BdWi - Bund demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler

»Wissenschaft ist also ein prinzipielles Gegen-den-Strom-Schwimmen.«

Klaus Holzkamp

Newsletter abonnierenKontaktSuchenSitemapImpressumDatenschutz
BdWi
BdWi-Verlag
Forum Wissenschaft

Wasser - ein Handelsgut?!

15.07.2002: Wie marktfähig darf ein Grundnahrungsmittel sein?

  
 

Forum Wissenschaft 3/2002; Titelbild: Andrè Kubin

Im Zuge der allgemeinen Privatisierung öffentlicher Aufgaben in Deutschland, Europa und weltweit rückt die Wasserversorung immer mehr in den Mittelpunkt des Interesses. Einerseits versprechen sich private Unternehmen lukrative Geschäfte von der Nutzung bereits vorhandener Infrastrukturen, andererseits gilt es jedoch, gerade die Gebiete der Welt mit Wasser zu versorgen, die auch aufgrund des chronischen Wassermangels wirtschaftlich wenig attraktives zu bieten haben. Hinzu kommen auch in Deutschland und Europa Fragen des Naturschutzes und der sozialverträglichen Sicherung des Zugangs zu Wasser. Alexandra Lux stellt einen Problemaufriss der Diskussion vor.1

Bei der Frage, ob Wasser ein Handelsgut sein kann, ist ein Blick in die Geschichte der Wasserversorgung aufschlussreich. So waren die Anfänge der Wasserversorgung in den deutschen Städten, die sich Mitte des 19. Jahrhunderts im Zuge der Industrialisierung explosionsartig zu vergrößern begannen, durchaus privatwirtschaftlich organisiert. Mit Hilfe von Kapital und Know-How aus England konnte sich in Berlin, Mühlheim an der Ruhr oder Bonn punktuell eine systematisch aufgebaute Struktur der Wasserversorgung entwickeln. Ende des 19. Jahrhunderts wurde die Zuständigkeit für Infrastruktursysteme Zug um Zug unter staatliche Kontrolle gestellt und in kommunale Hand gegeben, da sich gezeigt hatte, dass unter privatwirtschaftlichen Bedingungen keine flächenhafte Anbindung an die Systeme der Ver- und Entsorgung gewährleistet werden konnte;2 und auch die Abwehr von gesundheitlichen Gefahren problematisch war. Ausgehend von den Kernstädten wurde die Erschließung von Randgebieten ermöglicht, eine Vorgehensweise, die sich später auch in den ländlichen Kommunen durchsetzte.

Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes lag im Jahr 1998 für die Wasserversorgung der Anschlussgrad bei fast 99%. Laut einer aktuellen Untersuchung von BGW und ATV sind ca. 93% der bundesdeutschen Haushalte an die öffentliche Kanalisation angeschlossen, wobei in den östlichen Bundesländern der Anschlussgrad geringer ist als im Westen. Es ist also in den letzten 100 Jahren gelungen, die Bevölkerung mit wasserbezogenen Infrastrukturleistungen flächendeckend zu versorgen. Die grundlegenden technischen Voraussetzungen sind geschaffen, und zwar auf einem hohen Niveau. Netzerweiterungen betreffen vorrangig zu erschließende Neubaugebiete, sowohl für den Wohnungsbau als auch für gewerbliche bzw. industrielle Nutzungen. Allerdings stellt sich heute verstärkt die Frage nach der Instandhaltung der Netze, und unter spezifischen Bedingungen der Bevölkerungs- und Wirtschaftsentwicklung auch die Frage nach dem Rückbau.

Strukturveränderungen

Eigentümer der technischen Infrastruktur, der Anlagen zur Aufbereitung des Trinkwassers, der Rohrnetze der Trinkwasserversorgung sowie der Kanalisation und der Kläranlagen sind die Kommunen. Deren bekannt angespannte Finanzlage lässt es schwierig erscheinen, die Aufwendungen für die sachgerechte Sanierung und Instandhaltung aufzubringen und das Netz an die stagnierende Nachfrage anzupassen.

