BdWi - Bund demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler

»Wissenschaft ist also ein prinzipielles Gegen-den-Strom-Schwimmen.«

Klaus Holzkamp

Newsletter abonnierenKontaktSuchenSitemapImpressumDatenschutz
BdWi
BdWi-Verlag
Forum Wissenschaft

Klimaschutz & Kfz

15.05.2009: Deutsche Autos weiterhin heilige Kühe?

  
 

Forum Wissenschaft 2/2009; Foto: Thomas Plaßmann

Der umweltwissenschaftliche Blick auf Entscheidungsspielräume des Homo oeconomicus lässt die Frage aufkommen: Kann der deutsche Automobilfabrikant weiterhin Großfahrzeuge mit Aussicht auf Gewinn bauen und vermarkten, oder wird seinen AbnehmerInnen bald die Luft zu dick? Christian Hey registriert Schüsse der deutschen Automobilindustrie ins eigene Knie und vor allem umwelt-, steuer- und konjunkturpolitisches Staatsversagen.

Im Dezember 2008 hat der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) davor gewarnt, Klimaschutz und Wirtschaftskrise gegeneinander auszuspielen.1 Er betonte, eine anspruchsvolle Klimapolitik wehre katastrophale Schäden ab und schaffe neue Marktchancen und Arbeitsplätze. Verpasste Klimapolitik hingegen riskiere, dass der Automobilstandort Deutschland das Schicksal Detroits erleide.

Detroit steht als Symbol für verschlafenen Strukturwandel. Eine ehemals blühende Industriemetropole wurde innerhalb kürzester Zeit zur Geisterstadt. Der kurzfristige Markterfolg schwerer, luxuriöser Autos hat den Blick auf zukünftige Marktverschiebungen verbaut. Das Absehbare kam folglich für die Hersteller scheinbar vollkommen überraschend: der Nachfrageeinbruch für Super Utility Vehicles (SUV) in Folge stark angestiegener Ölpreise und einer globalen Wirtschaftskrise. Es reichte nicht aus, dass die großen Automobilhersteller in den USA diese Erfahrung einmal in den 1970er Jahren machen mussten, sie haben sie 2008 wiederholt. Auch in Deutschland hat der bisherige Markterfolg zu einer nicht mehr zukunftsfähigen Spezialisierung auf das sogenannte Premiumsegment gehobener Mittelklasse- und Luxusfahrzeuge geführt. Dies hat die staatliche Steuer- und Umweltpolitik kräftig unterstützt. Das gilt auch für die aktuelle Konjunkturpolitik, die die Absatzförderung der auf Halde stehenden Fahrzeuge zum Ziel hat. Die Bundesregierung blockiert damit den notwendigen Strukturwandel im Fahrzeugbau, anstatt ihn zu fördern. Das muss als eine Form von Staatsversagen gewertet werden, da hierdurch Zukunftschancen verbaut werden. Eine wirtschafts- und umweltpolitisch nachhaltigere Alternative wäre zumindest denkbar. Der folgende Beitrag zeichnet dieses Staatsversagen und seine möglichen Konsequenzen nach.

Andere Rahmenbedingungen

Wenn auch der bisherige Markterfolg der deutschen Automobilindustrie die bisherige Spezialisierung zu bestätigen scheint, deuten einige veränderte Rahmenbedingungen darauf hin, dass sich die Automobilindustrie erst noch auf einen Weltmarkt mit strenger Kohlendioxidbewirtschaftung und hohen Energiepreisen einstellen muss:

  • Mit dem vierten Bericht des International Panel on Climate Change sind letzte Zweifel an der Reichweite dramatischer Klimaschäden ausgeräumt. Der Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur hat sich in den letzten Jahrzehnten exponentiell beschleunigt und nähert sich denjenigen Schwellen, jenseits derer Kippschaltereffekte befürchtet werden, d.h. sich selbst verstärkende, nicht mehr kontrollierbare Rückkoppelungseffekte entstehen können. In den nächsten vier Dekaden muss den Industrieländern der weitgehende Ausstieg aus den fossilen Energien gelingen. Die offiziellen europäischen Klimaziele liegen bei 60-80% Reduktion bis 2050 und bei 20-30% bis 2020. Deutschland hat einen noch weiter reichenden Anspruch. Demgegenüber ist der Verkehrssektor nach den Berichten der Europäischen Umweltagentur der einzige Sektor mit wachsendem Verbrauch. Sein Energieverbrauch hat 1/3, seine CO2-Emissionen haben 28% des Gesamtverbrauchs bzw. der Gesamtemissionen erreicht. Ein substanzieller Klimaschutzbeitrag des Verkehrs ist daher unausweichlich und steht seit über einem Jahrzehnt aus.
  • In die gleiche Innovationsrichtung weisen die Prognosen zur Ölpreisentwicklung. Selbst die in früheren Jahren sehr optimistische internationale Energieagentur hält einen Anstieg des Ölpreises auf 200 $ per Barrel in den nächsten Jahrzehnten für plausibel.2 Der aktuelle Ölpreisverfall ist als konjunkturelle Delle zu interpretieren, während langfristige Indikatoren, so insbesondere der Energiehunger der Schwellenländer, auf eine Verknappung hindeuten. Sparsamere Fahrzeuge gehören dabei zu den besonders effizienten Formen des Klimaschutzes: Sie verursachen zwar in der Herstellung erhebliche Mehrkosten, diese amortisieren sich aber dank einer stark gesenkten Kraftstoffrechnung und sie tragen auch zu mehr Versorgungssicherheit und Klimaschutz bei. Die Senkung des Benzinverbrauchs von 7,5 auf 6 l/100km verteuert nach Berechnungen des Umweltbundesamtes einen Mittelklassewagen um 311 EUR und senkt damit die Benzinkosten bei einem Benzinpreis von 1,40 EUR um 2804 EUR, wenn das Fahrzeug 11200 km fährt.3
  • Der Exportanteil der deutschen Automobilindustrie liegt bei ca. 75%. Die dynamischen Märkte der Zukunft werden in den Schwellenländern wie China, Indien und Brasilien liegen. In den Megastädten dieser Wachstumsregionen ist die verkehrsbedingte Luftverschmutzung unzumutbar, die steigenden Mobilitätskosten treffen die aufstrebenden Mittelschichten besonders empfindlich und der verfügbare Straßenraum stößt an seine Expansionsgrenzen. Es zeichnet sich daher in diesen Regionen eine Umweltschutzgesetzgebung für Kraftfahrzeuge ab, die diejenige Europas einholt und überholt. Das umweltfreundliche Auto wird damit zur Marktzugangsvoraussetzung. Diese Aussage gilt in der Tendenz auch für den noch wichtigsten außereuropäischen Absatzmarkt der deutschen Automobilindustrie, die USA.
  • Auch die Automobilindustrie ist zunehmend von der Globalisierung erfasst. Die technische Kompetenz in der Fahrzeugherstellung und der Zulieferindustrie hat sich soweit internationalisiert, dass man kaum noch von einer technischen Monopolsituation der Industrieländer sprechen kann. Die strategische Antwort der deutschen Automobilindustrie bestand bisher in der Spezialisierung auf das sog. Premiumfahrzeugsegment. Dies könnte sich aber in der Zukunft als ein zu kleines Standbein erweisen. Technologieführerschaft in Leichtbauweisen, bei effizienten Motoren, bei neuen Antrieben und Fahrzeugdesign und in der Regeltechnik schaffen Voraussetzungen dafür, trotz eines hohen Eurowechselkurses und im internationalen Vergleich hoher Löhne im internationalen Wettbewerb mithalten zu können.
  • Fragwürdige deutsche Erfolge

