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Klaus Holzkamp

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Hoffnungsträger vor dem Scheitern?

01.01.2014: Die zweite Amtsperiode von Barack Obama (Teil II)

  
 

Forum Wissenschaft 4/2013; Foto: stm/Photocase

Die Erwartungen an die Wahl Barack Obamas zum Präsidenten der USA waren 2008 weltweit hochgesteckt. Doch das Ergebnis seiner ersten Amtszeit fiel nüchtern aus und seine Wiederwahl 2012 verlief denkbar knapp. Siebo M. H. Janssen bilanziert die Initiativen Obamas bis dato und geht der Frage nach, welche Impulse von den USA in nächster Zeit für die Weltöffentlichkeit erwartet werden können. Im ersten Teil (siehe Forum Wissenschaft 3/2013) zeichnete Janssen die außenpolitische Entwicklung nach. Hier nun nimmt er die prekäre Machtbalance zwischen Demokraten und Republikanern und die innenpolitischen Reformbemühungen genauer unter die Lupe.

Die politische Klasse der USA hat am 17. Oktober gerade noch rechtzeitig einen Staatsbankrott abgewendet. Wieder einmal. Und wieder einmal hatten sich Republikaner und Demokraten dabei einen Krimi im Weltmaßstab geliefert. Nach Meinung politischer Beobachter ist die Regierung Obama diesmal aber deutlich härter als gewohnt in die Konfrontation gegenüber der radikalisierten Tea-Party-Fraktion gegangen. Obama hat sich nicht von den 50 von 233 republikanischen Abgeordneten erpressen lassen, die die notwendige Anhebung der Staatschuldengrenze wochenlang dazu genutzt hatten, ihre seit dem Präsidentschaftswahlkampf weitgehend ungehörte Propagandatrommel gegen die Gesundheitsreform der Demokraten wieder kräftig zu schlagen. Am Ende musste Obama bei seinem Prestigeprojekt kaum Abstriche vornehmen1. Dies stärkt auch seine Position in der Wahrnehmung seiner außenpolitischen Partner. Sowohl die (vorläufige) innenpolitische Bereinigung als auch der Imagegewinn nach außen spielen eine wichtige Rolle beispielsweise bei den aktuell laufenden Verhandlungen um ein Freihandelsabkommen mit der EU.

Im Haushaltsstreit 2013 aus Fehlern gelernt?

Auch wenn es klar ist, dass es vor dem nächsten Stichtag der Anhebung der Schuldengrenze am 15. Januar 2014 wieder zum politischen Säbel-Rasseln kommt, war der für Obama innenpolitisch glimpfliche Ausgang dieser Runde keineswegs so abzusehen.

Die Außen- und Sicherheitspolitik der USA ist zwischen 2001 und 2009 durch eine Politik der militärischen (Schein-) Stärke geprägt gewesen. Die Bush-II-Administration setzte sowohl im Irak als auch in Afghanistan auf unilaterale militärische Lösungen und verstieß vielfach gegen das geltende Völkerrecht2. Sie erklärte es für tendenziell nicht bindend für die USA und setzte auf das "Recht des Stärkeren". Das Scheitern der Bush-Administration und ihrer neokonservativen Demokratisierungsagenda im Irak führte in Folge allerdings nicht dazu, dass sich die Republikanische Partei gemäßigt hätte. Vielmehr radikalisierten sich die Republikaner sowohl innen- wie auch außenpolitisch weiter. Die ehemalige Präsidentschaftskandidatin der Republikaner Sarah Palin, die zugleich Aktivistin der rechtsnationalistischen Tea-Party-Bewegung ist,3 machte im Präsidentschaftswahlkampf 2012 kein Geheimnis aus ihrer offenen Verachtung für die Politik der Demokraten. In ihren Augen war Obama ein von Europa und/oder dem Islam fremd gesteuerter Feind des US-amerikanischen Volkes.4 Diese demagogische Paranoia in weiten Teilen der Republikanischen Partei beantwortete Obama im Wahlkampf mit geradezu grotesken Verrenkungen und Doppeldeutigkeiten. Eine offene Kampfansage an die Republikaner hatte er vermieden - vermutlich aus Angst, möglicherweise wahlentscheidende Stimmen in der politischen Mitte zu verlieren. Entscheidend ist, dass er nach der Wahl an dieser Strategie festhielt. Ins Zentrum seiner Strategie zur Durchsetzung politischer Reformen setzte er die Suche nach gemeinsamen Nennern mit den Republikanern. Wie gleich exemplarisch nachgezeichnet wird, war Obamas Erfolg mit diesem Ansatz bei der Gesundheitsreform mager. Gerade auch aus heutiger Sicht des gänzlich anderen Vorgehens beim Haushaltsstreit 2013 liegt die Schlussfolgerung nahe, dass nicht alleine die Existenz eines extrem schwierigen politischen Kontrahenten Obamas eigene politische Pläne in einigen Fällen durchkreuzt haben mag. Seine Durchsetzungsprobleme waren auch hausgemacht.