Kommunen können - oder wollen vielleicht auch - die operativen Aufgaben der Ver- und Entsorgung nicht mehr voll eigenständig erfüllen. Es lassen sich hier eine Reihe von Ursachen finden. Neben den fehlenden Geldern für Investitionen und laufende Aufwendungen sind auch die stagnierende bzw. in manchen Teilen rückläufige Nachfrage bzw. Veränderungen im Nachfrageverhalten, an die die technische Infrastruktur nicht flexibel genug angepasst werden kann, die steigende Gebührenbelastung und der dadurch entstehende Kosten- und Effizienzdruck, die ökologischen Probleme durch eine Übernutzung der natürlichen Ressourcen bzw. die Veränderung von Umweltauflagen zu sehen. Aber auch die Globalisierung der Märkte im Allgemeinen und die Entwicklungen in Europa stellen die Kommunen vor neue Herausforderungen. Es zeichnet sich ab, dass unter heutigen Bedingungen der Weiterbetrieb der Systeme ohne Veränderungen auf der organisatorischen und der kommunalen Seite nicht ohne weiteres möglich ist. Es steht zur Diskussion, inwiefern operative Aufgaben delegiert werden können, ohne dass die Kommunen ihre rahmengebende Kompetenz aus den Händen geben.

Veränderungen der kommunalen Wasserwirtschaft finden bereits in großem Umfang statt, vorrangig abzulesen an der Privatisierung öffentlicher Aufgaben. Versorgungsunternehmen, die bisher als öffentlich-rechtliche Unternehmen firmieren, werden in kommunal betriebene GmbHs oder AGs umgewandelt. An die kommunale Verwaltung angebundene Regie- oder Eigenbetriebe werden zunehmend durch Eigengesellschaften in privater Rechtsform ersetzt. In der Regel sind die Anteile der AG oder GmbH in öffentlicher Hand, doch auch die Beteiligung privaten Kapitals an kommunalen AGs bzw. GmbHs oder die Delegation der Ver- und Entsorgungsaufgaben an private Unternehmen (z.B. in Form von Betriebsführungsmodellen) sind Zeichen weiterer Privatisierung. Solange der kommunale Einfluss dominant ist, spricht man von einer "formellen Privatisierung", überwiegen jedoch die Interessen und der Einfluss der privaten Anteilseigner, was sich beispielsweise durch einen dominierenden Kapitalanteil, aber auch in der Besetzung der entscheidungsrelevanten Gremien ausdrückt, spricht man von einer "materiellen Privatisierung". Dadurch werden bestehende Arrangements zwischen Staat, Kommunen, privaten Unternehmen und den BürgerInnen verändert. Es ist festzustellen, dass schon heute ein punktueller Wettbewerb um ganze Versorgungsgebiete herrscht, wenn man an Konzessionsvergaben oder Betreibermodelle denkt.

Geld und Vorsorge

Private Konzerne haben großes Interesse daran, die bereits aufgebauten Systeme - mit hohem Anschlussgrad und flächendeckendem Ausbaugrad - weiter zu betreiben. Für sie fällt heute der äußerst kapitalintensive Aufbau weg, sie haben die notwendige Kapitaldeckung für den Erhalt der Systeme und sie versprechen sich von der Umorganisation der sektorenübergreifenden Infrastruktur wirtschaftliche Vorteile.

Die Unterschiede zu den bestehenden kommunalen Querverbünden, den Stadtwerken, die ebenfalls sektorenübergreifend arbeiten, sind dennoch gravierend.

Die Idealform eines privaten Mehr-Sparten-Anbieters ist das Multi-Utility-Unternehmen. Hier werden die Sparten, wie sie im kommunalen Querverbund in der Regel existieren, aufgelöst. Wasser, Strom, Abwasser usw. werden nicht mehr getrennt voneinander bewirtschaftet, sondern es ergibt sich eine Neusortierung entlang der übergreifenden Prozesse wie z.B. Anlagenbetrieb, Verteilung, Abrechnung und Vertrieb. Bestehende Kopplungen in der Bewirtschaftung und zwischen Wissenskombinationen werden aufgebrochen und neu zusammensetzt.

