass eine Spezialisierung auch innerhalb einer Dimension erfolgen kann: beispielsweise forschungsseitig internationale Kooperationen bestimmter Disziplinen zu fördern, sich bei der Lehre auf Weiterbildung oder berufsbegleitendes Studium zu konzentrieren, den Transfer in Form politischer Beratung oder als technologische Gründungsberatung zu organisieren. Die politische Flankierung soll über eine wettbewerblich ausgerichtete Förderung fortgeführt werden, die weitere Profilierungen einzelner Einrichtungen vorantreiben und schwerpunktbezogene Kooperationen zwischen mehreren Akteuren unterstützen soll.

Fortsetzung horizontaler Ausdifferenzierung

In der Gesamtschau lässt das Papier keinen Zweifel daran aufkommen, dass der Anfang der 2000er Jahre unter Rot-Grün begonnene Kurs zur Wettbewerbsorientierung und Ausdifferenzierung der Wissenschaftslandschaft fortgesetzt und abgesichert werden soll. Einen strategischen Neuheitswert hat das Unterfangen, die traditionelle Unterscheidung nach institutionellen Typen wie Fachhochschulen, Universitäten, außeruniversitären Forschungseinrichtungen, Akademien etc. mit der Differenzierung nach Aufgaben bzw. "Leistungsdimensionen" systematisch zusammenzudenken. Im Unterschied zu einer WR-Stellungnahme von 2006 werden hier ausdrücklich die vertikale Differenzierung in Universitäten und Fachhochschulen zurückgestellt8 und die Empfehlungen auf die horizontale Ausdifferenzierung der Wissenschaftseinrichtungen untereinander konzentriert. Der strategische Vorteil dieses Denkmodells ist, dass es einen übergeordneten Rahmen schafft, der die vorhandenen einzelnen wissenschaftspolitischen Ziele zueinander in Beziehung setzt und die damit verknüpften Maßnahmen besser aufeinander abstimmen lassen kann.9 Es lässt dabei die vormals in der politischen Diskussion vernachlässigten Bereiche, wie bspw. die Lehre, aufgrund ihrer Funktionalität für das ganze System als relativ gleichbedeutend mit anderen Funktionsbereichen, wie bspw. die sogenannte Spitzenforschung auftreten. Die Ableitung von Aufgaben für übergeordnete Ziele eröffnet auch Chancen, ideologisch geführte Diskussionen bspw. in Bezug auf den Stellenwert von Gleichberechtigung oder guten Beschäftigungsbedingungen in einem anderen Licht neu anzugehen. Genau die Nutzenorientierung birgt aber umgekehrt die Gefahr, dass das ganze System auf einen eng ausgelegten ökonomischen Nutzen orientiert wird. Dagegen muss in den kommenden Jahren um die Deutungshochheit über den gesellschaftlichen Nutzen, den akademische Bildung und Forschung mit sich bringen, gekämpft werden.

Die Empfehlungen des Wissenschaftsrates zur institutionellen Absicherung, der horizontalen Ausdifferenzierung und weiteren wichtigen Funktionsbereichen der Wissenschaft im Überblick:

Mehr Unterstützung durch den Bund für die Hochschulen...

Die gute Nachricht ist, dass der Wissenschaftsrat den Finger in die Wunde legt und die Unterfinanzierung der Hochschulen zum vordringlichsten Handlungsfeld in der Wissenschaftspolitik erhebt. Die bisherige Politik der befristeten Bund-Länder-Pakte wird für nicht zukunftsfähig erklärt. Das gilt an erster Stelle für die Ausfinanzierung von Studienplätzen. Um aber Studiengänge qualitativ hochwertig ausbauen zu können, brauchen Hochschulen lange Planungshorizonte sowie flexible, d.h. nicht zweckgebundene Mittel, um zusätzliche Berufungen und Investitionen in digitale Infrastruktur und moderne didaktische Methodik vornehmen zu können. Bei der Forschung brauche man lange Zeithorizonte, um Kompetenzen aufzubauen und ergebnisoffen in der Grund- und Vorsorgeforschung tätig sein zu können. Auch die gestiegenen "Erwartungen an die Entwicklung innovativer Produkte und Prozesse erfordern von den Geldgebern in Politik und Wirtschaft [...] die Bereitschaft zu strategischen, nicht primär an kurzfristigen Renditeerwartungen ausgerichteten Investitionen"10. Nach Aussage des Vorsitzenden des Wissenschaftsrates Marquardt gehe an der verlässlichen Steigerung der Grundhaushalte der Hochschulen und der Schaffung der rechtlichen Voraussetzungen für eine substanzielle Beteiligung des Bundes kein Weg vorbei11.