    Diesen Rahmenbedingungen in der Zukunft steht aber der Markterfolg der deutschen Automobilindustrie, wie er sich noch bis Sommer 2008 dargestellt hat, gegenüber. Noch 2007 konnte der VDA neue Höchststände bei Produktion und Export verbuchen. "Der Erfolg der deutschen Automobilindustrie liegt im konsequenten Verfolgen der Premiumstrategie über alle Segmente hinweg, in allen Bereichen und Belangen" - so fasst der VDA diesen Erfolg in seinem Jahresbericht 2008 zusammen.4

    Hiermit eng verbunden ist ein Trend in Richtung immer schwererer, immer leistungstärkerer und immer schnellerer Fahrzeuge. Das Durchschnittsgewicht der deutschen Fahrzeugflotte ist in den letzten 15 Jahren um ca. 15% gestiegen, die anderen Wachstumsmerkmale lassen sich mit Abb. 1 verdeutlichen.

    Der erhebliche technische Fortschritt in der Automobilindustrie schlug sich daher nur sehr begrenzt in verminderten CO2-Emissionen oder einem geringeren Kraftstoffverbrauch nieder. Effizienzgewinne wurden durch Leistungssteigerungen aufgebraucht.5 Gerade die erhebliche Schere zwischen Leistungs- und Verbrauchsentwicklung deutet aber auch darauf hin, welche Verminderungen unter anderen Marktbedingungen schon heute technisch realisierbar gewesen wären. Informationen von Zulieferern und Kostenanalysen des Umweltbundesamtes haben belegt, dass eine kurzfristige Verminderung des Kraftstoffverbrauches um 20% bis 2012, wie es die EU ursprünglich geplant hatte, durchaus im Bereich des wirtschaftlich Vertretbaren gewesen wäre. Die Marktrahmenbedingungen waren jedoch im letzten Jahrzehnt durch die Zurückhaltung des Gesetzgebers und durch fragwürdige steuerliche Anreize mit geprägt, die den notwendigen Strukturwandel gebremst haben.

    Offizieller Offenbarungseid

    Bereits im Jahre 1995 hatte die Europäische Kommission mit Rückenwind aus dem Europäischen Parlament und dem Umweltministerrat eine Strategie mit dem Ziel formuliert, bis 2010 einen Emissionswert ("Durchschnittsverbrauch") für Neuwagen von 120 g CO2/km zu erreichen. Zentrales und ungeeignetes Instrument dieser Strategie war allerdings eine Selbstverpflichtung der Europäischen Automobilindustrie, durch technische Maßnahmen 140 g zu erreichen. Versuche aus dem Europäischen Parlament und einzelnen EU-Staaten, bereits damals einen verbindlicheren Rahmen zu schaffen, scheiterten unter anderem am deutschen Widerstand und den deutschen Einflüssen in der Europäischen Kommission. Der SRU hatte in seinem Verkehrsgutachten von 2005 belegt, dass die Selbstverpflichtung ein untaugliches Instrument sei, über die Marktentwicklungen hinaus zu Verbrauchsverminderungen zu gelangen: Dem Verband der Europäischen Automobilindustrie fehlte ein internes Instrument, mit dem er das vereinbarte Ziel gegenüber den Mitgliedern durchsetzen und eine Lastenteilung zwischen seinen Mitgliedern organisieren konnte.6 Der offizielle Offenbarungseid kam dann im Jahre 2007, als die Europäische Kommission das Scheitern der Selbstverpflichtung eingestehen musste. Eine Dekade technischen Fortschritts war durch Regelungsverzicht verspielt worden.

