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Klaus Holzkamp

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Studienkredite

17.11.2011: Tragende Säule künftiger Finanzierungssysteme?

  
 

Forum Wissenschaft 3/2011; Foto: Sven Hoffmann – Fotolia.com

Ein Studium mit einem akzeptablen Lebensstandard muss ohne Verschuldung für alle möglich sein, unabhängig vom finanziellen Hintergrund, wie Marie-Christine Reinert darlegt. Studienkrediten erteilt sie eine klare Absage. In Einzelfällen können sie jedoch sinnvoll sein - dann, wenn über eine Grundfinanzierung hinaus mehr Geld zum Leben benötigt wird, wie dies im Anschluss an Phasen vorangegangener Berufstätigkeit denkbar ist.

Für die einen sollten sie am besten eine (wenn nicht sogar die) tragende Säule der Studienfinanzierung der Zukunft sein, die anderen weigern sich, sie überhaupt als Studienfinanzierungsinstrument zu bezeichnen: Studienkredite. Es hört sich erst mal alles so einfach an. Habe man nicht genug Geld, um ein Studium zu finanzieren, könne man ja einfach einen Kredit aufnehmen. Problem gelöst, Geld wäre da, und später, nach dem Studium, wenn man dann gut verdient, störten einen die paar Euro kaum, die man dann nach und nach zurückzahlen müsse. Schließlich verdient man ja nach einem Studium im Durchschnitt mehr als der nicht-studierte Rest der Bevölkerung und ist mit geringerer Wahrscheinlichkeit arbeitslos. So in etwa argumentieren diejenigen, die auch Studiengebühren für absolut gerechtfertigt halten (schließlich ›investieren‹ wir damit ja angeblich in uns selbst, in unsere eigene Zukunft) und sozial hochselektive Instrumente wie das neue Deutschlandstipendium protegieren. Sie unterwerfen Bildung einer ökonomischen Sachzwanglogik und degradieren sie zu einer Ware, für die man erstens bezahlen und die zweitens auch nur einer ausgewählten Elite offen stehen darf. In diese Zusammenhänge reihen sich Studienkredite ein, zumindest, solange sie als tragende Säule der Grundfinanzierung eines Studiums oder als Finanzierungsquelle für Studiengebühren gesehen werden.

Glücklicherweise gibt es hierzulande das BAföG, welches Studierenden die Finanzierung ihres Studiums sichern soll. Dennoch sind es nicht nur die BesucherInnen von teuren Privathochschulen, die Kredite in Anspruch nehmen. Wenn das BAföG nicht ausreicht, um eventuell die auch noch anfallenden Studiengebühren zu finanzieren, man im so genannten ›Mittelstandsloch‹ kein oder nicht genug BAföG bekommt, aber die Eltern auch nicht ausreichend finanzielle Unterstützung bieten können oder wenn man aus anderen Gründen (zum Beispiel weil man über die Regelstudienzeit gekommen ist) keinen Anspruch auf BAföG hat, bleibt manchen neben der Option zu arbeiten nichts anderes übrig, als einen Kredit aufzunehmen. Die große Mehrheit scheint aber - darauf wird noch einzugehen sein - lieber ein großes Pensum an Arbeit neben dem Studium zu absolvieren, als sich zu verschulden, wie beispielsweise die Zahlen aus der DSW-Sozialerhebung regelmäßig zeigen.

Studienkredite und Konditionen

Die Geschichte der Studienkredite ist noch gar nicht so alt, da diese ursprünglich in erster Linie zur Finanzierung von Studiengebühren dienen sollten. Das erste Angebot gab es 2004 von der Deutschen Kreditbank AG (DKB), gefolgt von der Deutschen Bank 2005. Man kann die verschiedenen Angebote grob in drei Kategorien einteilen: Kredite zur Studienfinanzierung, Studienbeitragsdarlehen und Überbrückungs- bzw. Abschlussfinanzierungskredite, wobei an dieser Stelle vor allem erstere betrachtet werden sollen. Am bekanntesten sind dabei wohl die Kredite der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), also die von staatlicher Seite.

Die Kreditanstalt für Wiederaufbau bietet einen Studienkredit an, der in erster Linie über die Studentenwerke sowie ausgewählte Banken und Sparkassen vertrieben wird. Der KfW-Kredit kann bis zu zehn Semester lang (in Ausnahmefällen auch 14) in einer Höhe von 100 bis 650Euro in Anspruch genommen werden - so weit, so gut. Allerdings bekommt diesen Kredit auch nicht jede/r, ein Rechtsanspruch besteht nicht. Wer älter als 30 Jahre ist, berufsbegleitend oder in Teilzeit studiert, einen Aufbau-, Promotions-, Ergänzungs-, Zusatz- oder Zweitstudiengang absolviert oder aber das Studium vollständig im Ausland macht, geht leer aus. Auch die deutsche oder eine europäische Staatsbürgerschaft (mit mindestens drei Jahren Aufenthalt in Deutschland) werden vorausgesetzt. Und zu guter Letzt muss man auch noch für das 5. oder 6. Fachsemester einen Leistungsnachweis erbringen.

