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Nord-Süd-Beziehungen - raues Klima?

15.05.2009: Ökonomie und Klimapolitik im Widerstreit

  
 

Forum Wissenschaft 2/2009; Foto: Thomas Plaßmann

Ob die Kopenhagener Konferenz eine solche Minderung produktions- und konsumbedingter Emissionen erbringen wird, dass eine wirksame Klimapolitik daraus wird, sprich die magische Erwärmungsgrenze von 2 °Celsius nicht überschritten wird? - zwischen Entwicklungs- und Schwellenländern hie, entwickelten kapitalistischen Industrieländern da liegen diverse Interessengräben. Achim Brunnengräber und Kristina Dietz bezweifeln es.

Die Entwicklungsländer, insbesondere die Schwellenländer, treten in den internationalen Beziehungen zunehmend selbstbewusster auf. Beim G20-Treffen im April diesen Jahres, das als Erneuerung der längst überholten G8-Treffen zu sehen ist, trat dieser Trend besonders deutlich hervor. Der Grund: Vor allem den "hoch entwickelten" Industrieländern wird die Verantwortung für die Probleme der Weltwirtschaft, für die Finanzkrise und den Wachstumsabschwung zugewiesen. Dagegen versuchen sich die Schwellenländer als Hoffnungsträger zu positionieren. "Wir werden nicht Teil der Krise, sondern Teil der Lösung sein", sagte Brasiliens Präsident Lula vor dem G20-Treffen. Auch in der internationalen Klimapolitik kritisieren die Entwicklungs- und Schwellenländer das Verhalten der Industrieländer. Auch hier haben sie allen Grund: Die Industrieländer, die sich 1997 im Kyoto-Protokoll zur Reduktion ihrer Treibhausgase verpflichtet haben, sind ihren Verpflichtungen bislang nur sehr eingeschränkt nachgekommen. Ungeachtet des gegenwärtigen Wirtschaftsabschwungs, der zu ungewollten CO2-Reduktionen führt, stiegen die Emissionen in den meisten Industrieländern bis Mitte 2008 deutlich an. Gleichzeitig sollen die Schwellenländer wie China, Indien oder Südafrika aufgrund ihrer steigenden Emissionen in ein Post-Kyoto-Abkommen - wie es Ende 2009 in Kopenhagen verhandelt wird - eingebunden werden.

Aber mit welchem moralischen Appell oder wirtschaftlichen Argument wollen die Industrieländer sich für den stärkeren Einbezug der Schwellenländer einsetzen?, wie können sie weit reichende Anstrengungen dieser Länder fordern, wenn sie selbst kaum dazu bereit sind, ihre Emissionen anspruchsvoll zu verringern? Und auch die Entwicklungs- und Schwellenländer sind eher an einem guten Investitionsklima interessiert als an weit reichenden Maßnahmen zum Klimaschutz. Das zeigt auch eine Wirkungsanalyse der bisher implementierten "flexiblen" Instrumente des Kyoto-Protokolls, die kaum in der Lage sind, den komplexen Herausforderungen des Klimawandels zu begegnen. Eine zentrale Herausforderung besteht darin, die weltgesellschaftlichen Ungleichheiten, die durch den Klimawandel verschärft werden, zumindest abmildern zu helfen. Einiges aber deutet darauf hin, dass die sozialen Spaltungen zwischen Norden und Süden wie innerhalb der jeweiligen Länder durch die gegenwärtigen Instrumente eher noch verschärft werden.1

Ungleiche Verwundbarkeiten

Zweifellos sind es die Länder und Bevölkerungsgruppen im Süden, die vom Klimawandel besonders betroffen sind. Veränderte Niederschlagsmuster, Überflutungen, Dürren und der Anstieg des Meeresspiegels stellen dort reale Bedrohungen dar, wo Menschen aus sozioökonomischer Perspektive bereits heute als "arm" gelten. In Afrika gehen Schätzungen davon aus, dass bis zum Jahr 2080 für 350 bis 600 Millionen Menschen zusätzlich die Süßwasserversorgung kritisch wird. Schon heute verfügen 1,6 Mrd. Menschen auf der Erde nicht über eine ausreichende Wasserversorgung. In manchen Ländern könnten die Erträge im Regenfeldbau um bis zu 50 Prozent sinken, mit katastrophalen Folgen für die Ernährungssicherheit. Viele kleine Inselstaaten des Pazifiks, aber auch etwa ein Viertel der Landesfläche Bangladeschs, wären bereits bei einer Erhöhung des Meeresspiegels um 50 cm überflutet.

