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Klaus Holzkamp

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Die Leichtigkeit der Qualität

15.03.2005: UniCambio XXI: Lateinamerikanisches QM-Projekt mit deutscher Förderung

  
 

Forum Wissenschaft 1/2005; Titelbild: Museum der Arbeit/Reemtsa Fotoarchiv

Die deutschen föderalen Strukturen führten zur Suche nach deutscher Unterstützung für die Entwicklung eines länderübergreifenden universitären Qualitätsentwicklungs- und -sicherungsprojekts in Mittelamerika. Im Wettbewerb öffentlicher Hochschulen Lateinamerikas mit den sich ausbreitendenden privaten soll es den öffentlichen bessere Chancen verschaffen. Martina Pletsch-Betancourt und Matthias Wesseler stellen das Projekt vor.

Ein "wichtiger Aspekt in diesem Programm ist das gegenseitige Lernen. Ich möchte hier hervorheben, wie ich die Zusammensetzung der Gruppe schätze. Hier gibt es Vertreter von öffentlichen und privaten Universitäten. Das ist eine erste Erfahrung innerhalb des zentralamerikanischen Raumes. Die Projekte für den Wandel werden von den Menschen gemacht. In diesem Programm, an dem verschiedene Kulturen teilnehmen, Institutionen mit unterschiedlichen Denk- und Arbeitsstilen, können wir uns engagieren und gemeinsam Lösungen für die Überwindung der Hindernisse auf unseren Wegen finden. Dabei wachsen wir und leisten einen Beitrag, damit die junge Generation eine professionellere Ausbildung durchlaufen kann - hiermit erfüllen wir einen kleinen Teil der sozialen Funktion der Universitäten".1

"Nicht nur besser. Anders", stand neulich als eine Art Vision auf dem Werbeprospekt eines Hotels. Werden wir künftig ähnlichen Aussagen in den Marketingmaterialien unserer Universitäten begegnen - und würden wir uns darüber freuen?

Dialog, System, Kontext

Wie kaum ein Thema der Diskussionen um Wissenschaft und Universität in Deutschland hat die Debatte um Evaluation, Akkreditierung und Qualitätsmanagement zu Konfrontationen und bitteren Spannungen geführt. Mit seltener Klarheit geraten die Konturen von politischen Vorgaben ("Bologna") und die Kriterien für die Verteilung von Ressourcen ("Ökonomisierung") in Konflikt mit grundlegenden Vorstellungen von einer unabhängigen Qualität von Wissenschaft ("Wahrheit"). Macht, Geld und Universität treffen sich in einer Arena und bringen die herkömmlichen, zum Teil jahrhundertealten Beziehungen durcheinander.

Dies ist keineswegs nur in Deutschland oder Europa der Fall. Es handelt sich vielmehr um eine Begegnung, in der viele Dimensionen der Globalität aufeinander treffen. Manche - vor allem die Kritiker in dieser Runde - sehen darin die unausweichliche Gefahr einer totalen Marktorientierung von Lehre und Forschung, während andere glauben, dass sich eine neue Chance für eine kritische "Wissensgesellschaft" herausbildet, in der die Suche nach der Wahrheit schneller zu greifbaren - positiven - Wirkungen in der Gesellschaft führen wird. Die herrschende Kultur des Misstrauens, die sich über alle Kooperationen hinweg in dem ständig wachsenden Konkurrenzdruck zeige, werde überwunden durch eine Kultur des Vertrauens, innerhalb derer die Verfahren von Evaluation und Akkreditierung zu einer Stärkung der Visionen von einer neuen - sozial und ökologisch engagierten - Qualität führe. Qualitätsmanagement diene als wirkungsvolles Instrumentarium dann vor allem dazu, in der Praxis des universitären Alltags die entscheidenden kritischen Innovationen zu unterstützen und weiter voranzutreiben.

