BdWi - Bund demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler

»Wissenschaft ist also ein prinzipielles Gegen-den-Strom-Schwimmen.«

Klaus Holzkamp

Newsletter abonnierenKontaktSuchenSitemapImpressumDatenschutz
BdWi
BdWi-Verlag
Forum Wissenschaft

"Am liebsten gleich hier bleiben und Soldat sein!"

12.08.2013: Bundeswehr 2.0, oder: das mediale Bild der Bundeswehr gegenüber Jugendlichen

  
 

Forum Wissenschaft 2/2013; Foto: photocase.com – kallejipp

Wie der Spiegel im März 2013 berichtete, verschickte die Bundeswehr Werbematerial an Kinder und Jugendliche. Zweifellos beabsichtigt die Bundeswehr nicht künftig schon Minderjährige in ihren Reihen zu sehen und hat den Vorfall "sehr bedauert". Dass Jugendliche aber durchaus zur Zielgruppe der Kampagnen gehören, ist spätestens seit dem in der Bravo und im Fernsehen beworbenen Team- und Funsport-Event für Jugendliche BW-Olympix der Bundeswehr evident. Leider verhallte die mediale Empörung über derartige Werbemaßnahmen bald wieder. Maximilian Haberer und Friedemann Vogel kritisieren, dass bis dato keine grundlegende politische Auseinandersetzung mit dem werbenden Auftreten der Bundeswehr existiert.

Vor diesem Hintergrund steht eine Pilotstudie am Institut für Medienkulturwissenschaft der Universität Freiburg unter Leitung des Medien- und Rechtslinguisten Friedemann Vogel1. Gegenstand der Studie ist die Internetseite www.treff.bundeswehr.de, die sog. "Jugendseite" der Bundeswehr, deren Großteil mit Stand vom 04.12.2012 vollständig archiviert wurde. Im Zentrum der Untersuchung steht die Frage nach dem von der Bundeswehr vermittelten Selbstbild oder Image2, das heißt: Mit welchen sprachlichen, bildhaften und multimedialen Zeichen bzw. diskursiven Strategien sucht die Bundeswehr spezifische Stereotype über Akteure, Orte, Sachverhalte, Objekte usw. bei jugendlichen AdressatInnen durchzusetzen? Im Folgenden werden wir die Ergebnisse dieser kleinen Untersuchung zusammenfassen und abschließend kurz kommentieren3.

Hintergrund

Folgende pragmasemiotische Annahmen liegen dem Vorgehen zugrunde: Die von uns zu analysierenden Zeichen der Website bilden die Welt, auf die sie verweisen, nicht einfach ab, sie konstruieren sie erst durch ihren sprachlichen und bildhaften Zugriff. Die Welt ist folglich ein kognitives und sozial in Gruppen geteiltes Konstrukt davon, was wir als ›unsere Welt‹ verstehen wollen und können. Dieses Wissen ist handlungsleitend, insofern es die Grundlage für unterschiedliche Handlungsoptionen bildet.

Um uns über mentale Modelle der Welt, über ein gemeinsames kulturelles Wissen implizit und explizit zu verständigen (z.B. darüber, was die Bundeswehr sei), greifen wir unter anderem auf sprachliche, bildhafte u.a. Zeichen und damit auf ein konventionalisiertes Sprach- und Weltwissen zurück. Ein Wort wird also ›verstanden‹, da durch die jeweiligen durch die Sozialisation geprägten Zeichenketten Wissensrahmen oder Stereotypen aktiviert bzw. assoziiert werden. Je nachdem, welcher spezifische Ausdruck, ob sprachlich oder bildhafter Art, verwendet wird, wird der so bezeichnete Sachverhalt in einer je besonderen Weise perspektiviert, quasi sprachlich zubereitet.4 Diese sprachlichen Perspektivierungen lassen sich umgekehrt als Indices für die zugrunde liegenden Wissensrahmen (Stereotype) interpretieren und für eine "Linguistische Imageanalyse" fruchtbar machen.