...jedoch mit unterschiedlichen Zuständigkeiten für Bund und Länder

Mit seinem Plädoyer für die Abschaffung des Kooperationsverbotes fordert der WR allerdings mitnichten mehr gemeinsame Hochschulplanung zwischen Bund und Ländern. Sein Vorschlagstableau zielt im Kern darauf, ausgewählte Bereiche der Hochschulfinanzierung dem Bund zu überantworten, um die Länder bei der Grundfinanzierung von Lehre und Forschung zu entlasten. Der Bund soll vorzugsweise den Hochschulbau komplett übernehmen und die Länder im Gegenzug den Hochschulen mehr Grundmittel - mindestens ein Prozent über den erwartbaren tariflichen und inflationsbedingten Kostensteigerungen - zusichern.

Im aktuellen Koalitionsvertrag findet sich dieser Gedanke in einer stark abgespeckten Form wieder. Darin will der Bund den Länderanteil für den jährlichen Aufwuchs der Mittel im Pakt für Forschung und Innovationen in Höhe von insgesamt 3 Milliarden Euro übernehmen. Für NRW hat die SPD-Landtagsfraktion einen Anteil von etwa 20 Millionen pro Jahr überschlagen: bei 35 Hochschulen landesweit wäre das vorerst nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

Auch bei der Nachfolgeregelung für die Exzellenzinitiative entscheidet sich der Wissenschaftsrat für ein Lösungspaket, das entscheidende Steuerungsmöglichkeiten beim Bund belässt.

Exzellenzinitiative in neuen Kleidern

Neben der institutionellen Grundfinanzierung liegt für den WR die zweite zentrale Säule der Hochschulfinanzierung in Fördermitteln mit Lenkungswirkung zugunsten der funktionalen Profilierung. Die "mehrdimensionale Differenzierung" für den Bereich der Lehre behandelt der nächste Abschnitt. Für die anderen Dimensionen ist genau zu diesem Zweck die Exzellenzinitiative erfunden worden, daher überrascht es nicht, dass der WR empfiehlt, jene Mittel in vergleichbarer Höhe und mit ähnlich strukturierender Wirkung weiter zu verausgaben. Die bekannten Projekte der Exzellenzinitiative mit leicht veränderten Titeln werden im Vorschlagstableau um zwei neue Instrumente ergänzt (vgl. hierzu auch die Grafik).

Erhalten bleiben soll das Instrument der themenbezogenen Graduiertenschulen, die zukünftig die DFG als offenes Förderformat als Variation ihrer bisherigen Graduiertenkollegs anbieten könnte. Ebenfalls in das Portfolio der DFG soll die bisherige Förderlinie 2 der Exzellenzcluster wandern, in deren Rahmen profilgebende Forschungsverbünde mit der Wirtschaft und der außeruniversitären Forschung als international sichtbare Vorhaben weiter gefördert werden sollen. Zusätzlich zu diesen "DFG-Forschungsclustern" empfiehlt der WR insbesondere für Fachhochschulen die Förderung regional und lokal relevanter Forschungsverbünde, die die Dimension des Transfers in Wirtschaft und Gesellschaft stärken.