Die zentrale Frage ist jedoch nicht so sehr, wer in dieser Debatte Recht behält, sondern eher, wie wir nach einer Antwort suchen, welche Richtung die Dynamik der laufenden Entwicklungen tatsächlich nimmt und welche Möglichkeiten es geben mag, diese Entwicklungen zu beeinflussen. Mitunter hat es den Anschein, als könnten die Belastungen unserer Qualitätsdiskussion in Deutschland erleichtert werden, wenn wir folgenden drei Dimensionen mehr Gewicht geben würden:

  • Dialog: Die Suche nach Qualität ist - wie die Suche nach der Wahrheit - interessengeleitet und wird weitgehend von Ressourcen bestimmt. Unsere zentrale Ressource ist Wissen, und deren nachhaltige Wirkung erhöht sich, wenn sie im Dialog eingesetzt wird.
  • System: "Jedes System ist die Konstruktion eines Beobachters, der nach seinen eigenen Beobachtungsregeln Elemente zu einer Ordnung zusammenfasst".2 Eine Fokusverschiebung von einzelnen Elementen hin zu einer erhöhten Aufmerksamkeit auf deren Interaktionen und Strukturen vermeidet unnötige Einseitigkeiten und stärkt das Bewusstsein für Zusammenhänge.
  • Kontext: Generelle Standards und spezifische institutionelle Qualitätsprofile erscheinen oft im Widerspruch. Dies scheint erst recht für globale Standards und kulturelle Kontexte zu gelten. Die Anwendung anerkannter Standards kann aber umgekehrt auch gerade hilfreich sein, besondere Identitäten sichtbarer zu machen und ihnen größeres Gewicht zu verschaffen.

Im Folgenden wird ein international orientiertes Qualitätsmanagement-Projekt beschrieben, das versucht, diesen Dimensionen einen besonderen Raum zu geben: Programa Internacional de Gestión de la Calidad y del Cambio en la Educación Superior - UniCambio XXI.

Konzepte, Maßnahmen, Ergebnisse

Identitätsbildung durch Qualität - darauf zielt UniCambio XX, ein internationales Dialog- und Trainingsprogramm zu Management von Qualität und Wandel für lateinamerikanische Hochschulangehörige. Die Idee und der Bedarf zur Durchführung von UniCambio XXI sind aus einem spezifischen Kontext heraus entstanden: das Konzept des Programms beruht auf den Ergebnissen von Konferenzen in Mexico (2001) und Lima (2002), wo verschiedene Institutionen sich zu einer Tagung mit dem Titel "Desarrollo de Calidad en Universidades de América Latina" trafen und Vertreter verschiedener Institutionen einen Dialog zwischen Rektoren, Autoritäten und Universitätsexperten verwirklichten. Bei diesem Austausch kristallisierten sich gemeinsame Bedürfnisse heraus, darunter vor allem die Unterstützung der Durchführung von internationalen Diskussionsveranstaltungen sowie die Förderung von Foren des Dialogs und der Kompetenzbildung.

UniCambio XXI startete im Herbst 2003 und ist für eine Laufzeit von eineinhalb Jahren konzipiert. Innerhalb dieser Zeit soll das Zusammenspiel intensiver Arbeitstreffen - 5 Module, von denen 4 in Lateinamerika und eines in Deutschland durchgeführt werden - und fernbetreuter Projektarbeit individuelle wie institutionelle Kompetenzen erweitern sowie regionale und internationale Kooperation stärken. Hier seien nur einige Themen der Module genannt: Qualität und Qualitätsmanagementmodelle, Systemische Führung, Institutionelle Qualität, Institutionelle Dynamik, Organisation und Prozesse, Kommunikation und Konflikte, Kulturen und Profile, Forschung und Entwicklung, Internationalisierung / Regionalisierung als Herausforderung für das Management, Internationale und Regionale Kooperation, Strategien der Qualitätssicherung und Kooperation, Institutionelle Nachhaltigkeit. Die einzelnen Module werden dokumentiert und können auf der Website des Programms www.unicambio.org eingesehen oder bei uns angefordert werden.