Die Gegenüberstellung des Nordens und des Südens und die Schlussfolgerung, dass der Norden den Klimawandel im Wesentlichen verursacht, während die Entwicklungsländer besonders betroffen sind, ist aber zu einfach. Während in den Entwicklungs- und Schwellenländern der Luxuskonsum der reichen Oberschicht steigt, nimmt in den Industrieländern die relative Armut zu. Langanhaltende Hitzewellen, wie etwa im Sommer 2003 in Südeuropa, treffen sozial benachteiligte und ältere Bevölkerungsteile besonders. Auch der Hurrikan Katrina in New Orleans (USA) im Spätsommer 2005 zeigte, dass materielle Armut, soziokulturelle und politische Marginalisierung, ethnische Diskriminierung und ungleiche Geschlechterrollen erst zu dem führen, was im klimapolitischen Jargon als besondere Vulnerabilität (Verwundbarkeit) gegenüber den Folgen des Klimawandels bezeichnet wird.

Die Ursachen ebenso wie die Folgen des Klimawandels lassen sich weder im Süden noch im Norden von den lokalen, nationalen und globalen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und sozialen Machtverhältnissen trennen, in die sie eingebettet sind. So muss davon ausgegangen werden, dass die Folgen des Klimawandels bestehende lokale Konfliktlagen um Zugangsrechte zu unverzichtbaren natürlichen Ressourcen wie Wasser oder landwirtschaftlicher Nutzfläche potenzieren oder neu entfachen. Erst die Berücksichtigung dieser Faktoren ermöglicht es, jenseits der nationalstaatlichen und internationalen Ebene zu erklären, weshalb bestimmte Bevölkerungsgruppen im Gegensatz zu anderen besonders verwundbar gegenüber den Folgen des Klimawandels sind.

Internationale Antworten

Solche Differenzierungen wurden auf dem internationalen Klimaparkett bisher nicht hinreichend vorgenommen. Es herrscht eine globale Umweltproblemsicht vor, nach welcher der Treibhauseffekt als globales Problem beschrieben wird und folglich internationaler Antworten bedürfe. Diese Perspektive trennt geschickt die ökologische Dimension des Klimawandels von dessen ökonomischem Ursprung. Die stofflich verknüpfte Energiekette wird institutionell unterbrochen. Die input-Seite, d.h. die Verbrennung der fossilen Energieträger, ist nicht der Gegenstand der Klimapolitik. Sie bleibt Bestandteil der vorwiegend nationalen Energiepolitik, während die output-Seite, d.h. die CO2 Emissionen, in der internationalen Klimapolitik verhandelt werden. Weil die Besteuerung oder künstliche Verknappung des Angebots fossiler Energien politisch nicht durchsetzbar war, da sie die stoffliche Grundlage des nationalen Wettbewerbsstaates berührt (das Öl müsste dann in der Erde bleiben), werden die Emissionen in den Mittelpunkt des Klimaregimes gestellt, weil sie in der ökonomischen Logik durch Effizienz, Einsparungen, Inwertsetzung (durch handelbare Zertifikate) oder Technologien (Carbon Capture and Storage, CCS) gezähmt werden sollen. Den Entwicklungs- und Schwellenländern kommt dabei eine wichtige Rolle zu. Sie sind über drei Instrumente bzw. Konzepte in das internationale Klimaregime eingebunden: (1) die Politik der Anpassung an den Klimawandel, (2) den Finanztransfer von Nord nach Süd sowie (3) den Mechanismus für saubere Entwicklung (Clean Development Mechanism, CDM).

Die Politik der Anpassung

Unter dem Begriff der Anpassung werden all die Maßnahmen zusammengefasst, die dazu beitragen, negative Auswirkungen des Klimawandels zu reduzieren und abzufedern. In der internationalen Klimapolitik setzte sich zunächst ein technologisches und sektorales Anpassungsverständnis durch. Vor allem baulich-infrastrukturelle Maßnahmen (Deiche, sturmsichere Brücken, Bewässerungsinfrastruktur, Frühwarnsysteme) oder (bio-)technologische Innovationen (z.B. dürreresistente und auch gentechnisch modifizierte Saatgüter) wurden als Anpassungsmaßnahmen propagiert. Ausgangspunkt eines solchen technologischen und sektoralen Anpassungsverständnisses, das auf die Beherrschung der (Neben-)Folgen des Klimawandels abzielt, ist die Klimarahmenkonvention (United Nations 1992). Auch wenn sich mittlerweile ein differenziertes Anpassungsverständnis in den internationalen Verhandlungen beobachten lässt, indem auch soziale und politisch-ökonomische Faktoren von Verwundbarkeit berücksichtigt werden, hat sich dieses in der politischen Praxis bislang nicht durchgesetzt.