Diese hier nur ansatzweise skizzierten Annahmen über das Verhältnis von Sprache, Welt und Wissen wurden für die Analyse der Selbstinszenierung der Bundeswehr auf ihrer Jugendseite operationalisiert: Die Seite treff.bundeswehr.de richtet sich explizit an Jugendliche. Sie antizipiert ein bestimmtes (Sprach-)Vorwissen, bestimmte Interessen usw. bei der von ihr adressierten Rezipientenschaft. Zugleich verfolgen die Macher der Seite spezifische Interessen (sonst hätten sie die Seite nicht entwickelt), die sich in der Wahl ihrer sprachlichen und bildhaften Zeichen niederschlagen. Das heißt, die Bundeswehr versucht auf der o.g. Seite gegenüber ›jugendlichen‹ AdressatInnen ein bestimmtes Image über das, ›was die Bundeswehr wirklich sei‹ anzubieten und damit bei den Jugendlichen ein spezifisches Wissen (Stereotype über die Bundeswehr) zu evozieren.

Durch die systematische Beschreibung der sprachlichen und bildhaften Muster, des Medienimages der Bundeswehr, kann folglich auf die Denkschemata und die Intentionen der AutorInnen in Form von Hypothesen darüber rückgeschlossen werden, mit welchen sprachlich-diskursiven Strategien die Macher der untersuchten Seite welches Wissen über sich selbst - also über die Bundeswehr - etablieren möchten.

In eben diesem Sinne wurde den sprachlich-bildhaften Spuren nachgegangen, im Einzelnen wie folgt: die Homepage treff.bundeswehr.de wurde am 04.12.2012 mit 319 Einzelseiten (206.495 Wortformen) nahezu vollständig lokal archiviert, in ein auch quantitativ analysierbares Textformat übersetzt und mit Hilfe des TreeTaggers5 POS-annotiert (Anreicherung der Texte mit Metainformationen zur Wortart und Lemma eines jeden Wortes). Mittels der von Friedemann Vogel entwickelten Image-Analysesoftware LDA-Toolkit6 wurden verschiedene Wort- und Keyword-Listen erstellt und statistisch auf rekurrente Sprachmuster auf der Ebene der Lexik (Wortschatz) und der Syntagmen hin ausgewertet. Die originalen HTML-Seiten wurden ebenfalls aufbereitet und im Hinblick auf Sprachhandlungen, Textsorten, Bild-Muster und Bild-Sorten (Ereignis- vs. Genrebilder, Motive, Farben, Bildhandlungen usw.) sowie Bild-Text-Interaktion qualitativ im Paradigma Foucaultscher Diskurslinguistik untersucht. Es handelt sich hierbei um eine erste Pilotstudie mit dem Fokus auf Sprach- und Bildmuster. Bislang nicht untersucht wurden die Video-Mediathek, der Online-Chat und das Community-Forum.

Um den hiesigen Rahmen nicht zu sprengen, werden wir im Folgenden ausgewählte Ausschnitte der Studie im Hinblick auf Sprach- und Bildgebrauch vorstellen. Im Zentrum der Untersuchung der Sprache stehen hierbei Wortschatz und Syntagmen, im Fokus der Bilduntersuchung Bild-Muster, Bildsorten und Bildhandlungen.

Besonderheiten des Wortschatzes und der Syntagmen

Die Analyse von Wortschätzen zu einer Person, einem Werk, einer Epoche - oder auch zu einer Website lässt Rückschlüsse zu auf verschiedene "Sinnbezirke"7, also konzeptuelle Cluster oder "Wortfelder".

So überrascht es zunächst wenig, dass ein Großteil der Lexik, gemessen anhand einer statistisch generierten Liste an Keywords (Wörter, die überzufällig häufig in einem Textkorpus vorkommen im Vergleich zu einem Referenzkorpus), dem militärischen Wortschatz entstammt (z.B. Uboot, Offizier etc.). Interessanter sind vielmehr die statistisch und qualitativ auffälligen Schlagwörter, die die Erwartungen an ein über das Militär informierendes Onlineportal überraschen.

Hierbei ist zunächst auffällig, dass sich die Website zahlreicher Ausdrücke aus der informellen Umgangs-, Jugend-, Medien- und Werbesprache (v.a. [vermeintliche] Anglizismen) bedient: etwa Verben (aufpimpen), Adjektiven (cool) und Substantive (Musix, Sportcracks). Zusammen mit der dominanten informellen Anrede (du, eure) auf nahezu allen Seiten evoziert dieser Stil eine gewisse emotionale Nähe, Vertrautheit und suggeriert eine ›Kommunikation unter Gleichgesinnten‹.