Bei der Vergabe von Konzessionen oder der Delegation der Leistungserstellung ist ein entscheidendes Kriterium, zu welchem Preis das beauftragte Unternehmen die Leistung erbringen kann. Im Hintergrund stehen Kosten- und Effizienzfragen und die bereits angesprochenen Größenvorteile. Es wird mancherorts auch über die Frage entschieden, aus welchen Regionen die Zulieferung des Trinkwassers erfolgt. Auch hier spielt der Preis eine wichtige Rolle. Können z.B. über nähere Vorkommen kostengünstigere Bedingungen in der Wasserversorgung geschaffen werden als durch Fernwasserverbünde? Die Antwort hierauf differiert sicher regional. Aber es zeigt sich, dass Preise - und damit marktliche Mechanismen - bereits heute in wasserwirtschaftliche Entscheidungen einfließen.

Hier lässt sich auch die Frage nach den Umwelt- und Ressourcenkosten in der Wasserwirtschaft stellen. Bislang wird Wasser nicht dahingehend bewertet, welche Bedeutung es für den Naturhaushalt hat und welche (negativen) Folgen sich durch die Nutzung von Grund- und Oberflächenwasser für die Stabilität von Wasserkreisläufen und den Erhalt der biologischen Vielfalt ergeben. Bei der Vergabe von Wasserrechten spielen solche Bewertungen keine Rolle, und nach einer Entschließung der Landeskartellämter ist dies bei der Feststellung des Preises für EndkundInnen keine zu berücksichtigende Variable. In der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie findet sich aber eine Soll-Bestimmung zur Berücksichtigung dieser Kosten. Wenn diese in die Kalkulation von Unternehmen eingehen, werden damit Preissteigerungen für PrivatkundInnen verbunden sein. Damit kollidiert die Sozialverträglichkeit der Preise mit durchaus berechtigten Forderungen aus ökologischer Sicht.

Der Einfluss der Kommunen auf die Leistungserstellung nimmt mit zunehmender Privatisierung ab, und damit werden die Möglichkeiten zur Absicherung gemeinwohlorientierter Interessen immer weiter verringert. Ein zusätzlicher Grund für den Einflussverlust ist in der Ausdünnung des Wissensbestandes innerhalb der Verwaltungen durch die Ausgliederung von Aufgaben zu sehen. WissensträgerInnen sind nicht mehr in der Verwaltung, sondern in dem neu gegründeten Unternehmen beschäftigt. Aber auch nach einer Privatisierung haben die Kommunen zur Wahrung kommunaler Interessen wichtige Aufgaben in der Überwachung und Kontrolle, und dafür sind entsprechende Kompetenzen notwendig und vorzuhalten: Im Vorfeld geplanter Delegationen sind Verträge zu entwickeln und sie sind auch während ihrer Laufzeit zu überprüfen. Gegenstand sind hier beispielsweise Investitionspläne, die Kosten- und Preisentwicklung, die Einhaltung von Vorschriften zum Ressourcenschutz usw. Nur durch entsprechende Sachkompetenzen in den Kommunen ließe sich die Gewährleistungspflicht und auch die Gestaltungsfähigkeit sachgerecht erhalten.

Entschließen sich Kommunen, den neuen Herausforderungen nicht durch Delegation, sondern durch eine Veränderungen der bestehenden kommunalen Strukturen zu begegnen, stoßen sie schnell an die Grenzen, die ihnen durch die sog. fiskalpolitische Schrankentrias gesetzt werden: Laut Gemeindeordnung ist ihre wirtschaftliche Tätigkeit auf das territoriale Gebiet der Gemeinde sowie auf den öffentlichen Zweck zu beschränken und muss in einem angemessenen Verhältnis zur Größe und Leistungsfähigkeit der Kommune stehen. Dies steht der Tendenz zur räumlichen Ausweitung, die auch durch die Entwicklungen in Europa forciert werden, entgegen. Bezieht man hier mit ein, dass sich die öffentlichen Unternehmen im Zuge der Marktveränderungen eher an betriebswirtschaftlichen Prinzipien wie Kostenbewusstsein, Effizienz, Service- und Kundenorientierung ausrichten, so sind die wirtschaftlichen Restriktionen für kommunale Unternehmen nicht mehr angemessen. Während zu Zeiten der reinen Monopolwirtschaft im Wassersektor sinnvolle Kontroll- und Begrenzungsmechanismen eingeführt wurden, scheinen sie die aktuellen, faktischen Veränderungen nicht aufnehmen zu können.