"Slow down, you move too fast!"

Nach dem geradezu euphorischen Start der Präsidentschaft Obamas stellten sich schon bald die ersten ernüchternden Momente der Realität ein. Immer wieder hatte Obama auf seine Rolle als "uniter" des amerikanischen Volkes hingewiesen, der die USA und seine politische Klasse nach den Jahren der ideologischen Verengung der Bush-II-Administration miteinander versöhnen wolle. Dafür hat er die Idee der "bipartisanship"5 propagiert. Diese an sich löbliche Idee krankte von Anfang an an zwei Grundproblemen: Zum einen waren die Republikaner nicht gewillt, das Prinzip der bipartisanship zu akzeptieren und zu einer ernsthaften Zusammenarbeit mit den Demokraten zu kommen. Zum anderen enttäuschte diese Politik des "move to the center" viele der grassroots-Aktivisten und Linken in der Demokratischen Partei, die Obamas Wahlkampagne überhaupt erst ermöglicht hatten. Das schwächte seinen Rückhalt auch im eigenen Lager. Diese "Sandwichposition"6 lässt sich beispielhaft beim Vorgehen Obamas bei der stark umstrittenen Gesundheitsreform beobachten.

Im Wahlkampf 2008 hatte Obama versprochen, das US-amerikanische Gesundheitssystem grundlegend zu reformieren. Es galt im internationalen Vergleich als außergewöhnlich teuer, ineffizient und gegenüber den ökonomisch schwächsten Schichten der Gesellschaft als diskriminierend. Ausgehend von den Vorschlägen Edward Kennedys wollten die Demokraten ursprünglich eine staatliche Basisvorsorge für jeden US-Amerikaner einführen. Da in den USA ca. 47 Millionen Bürgern und Bürgerinnen keinerlei Gesundheitsfürsorge zusteht, sollte dieser Ansatz eine der größten Lücken des ohnehin schwach ausgeprägten US-amerikanischen Sozialstaates schließen. Schnell wurde jedoch deutlich, dass die republikanischen sowie eine konservative Minderheit von demokratischen Kongressabgeordneten aus den Südstaaten nicht bereit waren, einen solchen tief greifenden Reformansatz zu unterstützen. Sie lehnten eine staatliche Basisversicherung grundsätzlich ab, da sie sich keinerlei staatliche Intervention zugunsten der unversicherten US-Amerikaner vorstellen konnten. In den folgenden Debatten zeigte Obama eine zunehmende taktische Geschmeidigkeit. Zwar bekundete er öffentlich vollmundig weiterhin seinen Wunsch nach einer staatlich basierten Krankenversicherung, rückte gleichzeitig aber zugunsten eines bipartisan-Kompromisses von seiner ursprünglichen Forderung ab.

Was darauf folgte, ist im Prinzip als eine äußerst erfolgreiche "Salamitaktik" der Republikaner zu verstehen. Jeden Schritt, den Obama auf die Republikaner zuging, nutzten diese zu weiteren Forderungen, denen Obama mehr oder weniger deutlich nachkam. Der linke Parteiflügel der Demokraten wandte sich enttäuscht und verärgert von Obamas Politik der Nachgiebigkeit gegenüber den noch deutlicher nach rechts gerückten Republikanern ab. Obama blieb schließlich im unauflösbaren Konflikt zwischen seinem idealistischen Versprechen und den realen innenpolitischen (Macht-)Verhältnissen stecken. Der Kompromiss zur Gesundheitsreform, der dank einiger weniger gemäßigter Republikaner in den beiden Kammern des Kongresses zustande kam, ist nur noch ein Schatten der ursprünglichen Vorschläge der Obama-Administration. Er verzichtet vollständig auf eine staatliche Option und sieht eine rein privatwirtschaftliche Lösung vor. Der Staat wird durch Ausgleichszahlungen für den ärmeren Teil der Bevölkerung faktisch private Krankenkassen mitfinanzieren.7 Zwar erreicht diese Lösung immerhin noch ca. 30 Millionen bislang unversicherte US-Amerikaner, aber das Ziel einer staatlich finanzierten Krankenversicherung hat Obama ohne Mut zur echten politischen Auseinandersetzung begraben. Dieses "Einknicken" vor den Lobbyisten der Pharmaindustrie und der Republikanischen Partei löste nicht nur Wut und Verärgerung bei linken Demokraten aus, sondern empörte auch einen Teil der Obama unterstützenden Presse und führte zu einer deutlichen Abkühlung des honeymoon zwischen Obama und der progressiven Öffentlichkeit.