Ein ähnlicher Versuch, Nähe zu inszenieren, findet sich in dem dominanten Reportage-Stil zahlreicher Texte der Website (erklären, erzählen). Hierbei werden regelmäßig Verknüpfungen zu allgemeinen Wünschen und Träumen, die im Grunde jeder Jugendliche früher oder später mit sich trägt, hergestellt. Beispielsweise im Muster ›ein Traum ist in Erfüllung gegangen‹. Auch das Bedürfnis nach emotionaler Nähe, nach ›Zugehörigkeit‹, wird durch Schlüsselwörter wie Kamerad oder [erste/tolle/klasse] Kameradschaft bedient.

Schließlich findet sich ein großes Wortfeld rund um die Domäne ›Ausbildung‹ (Ausbildung, Mannschaftslaufbahn, Flugschüler, Offizierlaufbahn etc.), die - ineins mit Attributen der ›Abwechslung / Spannung‹, ›Berufsperspektive‹, ›finanzielle und soziale Sicherheit‹ usw. - vor allem eine dominant werbende bzw. appellierende Funktion realisieren.

Zu dieser Funktion passen Wörter und Themen wie Krieg und Tod oder töten nicht. Sucht man diese Ausdrücke mittels der Suchfunktion der Website, findet sich ein Beleg für *tot*, in dem es sich um einen historischen Bericht handelt. Bei der Suche nach diesen Ausdrücken in dem der Studie zugrunde liegenden Korpus zeigen sich weitaus mehr, nämlich 83 Belege zur Zeichenkette krieg. Doch auch hier zeigt eine genauere Sichtung, dass es sich bei gut zwei Dritteln um ›historische bzw. vergangene‹ Kriege handelt. Das übrige Drittel verweist auf Gegenstände (Kriegsschiffe) auf einen ironisch-euphemistischen (Krieg der Sterne) oder metasprachlichen Zusammenhang (Stabilisierungseinsatz vs. Krieg in Afghanistan) oder konstituiert ›hypothetische oder prinzipielle‹ Sachverhalte.

Über die Wortebene hinaus finden sich zahlreiche Mehrworteinheiten, die noch eine andere stilistische Besonderheit der Website illustrieren, nämlich das Spiel mit Mehrdeutigkeit von einigen Wörtern bzw. Redewendungen und die implizite Verknüpfung von (ausschließlich positiv denotierten) umgangssprachlichen mit militärischen Bedeutungen, wie zum Beispiel: Das Spiel für Scharfschützen im Zusammenhang eines Fußball-Flashgame; Taxi bitte! in Verbindung mit einem Mannschaftstransportpanzer; oder Die Zukunft im Visier zur Verknüpfung von ›guter Berufs- bzw. Karriereperspektive‹ und ›militärischem Einsatz‹.

Die Systematik dieser Verknüpfungen verweist auf eine besondere diskursive Strategie, nämlich den Versuch, spezifisch militärische Attribute wiederholt an Alltagssemantiken, also Wissen um ›nicht-militärische Normalität‹, zu koppeln oder in sie einzubetten.

Bild-Muster, Bildsorten und Bildhandlungen

In der Tradition Scholz'8 und Felders9 wird im Folgenden zwischen Ereignis- und Genrebildern unterschieden. Ereignisbilder sind singulär denotierend, das heißt, es sind Bilder, die auf nur ein konkretes Konzept (Wissen um ein spezifisches Ereignis, bestimmte Akteure o.ä.) verweisen. Genrebilder sind hingegen multipel denotiert, also Bilder, die prototypisch für ein bestimmtes Teilkonzept stehen.

Auf der untersuchten Website finden wir fast ausschließlich Genrebilder. Bereits der erste Eindruck vermittelt, dass fast sämtliche Genrebilder positiv konnotierte Konzepte aktivieren (›Kraft‹, ›Harmonie‹ etc.). Negativ konnotierte Bilder, die etwa Gefahren oder Ängste evozieren könnten, sind nicht vertreten. Wir differenzieren dabei Gruppenbilder, Personenbilder, Fahrzeug- und Waffenbilder sowie auch Natur- und Landschaftsbilder; Bilder von Gebäuden, Orden oder Portraits seien hier vernachlässigt.