Wer einen Kredit aufnimmt, muss im Laufe der ersten sechs bis 23 Monate nach der letzten Auszahlung mit der Rückzahlung beginnen. Braucht man länger als 14 Semester oder bekommt, wie so viele, nach dem Studium erst mal nur einen schlecht bezahlten Praktikumsplatz oder einen befristeten Job, kann es durchaus sein, dass man sich die Rückzahlung dann wortwörtlich vom Munde absparen muss. Auch die Zinssätze stehen nicht fest, sondern der Kredit wird variabel verzinst, also an die aktuellen Kapitalmarktzinsen angepasst. Bei Vertragsabschluss wird lediglich eine Obergrenze angegeben und für 15 Jahre garantiert, diese liegt mit rund 9,1%1 nicht gerade niedrig. Für den Darlehenshöchstbetrag von 54.600Euro liegt der Rückzahlungszeitraum bei maximal 25 Jahren, aber natürlich erhöhen sich die Gesamtkosten, je länger man für die Rückzahlung braucht.

Die privaten Banken haben in der Regel Vertragskonditionen, die dazu führen, dass noch mehr Studierende generell von den Krediten ausgeschlossen sind, insbesondere durch Altersgrenzen, aber auch durch Semesterbegrenzungen. Dies zeigt, dass - unabhängig von der grundsätzlich kritischen Funktion von Studienkrediten - deren Ausgestaltung in Deutschland deutliche Defizite aufweist.

Kaum in Anspruch genommen

Ein Blick in die 19. DSW-Sozialerhebung zeigt, dass Kredite als Studienfinanzierungsmöglichkeit kaum genutzt werden. Lediglich 3% der Studierenden haben 2009 einen KfW-Studienkredit in Anspruch genommen, 1% einen KfW-Bildungskredit und 1% einen Kredit einer anderen Bank oder Sparkasse. Wenn man sich im Vergleich dazu vergegenwärtigt, dass 87% von ihren Eltern unterstützt werden, 65% nebenbei arbeiten und 29% BAföG bekommen, sind Kredite neben diesen drei Hauptfinanzierungsquellen kaum erwähnenswert. Angesichts dieser Zahlen klingt die Einschätzung in der kürzlich erschienenen KfW-Evaluation, der KfW-Studienkredit habe sich "in Deutschland inzwischen zu einem etablierten Instrument der individuellen Studienfinanzierung entwickelt"2, doch sehr befremdlich. Dabei wird darauf verwiesen, dass seit der Einführung 2006 ca. 95.000 Kredite vergeben worden seien, davon 21.600 im Jahr 2010.

Das Deutsche Institut für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF) hatte für die Evaluation des KfW-Studienkredits eine Befragung durchgeführt, an der rund 4.500 KfW-StudienkreditnehmerInnen teilnahmen.3 Unabhängig von den etwas irritierenden Bewertungen durch die Auftraggeber sind die Ergebnisse dieser Studie jedoch aufschlussreich. Laut Untersuchung unterscheidet sich die Zusammensetzung der KreditnehmerInnen von der allgemeinen Studierendenstruktur, da die höchste soziale Herkunftsgruppe seltener vertreten ist (26% vs. 35%) und die Kreditnehmenden überwiegend aus Familien mit einem mittleren oder gehobenen sozialen Status kommen.4 Doch auch Studierende aus Familien mit niedrigem sozialen Status sind laut Erhebung mit 18%überrepräsentiert, stammen doch 15% der Gesamtstudierendenschaft laut DSW-Sozialerhebung 2009 aus der Herkunftsgruppe "niedrig". Damit zeigen sich zwei Dinge: Zum einen nehmen natürlich nur die einen Kredit auf, die das Geld nicht genauso gut zinsfrei von ihren Eltern bekommen könnten. Zum anderen zeigt es aber auch, dass die Kredite selbst für die Studierenden mit dem niedrigsten familiären Einkommenshintergrund nicht wirklich attraktiv sind. Denn kombiniert man die Daten mit der DSW-Sozialerhebung wird deutlich: Es handelt sich bei den Kreditnehmenden in der Summe um lediglich 3,6% der Studierenden aus der niedrigsten Herkunftsgruppe, Kredite sind also auch in dieser Gruppe ein eher unbedeutendes Finanzierungsinstrument. Hingegen sind weiterhin 66% der Studierenden neben dem Studium erwerbstätig.