Enttäuschungen auf allen Seiten

Der seit November 2010 wieder partiell unter republikanischer Kontrolle stehende Kongress,8 hat bereits in den ersten Monaten die Rücknahme der Gesundheitsreform, die Verhinderung der von Obama angestrebten Einwanderungsreform sowie eine außenpolitische Verschärfung gegenüber dem Iran und Nordkorea angekündigt. Weiterhin schwelt die schwere ökonomische Krise in den USA - und die ungelöste Situation in Afghanistan und im Irak belastet das Land politisch und ökonomisch noch zusätzlich. Die ganz offenkundig völkerrechtswidrige Liquidierung Osama bin Ladens im Mai 2011 hatte Obama innen- wie außenpolitisch etwas Luft verschafft. Die Konfliktfelder seit Antritt der zweiten Amtsperiode Obamas sind aber nicht weniger geworden.

Neben den zuvor genannten Themen wird es vornehmlich darum gehen, wie sich Obama in Bezug auf die weitere Entwicklung in Nordafrika und im Nahen Osten verhält und wie er den Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern dauerhaft lösen will. Zwar hat Obama in diesen Fragen deutliche Worte gefunden und unterstützt - auf Drängen von Außenministerin Clinton und UN-Botschafterin Rice - die Angriffe gegen das libysche Regime,9 dennoch zögert er bei einer deutlichen und nachdrücklichen Verurteilung Syriens, Bahrains und auch des Jemen, weil hier, anders als im Falle Libyens, geopolitische Interessen eine vorrangige Rolle spielen.10 Auch in dieser Hinsicht konnte Obama sein anfängliches Prestige letztendlich nur verlieren und die - teilweise unrealistisch hohen - Erwartungen der arabischen Revolutionäre nur enttäuschen.

Schaut man sich die Entwicklungen in der Region Naher und Mittlerer Osten an, so stellt sich heraus, dass die Konzeptlosigkeit der westlichen Politik allgemein, aber der USA im Besonderen, dazu geführt hat, dass in einigen betroffenen Staaten die Umbrüche zum Stillstand gekommen sind bzw. zurückgedreht wurden. Ein besonders dramatisches Beispiel ist Ägypten, dort wurde der demokratisch gewählte Präsident Mursi von den Militärs aus dem Amt gejagt und unter dem Beifall sich als links und liberal definierender Intellektueller und Demonstranten ein Blutbad an Anhängern Mursis angerichtet. Die USA haben in diesem Konflikt zwischen demokratisch legitimiertem Präsidenten und Militärs eine mehr als problematische Rolle gespielt. Zwar verurteilten die USA pflichtschuldig den coup d‘etat, allerdings weigerten sie sich die Militärhilfe für Ägypten in Gänze einzustellen und beließen es bei kleineren Korrekturen in Bezug auf gemeinsame Manöver und bestimmte Ausrüstungsgegenstände.

Ähnlich diffus zeigte sich die US-Regierung in Bezug auf Syrien. Nachdem in Syrien Giftgas eingesetzt wurde, vermutlich, wenn auch nicht abschließend bewiesen, von Regierungstruppen, bezeichnete Obama dies als das Überschreiten der einige Monate zuvor von ihm festgelegten roten Linie. Bei dem Versuch daraufhin im Kongress wie aber auch bei den westlichen Verbündeten Unterstützung für einen begrenzten militärischen Einsatz gegen Assad zu finden, scheiterte die Obamaadministration auf ganzer Linie. Das britische Unterhaus lehnte einen militärischen Einsatz mit großer Mehrheit ab, im US-Kongress wäre eine Mehrheit ebenfalls nicht sicher gewesen und selbst in Frankreich wurde nach anfänglichem Enthusiasmus von Präsident Hollande die Frage laut, ob Frankreich sich an einem militärischen Eingreifen gegen Syrien beteiligen sollte. Geklärt wurde die Situation ausgerechnet durch die russische Initiative für eine geordnete und kontrollierte Zerstörung des syrischen Chemiewaffenarsenals und die vorbehaltlose Zustimmung Syriens. Das hat die US-Administration zwar vor einer Abstimmungsniederlage im Kongress bewahrt, zeigte aber einmal mehr, wie sehr die USA an Einfluss in den Internationalen Beziehungen verlieren.