Die Kompetenzen der TeilnehmerInnen sollen durch das Programm konkret gestärkt werden, d.h. die wissenschaftlich-analytischen Fähigkeiten und die der praktischen Anwendung bezüglich verschiedener Qualitätsmanagementmodelle; Fähigkeiten zur Entwicklung partizipativer Prozesse im Rahmen des Personalmanagements, wie Moderation, Kooperation und Konfliktmanagement; Stärkung und Vertiefung der Führungskompetenzen innerhalb der Organisationsentwicklung.

Vier Hauptdimensionen charakterisieren das wissenschaftliche Profil des Programms:

  • Individuelle Kompetenzbildung: Lernen, Training, Schlüsselkompetenzen;
  • Institutionelle Entwicklung: die Teilnehmer verpflichten sich mit ihren Projekten hinsichtlich einer spezifischen und realen Herausforderung ihrer Universitäten, d.h. mit einer Restrukturierung einer Fakultät, Einrichtung eines neuen Studiengangs, Entwicklung eines strategischen Plans für eine akademische Einheit, etc.;
  • Wissenschaftliche Attraktivität: neben den Projekten, die sich vor allem auf die Entwicklung einer konkreten und praktischen Aktivität konzentrieren, gibt es auch einige kleinere Forschungs- bzw. Analyseprojekte;
  • Regionale und internationale Kooperation: Die Herausforderung auf dem Bereich der internationalen Kooperationen liegt in einer effektiven Kombination aus der Stärkung der spezifischen kulturellen Identität jeder Institution und der wachsenden Tendenz, internationale Standards zu verfolgen, innerhalb des Globalisierungsprozesses der akademischen Werte.

Das innovative Profil des Programms zeigt sich nicht nur in den Zielen und Inhalten, sondern auch in der Methodologie des Programms. Die Zusammenarbeit gründet sich auf gegenseitige Lernprozesse, deren Anstöße aus verschiedenen Quellen erfolgen:

  • eher konventionell: aus Vorträgen, deren Diskussion und aus der Literatur;
  • aus dem Austausch der Erfahrungen der Teilnehmer und resource persons untereinander;
  • aus den gemeinsam gemachten, aber individuell und institutionell sehr unterschiedlichen Erfahrungen und Einsichten, die aus den Projektarbeiten erwachsen;
  • aus dem persönlichen Engagement für eine emotionale und soziale Programmkultur, in der Visionen, aber auch Ängste und Konflikte angesprochen und diskutiert werden können.

Die gemeinsamen Module sind deshalb nicht nur Ort des Transfers von Wissen, sondern sie geben auch Raum, neue Einsichten zu fördern und neue emotionale Kraft zu schöpfen für die Schwierigkeiten von Qualitätsmanagement im universitären Alltag.

Hinzu kommt ferner eine komplexe Organisationsstruktur, die auf Kooperationen gründet und einen Dialog über gemeinsame Entscheidungen zwischen unterschiedlichen Agenturen und Persönlichkeiten erfordert. Das Programm wird von der Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ), dem Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) und dem Zentralamerikanischen Hochschulrat (CSUCA) unterstützt. Federführend bei Konzeption und Programmentwicklung ist die Universität Kassel (Institut für Soziokulturelle Studien, FB Ökologische Agrarwissenschaften in Zusammenarbeit mit dem Wissenschaftlichen Zentrum für Berufs- und Hochschulforschung WZI) in enger Abstimmung mit der Universität Leipzig (Lehrstuhl für Erwachsenenpädagogik) und der Universidad Nacional, Costa Rica. Für die Umsetzung der Inhalte ist ein international besetztes wissenschaftliches Komitee zuständig: Dr. G. Alfaro (Universidad Nacional, Costa Rica), M.Sc. Iris Erazo (Universidad Pedagógica Nacional Francisco Morazán, Honduras), Prof. Dr. Johann Gerlach (Freie Universität Berlin), Prof. Dr. Jörg Knoll (Universität Leipzig), Dr. Yolanda Rojas (Universidad de Costa Rica), Prof. Dr. Ulrich Teichler (Universität Kassel), Dr. Edmundo Torres (Universidad Nacional Autónoma de Nicaragua,