Schulden schrecken ab

Kredite - sowohl für den Lebensunterhalt als auch zur Finanzierung von Studiengebühren - führen dazu, dass die Studierenden, die diese in Anspruch nehmen, nach dem Studium erst einmal Schulden abbezahlen müssen. Bei einem KfW-Kredit können das im Falle einer Inanspruchnahme des Höchstbetrags von 650Euro über 14 Semester stolze 54.600Euro plus Zinsen sein. Wer startet schon gerne so ins Berufsleben, wenn nicht einmal klar ist, ob man überhaupt einen Job findet bzw. wie dieser bezahlt wird? Klar ist, dass diejenigen, die aus einem finanziell schwachen Elternhaus kommen, von solchen Summen in der Regel abgeschreckt werden - zu Recht! Denn fließt nach dem Studium nicht das dicke Gehalt, können sie von ihrer Familie nicht unterstützt werden. Da scheint es oft der bessere Weg zu sein, eine Ausbildung zu machen, bei der man von Anfang an eigenes Geld verdient, auch wenn es nicht allzu viel ist. Am meisten leiden unter den Kreditbedingungen wohl diejenigen, die weder BAföG-berechtigt sind noch durch ihre Eltern ausreichend finanziert werden können, das so genannte Mittelstandsloch. Denn ihnen bleibt in der Regel (abgesehen vom Studienverzicht) nur die Wahl zwischen einem Kredit und dem Verdienen des kompletten Lebensunterhalts durch Jobben neben dem Studium - eine Option, die das Studium massiv erschwert und in der Regel auch unfreiwillig verlängert.

Von den Studienberechtigten des Jahres 2008 gaben 71% derer, die trotz Berechtigung kein Studium begannen, an, dass die Vermeidung von Schulden aufgrund eines Studienkredites oder des BAföG-Darlehensanteils ein bedeutendes Verzichtsmotiv sei5. Eine Diskussion über die Höhe von Zinssätzen oder über Rückzahlungsmodalitäten ist also im Grunde fast überflüssig, da das Schuldenmachen an sich das Problem ist. Wir brauchen mehr Studierende und nicht weniger, und vor allem muss allen Menschen ein Studium offen stehen, unabhängig von der sozialen Herkunft oder dem Geldbeutel der Eltern. Studienkredite helfen dabei definitiv nicht weiter!

Studienkredite unbrauchbar?

Nach diesen Überlegungen könnte man zu dem Schluss kommen, dass Studienkredite total unsinnig sind. Ganz so kann man das aber auch nicht sagen. Klar ist, dass sie nicht in die grundsätzliche Finanzierung eines Studiums mit einbezogen werden dürfen. Ein Studium mit einem akzeptablen Lebensstandard muss ohne Verschuldung für alle möglich sein, unabhängig vom finanziellen Hintergrund. Wer aber über diese Grundfinanzierung hinaus das Bedürfnis hat, mehr Geld zum Leben haben zu wollen - z.B. weil durch eine vorangegangene Berufstätigkeit bereits ein gewisser Lebensstandard erreicht wurde -, aber nicht unbedingt neben dem Studium arbeiten möchte, sollte die Möglichkeit haben, das über einen Studienkredit zu verwirklichen. Für diesen Personenkreis müssten dann aber eingrenzende Regelungen wie Altersgrenzen abgeschafft werden und auch die Rückzahlungsmodalitäten flexibler gestaltet sein. Insbesondere ein späterer Rückzahlungsbeginn muss gewährleistet werden, v.a. für den Fall, dass noch keine entsprechenden Einnahmen bestehen. Studienkredite als Zusatz sind okay, aber niemand sollte auf sie angewiesen und dadurch zur Verschuldung gezwungen sein.

Anmerkungen

1) Vgl. www.studienkredit.de/studienkredite-uebersicht/studienkredite/kfw-studienkredit , aufgerufen am 15.06.2011

2) Vgl. Evaluation KfW-Studienkredit 2011 - 5 Jahre nachhaltige Finanzierung der Wissensgesellschaft

3) Ebd.

4) Einteilung der Herkunftsgruppen: hoch, gehoben, mittel und niedrig.

5) Vgl. Christoph Heine / Heiko Quast, 2011: "Studienentscheidung im Kontext der Studienfinanzierung", in: HIS Hochschul-Informations-System GmbH: Forum Hochschule, 05/2011


Marie-Christine Reinert studiert Medizin in Göttingen. Sie ist Mitglied im Bundesvorstand der Juso-Hochschulgruppen und dort unter anderem für das Thema Studienfinanzierung zuständig.

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