    Deutsche Innovationsbremser

    Beim Übergang von der freiwilligen zur ordnungsrechtlichen Lösung im Jahre 2008 waren weder der ursprüngliche Zeitplan noch das ursprüngliche Zielniveau zu halten. Bereits die Europäische Kommission machte daher in ihrem Richtlinienvorschlag vom Dezember 2007 erhebliche Zugeständnisse, um in Deutschland auf Akzeptanz zu stoßen. Hierzu gehörte unter vielem Anderen der im Konsens mit der Automobilindustrie entwickelte sogenannte "Integrierte Ansatz",7 demzufolge auch andere Maßnahmen, wie etwa die Förderung von Biokraftstoffen, auf die Zielerreichung anrechenbar waren. Letztlich war dies vergeblich: Der Richtlinienvorschlag zur CO2-Begrenzung von Fahrzeugen wurde in Deutschland als industriepolitischer Angriff Italiens und Frankreichs gegen das deutsche Premiumfahrzeugsegment gewertet und entsprechend entschieden von der Bundesregierung bekämpft. Die französische Ratspräsidentschaft wurde von Deutschland genötigt, erhebliche weitere Zugeständnisse an die deutschen Interessen zu machen, um die schnelle Annahme der Richtlinie in einem beschleunigten Konsensverfahren mit dem Europäischen Parlament nicht zu gefährden. Das Ergebnis ist ein Durchschnittsverbrauchswert von 137 g (130 g und eine Anrechenbarkeit von 7 g für sogenannte Öko-Innovationen, die im offiziellen Testzyklus nicht berücksichtigt werden), der stufenweise bis 2015 eingeführt werden soll. Das Europäische Parlament konnte immerhin einen Zielwert von 95 g CO2 für 2020 festhalten, der aber noch einmal auf der Wegstrecke einer Prüfung unterzogen werden soll. Somit ist bis zum Ende des nächsten Jahrzehnts nicht substanziell mehr Effizienz zu erwarten, als die Europäische Automobilindustrie für den Beginn des Jahrzehnts freiwillig versprochen hatte. Europa verspielt damit die Chance, das Japanische Top-Runner-Programm bei Effizienzstandards für PKW einzuholen. Das Ergebnis entspricht damit weitgehend den Forderungen der Bundesregierung und stößt auf Akzeptanz in der Deutschen Automobilindustrie.

    Verfehlte Steuerpolitik

    Angesichts der starken Exportorientierung der deutschen Automobilindustrie mag man zu unterschiedlichen Einschätzungen kommen, welche strukturerhaltenden Wirkungen nationale Subventionen und steuerliche Anreize haben, die sich nur auf die Binnennachfrage beziehen. Kein Zweifel kann aber darin bestehen, dass die Steuerpolitik eine strukturbildende Auswirkung auf die Binnennachfrage nach Fahrzeugen hat. Dies wurde vom Förderverein ökologische Steuerreform nachgewiesen. Mittlerweile werden 62% aller Neuwagen in Deutschland steuerlich, im Rahmen des Dienstwagenprivilegs gefördert. Dieser Anteil ist in den letzten Jahren stark gestiegen. Von der steuerlichen Absetzbarkeit profitieren zum einen private Geschäftsleute, Händler und Kleinunternehmer, die die Fahrzeugkosten steuerlich absetzen können. Zum anderen werden Dienstwagen gerne auch von Großunternehmen als Lohnersatzleistungen für Mitarbeiter gekauft. Die aktuell gültige steuerliche Förderung hat den "perversen" Effekt, dass sie Anreize für die Anschaffung teurer, leistungsstärkerer und entsprechend verbrauchsstarker Autos schafft. Im Premiumfahrzeugsegment hat der Dienstwagenanteil teilweise bereits 80% überschritten.

    Insgesamt liegt die Höhe der steuerlichen Förderung der Dienstwagen bei 9 Mrd. EUR jährlich. Das Problem hierbei ist nicht die steuerliche Absetzbarkeit der Kosten von Dienstwagen als Ausgaben, sondern der staatliche Steuerungsverzicht. Möglich wäre und vorgeschlagen wurde, dass die Höhe der Absetzbarkeit an die CO2-Emissionen gekoppelt wird.8 Dies könnte Anreize in Richtung auf klimaschonendere Fahrzeuge schaffen. Entsprechende vorsichtige Initiativen für das Integrierte Klima- und Energiepaket der Bundesregierung sind aber im Bundeskabinett nicht durchgedrungen.