León), Dr. Matthias Wesseler (Universität Kassel). Finanziert wird UniCambio durch Teilnehmerbeiträge sowie Mittel der beteiligten Universitäten und - nicht zuletzt - von GTZ und DAAD.

Diese Komplexität bringt zwar einen hohen organisatorischen Aufwand mit sich, bietet aber auf der anderen Seite die Grundlage für Meinungsvielfalt, Austausch und Ergänzung in einem interkulturellen Rahmen. Meinungsvielfalt und Interkulturalität nicht nur durch die Präsenz verschiedener Nationen - die Teilnehmer kommen aus Nicaragua, Panamá, Costa Rica, Honduras, El Salvador, Guatemala, Argentinien und Perú - sondern auch durch die Tatsache, dass Vertreter sowohl von öffentlichen als auch von privaten Universitäten teilnehmen. Da in den letzten Jahren in Lateinamerika immer mehr private Universitäten den Bereich der öffentlichen Universitäten invadieren, werden letztere oft eher kritisch betrachtet. Auch bezüglich der eigenen Position der Programmteilnehmer in ihrer Universität zeigt sich Vielfalt: So nehmen junge Dozenten am Programm teil, aber auch erfahrene Dekane, Programmdirektoren, Vize-RektorInnen und eine Rektorin. Doch gerade diese Verschiedenheit hinsichtlich mehrerer Aspekte wird von den Teilnehmern geschätzt und belebt die Diskussionen.

Diversität zeigt sich auch bei einem Blick auf die Themen- bzw. Arbeitsbereiche der Projekte, die von den Teilnehmern durchgeführt werden. Die Fragestellungen reichen von Evaluation über Personalentwicklung bis hin zur Struktur von Organisationen. Die Projekte bedeuten für die Teilnehmer einen sehr hohen Arbeitsaufwand und eine große Eigenverpflichtung. Gleichzeitig bieten die Projekte ihnen aber auch die Möglichkeit, praktisch zu erleben, was es heißt, eine Organisationsstruktur zu schaffen, und wie wichtig es dabei ist zu bedenken, wie diese geschaffene Struktur dann handeln soll. Oder zu erfahren, was es bedeutet, einen strategischen Aspekt in einem Organisationsprozess zu schaffen, wobei in diesem Falle die strukturellen Bedingungen entsprechend entwickelt werden müssen. Um die in den Projekten angestrebte Ziele der Teilnehmer zu erreichen, müssen Unterstützung und Führung nach den Prinzipien der Qualitätsentwicklung gefördert werden. Die gegenseitige Abhängigkeit zwischen Organisation der Struktur und Organisation der Prozesse bedarf besonderer Aufmerksamkeit. Die Qualitätsentwicklung besteht darin, Wandlungsprozesse zu stimulieren und zu entwerfen, wobei hier dem Lernen und der Förderung des Lernens eine zentrale Rolle zukommen.3

Mit all ihren auch negativen Auswirkungen scheint die Globalisierung dennoch auch Chancen für positive Aktionen und Beiträge bieten zu können. Die Impulse der UNESCO in Richtung auf die Nachhaltigkeit von Bildung (sustainable education) sowie die Vorgaben der Vereinten Nationen (UN Milennium Development Goals) können dabei die traditionsreichen Qualitätskriterien akademischer Arbeit ergänzen. Der Erwerb von individuellem Wissen oder Organisationswissen ist nicht mehr alleine ausreichend. Die Herausbildung von Wissens- bzw. Lerngemeinschaften wird in Zukunft eine immer größere Rolle spielen.