Gruppenbilder

Eine zentrale Funktion der Bilder ist die der Ästhetisierung. Viele Bilder sind gestellt oder zumindest wohl komponiert, sowohl farblich als auch in der Bildaufteilung. Bei den Gruppenbildern ist dies an der ›Eintracht‹ und der regelmäßig dem goldenen Schnitt ähnlichen Bildaufteilung 2/3 zu 1/3 erkennbar. Wie die einheitliche Kleidung vermittelt auch die Gestik in den meisten Fällen eine ›innere Geschlossenheit‹, ›Zugehörigkeit‹ und ›Zusammenhalt‹. Auch wenn viele Personengruppen aktiv und in voller Ausstattung abgelichtet werden, bleibt die konkrete Situation immer vage: Gezeigt werden sollen keine Bilder aus dem Einsatz, sondern (auch vermittelt über begleitenden Text) Übungen, zum Appell stehende oder marschierende Gruppen oder solche, die gerade Spaß an der Sache haben. Auch das gemeinschaftliche Verrichten von Arbeit ist ein sich wiederholendes Motiv.

Personenbilder bzw. Personen in Aktion

Auch bei Personenbildern spielt die Ästhetik eine zentrale Rolle. Die meisten Einzelbilder von Personen in Aktion finden sich wohl in der Rubrik Aktuelles und Berichte. In großer Häufigkeit zeigen diese einzelne Personen, die eine konkrete dynamische Tätigkeit ausüben. Die Besonderheit hierbei ist, dass die abgebildeten Akteure zwar eine ›alltägliche Tätigkeit‹ z.B. als Installateur oder Mechaniker auszuüben scheinen, diese jedoch über Bild- und Textattribute immer als ›spannende außeralltägliche‹ und zugleich ›gefahrlose Tätigkeit‹ markiert wird. Kurz paraphrasiert: ›Beim Militär prüfst Du nicht nur irgendwelche Reifen, sondern die Reifen eines Kampfjets!‹

Fahrzeug- und Waffenbilder

Fahrzeug- und Waffenbilder spielen eine wichtige Rolle auf der Jugendseite. Bilder von Panzern, Flugzeugen oder Kampfschiffen übernehmen in vielen Berichten eine abstrakte illustrierende Funktion. Darüber hinaus bedienen sie - etwa im Downloadbereich, wo Poster und Schulstundenpläne mit Fahrzeug- und Waffenbildern gratis zum Herunterladen zur Verfügung stehen (Termine treffsicher wie die Artillerie planen) - eine gewisse Technik-Affinität der Jugendlichen. Auch hier gilt besonders: ›Gefahr‹ oder ›Ängste‹ spielen keine Rolle, im Gegenteil. Die meisten Bilder von Fahrzeugen sind in einer gefahrlosen und häufig idyllischen Umgebung aufgenommen. So fliegen Kampfjets nicht etwa über zerstörte Krisengebiete, sondern bei meist gutem Wetter über tollen Landschaften oder weißen Wolken. Selbst wenn eine Schusshandlung abgebildet wird, so bleibt das Ziel stets unklar; der ›Kraft und Macht‹ evozierende Schussakt als Teil der Bildästhetik. Unterstützt wird diese Bildsemantik meist durch eine untersichtige Kameraperspektive, die die Fahrzeuge größer und somit auch imposanter wirken lässt. Im Kontext von erläuternden Begleittexten (in der Regel zu Übungen oder Ausbildungssettings) wird dem jugendlichen Rezipienten suggeriert, er könne jenseits von konkreten Gefahren diese mächtigen Maschinen bedienen und beherrschen und dabei abenteuerliche Natur aus außergewöhnlicher Perspektive erleben.