Mit den so genannten Nationalen Anpassungsplänen (National Action Plans for Adaptation, NAPAs) wurde ein neues Planungsinstrument für die als besonders verwundbar geltenden Least Developed Countries (LDCs) eingeführt. Im Erarbeitungsprozess soll ähnlich wie schon bei den PRSPs die Partizipation lokaler Bevölkerungsgruppen ebenso wie eine genderdifferenzierte Analyse erfolgen. Faktisch lässt sich jedoch in vielen Fällen zeigen, dass für die als vulnerabel einzuschätzende Armutsbevölkerung bisher keine Partizipationskanäle existieren und die Kategorie gender in den meisten der bisher 30 erstellten NAPAs keine Erwähnung findet. Die Prioritätensetzung im NAPA beruht auf sektoralen "Schnellanalysen", die top-down und auf der Grundlage bestehender sektoraler Daten durchgeführt werden. Darauf basieren schließlich die "geplanten" und formal politisch ausgehandelten Maßnahmen, die deutlich zu unterscheiden sind von den Formen der Anpassung, die individuell oder kollektiv auf lokal-regionaler Ebene notwendig werden bzw. längst umgesetzt werden. Beispiele hierfür sind veränderte landwirtschaftliche Anbauweisen in der Subsistenzwirtschaft, temporäre oder permanente (Arbeits-)Migration oder die Neu-Organisation der Einkommens- und Lebensverhältnisse.

Finanzinstrumente

Entwicklungs- wie Schwellenländer fordern bei ihren Klimaschutz- und Anpassungsbemühungen die finanzielle Unterstützung durch die Industrieländer. Die Industrieländer sollen für die "neuen und zusätzlichen" Kosten aufkommen, die den Entwicklungsländern durch Anpassungsmaßnahmen entstehen (Art. 4.3 und 4.4 der UNFCCC, (United Nations 1992). Drei globale Klimafinanzfonds sollen diese Forderungen erfüllen: (1) der so genannte Special Climate Change Fund (SCCF), dessen Ziel es ist, Maßnahmen im Energie- oder Verkehrssektor zu fördern, die zur allgemeinen sozioökonomischen Entwicklung eines Landes beitragen. Bis März 2008 wurden dem Fonds ca. 90 Mio. US-$ durch freiwillige Beitragszahlungen zugesichert. (2) Der Least Developed Country Fund (LDCF) stellt Finanzmittel für die NAPA-Erarbeitung sowie für die Umsetzung der prioritären Anpassungsmaßnahmen zur Verfügung und dient ausschließlich den LDCs. Insgesamt flossen bis März 2008 170 Mio. US-$ freiwillig in den Fonds. (3) Der Adaptation Fund (AF), dessen Ziel es ist, konkrete Anpassungsmaßnahmen und -projekte zu fördern. Die Einnahmen dieses Fonds ergeben sich aus einer verpflichtenden 2%-Abgabe auf jede Emissionseinheit (CER), die aus CDM-Projekten generiert wird (siehe unten). Die ersten zu vergebenden Mittel aus diesem Fonds werden nicht vor 2010 erwartet.

Vor dem Hintergrund der Finanzmarktkrise und den hier bewegten Milliarden für Konjunkturpakete und Rettungsschirme fällt insbesondere die geringe und auf Freiwilligkeit basierende Mittelausstattung dieser Fonds auf. Hinzu kommt, dass innerhalb der Fonds insbesondere solche Maßnahmen als förderungswürdig gelten, die den Industrieländern neue Absatzmöglichkeiten für heimische Technologien eröffnen. Gleichzeitig ist außerhalb des institutionellen Rahmens des Kyoto-Abkommens ein Konkurrenzkampf ausgebrochen. 14 neue Finanzierungsinitiativen, acht bi- und sechs multilaterale Fonds, wurden unter der Initiative einiger Industrieländer, der G8 und vor allem der Weltbank eingeführt. Ihr Volumen soll sich auf etwa 15 Mrd. US-$ belaufen. Es ist noch weitgehend offen, woher diese Mittel im Einzelnen kommen sollen. Und es ist eher unwahrscheinlich, dass sie für die Beseitigung der sozioökonomischen Ursachen von Vulnerabilität eingesetzt werden, sondern eher für nationale Planungsprozesse, sektorale Maßnahmen in zentralen Wirtschaftsbereichen oder das Management von Ökosystemen.