UniCambio versteht sich als Versuch, durch Kooperation einen kreativen Beitrag zu leisten zur Diversität im Qualitätsmangement: Lateinamerika - Deutschland, private - öffentliche Universitäten, akademische - nicht akademische unterstützende Organisationen (DAAD; Zentralamerikanischer Hochschulrat CSUCA, GTZ) - als Kooperation jedoch nicht um der Kooperation willen, sondern zur Förderung der individuellen und institutionellen Identität durch Qualität.

Die quantitativen und qualitativen Daten einer Zwischenevaluierung zeigen, dass diese gemeinsam vereinbarten Ziele nach Auffassung der TeilnehmerInnen auch tatsächlich erreicht werden: "Ich glaube, dass ich nun innerhalb meiner Universität mehr beitragen kann. Eine meiner Wahrnehmungen besteht darin, dass ich jetzt immer versuche, unsere Arbeit mit besserer Qualität zu verwirklichen und diese Qualität auf meine Kollegen zu projizieren"; "Ich fühle mich jetzt eher bereit, Verantwortung und Führungsaufgaben zu übernehmen"; "Immer zu versuchen, den Kreis zu schließen: die durch Evaluation entstehende Information zu analysieren und die Ergebnisse nutzen, um die nötigen Veränderungen durchzuführen."

"Qualität ist bunt"

Das Programm UniCambio wurde, wie eingangs erwähnt, auf Konferenzen in Mexiko und Lima geplant und erhielt dann von seinem wissenschaftlichen Beirat und den TeilnehmerInnen eine konkrete Gestalt. Hinter ihm steht eine über zehn Jahre alte Geschichte gemeinsamer Aktivitäten des zentralamerikanischen Hochschulrats CSUCA, deutscher Universitäten, vor allem der Universität Kassel, und deutscher Institutionen wie DAAD, GTZ, HRK und InWent. Ein besonderes Programm ist in diesem Zusammenhang das University Staff Development Programme UNISTAFF. Seit 1992 treffen sich dort einmal jährlich etwa 20 Wissenschaftler aus Afrika, Asien und Lateinamerika, um sich über drei zentrale Handlungsfelder auszutauschen: über universitäre Organisationsentwicklung, Qualität im Lehren und Lernen sowie Forschungsmanagement. Aus diesem Programm sind eine Vielzahl weiterer internationaler Kooperationsprogramme hervorgegangen, deren Ergebnisse in einer großen Konferenz im Juli 2004 in Witzenhausen ausgetauscht wurden.4

Es mag kein Zufall sein, dass gerade die zentralamerikanischen Universitäten eine enge Kooperation mit deutschen Institutionen im Bereich von Evaluation und Akkreditierung sowie Qualitätsmanagement gesucht haben. Diese im "Vorhof" der USA gelegenen Universitäten suchen nach Möglichkeiten, sich mit Qualitätsmodellen vertraut zu machen, die sich von den dominanten nordamerikanischen Ansätzen unterscheiden. Die Grundfrage nach der Akkreditierung - und damit der wechselseitigen Anerkennung von Studienleistungen und Zertifikaten - spielt in der gegenwärtigen Phase des Zusammenwachsens auch dieser Staaten eine große Rolle.