Um dem Wettbewerb begegnen zu können, ist es für öffentliche Unternehmen notwendig, strategische und/oder operative Kooperationen über Gemeindegrenzen hinweg einzugehen, um Alternativen zum Outsourcing oder Privatisieren einzelner Unternehmensteile zu entwickeln und die Kompetenzausdünnung innerhalb der Kommunalverwaltungen aufzufangen.

Um aber den Kommunen den notwendigen Handlungsspielraum zu geben, muss die Kommunalaufsicht ihre Prüfkriterien umgestalten. Überörtliche Tätigkeiten sollten nicht unterbunden, sondern hinsichtlich ihrer Wirkungen kontrolliert und evaluiert werden bezüglich der Auswirkungen auf die Qualität der Versorgung, die Versorgungssicherheit, die Kosten- und Preisentwicklung, das Investitionsaufkommen und die Wirkungen auf den Finanzhaushalt der Gemeinde.

Das Aufbrechen bisheriger Umgangsformen mit Wasser, die Veränderung der Rahmenbedingungen für die Wasserbewirtschaftung wie die Wassernutzung erfordert neue integrierte Formen der Regulation, die die Bereiche Gesellschaft, Wirtschaft und Natur miteinander verbinden. Diese veränderten Regulationen werden sich auf Verwaltung und Kommunen, auf die Unternehmen der Wasserbranche insgesamt und die EndverbraucherInnen auswirken.

Europäische Entwicklungen

In Europa ist der Grad der Privatisierung und Liberalisierung der Wasserwirtschaft sehr unterschiedlich. In Frankreich hat z.B. das Konzessionsmodell - die Delegation der Infrastrukturleistungen an private Unternehmen unter kommunaler Aufsicht - eine lange Tradition, während in England Ende der 1980er Jahre die Wasserversorgung weitgehend privatisiert und Voraussetzungen für die Liberalisierung, den Wettbewerb mehrerer Anbieter in einem Versorgungsgebiet, geschaffen wurden. Faktisch findet dieser Wettbewerb jedoch nur sehr begrenzt statt. Über die je nach Land unterschiedlichen Modelle hinaus ergibt sich auch auf europapolitischer Ebene ein disparates Bild zwischen den einzelnen EU-Institutionen.

Die Europäische Kommission schlägt in ihrer Mitteilung aus dem Jahr 2000 zu den Leistungen der Daseinsvorsorge vor, die Wasserver- und -entsorgung gleichrangig mit den anderen Infrastrukturdienstleistungen einem europaweiten Wettbewerb zu öffnen. Die Daseinsvorsorge ist auf Ebene der Kommission auch in den sog. Cardiff-Prozess zur Bewertung der Wirksamkeit des europäischen Wettbewerbsrechtes eingebunden. Grundsätzlich sollen auch die Leistungen der Daseinsvorsorge darunter fallen; für die Sektoren wie Energie, Telekommunikation, Post, Luftverkehr und ÖPNV, die in unterschiedlichem Maße bereits wettbewerblich organisiert sind, erfolgt eine jährliche sektorale Berichterstattung und Evaluierung der Fortschritte der Liberalisierung. Für die anderen Bereiche - also auch für die Wasserwirtschaft - wird (laut eines Berichtes an den Europäischen Rat) ein Benchmarking-System zur Bewertung des Leistungsstandes der Regulierungssysteme durch die Kommission vorgeschlagen.

Beim Europäische Parlament hingegen wird ein anderer Weg eingeschlagen. In der Entschließung des Parlamentes bezüglich der Haltung der Kommission heißt es für die Wasserwirtschaft: "Das Europäische Parlament vertritt die Auffassung, dass trotz der besonderen Bedingungen Wasserversorgung und Abwasserentsorgung verstärkt nach wirtschaftlichen Kriterien betrieben werden müssen, und fordert die Mitgliedstaaten auf, dies zu fördern und gegebenenfalls zu prüfen, ob die bisher durchgeführten Privatisierungen zu angemessenen Verbesserungen der Arbeitsweise der betreffenden Einrichtungen der Wasserwirtschaft beigetragen haben." Insbesondere auf die Wasserwirtschaft bezogen sollen bisherige Veränderungen zunächst evaluiert werden, bevor weitere Schritte in Richtung Wettbewerb und Privatisierung gegangen werden. Die grundsätzliche Zurückhaltung gegenüber weiteren Liberalisierungsschritten fordert das Europäische Parlament bereits in der Einleitung der hier zitierten Entschließung.