Ähnliches findet sich bei Waffenbildern wie dem Nachfolgenden (siehe Bild: Maschinenpistole MP7)

Die Waffe der im Vordergrund fokussierten Person wird durch gezielte Lupenfokussierung11, untersichtige Perspektive und die kompositorische Bildausrichtung besonders hervorgehoben. Obwohl der im Vordergrund agierende Akteur auf etwas zu zielen scheint, handelt es sich offensichtlich nicht um eine konkrete ›Kampfhandlung‹: Das Ziel bleibt unbekannt, potentiell mimisch ausgedrückte Emotionen bleiben durch Sonnenbrillen und Kopfhaltung verdeckt. Kopf- und Körperhaltung des Soldaten im Hintergrund evozieren eine zwar ›entspannte‹ - aber sehr wohl ›außergewöhnliche‹ Situation. Diese Stimmung von gelassener und somit auch beeindruckender Maschinenbeherrschung (Handlungsmacht) findet sich in nahezu allen Maschinen- und Waffenbildern.

Natur- und Landschaftsbilder

Natur- und Landschaftsbilder bilden häufig eine Art Füllgut in Berichten und Reportagen, ohne einen erkennbaren thematischen Zusammenhang. Im Mittelpunkt stehen etwa einsame Meeresbuchten, springende Delphine und andere imposante Natureindrücke. Sie assoziieren Entspannung beim Rezipienten und heben erneut das ›Besondere‹ im (hier Marine-)Alltag hervor. Die semantische Prosodie der Artikel wird durch diese Genrebilder nachhaltig geprägt und getönt: ›Hier kannst Du was erleben!‹

Fazit

Versucht man die verschiedenen Teilergebnisse der Studie zusammenzufassen, so lässt sich folgendes selbstinszenierte Image der Bundeswehr paraphrasieren: ›Die <A>Bundeswehr<A*> ist ein Ort, an dem sich junge, dynamische, ehrgeizige (deutsche oder mitteleuropäische) Männer und auch Frauen treffen, um in der Gemeinschaft Freude und sportlich-herausfordernde Abenteuer zu erleben, ihre Kinderträume zu realisieren, außergewöhnliche Dinge mit außeralltäglichen Maschinen und Waffen zu erlernen, fremde Kulturen und Länder zu bereisen, dabei perspektivisch finanziell abgesichert und Teil eines (nicht näher spezifizierten, aber) emotional besetzten Großen Ganzen zu sein.‹

Als zentrale Attributionsfelder oder Aspekte eines intendierten Stereotyps lassen sich festhalten: Gemeinschaft (Teamgeist, Kameradschaft etc,), gute Aussichten (Karriereaussichten, Finanzielle Sicherheit), Leistungsprinzip (Sportlichkeit, Coolness, Wettkampf etc.), alltägliches Abenteuer, Spezialausrüstung (Maschinenbeherrschung etc.) und besondere Lernhorizonte (Ausbildung, Spezialistentum).

Die Jugendseite der Bundeswehr antizipiert damit die Stereotype, Emotionen und die Bedürfnisse (Träume) von heutigen jungen Menschen und kanalisiert sie in einem idealisierten, losungsartig ausgegebenem Image mit der Message: ›Komm' zur Bundeswehr!‹ Zu den umspielten Bedürfnissen zählt insbesondere das Bedürfnis nach ›solidarischem Füreinander-Dasein‹, dem ›abenteuerlichen, auch spielerischen Ausbrechen aus (schulischem) Alltag und implizit sozial beschränkten Berufs- und Lebensperspektiven (eine Chance haben)‹ sowie dem Bedürfnis nach ›finanzieller, räumlicher usw. Sicherheit‹. Diese Bedürfnisse werden vielfach aufgegriffen und in den Artikeln durch Wahl der sprachlichen Ausdrücke, Bilder und multimodalen Settings spielerisch (im Sinne einer Gamification) gespiegelt. Ziel dieses diskursiven Verfahrens scheint dabei zu allererst die Anwerbung von neuen Rekruten zu sein, was für die Bundeswehr seit Aussetzung der Wehrpflicht zu einer existentiellen Aufgabe geworden ist. Negative, ja zerstörerische Aspekte des militärischen Agierens bleiben fast gänzlich ausgeklammert oder werden von einer inszenierten Maschinen-Ästhetik überformt.