Etwas hoffnungsvoller für die USA sieht die derzeitige Situation beim iranischen Atomprogramm aus. Hier hat es, erstmals seit 1979, wieder hochrangige Gespräche zwischen dem Iran und den USA gegeben und in einigen Teilbereichen wurden bereits Fortschritte erzielt. Allerdings gilt auch hier: Obama folgt weniger einer eigenständigen, durchdachten Außenpolitik, sondern reagiert auf positive Entwicklungen von außerhalb. In Bezug auf den Iran wird die Frage sein, inwieweit die konservativen Kräfte Präsident Rohani den Freiraum für eine für alle Beteiligten akzeptable Lösung lassen. Zu fragen bleibt auch, ob Israels Premier Netanjahu, der dem Dialog zwischen den USA und dem Iran ablehnend gegenüber steht, eine entsprechende Einigung zulässt, wenn er die Sicherheitsinteressen Israels gefährdet sieht. Alles in allem zeigt sich die Nah- und Mittelostpolitik der Obama-Administration als wenig kohärent, eher reagierend denn agierend und allenfalls Schlimmeres verhindernd. Diese unentschlossene Politik führt auf allen Seiten zu Enttäuschungen und hat ein Abrücken von den USA zur Folge.

Nur ein "bleicher Schatten"

Diese Enttäuschungen sind eines der Hauptprobleme der Präsidentschaft Barack Obamas. Keine seiner zahlreichen Ankündigungen und Versprechen hat er bis zum heutigen Tage (komplett) umgesetzt; allenfalls sind Ansätze einer Reformpolitik erkennbar. Zumeist hat Obama seine innen- und außenpolitischen Ziele im Laufe seiner bis jetzt viereinhalbjährigen Amtszeit derart verwässert, dass - bei allem notwendigen Realismus - von dem charismatischen und enthusiastischen "Menschenfischer"11 nur mehr ein bleicher Schatten übrig geblieben ist. Die Gründe für diese Metamorphose sind sicherlich zahlreich, wenn man sie aber auf einige wesentliche Punkte konzentrieren will, so kann das Folgende festgehalten werden:

  • Obama hat im Wahlkampf 2008 in den USA und in Europa Erwartungen geweckt, die er von Anfang an aufgrund der politischen, militärischen und ökonomischen Situation nicht erfüllen konnte.
  • Die relativ stabile Mehrheit, die er zwischen Januar 2009 und November 2010 im US-Kongress hatte, hat der amtierende amerikanische Präsident nicht zur Durchführung seiner wesentlichen Reformprojekte genutzt, sondern hat sich durch eine falsch verstandene bipartisanship-Politik von den Republikanern und dem rechten Flügel der Demokraten vorführen lassen und dabei auf dem linken Spektrum der Demokraten zahlreiche Wähler und Mitglieder enttäuscht.12
  • Obamas außenpolitische Strategie ist günstigstenfalls inkohärent: Neben starken außenpolitischen Momenten und Ambitionen wie der Kairoer oder Prager Rede13 stehen die realen Entwicklungen in Staaten wie dem Irak, Pakistan, Afghanistan und Libyen, die mehr die klassische Politik des "bewaffneten Armes" als die der "ausgestreckten Hand" verraten.14
  • Seine Umwelt- und Energiepolitik ist ebenfalls dem alten Wachstumsdenken verhaftet, neue Akzente wie z.B. eine stärkere Unterstützung der Entwicklungsländer für Bemühungen, umweltschonender zu produzieren und den CO2-Ausstoß zu senken, sind nicht erkennbar. Ebenso wenig wie eine Veränderung der betreffenden Politikbereiche für die USA selbst.
  • Auch der Nahostkonflikt leidet unter der politischen Unentschlossenheit der Obama-Administration, den gordischen Knoten endlich zu durchtrennen und durch konsequente Forderungen sowohl an den Staat Israel als auch an die palästinensische Führung zu einer dauerhaften und für beide Seiten vertretbaren Lösung zu gelangen.15
  • Durch seine inkohärente Politik im Nahostkonflikt läuft Obama Gefahr, auch die Unterstützung bei den Revolutionären in den nordafrikanischen und arabischen Staaten zu verlieren. Denn eine Aussöhnung der arabischen Welt mit den USA wird es nur mit einer Lösung des israelisch-palästinensischen Konfliktes geben.
  • Die außen- und sicherheitspolitische Schwäche der EU führt zu einer Abwendung der USA von Europa und zu einer Konzentration auf andere, kohärenter agierende Akteure, wie z.B. Brasilien, Mexiko, China und mit gewissen Abstrichen auch Russland.

