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Klaus Holzkamp

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09.01.2013: aus Wissenschafts- und Hochschulentwicklung

  
 

Forum Wissenschaft 4/2012; Foto: Fotolia.com – alphaspirit

Hochschulen randvoll

Das Statistische Bundesamt kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch keine exakten Zahlen vorlegen. Nach allem jedoch, was zu sehen und zu hören ist und was aus allen Hochschulstandorten gemeldet wird, werden die Hochschulen im begonnenen Wintersemester 2012/13 so voll wie nie zuvor sein. Das hängt auch damit zusammen, dass allein aus fünf Bundesländern (Hessen, Brandenburg, Baden-Württemberg, Berlin, Bremen) sog. doppelte Abiturjahrgänge ins Studium drängen. Angesichts dieses Ansturms fehlt es an allem: an Gebäudekapazitäten der Hochschulen, an studentischem Wohnraum, vor allem jedoch an ausreichend finanzierten Studienplätzen. Die Uni Duisburg-Essen hat etwa ein Kino für Vorlesungen angemietet, die Uni Paderborn einen Baumarkt in ihrer Nähe. Die Hochschulen reagieren in ihrer Finanznot - was bleibt ihnen anderes übrig? - mit einer Verschärfung der Zulassungsbedingungen (NC). Der NC ist in Berlin annähernd flächendeckend. An der Humboldt-Universität gab es 33.600 Bewerbungen für 4.200 Studienplätze. Psychologie kann man dort nur noch mit einem Abiturnotenschnitt von 1,0 studieren. Das Deutsche Studentenwerk hat einen Fehlbedarf von 25 Tsd. Wohnheimplätzen ermittelt. Der (private) studentische Wohnungsmarkt ist in einigen Städten zusammengebrochen. Dem Vernehmen nach sollen in Hamburg zu Semesterbeginn ein Fünftel der Neuimmatrikulierten noch keine Unterkunft gefunden haben. Eine Erhöhung der nicht ausreichenden Mittel aus dem Hochschulpakt ist allerdings nicht in Sicht - ein Bildungsstreik vorerst ebenso wenig. (Quelle: studis-online 18.10.)

Ein neuer Elite-Klub: German U 15

Im Oktober gaben 15 "forschungsorientierte und medizinführende" - so die Selbstbezeichnung - Universitäten gegenüber der Presse bekannt, sie hätten einen Verein mit Sitz in Berlin gegründet, um künftig "ihre strategischen Interessen gemeinsam (zu) vertreten." Vorsitzender ist der Rektor der Uni Heidelberg Prof. Bernhard Eitel. Nun sind in der deutschen Wissenschaftstradition seit 1810 Universitäten (derzeit knapp über 100) per definitionem forschungsorientiert und beanspruchen forschungsbasierte Lehre anzubieten. Die U 15 meinen offenbar etwas ganz Besonderes zu sein, nämlich besonders "forschungsstark". Bei den "strategischen Interessen" dürfte es daher vor allem um die Sicherung dieses Anspruches durch mehr Geld gehen. Das verdeutlicht allein ein Blick auf die Klubmitglieder: FU Berlin, Humboldt-Universität, die Universitäten Bonn, Frankfurt, Freiburg, Göttingen, Hamburg, Heidelberg, Köln, Leipzig, Mainz, Münster, Tübingen, Würzburg sowie die LMU München. Mit Ausnahme von Leipzig und Mainz haben alle in der Exzellenzinitiative gut abgeschnitten, allein sechs "Eliteuniversitäten" der gegenwärtigen Förderrunde (2012-2017) befinden sich darunter. Forschungsqualität hat zwar nicht per se etwas mit der Existenz einer medizinischen Fakultät an der jeweiligen Uni zu tun. Allerdings sorgt dieses Eintrittsbillet dafür, dass die meisten Neugründungen der 60er- und 70er-Jahre des vorigen Jahrhunderts formal draußen bleiben müssen. Bernhard Eitel verdeutlichte das Gründungsanliegen vor der Presse: "Nicht erst die Exzellenzinitiative hat gezeigt, dass es ›die‹ Hochschulen nicht gibt. Hochschulen haben unterschiedliche Aufgaben, Potentiale und Kompetenzen in einer arbeitsteiligen deutschen Wissenschaftslandschaft. Die U 15 fordern daher, in Gesetzgebungsverfahren, bei Aufgabenverteilungen und mit Blick auf die Förderinstrumente diese Arbeitsteilung in den Blick zu nehmen." Hier wird zwar differenzierungstheoretisch argumentiert - wer hat schon etwas gegen bloße Verschiedenheit? -, gemeint ist aber offenbar die durch die Exzellenzinitiative produzierte (und vertiefte) finanzielle Hierarchisierung der Universitätslandschaft, kurz: die politische inszenierte Verabschiedung des Anspruchs, Universitäten seien grundsätzlich gleichwertig. Die Klubgründung zielt mit Sicherheit auf zwei künftig offene politische Entscheidungssituationen. Im Jahre 2017 läuft die Exzellenzinitiative aus. Wie es dann mit dem Ansinnen der "Eliteförderung" weitergeht, ist derzeit unklar. Außerdem ist eine Grundgesetzänderung im Gespräch, die dem Bund - statt wie bisher nur befristeter Sonderprogramme (Exzellenzinitiative) - künftig auch eine institutionelle Dauerfinanzierung von Hochschulen ermöglichen soll. Damit dann nicht jede Provinzuni eine Verbesserung der Studienbedingungen fordern kann, stellt sich mit der U 15 offenbar eine selbsternannte Elite auf, um sich in künftigen Verteilungskämpfen das größte Stück vom Kuchen zu sichern.