Diese bundespolitisch offensichtlich geduldete (wenn nicht gewollte) Ver- und Irreführung jugendlicher RezipientInnen - wir sprechen hier von einer Zielgruppe von Jugendlichen ab etwa 12 Jahren! - durch die Werbestrategien der Bundeswehr ist völlig inakzeptabel. Die Bundeswehr (B-Wehr) ist, anders als viele SoldatInnen uns als Reaktion schrieben, eben keine zivile F-Wehr (Feuerwehr) und schon gar kein Unternehmen, das ›nun mal werben müsse‹. Als öffentliche Institution generell und als Element außerdemokratischer Konzepte im Besonderen bedarf die öffentliche Selbstdarstellung der Bundeswehr einer gesellschaftlichen Kontrolle. Diese jedoch scheint derzeit weiter denn je, in Zeiten, in denen der moralische Zeigefinger lieber auf die Waffenfreizügigkeit der USA als auf eigene Waffenexporte verweist.

Anmerkungen

1) Vgl. auch zu den medialen Reaktionen auf die Studie: www.speechact.friedemann-vogel.de.

2) Friedemann Vogel 2010: "Linguistische Imageanalyse (LIma). Grundlegende Überlegungen und exemplifizierende Studie zum Öffentlichen Image von Türken und Türkei in deutschsprachigen Medien", in: Deutsche Sprache (4): 345-377.

3) Vgl. ausführlich: Friedemann Vogel (eingereicht): "›Die Zukunft im Visier‹. Zur medialen Selbstinszenierung der Bundeswehr gegenüber Jugendlichen". Eingereicht bei der Zeitschrift für Germanistische Linguistik. Manuskript auf Anfrage erhältlich.

4) Vgl. hierzu Wilhelm Köller 2004: Perspektivität und Sprache. Zur Struktur von Objektivierungsformen ín Bildern, im Denken, und in der Sprache, Berlin [u.a.].

5) Helmut Schmid 1994: Probabilistic Part-of-Speech Tagging Using Decision Trees, Manchester, UK.

6) Friedemann Vogel 2012: "Das LDA-Toolkit. Korpuslinguistisches Analyseinstrument für kontrastive Diskurs- und Imageanalysen in Forschung und Lehre", in: Zeitschrift für angewandte Linguistik 57 (1): 129-165.

7) Jost Trier 1973: Der Deutsche Wortschatz im Sinnbezirk des Verstandes, 2. Aufl., Heidelberg.

8) Oliver Scholz 2004: "Was heißt es ein Bild zu verstehen?", in: Klaus Sachs-Hombach und Klaus Rehkämper (Hg.): Bild-Bildwahrnehmung-Bildverarbeitung. Interdisziplinäre Beiträge zur Bildwissenschaft, 2. Aufl., Wiesbaden: 105-119.

9) Ekkehard Felder 2007: "Von der Sprachkrise zur Bilderkrise. Überlegungen zum Text-Bild-Verhältnis im Paradigma der pragma-semiotischen Textarbeit", in: Friedrich Müller (Hg.): Politik, [neue] Medien und die Sprache des Rechts, Berlin: 191-219.

10) treff.bundeswehr.de/portal/a/treff/%21ut/p/c4/DcfBDYAgDEDRWVygvXtzC_VWoEiDqaZQWV_yk5d8PHGm9MlFXR6lG3c8oqxhQDfOGRKL8jzyZs6tu17QORaVCoU0DcqZNbEFn7bBxfCt2_ID1VF9FQ%21%21/ treff.bundeswehr.de/portal/a/treff/%21ut/p/c4/DcfBDYAgDEDRWVygvXtzC_VWoEiDqaZQWV_yk5d8PHGm9MlFXR6lG3c8oqxhQDfOGRKL8jzyZs6tu17QORaVCoU0DcqZNbEFn7bBxfCt2_ID1VF9FQ%21%21/

11) Mutmaßlich durch Verwendung eines Weitwinkelobjektivs (kürzere Brennweite, 24-38mm) und Zoom in den Telebereich, nachträglicher horizontaler Stauchung und punktuellem Einsatz von Lupen-Effekten durch Bildbearbeitungsprogramme.


Maximilian Haberer studiert Medienkultur- und Musikwissenschaft an der Universität Freiburg. Friedemann Vogel ist Juniorprofessor für Medienlinguistik am Institut für Medienkulturwissenschaft an der Universität Freiburg (www.friedemann-vogel.de ).

Zum Seitenanfang | Druckversion | Versenden | Textversion