    "The end of all dreams?"

    Die Wahl Obamas zum 44. und 45. US-Präsidenten war von hohen Erwartungen in den USA selbst und in weiten Teilen der Welt geprägt. Aus unterschiedlichsten innen- wie außenpolitischen Gründen haben sich diese (gegenseitigen) Erwartungen nicht erfüllt. Obamas Politik ist in den letzten viereinhalb Jahren von wechselseitigen Missverständnissen und Enttäuschungen mit den Europäern geprägt gewesen. Sie erreichen zwar nicht das Ausmaß der Verstimmungen mit der vorherigen Bush-Administration, haben jedoch zu einer weiteren Entfremdung im transatlantischen Verhältnis geführt.

    Innenpolitisch ist Obama ebenfalls kein nennenswerter Politikwechsel gelungen. Bis 2016 werden die Republikaner verstärkt versuchen, die politische Schwäche des Präsidenten in Verbindung mit der ökonomisch schwierigen Situation in den USA dazu zu nutzen, die Demokraten politisch weiter zu schwächen. Die Folge könnte ein Rechtsruck der Demokraten sein, um möglichst keine potenziellen Wähler der Mitte an die Republikaner zu verlieren. Die Hoffnung, die man allerdings hegen kann, ist die, dass die Republikaner durch den zunehmenden Zug nach rechts außen für die politische Mitte unwählbar werden. Das hatte sich bei den Präsidentschaftswahlen 2012 gezeigt, als der eigentlich gemäßigte Kandidat der Republikaner, Mitt Romney, durch markige Parolen das Misstrauen der Tea Party-Anhänger zu zerstreuen versuchte, zugleich aber die WählerInnen der politischen Mitte verlor.

    Da eine dritte Amtszeit laut US-Verfassung für Obama nicht möglich ist, liegt nur in dieser zweiten Amtszeit die Chance für Obama, seine zahlreichen Ankündigungen und Versprechen seit 2008 in innen- und außenpolitischer Hinsicht zu verwirklichen bzw. zumindest effektiv voranzutreiben.

    Letztlich wird sich erst am Ende seiner Amtszeit 2016 zeigen, welchen Typus Politiker Obama tatsächlich verkörpert: den charismatischen Programmatiker und realistischen Idealisten oder den opportunistischen Machtpolitiker. Eine diesbezügliche Prognose ist ausgesprochen schwierig - ausgehend von den bisherigen Erfahrungen ist allerdings Ersteres zu hoffen und Letzteres durchaus zu befürchten. Würde diese Annahme eintreten, wäre dies für die innen- wie außenpolitische Entwicklung der USA nach der Ära Bush jun. ein weiterer schwerer Rückschlag. Mittel- und langfristig wäre dies sogar noch dramatischer als die Jahre der Präsidentschaft George W. Bushs einzuschätzen, da mit der Präsidentschaft Obamas essentielle Hoffnungen auf eine Kehrtwende in der außenpolitischen Rolle der USA verbunden sind. Ein dauerhaft negativer Blick auf die USA wäre für die internationale politische Ordnung eine gefährliche Entwicklung, die völlig neue Konfliktfelder in der internationalen Politik eröffnen könnte, da enttäuschte Hoffnungen oftmals zu einer politischen Radikalisierung führen.16

    Diese mögliche Tendenz gar nicht erst aufkommen zu lassen, wäre - auch im Sinne der USA - "kluge Macht", die Obama in den noch verbleibenden drei Jahren seiner zweiten Amtszeit unbedingt beherzigen sollte.

    Anmerkungen

    1 Die Einigung sah lediglich vor, dass die Voraussetzungen, unter denen Menschen einen staatlichen Zuschuss zur Krankenversicherung erhalten, schärfer überprüft werden.

    2 Als Beispiele können hier der Irakkrieg 2003, Guantánamo, Abu Ghraib und partiell auch der Krieg in Afghanistan seit 2001 angeführt werden.