An Stelle der "Zukunftskonzepte" aus der 3. Förderlinie schlägt der WR als erstes Element eine langfristige Förderung herausragender Projekte in allen Leistungsdimensionen im organisatorischen Rahmen sogenannter Liebig-Zentren vor. Um die bundespolitisch gewollte Lenkungswirkung abzusichern, sollen die dauerhaft bestehenden Zentren von Bund und Ländern gemeinsam finanziert werden. Da sie Einrichtungen der Hochschulen werden sollen, bedürfte es dafür allerdings einer Grundgesetzänderung.

Das zweite Element langfristiger Profilbildung zielt auf die strategische Bedeutung von Berufungen ab. Bund und Länder sollen sogenannte Merian-Professuren finanzieren, die die forschungsseitige Schwerpunktbildung unterstützen sollen. Nicht die individuell herausragenden Forscher und Forscherinnen sollen im Mittelpunkt der Förderung stehen, sondern es soll den Hochschulen möglich gemacht werden ein attraktives Angebot zur Stärkung ihrer fachlichen Ausrichtung zu machen.

In die Reihe der profilbildenden Förderung gehört nicht zuletzt die Overheadpauschale für Hochschulen, die über DFG-Programme gefördert werden. Um hier eine breitere Beteiligung zu ermöglichen, empfiehlt der WR, die Programmpauschale auf 4o Prozent anzuheben.

Attraktivität und Qualität tertiärer Bildung steigern

Davon ausgehend, dass der Bedarf nach akademischer Ausbildung auch über das Jahr 2020 hinaus weiter zunehmen wird, setzt der Wissenschaftsrat auf eine Fortführung des Hochschulpakts, der "langfristig in eine nachfrageorientierte Reform der Grundfinanzierung der Hochschulen münden könnte"12. Zukünftig soll der hierdurch finanzierte Zuwachs des Lehrpersonals aber auch kapazitätsneutral erfolgen, um die Betreuungsrelation von Studierenden deutlich zu verbessern. Unterstützen will der WR dies durch den systematischen Einbezug von Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen aus der außeruniversitären Forschung.

Ein anderer Ansatz zum Umgang mit großen Studierendenquantitäten zielt auf neue, insbesondere onlinegestützte Lehr- und Lernformate, wie Online-Massenvorlesungen (bspw. durch MOOCs) mit Vertiefung in Präsenzveranstaltungen mit Kleingruppen. Modellvorhaben werden bereits heute mit den Mitteln aus der 3. Säule des Hochschulpaktes, dem Qualitätspakt für Lehre, finanziert. Gelder für eine Implementation von best-practice-Modellen in der Breite will der WR dadurch erhalten, dass bei nachlassender Studiennachfrage die Mittel aus der 1. zugunsten der 3. Säule umverteilt werden sollen.

Im Fokus steht weiterhin eine gezielte Ausgestaltung der Studienvorbereitungs- und der Studieneingangsphase, mit der sich Hochschulen auf die zunehmende Heterogenität der Studierenden mit unterschiedlichen Eingangsqualifikationen und Studienzielen einstellen müssten. Insbesondere neue Zielgruppen wie beruflich Qualifizierte ohne Abitur oder an Weiterbildung interessierte berufstätige und oft lernentwöhnte Menschen bräuchten Beratungs- und Selbsteinschätzungsangebote der Hochschulen. Um bedarfsgerechte Lehre und Betreuung leisten zu können, empfiehlt der WR den Hochschulen sich über Profilbildungsverfahren in der Lehre auf ausgewählte Zielgruppen zu konzentrieren.

Qualität von Promotionsverfahren über Graduiertenzentren absichern

Sogenannte Graduiertenzentren als organisatorischer Rahmen sollen nach Vorstellung des Wissenschaftsrates zukünftig die Promotionsverfahren in Deutschland an übergreifende Standards heranführen. Unter einem Dach könnten sowohl Graduiertenkollegs mit eigenen Mitteln, Individualpromovierende als auch kooperative Promotionen mit anderen Einrichtungen geführt werden. Ziel ist es, allen Promovierenden unabhängig von Art und Herkunft ihrer Finanzierung gleiche Ausbildungsangebote machen zu können, fakultätsübergreifende Qualitätsstandards für die Betreuung zu sichern und sie auf strukturierte Art und Weise in aktuelle Forschungsfragen einzubinden.