Das Parlament betont also die Notwendigkeit, vorschnelle Entscheidungen zu vermeiden, die Rahmenbedingungen genau zu prüfen und geeignete Regulationen zu entwerfen. Wünschenswert wäre ein Moratorium, das sich mit den bislang weitgehend unbekannten Folgen von mehr Wettbewerb und zunehmender Beteiligung privater Unternehmen auf dem Wassermarkt auseinandersetzt. Es gilt für Deutschland wie für die Europäische Union, dass sich durch zunehmende Privatisierung und mehr Wettbewerb offene Regulierungsfragen ergeben. Ein Moratorium müsste sich mit diesen Fragen auseinandersetzen, die Spezifika der Ver- und Entsorgung in verschiedenen Regionen oder auch Kommunen ins Zentrum stellen. So z.B. die Frage, in welchen Gebieten Wettbewerb zur Verbesserung der Qualität und Versorgungssicherheit bzw. zur positiven Veränderung der Kostenstrukturen beitragen kann und welche Folgen für Wasserschutzgebiete und damit den Naturschutz zu erwarten sind. Brisant sind auch die Folgen für "Verlierer-Regionen", in denen hohe Investitionen anstehen, die aber für den Wettbewerb aufgrund der Ressourcenbedingungen oder der Abnehmerstrukturen unattraktiv sind. Hier sind besondere Regulationen oder auch Anreizmechanismen notwendig, um Pfade in der nachhaltigeren Gewässerbewirtschaftung einschlagen zu können.

Weltweiter Wassermarkt?

BefürworterInnen der Liberalisierung proklamieren die Steigerung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen auf dem Weltmarkt. Besonders lukrativ scheinen hier Projekte in Entwicklungsländern zu sein. In der Entwicklungszusammenarbeit, wie sie von der Weltbank, dem Internationalen Währungsfonds (IWF), aber auch dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung in weiten Teilen forciert wird, stehen Privatisierungsmodelle für die Wasserver- und -entsorgung in den Entwicklungsländern auf der Tagesordnung. Es ist festzustellen, dass vor allem die Modelle aus Frankreich und Großbritannien dominieren.

Bei dem Versuch, ein "deutsches Modell" zu etablieren, geht es vor allem um die Initiierung von Kooperationen zwischen öffentlichen Einrichtungen und privaten Unternehmen in sog. Public-Private-Partnerships. Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit will den öffentlichen Sektor in den Entwicklungsländern durch verschiedenste private Beteiligungen unterstützen und Beratungsleistungen bezüglich der Überwachung, Steuerung und Regelung der Wasserwirtschaft erbringen. Von NGOs wie z.B. WEED (World Economy, Environment, Development) wird kritisiert, dass mit einer solchen Herangehensweise die Auswahl bezüglich der Gestaltung der Ver- und Entsorgung bereits sehr eingeschränkt sei.

Aufgabe der NGOs, aber auch der Forschung wäre es, alternative Modelle der Zusammenarbeit zu entwickeln. Wie kann die eigenmächtige Gestaltung des Wassersektors in Entwicklungsländern aussehen, und wie können Entwicklungsprojekte diese stützen? Entscheidend ist hier ist die Partizipation unterschiedlicher Akteursgruppen, also dass z.B. VerbraucherInnen, Umweltschutzverbände, wirtschaftliche Interessensvertreter usw. von den lokalen Entscheidungsträgern gleichberechtigt konsultiert und in die Entscheidung mit einbezogen werden. In einem solchen Verfahren könnten unterschiedliche Interessen an der Wasserversorgung einschließlich der Entsorgung berücksichtigt und ausbalanciert werden. Private Unternehmen können zwar in betriebliche, operative Aufgaben eingebunden werden und hier auch finanzielle Stützen sein, aber es wäre ein regulativer Rahmen für die ausreichende Berücksichtung ökologischer und sozialer Aspekte zu schaffen.