    3 Dazu zählen auch andere Politiker der Republikaner wie beispielsweise Michele Bachmann, Abgeordnete im Repräsentantenhaus, und der ehemalige Senator und Repräsentantenhaus-Abgeordnete Rick Santorum.

    4 Die abstrusen Verschwörungstheorien gingen sogar so weit, dass Obama unterstellt wurde, er sei nicht in den USA geboren, was eine zwingende Voraussetzung für ein Präsidentenamt ist. Er hätte somit kein Anrecht auf die US-Präsidentschaft gehabt und sich diese ohnehin nur mithilfe des Islam, Europas und anderer mutmaßlicher Feinde Amerikas erschlichen. Diese sogenannte birther-Bewegung ruft sogar zum aktiven Widerstand gegen die vermeintlich antiamerikanische Politik Obamas auf.

    5 "Bipartisanship" meint hier die Zusammenarbeit zwischen Demokraten und Republikanern im US-Kongress.

    6 "Sandwichposition" meint hier, dass Obama gleichsam einem Sandwich zwischen zwei Maximalpositionen, die völlig unterschiedliche Erwartungen bedeuten, politisch "zerdrückt" zu werden droht.

    7 Vgl. Christian Lammert 2010: "Obamas (versuchte) Gesundheitsreform",in: Aus Politik und Zeitgeschichte 4/2010: 33-38.

    8 Im Repräsentantenhaus haben die Republikaner eine deutliche Mehrheit errungen, während im Senat eine hauchdünne Ein-Stimmen-Mehrheit für die Demokraten bestehen blieb.

    9 Hier muss man mittlerweile von einer deutlichen Überschreitung des UN-Mandates nach UN-Sicherheitsratsresolution 1973 ausgehen. Zwar sieht diese "alle notwendigen Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung" vor, jedoch dürfte ein Regimewechsel - wie jetzt von Frankreich, Großbritannien, Italien und den USA angestrebt - nicht zu den oben erwähnten zulässigen "notwendigen Maßnahmen" gehören.

    10 Ein militärisches Eingreifen gegen Syrien könnte beispielsweise den Iran auf den Plan rufen und die politische Situation im gesamten arabisch-persischen Raum destabilisieren. Ein Eingreifen in Bahrain könnte das saudische Königshaus nachhaltig verärgern. Ein Engagement in Jemen könnte diesen zu einem klassischen failed state werden lassen, in welchem nicht ausgeschlossen wäre, dass El Kaida dort - neben Pakistan, Afghanistan und Somalia - eine neue Heimstätte fände.

    11 Als solcher wurde Martin Luther (1483-1546), der begnadete Prediger und Reformator, bezeichnet.

    12 Siehe hierzu beispielsweise zahlreiche Beiträge zu verschiedenen Politikfeldern in der linksliberalen Internetzeitung Huffington Post (URL: www.huffingtonpost.com).

    13 Vgl. Teil I des Beitrags in Forum Wissenschaft 3/2013: 41-43.

    14 Vgl. hierzu auch den ehemaligen Berater von US-Außenministerin Rice, Eliot Cohen, am 7. September 2009 in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung (SZ) unter dem Titel "Unangenehmer als Bush". Cohen behauptet in diesem nachvollziehbar, dass die Außenpolitik der Obama-Administration sich gegenüber derjenigen der Bush-Administration nur rudimentär geändert habe und in Teilen sogar noch radikaler sei (in diesem Kontext könnte z.B. der verstärkte Einsatz von unbemannten Drohnen in Afghanistan und Pakistan genannt werden).

    15 Hier darf man gespannt sein, inwieweit die neue Initiative Obamas und Außenminister Kerrys in Bezug auf den Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern Erfolg haben wird.

    16 Als erstes Beispiel kann in diesem Zusammenhang die Reaktion der Palästinenser auf die weitgehende Unterstützung der israelischen Siedlungspolitik gesehen werden. Die angestrebte Aussöhnung von Fatah und Hamas hat auch mit der Enttäuschung über die Politik der Obama-Administration im israelisch-palästinensischen Konflikt zu tun.

    Siebo M.H. Janssen, Politikwissenschaftler und Historiker, Lehrbeauftragter am Lehrstuhl für Anglo-Amerikanische Geschichte der Universität zu Köln sowie Referent der politischen Erwachsenenbildung für das Heinz-Kühn-Bildungswerk.

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