Berufe in der Wissenschaft attraktiver machen

Zu den notwendigen Investitionen in wissenschaftliches Personal gibt der Wissenschaftsrat keine Einschätzung in Euro an. Fest steht aber auch für ihn, das erhebliche Summen in die Hand genommen werden müssen, wenn wissenschaftliche Einrichtungen attraktiv für gute Leute bleiben wollen. Dies betrifft zwar auch die Höhe der Gehälter, als besonders relevant sieht er aber klare Perspektiven und interessante Entwicklungsmöglichkeiten an. Als wichtiges Indiz für die geringere Attraktivität von Hochschulen gegenüber der außeruniversitären Forschung sieht der WR deutlich geringere Anteile von ausländischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern an Universitäten an. Während im Mittelbau 10 Prozent und 6 Prozent in den Reihen der Professorinnen und Professoren beschäftigt sind, sind es in der außeruniversitären Forschung immerhin 16 Prozent.

"Auch wenn dies notfalls zu Lasten der aus Grundmitteln finanzierten Qualifizierungsstellen gehen würde"13 mahnt er deshalb vor allem die Schaffung zusätzlicher Personalkategorien als Dauerstellen neben der Professur und eine deutliche Erhöhung der Zahl der Professuren an. Um die Perspektive der Karrierewege zu verbessern sollen Universitäten die Nachwuchsförderung mit anschließender planbarer Weiterbeschäftigung betreiben.

Indirekt setzt sich der WR zudem für eine Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes ein, indem er die Überprüfung der rechtlichen Voraussetzungen für eine Eindämmung von befristeten Verträgen einfordert. Hierbei seien aber auch Hochschulen in der Verantwortung, durch Personalmanagement eine Aneinanderreihung von Kurzfristverträgen zu vermeiden. Personalentwicklungskonzepte für das wissenschaftliche Personal, die den eigenen Werdegang als auch den Bedarf der Hochschulen beispielsweise an neuen Lehrformaten unterstützen, runden die Vorschläge gegenüber den Hochschulen ab.

Anmerkungen

1) 24 Mitglieder der Wissenschaftskommission aus der Wissenschaft werden auf gemeinsamen Vorschlag der DFG, HRK, MPG, HGF, FhG und WGL berufen, 8 Mitglieder als "Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens" auf gemeinsamen Vorschlag von Bund und Ländern. In den Verwaltungsrat entsenden Bund und Länder direkt VertreterInnen auf jeweils die Hälfte der Sitze.

2) Eckpunkte der Allianz der Wissenschaftsorganisationen. "Paket der Pakte - Weiterentwicklung des deutschen Wissenschaftssystems", Juni 2013.

3) Der WR spricht von einer "sinnvolle Zielkorridore definierenden Steuerung durch die Zuwendungsgeber", vgl. Wissenschaftsrat 2013: Perspektiven des deutschen Wissenschaftssystems: 55 (nachfolgend: WR 2013).

4) Ebenda: 25.

5) Ebenda: 28.

6) Ebenda: 27.

7) WR 2013: 25.

8) Ebenda: 28 und Fußnote 7.

9) Vgl. ähnliche Argumentation des WR in Bezug auf den "Zukunftspakt" in: WR 2013, Abschnitt VI.1: 99f.

10) Ebenda: 20.

11) Pressekonferenz des Wissenschaftsrates am 28. Oktober 2013 in Berlin.

12) WR 2013: 33.

13) Ebenda: 45.


Johanna Maiwald ist Politikwissenschaftlerin, hat während der vergangenen zwei Wahlperioden als Referentin für Wissenschaftspolitik im Bundestag gearbeitet und ist heute in der Stabsstelle einer Hochschulleitung tätig.

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