Die Lösung kann nicht in einem allgemeingültigen Verfahren liegen, die Spezifika des Landes und der Region sind jeweils zu berücksichtigen. Allgemein gilt jedoch: Wasser als wichtigstes Nahrungsmittel darf den BürgerInnen nicht aus der Hand genommen werden.

Der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung zum Globalen Umweltwandel (WBGU) hat zur Erreichung größtmöglicher Effizienz unter Beachtung der Gebote von Fairness und Nachhaltigkeit bei der Wasserversorgung die Verabschiedung einer Weltwasser-Charta vorgeschlagen. Dieser Verhaltenskodex verpflichte alle Akteure, die weltweite Süßwasserkrise zu bewältigen und stelle die Basis für ein globales Aktionsprogramm dar, in dem diese Ziele umgesetzt würden. Flankiert werden soll dies durch einen Weltwasserfonds, der die Finanzierungsbasis für das Programm bildet. Es sollen Ungleichheiten im Zugang zu Wasser zwischen den Industrie- und den Entwicklungsländern verringert und im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit von Wasserkrisen betroffene Gebiete bevorzugt werden; Transfer von Know-How und Technologien spiele hierbei ebenso eine Rolle wie die Unterstützung zur Entwicklung regulativer Maßnahmen; z.B. bezüglich der Tarifgestaltung, des Ressourcenschutzes und der Zugangssicherung.

Schwerpunkte der internationalen Wasser-Debatte sind u.a. die Versorgung wasserarmer Gebiete und die Frage nach der Preisgestaltung.

Bei der Frage, wie in wasserarmen Gebieten die Trinkwasserversorgung hinsichtlich Qualität und Quantität sichergestellt werden und gleichzeitig der meist immense Bedarf an Wasser für Bewässerungszwecke in der Nahrungsproduktion gedeckt werden kann, ist das Stichwort "effiziente Wassernutzung". Der Wassereinsatz ist so zu optimieren, dass im Idealfall Nutzungskonkurrenzen vermieden und zeitliche oder regionale Knappheiten im Wasserangebot vermieden werden können. Eine Strategie ist die Steigerung der Produktivität des Wassers, d.h. pro eingesetztem Kubikmeter Wasser soll ein höherer Ertrag an Nahrungsmitteln erwirtschaftet werden. Wissenstransfer und die Veränderung von Technologien sind die daraus folgenden Aufgaben im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit. Mit dem Stichwort "Virtual Water" verbindet sich eine andere Diskussion: Wasserintensive Produktionsweisen sollen in ariden Gebieten vermieden werden, in dem diese Güter importiert und dafür kapitalintensive Güter exportiert werden. Damit entstehen jedoch wirtschaftliche Abhängigkeiten, die zu erheblichen Konflikten führen können. Hinzu kommt, dass in Gebieten mit Wassermangel oft auch Kapitalarmut herrscht, so dass dieser Ansatz nicht greifen kann.

In der Frage nach der Preisgestaltung spiegelt sich das Spannungsverhältnis zwischen der Ermöglichung des Zugangs zu Wasser für alle und der Deckung der Kosten für die Versorgung durch den Preis. Die Enquete-Kommission Globalisierung der Weltwirtschaft schlägt ein gestaffeltes Modell vor: Der für Trinkwasser und Hygiene lebensnotwendige Sockelverbrauch soll kostenlos zu Verfügung gestellt werden, jeder Verbrauch darüber hinaus ist zu entgelten. So könne einerseits die Grundversorgung gesichert, andererseits aber auch Anreize zum Wassersparen gegeben werden.

