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Klaus Holzkamp

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Bildungsgeld statt Gebühren

  
 

Forum Wissenschaft 3/2011; Foto: Sven Hoffmann – Fotolia.com

Studiengebühren sind wieder ein Auslaufmodell - dies ist nicht zuletzt ein Erfolg der Bildungsproteste, wertet Paula Rauch. Als nächsten Schritt plädiert sie für die Einführung eines Studienhonorars.

Mit der Abschaffung der Studiengebühren in Nordrhein-Westfalen zu diesem Wintersemester und der Ankündigung der grün-roten Landesregierung in Baden-Württemberg, zum Sommersemester 2012 nachzuziehen, sind danach nur noch zwei Bundesländer von Studiengebühren betroffen. Sicherlich auch durch die Bildungsproteste der vergangenen Semester hat sich eine Dynamik entwickelt, in der von ehemals sieben Gebührenländern nur noch Bayern und Niedersachsen übrig bleiben.

Für ein Studium zahlen?

Im Zuge der fortschreitenden neoliberalen Umstrukturierung der Hochschulen wird allerdings vielerorts bereits nach anderen Wegen gesucht, Studierende zur Kasse zu bitten. Gerade jetzt strömen durch die Verkürzung der Schulzeit auf zwölf Jahre und die hierdurch entstandenen doppelten Abiturjahrgänge sowie durch die Aussetzung der Wehrpflicht besonders viele junge Menschen an die ohnehin schon überfüllten Hochschulen. Zusammen mit der notorischen Unterfinanzierung führt dies zu neuen Diskussionen und Vorschlägen, wie auf vermeintlich sozial verträglichere Art und Weise finanzielle Beträge von den Studierenden erhoben werden können. So wurde zuletzt an der Universität Potsdam von der Hochschulleitung in einer Diskussion mit Studierenden das Modell der Studienkonten vorgeschlagen; Politiker/innen verschiedener Seiten fordern immer wieder die Möglichkeit günstigerer Studienkredite oder die Einführung einer "Akademikersteuer". Die Idee dahinter bleibt immer, die Studierenden an der Finanzierung ihrer Hochschulbildung zu beteiligen.

Doch auch Studiengebühren, die mit zeitlicher Verzögerung oder versteckt erhoben werden, haben eine abschreckende Wirkung - insbesondere auf junge Menschen aus einkommensschwächeren Familien. Nach wie vor sind Finanzierungsprobleme die Hauptursache für die Entscheidung gegen ein Studium oder einen frühen Studienabbruch. Laut einer entsprechenden Allensbach-Studie von 2010 streben nur 44% der Abiturient/innen, die Finanzierungsschwierigkeiten erwarten, ein Studium an. Unter denen, die keine finanziellen Probleme erwarten, sind es dagegen 79%. Dabei schaffen auch Stipendien nur in geringem Maße eine Abhilfe, da sie wesentlich seltener an Studierende aus sozial- und einkommenschwächeren Familien gehen als an die Kinder von Akademiker/innen: Von denjenigen, bei denen mindestens eines der Elternteile studiert hat, haben sich 2009 24% auf ein Stipendium beworben und 14% eines erhalten, während von denen, deren Eltern als Bildungsabschluss einen Haupt- oder Realschulabschluss haben, sich 20% auf ein Stipendium beworben, aber lediglich 6% eines erhalten haben.1 Während in den OECD-Ländern im Schnitt 56% eines Jahrganges studieren, waren es in der Bundesrepublik 2009 lediglich 43%. Einer der Hauptgründe hierfür ist die unzureichende Studienfinanzierung.

Reformbedürftiges BAföG

Dabei spielen aber nicht nur Studiengebühren eine Rolle. Häufig ausgeblendet wird, dass Studierende schon für den Großteil ihrer Lebenshaltungskosten selbst verantwortlich sind. Das ist gerade bei Wohnraummangel bzw. steigenden Mieten insbesondere in Universitätsstädten sowie insgesamt steigenden Lebenshaltungskosten nicht zu vernachlässigen. Wenn es darum geht, Alternativen zu Studiengebühren zu finden, muss die Studienfinanzierung daher als ganze mit einbezogen werden.

Die derzeitige Ausbildungsförderung ist dabei nicht im besten Zustand. Von rund 2,2 Mio. Studierenden erhielten laut Bundesregierung im Jahr 2010 gerade einmal 386.000 Leistungen im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG).2 Die durchschnittliche Förderung lag bei nur 436 Euro monatlich und lediglich 40% der BAföG-beziehenden Studierenden erhielten den Höchstsatz von 670 Euro. Die Anpassung der Regelsätze im vergangenen Jahr war mehr ein Angleichen an die Inflation als eine nennenswerte Verbesserung für die Studierenden. Dabei war das BAföG bei seiner Einführung vor 40 Jahren um einiges weitreichender: 1971 erhielten 44,6%, also fast die Hälfte der Studierenden, diesen Zuschuss, der zudem nicht zurückgezahlt werden musste. Davon ist das heutige BAföG weit entfernt.

Hinzu kommt die Erkenntnis, dass ein so sozial selektives Bildungssystem wie das der Bundesrepublik auch aus wirtschaftlicher Sicht keinen Sinn macht. Die Begabungen aller sozialen Schichten müssen gefördert werden um den Fachkräftebedarf der Wissensgesellschaft des 21. Jahrhunderts zu stillen. Akademiker/innen sind heute keine kleine Schicht von Privilegierten, dem Großteil der Studierenden steht nach ihrem Studium eine häufig prekäre Lohnarbeit bevor. In diesem Sinne sind Studierende eigentlich (Geistes-)Arbeiter, deren Tätigkeit im gesellschaftlichen Interesse und damit zu entlohnen ist.

Grundeinkommen für Studierende

Ein Studienhonorar ist gerade in Zeiten, in denen Bildung als Ware gesehen wird, die von den Studierenden konsumiert wird, sicherlich der weitestgehende Gegenentwurf zu Studiengebühren. Dabei ist es in anderen Ländern wie zum Beispiel Dänemark längst etabliert: Dort erhalten 91% der Studierenden ein Grundeinkommen, dass für eine Dauer von knapp 6 Jahren monatlich 610Euro beträgt. Auch in Deutschland ist in den 1990er Jahren über ein Ausbildungsgeld diskutiert worden. Damals war ein eltern- und einkommensunabhängiger Sockelbetrag von 500 DM mit weiteren möglichen Zuschüssen bis weit in das bildungspolitische Establishment in der Diskussion. Ein Teil hiervon ließe sich durch eine Umlagerung des studienbedingten Familienleistungsausgleiches finanzieren, hinzu kämen rund eine Mrd.Euro, die Bund und Länder jährlich für das BAföG ausgeben und die dann schließlich in eine neue Studienfinanzierung einfließen könnten.3

Die Einführung eines Studienhonorars ist sicherlich trotzdem kein Projekt, das von heute auf morgen durchgesetzt werden kann. Dafür bräuchte es einen grundlegenden Politikwechsel einhergehend mit einer Diskussion um die gesellschaftliche Rolle und den Charakter von Bildung.

Anmerkungen

1) Siehe hierzu auch den Beitrag von Moska Timar in diesem Heft.

2) Statistisches Bundesamt, Pressemitteilung Nr. 269 vom 19.07.2011

3) Eigene Berechnung nach Angaben des Statistischen Bundesamtes. Siehe hierzu auch den Beitrag von Klemens Himpele und Sonja Staack in diesem Heft.


Paula Rauch ist 19 Jahre alt und Geschäftsführerin von Die Linke.SDS sowie langjährige Bildungsstreikaktivistin.

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