Ausweitung des Ranking-Boykotts

Nach der Deutschen Gesellschaft für Soziologie (DGS; vgl. Forum Wissenschaft 3-2012) haben mittlerweile auch die Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh) und die Deutsche Gesellschaft für Erziehungswissenschaften (DGfE) den Ausstieg aus dem Hochschulranking des Bertelsmann-Centrums für Hochschulentwicklung (CHE) beschlossen. Das Präsidium der Uni Hamburg fasste gar am 19. September einen noch weiter gehenden Grundsatzbeschluss, künftig prinzipiell keine Daten mehr an Dritte zu liefern: "Die Universitätsleitung und die Einrichtungen der Universität liefern grundsätzlich keine Daten und beteiligen sich nicht an Umfragen, die geeignet sind, deutsche und internationale Universitäten gegeneinander auszuspielen." Anfragen dieser Art würden sich häufen und in ihrem zunehmenden Arbeitsaufwand die Erfüllung der Kernaufgaben in Forschung und Lehre gefährden. Ein zentrales Argument dabei ist, dass sich die aus der Hand gegebenen Daten der Kontrolle der Uni entzögen. Das Präsidium sei "deshalb gezwungen, dafür zu sorgen, dass die Universität nicht selbst die Voraussetzungen für Schlussfolgerungen auf die Universität liefert, deren Folgen nicht beherrschbar sind." Von diesem Beschluss ausdrücklich ausgenommen sind politisch-parlamentarisch legitimierte Auskunftsgesuche, welche der Kontrolle der Universität als öffentlicher Einrichtung dienten. (www.verwaltung.uni-hamburg.de/pr/2/21/pm/2012/pm75.html)

Die Bremer Uni aus der Kaffeekasse

So nennen Spötter die private Jacobs University mit Sitz in Bremen. Diese hat derzeit erhebliche finanzielle Probleme und verhandelt mit dem Senat über öffentliche Zuschüsse. Laut Radio Bremen soll es dabei um drei Millionen Euro pro Jahr gehen. Die Sache hat eine interessante Vorgeschichte. Im Jahre 2001 wurde die "International University Bremen" als privates Vorzeigepilotprojekt gegründet. Der Senat der hoch verschuldeten Hansestadt gewährte umgehend eine öffentliche Starthilfe von 200 Millionen DM. Das war damals mehr als das Budget der staatlichen Universität und dies für eine anfängliche Studierendenzahl im unteren dreistelligen Bereich. Bis heute wurden insgesamt 2100 AbsolventInnen von der Einrichtung produziert. Die erhofften privaten Investoren blieben nach der Gründung allerdings aus und die nach herkunftsindifferenten strengen ›Leistungskriterien‹ ausgewählten Studierenden waren dann doch nicht so finanzstark um ›kostendeckende‹ Studiengebühren (sie betragen heute etwa 20 Tsd. Euro pro Studienjahr) zahlen zu können. 2005 drohte die endgültige Pleite. Davor bewahrte die Uni 2006 der ehemalige Kaffeeröster Klaus Jacobs (seit 2007 trägt sie dessen Namen) mit einer 200-Millonen-Euro-Spende. Diese war allerdings an die Auflage gebunden, dass sich der Senat weiterhin mit 25 Millionen über fünf Jahre verteilt beteiligte. Offenbar hat auch dieses Geschäftsmodell nicht funktioniert. Unter dem Strich dürfte der öffentliche Finanzierungsanteil der Studienplätze an der Exklusiveinrichtung höher gewesen sein als die durchschnittlichen Studienplatzkosten der staatlichen Hochschulen.