Dennoch bleibt bei aller Nachfrage die Identifikation von akademischen Werten und Standards, die einem historischen, kulturellen, sozialen und ökonomischen Kontext angepasst sind, sowie die Einigung auf gemeinsam getragene Verfahren eine große Herausforderung. Dies zeigt nicht zuletzt abschließend ein Beispiel, das in UniCambio Gegenstand von Sorge, aber auch von Hoffnung wurde: Eine Teilnehmerin, Rektorin einer Universität, wird von ihrer Regierung verpflichtet, in ihrer Universität ein bestimmtes Evaluationsmodell einzuführen. Dies verschärft bereits vorhandene Konflikte und führt schließlich zu einem lange andauernden Streik, der die ganze Universität lahmlegt. Dabei dreht sich der Konflikt-Diskurs um die Pole der Freiheit und Autonomie von Wissenschaft und Universität auf der einen Seite und um die Verpflichtung der Universität - und der Wissenschaft -, ihre gesellschaftliche und wirtschaftliche Leistung sichtbar zu machen.

Wir glauben nicht, dass UniCambio eine allgemeingültige Lösung für diesen Konflikt erbringen kann. Wir sind aber überzeugt, dass ein solches Programm mit seiner Dialogstruktur beitragen kann, derartige Konflikte besser zu verstehen. Dies gilt vor allem dann, wenn die Einsicht gestärkt wird, dass es nicht nur eine "vertikale", an internationalen Standards gemessene Qualität gibt, sondern dass diese Dimension ergänzt werden muss durch eine "horizontale", an jeweiligen Kontexten, Profilen und Identitäten orientierte Qualität. "Qualität ist bunt", wie ein UniCambio Teilnehmer sagte, und es hat den Anschein, dass eine solche Einsicht mit größerer Leichtigkeit - und vielleicht auch Wirksamkeit - im Kontext eines internationalen Kooperationsprogramms gewonnen werden kann als in den "Grabenkämpfen" des eigenen akademischen Alltags.

Literatur:

Gruppe 2004 (2004): Hochschule neu denken. Memorandum www.uni-lueneburg.de/gruppe2004/seiten/kontakt.htm

GTZ (2005): UniCambio XXI, Módulo 4 - Documento Final. Eschborn, 2005: Knoll, Jörg: El recorrido de los proyectos, 55-85

Schwarz, Stefanie und Westerheijden, Don F. (eds.) (2004): Accrediation and Evaluation in the European Higher Education Area. Kluwer Academic Publisher, Dordrecht/Boston/London

Tavenas, Francois (2003): Quality Assurance: A reference system for indicators and evaluation procedures. European University Association. Brussels

Wesseler, Matthias (1999): Evaluation und Evaluationsforschung. In: Tippelt, Rudolf (Hrsg.): Handbuch Erwachsenenbildung/Weiterbildung. Leske+Budrich, Opladen, 736-753

Wesseler, Matthias (2004): Promoviendo la Calidad. In: Fröhlich, W./Jütte, W. (eds.): Qualitätsentwicklung in der postgraduierten Weiterbildung. Waxmann, Münster/New York, 305 - 315

Willke, Helmut (2004): Einführung in das systemische Wissensmanagement. Carl-Auer-Systeme, Heidelberg.


Anmerkungen

1) Graciela Rodriguez Franco de Flores, Universidad Don Bosco, El Salvador; Teilnehmerin in UniCambio XXI

2) Willke, Helmut (2004): Einführung in das systemische Wissensmanagement.Carl-Auer-Systeme, Heidelberg, 8

3) Knoll, Jörg: El recorrido de los proyectos, in: GTZ (2005): UniCambio XXI, Módulo 4 - Documento Final. Eschborn, 2005: 55-85, 66

4) Der Dokumentationsband ist im Druck.


M.Sc. Martina Pletsch-Betancourt ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin der Universität Kassel, Programmorganisation UniCambio XXI, Institut für Soziokulturelle Studien, Witzenhausen. Ihre Arbeitsgebiete sind Kooperation und Interkulturelle Kompetenz. Dr. Matthias Wesseler ist Studiendekan des Fachbereichs Ökologische Agrarwissenschaften der Universität Kassel, Institut für Soziokulturelle Studien, Witzenhausen. Er arbeitet zu Hochschulentwicklung und zu Sozialer Ökologie.

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