Deutlich sollte zumindest geworden sein, dass Wasserressourcen als öffentliches Gut zu behandeln sind. Der Ausgleich zwischen ökonomischen, sozialen und ökologischen Interessen erfordert staatliche Regulationsmechanismen. Die Schaffung administrativer und institutioneller Grundlagen dafür sind besonders dringend für Gebiete mit starker Wasserknappheit, für die im Zuge weiterer Klimaveränderungen keine Entspannung der Situation zu erwarten ist. Diese Gebiete sind oft von wirtschaftlicher und sozialer Armut geprägt, so dass die Steigerung der Wasserproduktivität und eine Veränderung des Wassermanagements die vorrangigen Aufgaben sind. Wichtig ist, dass im Zuge von Veränderungsprozessen Transparenz gewährleistet ist, die Spielregeln z.B. bei Privatisierungen offen gelegt sind und dass es entsprechende Einfluss- und Kontrollmöglichkeiten sowie Partizipationsverfahren gibt.

Herausforderung für NGOs

Die Entwicklung von geeigneten Formen der Partizipation ist der Schlüssel zu einer sozialen und umweltverträglichen Umgestaltung der Wasserversorgung, nicht nur im Entwicklungszusammenhang, sondern auch und gerade in Industrieländern wie Deutschland. Bislang sind in der Wasserwirtschaft partizipative Verfahren sehr randständig. Es gibt Erfahrungen im Rahmen von Kooperationen zwischen Versorgern und der Landwirtschaft, und auch die EU-Wasser-Rahmenrichtlinie setzt im Zusammenhang mit Entscheidungen der Bewirtschaftung hier ein wichtiges Zeichen. Allerdings ist bei der Entscheidung über verschiedene Systemoptionen der Auslegung von Versorgungsgebieten diese Richtlinie nicht entscheidend. Es ist auffällig, dass derzeit bei Planungsverfahren in der Wasserwirtschaft kaum eine Abwägung verschiedener Systemalternativen stattfindet. Vor dem Hintergrund des stagnierenden Wasserverbrauchs, der schwierigen Finanzierungssituation und der mangelnden Planungssicherheit hinsichtlich der räumlichen Entwicklung von Versorgungsgebieten wäre es jedoch notwendig, verschiedene Optionen zur technischen Gestaltung der Infrastruktur abzuwägen, und damit auch die dahinterstehenden unterschiedlichen Nutzungsinteressen.

In der derzeitigen Veränderungsphase in der Wasserwirtschaft könnte auch vermehrt die Frage nach alternativen Wassertechnologien gestellt werden. Es könnte z.B. eruiert werden, inwiefern dezentrale Technologie-Ansätze zur Schließung von Wasserkreisläufen beitragen und entsprechende Potenziale für eine regionale Nachhaltigkeit freisetzen können. Ebenso wären abwasserfreie Technologien z.B. im häuslichen Bereich mit einzubeziehen.

Ein Planungsverfahren, das diese Vielfalt aufnehmen kann, muss anders gestaltet werden als heute in der Wasserwirtschaft üblich. Zuallererst ist Transparenz für die Öffentlichkeit bezüglich wesentlicher Entscheidungen in der Wasserwirtschaft herzustellen. Danach müsste eine Integration der unterschiedlichen Interessen in die Planungs- und Entscheidungsverfahren erreicht werden. Nächster Schritt wäre die Entwicklung von partizipativen Verfahren, die eine Ausbalancierung der unterschiedlichen Positionen ermöglicht. Partizipation bedeutet dann nicht nur eine Anhörung der Betroffenen, sondern auch ihre aktive Einbindung in die Erarbeitung nachhaltiger Lösungskonzepte. Denn Laien haben gegenüber den ExpertInnen oft die besseren Ideen.


Anmerkungen

1) Diesem Text liegt ein Vortrag von Alexandra Lux im Rahmen der Veranstaltung "Das Geschäft mit dem Wasser" (durchgeführt vom Institut für Kirche und Gesellschaft, Iserlohn) am 14./15. Juni 2002 im Haus Villigst (Schwerte) zugrunde.

2) Eine Ausnahme stellt hier beispielsweise die Gelsenwasser im Ruhrgebiet dar. Sie ist seit über 100 Jahren ein privatwirtschaftliches Unternehmen, dass in verschiedenen Kommunen die Ver- und zum Teil auch Entsorgungsaufgaben (i.d.R. per Konzession) übernommen hat.


Alexandra Lux ist Ökonomin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für sozial-ökologische Forschung (ISOE) in Frankfurt

Zum Seitenanfang | Druckversion | Versenden | Textversion