    Blinde Konjunkturpolitik

    Die Konjunkturpakete I und II liegen ganz in der Tradition der klimapolitischen Abstinenz der deutschen Steuerpolitik für Kraftfahrzeuge. So profitieren von der Kraftfahrzeugsteuerbefreiung für Neuwagenkäufe vor allem diejenigen Fahrzeuge, für die bisher besonders hohe KFZ-Steuern zu zahlen waren: diejenigen mit besonders großem Hubraum. Selbst die Umstellung der bisher hubraumbasierten KFZ-Steuer auf eine teilweise CO2-Basis ist so austariert worden, dass sie jeglicher Anreiz- und Steuerungseffekte für den Kauf klimaschonenderer Fahrzeuge beraubt worden ist: Die Steuerbelastung für ein Auto jeglicher Größe und Klimaperformance ist nach der vorgesehenen Steuerreform ungefähr genauso hoch wie vorher. Lediglich die Abwrackprämie von 2500 EUR für Altfahrzeuge scheint einen gewissen Struktureffekt zu haben: Die Höhe der Prämie schafft vor allem Anreize, kleinere und mittlere PKWs auszutauschen. Der Gebrauchtwagenwert von älteren Premiumfahrzeugen überschreitet oftmals die Höhe der Abwrackprämie. Aber trotz dieses Struktureffektes verzichtet die Konjunkturpolitik auch bei der Abwrackprämie auf klimapolitische Anreize. Die Konjunkturpolitik ist damit strukturpolitisch blind: Sie reagiert auf aktuelle Absatzprobleme der Automobilindustrie, ohne die Zukunftsherausforderungen Klimaschutz und Versorgungssicherheit zu beachten. Hierdurch werden gewaltige öffentliche Finanzmittel für den Erhalt überholter Strukturen versenkt.

    Staatsversagens-Netzwerke

    Während in den letzten Jahren ein gewisser Autonomiegewinn der Politik gegenüber der Energiewirtschaft zu beobachten war, wie er sich in den Beschlüssen zum Atomausstieg und zur Reform des europäischen Emissionshandels manifestierte, muss doch noch ein großes Souveränitätsdefizit gegenüber der Automobilindustrie festgestellt werden. Hier funktioniert noch das alte korporatistische Dreieck aus Industrie, Gewerkschaften und Staat. Es erfreut sich im Gegensatz zur Energiewirtschaft ungebrochener öffentlicher Legitimität.9 Jede der großen Parteien würde ein Ausscheren aus diesem Kartell mit erheblichen Wahlverlusten bezahlen. Sicher spielt hierbei die Unternehmerrolle einzelner Bundesländer als Anteilseigner wichtiger Automobilmarken eine nicht zu unterschätzende Rolle. Der Symbolcharakter von Automobilmarken für das Standortimage eines Bundeslandes führt zudem zum parteiübergreifenden Engagement von auch bundespolitisch einflussreichen Landespolitikern für "ihr" regionales Unternehmen. Aus Niedersachsen rekrutiert sich eine regelrechte Ahnenreihe hochrangiger sozialdemokratischer Kabinettsmitglieder. Der aktuelle und politisch sehr erfolgreiche Präsident des VDA entstammt wiederum der christdemokratischen Führungselite. Dank solcher Verflechtungen konnte sich die Automobilindustrie bisher darauf verlassen, dass der staatliche Innovationsdruck äußerst moderat bleibt. Der hierdurch gebremste Strukturwandel kann allerdings langfristig einen hohen Preis für den Automobilstandort Deutschland haben.