Die bisherigen Instrumente zur Anpassung sowie zur Anpassungsfinanzierung werden der oben beschriebenen Komplexität von Verwundbarkeit nicht gerecht, vielmehr besteht die Befürchtung, dass andere Interessen als die der besonders vulnerablen Bevölkerungsgruppen die gegenwärtigen Programme leiten. Eine Befürchtung, die sich durch den Ausschluss lokaler Akteure in der Erarbeitungsphase nationaler Anpassungsstrategien ebenso bestätigt wie durch die Tatsache ökonomischer und technologischer Prioritätensetzungen.

CDM - "Saubere" Entwicklung?

Mit dem CDM wird den Regierungen und Unternehmen der Industrieländer die Möglichkeit eröffnet, ihre Reduktionsverpflichtungen nicht im nationalen Rahmen zu erfüllen, sondern durch "emissionsmindernde" Projekte in Entwicklungs- und Schwellenländern. Der CDM bietet so die Möglichkeit, CO2-Reduktionen in den Süden zu "exportieren" - bei gleich bleibenden Emissionen im Norden oder gar zusätzlichem Ausstoß, je nachdem wie viel zusätzliche CERs (Certified Emissions Reductions) "produziert" werden. In Deutschland können sich Unternehmen, die zu Emissionsreduzierungen verpflichtet sind (z.B. Energiekonzerne oder die Schwerindustrie), zwischen 2008-2012 insgesamt Emissionsgutschriften (CERs) aus CDM-Projekten in Höhe von 22% des zugestandenen Emissionsvolumens anrechnen lassen. Dass entspricht ungefähr dem dreifachen der auferlegten Einsparverpflichtung.

Damit Investitionen in treibhausgasmindernde Maßnahmen als CDM-Projekte durchgeführt werden können, müssen diese neben dem Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung das Kriterium der additionality (Zusätzlichkeit) erfüllen. Dieses Kriterium besagt, dass die Vorhaben, die als CDM-Projekte gelten, in den jeweiligen Ländern der Umsetzung tatsächlich Reduktionen zusätzlich zu bestehenden Maßnahmen einbringen müssen. Mit anderen Worten, Maßnahmen, die auch ohne CDM durchgeführt worden wären (z.B. der ohnehin geplante Bau eines Wasserkraftwerkes), dürfen im Rahmen der Kyoto-Vereinbarungen nicht offiziell geltend gemacht werden. Ein besonderes Ziel des CDM liegt außerdem darin, die "Gastländer" (host countries) über einen entsprechenden Technologietransfer auf dem Weg zu einer nachhaltigen (sauberen) Entwicklung zu unterstützen, womit sich auch der Name des Mechanismus erklärt.

Vor allem aber wird derzeit die Möglichkeit verbessert, über eine kreative Kohlenstoffbuchführung die Emissionen rechnerisch in den Industrieländern bzw. in Unternehmen nicht unbedingt senken zu müssen. Der eigentliche Nutzen des Instrumentes besteht darin, die Kosten von Klimaschutzmaßnahmen zu senken, indem sie dort umgesetzt werden, wo die Realisierungskosten am niedrigsten ausfallen und möglicherweise noch profitable Gewinne abwerfen. Bei einem Großteil der gegenwärtig registrierten CDM-Projekte2 besteht vor allem Kritik hinsichtlich ihrer tatsächlichen Zusätzlichkeit sowie ihrem Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung - eigentlich ein konstituierendes Element des CDM. So zeigt eine Arbeit des Öko-Instituts, dass 40 Prozent der bis Sommer 2007 registrierten CDM-Projekte dieses Kriterium nicht nachweisen konnten.

Vor allem große und industrielle Projekte werden mit dem CDM adressiert; während kleinere Projekte zur dezentralen Förderung erneuerbarer Energien in der Regel auf Grund hoher Transaktionskosten vernachlässigt werden. Über 90% der CERs kommen aus Indien, China, Süd-Korea und Brasilien. Die Menschen in den meisten ländlichen Regionen Afrikas, Lateinamerikas und Asiens erreicht nur ein verschwindend geringer Anteil von den CDM-Investitionen der Industrieländer. Die nachhaltige Transformation von Energiesystemen oder die Reduzierung der weltweiten "Energiearmut" durch den Ausbau dezentraler erneuerbarer Versorgungssysteme bleibt beim CDM bisher ein Ziel auf dem Papier. So richten die marktbasierten Mechanismen ihr Augenmerk dort hin, wo die sichersten und kostengünstigsten Investitionen getätigt werden können.