Bayern bald ohne Studiengebühren?

Neben den Studierendenvertretungen stehen in Bayern ausgerechnet die Freien Wähler an der Spitze des Kampfes gegen Studiengebühren. Bereits im April hatten sie 25 Tsd. Unterschriften gesammelt, die man in Bayern braucht, um ein Volksbegehren - im konkreten Fall für die Abschaffung von Studiengebühren - einzuleiten. Die Landesregierung hielt die Fragestellung für verfassungswidrig, da in Bayern keine Volksbegehren über Angelegenheiten des Staatshaushaltes durchgeführt werden dürfen. Die Freien Wähler zogen vor das Landesverfassungsgericht (signifikanterweise schlossen sich Grüne und SPD der Klage nicht an, weil sie diese für "aussichtslos" hielten). Das Unerwartete geschah. Das Gericht gab den Freien Wählern recht: "Als nichtstaatliche Mittel gehören die Einnahmen aus Studienbeiträgen zum Körperschaftsvermögen der Hochschulen, das getrennt vom Landesvermögen verwaltet wird; sie fließen nicht in den allgemeinen Staatshaushalt", heißt es in der Urteilsbegründung. In der CSU entwickelte sich daraufhin eine "ergebnisoffene" hektische Debatte über die Abschaffung von Studiengebühren auf eigene Initiative. Einige fordern sogar, durch einen entsprechenden Parlamentsbeschluss dem Volksbegehren zuvorzukommen. Dem müsste allerdings auch der Koalitionspartner FDP zustimmen. Deren Landesvorsitzender lässt sich allerdings schon mit folgender Aussage in der Presse zitieren:

"Ich bin davon überzeugt, dass eine Mehrheit der Bürger gegen Studiengebühren stimmen wird." Warum dieser sich abzeichnende Gesinnungswandel? Es handelt sich natürlich nicht um überzeugungsgeleitete Politik, sondern um prinzipienlosen Opportunismus. Im September 2013 sind in Bayern Landtagswahlen. Die Kampagne des Volksbegehrens wäre mit dem Wahlkampf zusammengefallen. Das hätte überhaupt nicht gepasst. Abgesehen davon, dass mit einem knappen Wahlausgang gerechnet wird und wahlberechtigte Studierende ein nicht zu unterschätzendes Potential sind. Sollte tatsächlich die Abschaffung von Studiengebühren gelingen, würde als einziges Bundesland nur noch Niedersachen an ihnen festhalten.

›Gläserne Decke‹ nach wie vor sehr schwer

Im September veröffentlichte die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz (GWK) des Bundes und der Länder die Fortschreibung des Datenmaterials zu Frauen an Hochschulen. Damit liegen erstmalig Zahlen für 2010 vor. In diesem Jahr waren 48% aller Studierenden weiblich (1992: 43,3%). Frauen stellen allerdings 52% der StudienanfängerInnen und erlangen 51,8% der Studienabschlüsse; weiterhin 44% der Promotionen (1992: 28,9%), aber nur 25% der Habilitationen. Es bestätigt sich leider der alte Effekt: je höher die Qualifikationsstufe bzw. Besoldungsgruppe, umso geringer der Frauenanteil. Da aber Frauen in den unteren und mittleren akademischen Stufen (fast) gleichzogen sind, kann der Bruch zwischen Promotion und Habilitation/Professur nur außer-wissenschaftliche Ursachen haben (›gläserne Decke‹). Insgesamt sind 19,2% der Professuren weiblich besetzt (1992: 6,5%), allerdings mit deren Ausstattung und Besoldung nach oben hin abfallend: 37,8% der Juniorprofessuren (W1) waren weiblich, bei den C3/W2-Stellen sinkt dann der Anteil auf 20,1%, bei den C4/W3-Stellen (Lehrstuhl) beträgt er dann nur noch 14,6%.

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