    Elemente eines Übergangs

    Die deutsche Automobilproduktion wird sich nicht dauerhaft vor stark steigenden Energiekosten und verschärften Klimaschutzanforderungen schützen lassen. Die wesentliche Veränderungsdynamik wird dabei aus den internationalen Entwicklungen kommen, der Gestaltungswille der nationalen Politik muss als vorerst sehr bescheiden eingeschätzt werden. Automatisch wird die Automobilindustrie in ein strenges Klimaregime integriert, wenn sie auf die Elektrizifizierung setzt: Hier sind mit dem Emissionshandel und der Förderpolitik für Erneuerbare Energien erste Rahmendaten gesetzt, die sich mit einem denkbaren Erfolg der internationalen Klimakonferenz von Kopenhagen noch intensivieren werden. Mit dem Zielwert von 95 g CO2/km ist auf der europäischen Ebene auch eine erste Orientierungsmarke für die technische Innovation bis 2020 gesetzt worden. Der SRU hält weitere erhebliche Reduktionen für technisch möglich und je nach ökonomischem Umfeld auch für wirtschaftlich darstellbar. Es wäre vorausschauend und klug, wenn auch die deutsche Steuer- und Fiskalpolitik Anreize zum Kauf klimafreundlicherer Fahrzeuge setzen würde. Auf der Agenda stehen eine konsequente Umstellung der KFZ-Steuer sowie der Abschreibungsmöglichkeiten für Dienstwagen auf die CO2-Emissionen von Kraftfahrzeugen. Zur substanziellen Senkung des durchschnittlichen CO2-Verbrauchs von Neuwagen um 9 g CO2/km führte das in Frankreich und Belgien eingeführte Bonus/Malus-Modell für den Kauf klimafreundlicher Fahrzeuge. Ab und zu lässt sich auch von der umweltpolitisch deutlich qualifizierteren Konjunkturpolitik der Nachbarländer etwas lernen.

    Anmerkungen

    1) SRU, 2008: Klimaschutz in der Finanzkrise, Kommentar zur Umweltpolitik, Dezember 2008: umweltrat.de/03stellung/downlo03/komment/kom_nr6.pdf

    2) IEA (International Energy Agency), 2008: World Energy Outloock, 2008, Paris

    3) UBA (Umweltbundesamt), 2008: Technikkostenschätzung für die CO2-Reduktion bei PKW. Dessau: UBA.; Europäische Kommission (2007b): Results of the review of the Community Strategy to reduce CO2-Emissions from Passenger Cars and light-commercial Vehicles. Impact Assessment. SEC(2007) 60. Brüssel: Europäische Kommission

    4) VDA (Verband der Automobilindustrie): Autojahresbericht 2008

    5) SRU (Sachverständigenrat für Umweltfragen), 2008: Umweltgutachten 2008: Umweltschutz im Zeichen des Klimawandels, Berlin: Erich Schmidt, umweltrat.de/02gutach/downlo02/umweltg/UG_2008.pdf

    6) SRU, 2005: Umwelt und Straßenverkehr, Sondergutachten, Baden-Baden, Nomos Verlag: umweltrat.de/02gutach/downlo02/sonderg/SG_Umwelt_und_Strassenverkehr2005_web.pdf

    7) Europäische Kommission, 2006: Cars 21. A Competitive Automotive Regulatory System for the 21st century. Final report. Luxembourg: Office for Official Publications of the European Communities

    8) Görres, A., Meyer, B., 2008: Firmen- und Dienstwagenbesteuerung modernisieren: Für Klimaschutz und mehr Gerechtigkeit, www.foes.de/de/downloads/studien/FiwaDiwaRef-Fassung2.0.pdf

    9) Hey, 2009: The German Paradox. Climate Leader and Break for Climate Friendly Cars, in: Oberthür and Pallemaerts, The European Union and the Fight Against Climate Change, Brussels, Institute for European Studies, i. Erscheinen.


    Dr. Christian Hey ist Diplomverwaltungswissenschaftler und promovierter Politologe. Er hat vor allem zu Themen der europäischen Umwelt- und Verkehrspolitik gearbeitet und ist seit 2001 Generalsekretär des Sachverständigenrates für Umweltfragen (SRU).

    Zum Seitenanfang | Druckversion | Versenden | Textversion