Auf dem Weg nach Kopenhagen

Die zentralen klimapolitischen Instrumente, die in der Klimarahmenkonvention und dem Kyoto-Protokoll verankert sind, führen tendenziell zu einer Perpetuierung und Verschärfung anstatt zu einer Abmilderung sozialer Ungleichheiten. Nicht die Frage danach, wer und aus welchen Gründen besonders vulnerabel gegenüber Klimawandel ist, steht im Mittelpunkt der Strategien, sondern die Frage danach, welche (messbaren, volkswirtschaftlichen) Auswirkungen des anthropogenen Klimawandels zukünftig für die nationalen Ökonomien zu erwarten sind. Die Anpassungsmaßnahmen entsprechen daher affirmativen Strategien, die darauf zielen, die spezifischen Auswirkungen des Klimawandels zu korrigieren, ohne die zu Grunde liegenden sozialen und politischen Strukturen anzutasten bzw. zu transformieren. Die herrschenden Eliten im Süden unterstützen eine solche Politik und profitieren vom Finanz- und Technologietransfer von Nord nach Süd. Mit anderen Worten: Die internationalen klimapolitischen Vereinbarungen sind von (ökonomischen) Nutzen bringenden Interessen des Nordens wie des Südens getragen.

Mit dem CDM lässt sich einerseits der Vorwurf eines neuen "Öko-Kolonialismus" verbinden. Der Süden wird zum "modernen" Rohstofflieferanten von CO2-Zertifikaten, die der Norden so dringend braucht, um seine Kyoto-Ziele einhalten und so seinen Wachstumspfad, der auf fossilen Energieträgern beruht, nicht verlassen zu müssen; andererseits bemühen sich die Schwellen- und Entwicklungsländer um ein gutes Investitionsklima, in dem sie Anreize für CDM-Projekte schaffen. Die historisch verankerten strukturellen Dependenzen, die das Nord-Süd Verhältnis insbesondere in Bezug auf die LDCs charakterisieren, werden dadurch nicht aufgelöst. Auch eine Transformation des fossilistischen Energiepfades wird nicht eingeleitet, zumal die erneuerbaren Energien durch das Kyoto-Abkommen gar nicht gefördert werden.

Das wirft die Frage auf, ob die internationale Klimapolitik überhaupt der richtige Ort ist, um dem Klimawandel zu begegnen. Zwölf Jahre nach Unterzeichnung des Kyoto-Abkommens (1997) und 17 Jahre nach Unterzeichnung der Klimarahmenkonvention (1992) sollte jedenfalls deutlich geworden sein, dass die internationalen Maßnahmen langwierig und bisher auch nicht zum Ziel führend sind. In Zeiten der weltweiten Krise und des Wirtschaftsabschwungs stehen die Wiederbelebung des Wachstums bei niedrigen Energiepreisen und die Herstellung der nationalen Wettbewerbsfähigkeit - und zwar in den Industrie-, Schwellen- wie Entwicklungsländern - im Vordergrund, sicher nicht die Reduktion der produktions- und konsumbedingten Emissionen. Die Verhandlungen und zu erwartenden Ergebnisse der nächsten Klimakonferenz in Kopenhagen im Dezember 2009 werden diesem ökonomischen Primat - trotz oder gerade wegen des Erstarkens der Schwellenländer - kaum zuwiderlaufen.

Anmerkungen

1) Ausführlich zu dieser These siehe den Beitrag von uns "Das Klima in den Nord-Süd-Beziehungen", in: Peripherie, Zeitschrift für Politik und Ökonomie in der Dritten Welt, Schwerpunkt: Klima, Politik und Profit, Nr. 112, 28. Jg. 2008, S.400-428. Zu einer Kritik der Instrumente der internationalen Klimapolitik siehe Brunnengräber, Achim; Dietz, Kristina et al. (2008): Das Klima neu denken. Eine sozial-ökologische Perspektive auf die lokale, nationale und internationale Klimapolitik. Münster.

2) Anfang 2009 waren über 1400 Projekte registriert und 4600 Projekte befanden sich in der Vorphase. Zu tagesaktuellen Zahlen siehe cd4cdm.org


Dr. Achim Brunnengräber arbeitet als Privatdozent an der FU Berlin im Bereich Umwelt- und Klimapolitik. Kristina Dietz promoviert an der Universität Kassel zur internationalen Klimapolitik aus der Nord-Süd-Perspektive.

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